Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 42 vom 19. Februar 1932. S. 4
das Gesetz nicht erst ein Jahr, sondern schon drei Monate nach der Verkündung in Kraft treten zu lassen, und zwar aus den schon in den Ausschüssen gegebenen Gründen.
Der ostpreußische Vertreter Freiherr von Gayl war gleich⸗ falls der Neffafsung. daß das Gesetz nur wirksam werden könne, wenn die Ausnahme des § 1 Ziffer e gestrichen werde. Er ver⸗ zichte allerdings auf einen Streichungsantrag, weil er aussichtslos erscheine, stimme jedoch gegen diese Vorschrift.
Ein Vertreter des Reichsjustizministeriums erklärte, die von Preußen beantragte verkürzte Frist für das In⸗ krafttreten dieses Gesetzes erscheine auch der Reichsregierung ge⸗ nügend.
Der stellvertretende Bevollmächtigte der Provinz Hannover, Verleger Dr. Jänecke, stellte erneut den Antrag, die Abonnenten⸗ versicherung der Tageszeitungen zu verbieten.
Der bayerische Gesandte Dr. von Preger erklärte, seine Regierung halte die längere Uebergangsfrist von einem Jahr namentlich im Interesse der Porzellanindustrie für so wichtig, daß sie sich vorbehalte, bei Annahme des preußischen Antrages gegen das ganze Gesetz zu stimmen.
Der Vertreter der Provinz Pommern Graf Behr schloß sich der Erklärung des ostpreußischen Vertreters an.
Der Vertreter Badens beantragte vermittelnd, die Frist für das Inkrafttreten des Gesetzes auf 6 Monate zu be⸗
messen.
Der auf Verbot der Abonnentenversicherung der fand nicht genügend Unterstützung.
Der preußische Antrag, die Uebergangsfrist bis zum In⸗ krafttreten des Gesetzes auf nur 3 Monate zu bemessen, wurde mit 36 gegen 30 Stimmen angenommen. Dafür stimmten außer der preußischen Staatsregierung sämtliche Provinzen und die kleineren Länder, dagegen Bayern, Sachsen, Württem⸗ berg, Baden, Thüringen, Hessen und Mecklenburg⸗Schwerin. Wegen dieser Verkürzung der Uebergangsfrist wurde dann die Gesamtvorlage gegen die Stimmen von Bayern und Sachsen angenommen.
Der Ernennung des Reichsgericht, Oberlandesgerichtsrat Reichsgerichtsrat stimmte der Reichsrat zu. Bäckerinnungsverband Saxonia in wurde die Rechtsfähigkeit verliehen.
D
Antrag Dr. Jänecke
Tageszeitungen
bisherigen Hilfsrichters beim Dr. Ziegler, zum Dem sächsischen Dresden
Preußischer Landtag. 276. Sitzung vom 18. Februar 1932. (Bericht d Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
In Erledigung kleiner Vorlagen beschäftigt sich der Landtag in seiner heutigen Plenarsitzung zunächst mit den sozialdemokratischen Anfragen und An⸗ trägen, in denen von der Verwendung landwirtschaft⸗ licher Genossenschaftsmittel für parteipolitische Zwecke in Pommern sowie über den Zusammenbruch des Verlages „Pommersche Reichspost“ gesprochen wird, die ferner das Urteil in dem Prozeß gegen Direktoren und Angestellte der Pommerschen Hauptgenossenschaft betreffen sowie von einem Korruptionsskandal in der Pommerschen Spiritusverwer⸗ tungs⸗Gesellschaft sprechen und Bekämpfung des Terrors des Landbundes bei Bildung einer sogen. Not⸗ und Schicksals⸗ gemeinschaft in Pommern verlangen.
Der Landwirtschafts⸗Ausschuß beantragt, die sozialdemokratische Anfrage für erledigt zu erklären, in der behauptet wird, die Pommersche Landbundgenossenschaft habe Genossenschaftsgelder u. a. durch Beteiligung an der nun zu⸗ sammengebrochenen „Pommerschen Reichspost“ zu partei⸗ politischen Zwecken verwendet.
Abg. Hartwig⸗Stettin (Soz.) begründet die Anträge seiner Partei, in denen von Korruptionsskandalen der deutsch⸗ nationalen pommerschen Landbundstelle die Rede ist. Der eine der Anträge erklärt sich unbefriedigt von einem Geldstrafenurteil, das gegen Direktoren und Angestellte der Pommerschen Haupt⸗ fenassen gn von der Strafkammer Stettin gefällt wurde, weil lie die Gesamtheit durch gesetzwidrige Schiebungen geschädigt hätten. Ein weiterer Antrag spricht von einem Korruptions⸗ skandal in der Spiritus⸗Verwertungs⸗Gesellschaft, bei dem Reichs⸗ mittel zu deutschnationalen parteipolitischen Zwecken verwendet worden seien. Bereits im August 1931 habe die Staatsanwalt⸗ schaft ein Verfahren gegen die Direktoren der Pommerschen Haupt⸗ genossenschaft wegen Unterschleife mit Einfuhrscheinen eingeleitet. In der Hauptverhandlung sei festgestellt, daß durch diese Schie⸗ bungen das Reich um 176 000 Reichsmark geschädigt worden sei. Das Geldstrafenurteil gegen die Täter, die zur Avantgarde Hugen⸗ bergs und Hitlers gehörten; werde in der Oeffentlichkeit als un⸗ befriedigend bezeichnet. Bei diesem Prozeß habe sich gezeigt, wi diejenigen aussehen, die das jetzige Regime bekämpfen, die, wi Herr von Rohr beim Volksbegehren sagte, vom „erwachenden Preußen“ sprechen. Schieber seien diese Leute und sonst nichts. Ein besonderer Korruptionsskandal habe sich durch ein Schreiben enthüllt, das der Landesvorsitzende des deutschnationalen Landes⸗ verbandes Pommern, von Zitzewitz, an die Rittergutsbesitzer richtete. Darin hieß es, der Landrat von Bismarck habe mit den lei enden Persönlichkeiten der Spiritus⸗Verwertungs⸗Gefellschaft Rücksprache genommen. Diese sei bereit, selbst unter großen Schwierigkeiten eine einmalige Ueberweisung für das Jahr 1932 an den Landesverband der Partei zu ihren Lasten vorzunehmen. Eine genaue Kalkulation habe ergeben, daß es notwendig ist, daß für je 100 zu liefernde Liter Spiritus 10 Pfg. Sonderbeitrag be⸗ zahlt werden müßten. „Von uns aus“, so sage das Schreiben weiter, „können wir selbstverständlich die Berechnung für ihre Spiritusmenge und damit die Berechnung der Beitragssumme nicht vornehmen. Dieses will liebenswürdigerweise das Büro der Spiritusverwertung übernehmen“. Der Redner erinnert daran, daß auf diese Weise Reichsgelder, die die Spiritusgesell⸗ schaft erhalte, der Deutschnationalen Partei zugeflossen seien, und fordert Vorgehen „gegen diesen Korruptionsskandal“. Es liege hier auch nicht etwa ein Einzelfall vor, sondern ein System schlimmster Korruption. So habe nämlich die Deutschnationale Partei Pommerns auch bei den Reichstagswahlen 1928 einem Vertreter der Spiritusinteressenten ein sicheres Mandat auf der Reichsliste gegen Zahlung von 40 000 RM überlassen, Den Gipfel deutschnationaler Sabotage bedeute ein Rundschreiben des Pommerschen Lardbundes, das zur Bildung einer Schicksals⸗ gemeinschaft auffordert und unter Terrordrohungen zu erreichen versucht, daß erst hinter allen anderen Ausgaben die Steuern ent⸗ richtet würden. Das Rundschreiben eines pommerschen Kreis⸗ landbundes lasse die Steuern und Ausgaben sogar erst hinter den Landbund⸗ und Parteibeiträgen rangieren. (Lebhaftes Hört, hört!) Auch der Pommersche Landbund habe sich hiernach der Aufforderung zur Verletzung der bestehenden Gexetze schuldia ge⸗ macht, wie dies schon andere Landbünde getan hätten. Der hierzu vorgelegte Antrag der S. P. D. verlange Bekämpfung des Terrors mit allen Mitteln. Die deutschnationalen Landbundleute wollten zwar dem Staat die Steuern verweigern, verlangten aber gleich⸗ zeitig immer größere finanzielle Unterstützung vom Staat, Viele ommersche Kreise könnten infolge der gemeingefährlichen Steuer⸗ abotage der Deutschnationalen und der Landbündler nicht ein⸗
mal mehr die Unterstützung aun die Wohlfahrtserwerbslosen zahlen .. hört! bei — Sozialdemokraten) und richteten Hilferufe an die preußische Regierung. Es sei daher grobe Dema⸗ gogie, wenn man „das System“ für die Schwierigkeiten verant⸗ wortlich mache. Mit Ausnahme eines Falles in Mecklenburg⸗ Strelitz habe sich in Deutschland bisher kein Staatsanwalt ge⸗ funden, der gegen die staatsgefährliche Steuersabotage und den Terror vorgegangen wäre. Nicht einmal die Bürokratie in Pommern schütze die kleinen Landwixrte vor dem Terror der Deutschnationalen. Bisher habe die Regierung bn den Korrup⸗ tionsfällen der Deutschnationalen nur sehr milde Erklärungen ab⸗ gegeben, die nicht genügten. Die Regierung müsse endlich mit starker Hand zugreifen, wie es die S. P. D. in ihren Anträgen im Interesse — schaffenden Bauern fordere. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg. v. Rohr (D. Nat.) meint, die sozialdemokratischen An⸗ träge seien ein Schulbeispiel für den heutigen Leerlauf der Parla⸗ mente. (Lachen bei den Sozialdemokraten und Zurufe.) Vor einiger Zeit hätten die Sozialdemokraten auch im Fall der „Pommerschen Reichspost“ so große Töne geredet; heute seien sie darüber still geworden, weil schon im Ausschuß ihre Behauptungen in dieser Angelegenheit kläglich zusammengebrochen seien. Der Redner wendet sich gegen die Angriffe der Vorredner auf An⸗ ehörige des Pommerschen Landbundes und der Deutschnationalen
artei. Gerichtlich sei festgestellt worden, daß dem angegriffenen
Direktor jede gewinnsüchtige Absicht ferngelegen habe. Der Redner fragt, ob nicht in der Domänenbank zur Zeit des Finanzministers Klepper Wechselstempelsteuer hinterzogen sei und wie man denn das nenne? (Lärm bei den Sozialdemo⸗ kraten.) Der Fall einer Banküberweisung an die Deutsch⸗ nationale Partei, die der Vorredner zur Sprache gebracht habe, werde hier als unzulässig bezeichnet. Wenn es sich um eine Regierungspartei handele, betrachte man so etwas dagegen als ganz selbstverständlich. Der Pommersche Land⸗ bund habe mit Recht gesagt, daß jeder aus seinen Reihen aus⸗ zuscheiden habe, der auf Zwangsversteigerungen das Eigentum landwirtschaftlicher Berufsgenossen an sich bringe. Die Re⸗ gierungsparteien, besonders die Linke, halten eine derartige Be⸗ reicherung nicht für anrüchig. Diese Leute könne man der Linken lassen. Von allen Vorwürfen des Abg. Hartwig bleibe nur eine kleine, elegante, charmante Fälschung von ihm selbst übrig. Lärmende Zurufe bei den Soralbemokraten)
Abg. Kirchmann (Soz.) erklärt, das Wort „Fälschung“ sei von dem Vorredner doch wohl in etwas zu weitem Umfang angewendet worden. Skandale seien heute in Deutschland am laufenden Bande zu sehen. Wenn man den Sklarekprozeß anführe, so müsse man auch den Raiffeisenskandal nennen, der viel größeren Umfang gehabt habe. (Widerspruch rechts.) Vom Landbund Kassel sei dazu aufgefordert worden, entgegen den Beschlüssen des Landtags die Maße und Gewichte nur alle 4 Jahre anstatt alle 2 Jahre eichen zu lassen. Die Gewerkschaften würden ihre stärksten Reserven bereithalten, um den Kapitalismus und die mit ihm verbündeten Deutschnationalen zu beseitigen. Der Redner kritisiert die Rede des Abg. von Rohr auf dem deutschnationalen Parteitag in Stettin, auf dem dieser den Regierungsparteien, vor allem auch dem Zentrum, die Betätigung händlerischen Geistes vor⸗ geworfen — Abg. von Rohr sei gar nicht berechtigt, für die eutschen Bauern zu sprechen. Er nehme es auch selber mit seinen Behauptungen nicht allzu genau. In einer Landbundversamm⸗ lung habe Abg. von Rohr g0 t: Die ganze Osthilfe ist nichts als eine wüste Quälerei. Er habe auch davon gesprochen, daß die preußische Regierung Nomaden schüße. die den Fleißigen haßten und den Deutschen verrieten. Der Redner polemisiert weiter gegen einzelne Aeußerungen des Abg. von Rohr und gegen Aeußerungen und Haltung des Stahlhelms, der als sozialreaktionär zu be⸗ eichnen sei. Der Landbund sei für Senkung der Löhne auf den Vorkriegsstand. Die Selbsthilfe des Stahlhelms wolle in der⸗ selben Weise Wanderarbeiter haben wie früher. Abg. von Rohr habe sogar im Winter polnische Landarbeiter beschäftigt und dafür deutsche Arbeiter entlassen. Nationalsozialistische Berufs⸗ genossen hätten Herrn von Rohr als Verräter bezeichnet, der für sie erledigt sei. Der Redner wirft dem Abg. von Rohr wiederholt Unwahrhaftigkeit und Unehrlichkeit vor. (Unruhe und Wider⸗ spruch bei den Deutschnationalen.)
Die Aussprache wird zur Vornahme der Abstim⸗ mungen über die zur Zweiten Preußischen Sparverord⸗ nung gestellten Anträge unterbrochen.
Die Anträge der Deutschnationalen, der Deutschen Fraktion und der Kommunisten auf Aufhebung der Spar⸗ verordnung wurden mit den Stimmen der Regierungs⸗ parteien abgelehnt. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis wurde beschlossen, die zweite Sparverordnung zur Kenntnis zu nehmen. Annahme finden Anträge des Sree. us. worin das Staatsministerium ersucht wird, im Falle des Erlasses weiterer Spar⸗ bzw. Notverordnungen dem Landtag und Staatsrat vor Erlaß derselben Gelegenheit zur Mit⸗ arbeit zu geben, 88 nicht zwingendes Reichsrecht daran hindert; im Falle der Aufhebung der staatlichen Kunst⸗
akademien in Breslau, Königsberg in 8 und Kassel
dort je einige Meisterateliers bestehen zu lassen; um die Theater in Kassel und Wiesbaden — wenn auch in anderer Form als bisher — aufrecht erhalten zu können, in den Haushalt für das Jahr 1932 für die Theater in Kassel und Wiesbaden den Betrag einzusetzen, der für Beamten⸗ gehälter, aus noch laufenden Verträgen und für Unter⸗ haltungskosten aufgewandt werden müßte, wenn das Personal weiterbeschäftigt werden würde.
Beim Abschnitt „Pädagogische Akademien“ wird der Ausschußantrag angenommen, der die Regierung auffordert, an Stelle der aufgelösten Hochschule ö-. Leibes⸗ übungen in Spandau eine Zentralstelle für Leibesübungen in Berlin möglichst zu schaffen. b
Der deutschnationale Antrag, die Simultan⸗ Akademie in Frankfurt/ M. aufzulösen, wird gegen die Stimmen der Deutschnationalen, kleiner Rechtsparteien und des Zentrums abgelehnt; der zweite Teil des deutsch⸗ nationalen Antrages, der für die simultane Akademie eine weitere evangelische Akademie aufrechterhalten wollte, wird S“ abgelehnt, und zwar gegen die Stimmen der
eutschnationalen und der Deutschen Volkspartei sowie kleiner Rechtsgruppen.
Anträge des Verfassungsausschusses, die auf deutsch⸗ volksparteiliche Uranträge zurückgehen und die Regierung ersuchen, den Erlaß des Kultusministers über die Flan-⸗ wirtschaft im mittleren und höheren Schul⸗ wesen erst dem Landtag vorzulegen, ehe eine Entscheidung erfolgt, sowie einen Nachweis über die Zahl der abgebauten Studienassessoren vorzulegen, werden in nament⸗ licher Abstimmung mit 257 Stimmen der Rechtsparteien, des Zentrums und der Staatspartei gegen 133 Stimmen der Linken angenommen.
Ein deutsch⸗volksparteilicher Antrag, der unter Hinweis auf die der Altersgrenze für Lehrer den Kultusminister ermächtigen will, Ausnahmen von der Zwangspensionierung der Lehrer beim 62. Lebensjahr zu⸗ zulassen, wird mit 161 Stimmen der Rechtsparteien und Kommunisten gegen 212 Stimmen der Regierungsparteien
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abgelehnt. Ein im gleichen Sinne gehaltener deut nationaler Antrag wird in einfacher Abstimmung abgeleh — Annahme mit großer Mehrheit findet dagegen ein En schließungsantrag der Regierungsparteien, der die Regiermt. ersucht, beim Vorliegen befonders schwerwiegender Härtan bei Zwangspensionierungen der . re 89 den neuen Vorschriften Beihilfen zu gewähren. b um Kapitel „Verwaltungsreform“ findet de Ausschußantrag Annahme, der die Regierung ersucht, bei 2. Neuregelung auf die spätere Reichsreform Bedacht ’ nehmen, vor Entscheidung die örtlichen usw. Instanzen; hören und die Leistungsfähigkeit der Verwaltungsbezirt entscheidend sein zu lassen. nr;
Zum Kapitel „Gehaltskürzungen“ erklärt das us auf Antrag des Ausschusses die Runderlasse über die Durchführung der dritten Gehaltskürzung bei Beamten und Lehrern, über die der versorgungsrechtlichen Bestimmungen aus der Sparverordnung vom 12. September und über die Durchführung der dritten Gehaltskürzun bei den Versorgungsbezügen durch Kenntnisnahme für e- ledigt. Angenommen wird ein deutsch⸗volksparteilicher An⸗ trag, die Bestimmungen über die Abführpflicht von Neben⸗ einnahmen einer erneuten Prüfung zu unterziehen, ins⸗ besondere bei den staatlichen Medizinalbeamten eine Ueber⸗ gangsregelung zu treffen. — Weiter findet Annahme ein Antrag der Staatspartei, zu verhüten, daß die Einkommen der staatlichen Angestellten und Arbeiter unter den Stand vom 10. Januar 1927 gesenkt werden. Hinsichtlich der Beamten wird der staatsparteiliche Antrag in der Ausschuß⸗ fassung angenommen, wonach die Regierung die preußischen Sparverordnungen alsbald so ändern soll, daß jede Seeg der preußischen Beamten gegenüber den Reichsbeamten eseitigt werde. Auch soll die Notlage der stellenlosen Lehrpersonen und Schulamtsbewerber durch ge⸗ eignete Maßnahmen behoben werden. Speziellere Beamten⸗ anträge werden dem Beamtenausschuß überwiesen.
Zum Abschnitt „Oeffentliche Fürso rge⸗ leistungen“ wird ein Ausschußantrag angenommen, den Durchführungserlaß vom 16. September 1931 nachzuprüfen, um gar zu große Härten bei seiner Durchführung zu ver⸗ hüten.
Zum Kapitel „Gewerbeaufsichtsämter und Berg reviere“ findet der Ausschußantrag Annahme, wo⸗ nach die Aufhebung von 9 Gewerbeaufsichtsämtern und 4 Bergrevieren dann rückgängig gemacht werden soll, wenn durch die Aufhebung eine Verminderung des Arbeitnehmer⸗ schutzes erfolgen würde.
Die Anträge zur verfügten „Aufhebung der Kulturbauämter“ werden dem Hauptausschuß zurüc⸗ verwiesen, während zum Abschnitt „Schutz des inneren Friedens“ gemäß dem Ausschußantrag kommunistische Anträge auf Aufhebung von Demonstrations⸗ und Ver⸗ sammlungsverboten abgelehnt werden.
Bezüglich der Abstimmungen über die Pädagogischen Akademien ist festzustellen, daß es bei den Beschlüssen der Regierung bleibt, daß also von den 15 geplanten Akademien nur 6 aufrechterhalten werden. eesgg an wurden auch die Anträge mehrerer Parteien abgelehnt, die die Aufrecht⸗ erhaltung der Pädagogischen Akademie in Hannover forderten.
Damitt sind die Abstimmungen beendet. Das Haus sett die Aussprache über die sozialdemokratischen Anträge, betr. die Pommersche Landbund⸗Genossenschaft usw., fort.
Abg. Grobis (Komm.) nimmt gegen die Unterstützung der Landbundgenossenschaften durch öffentliche Mittel Stellung. Durch die Unterschlagungen seien die Landbundgenossenschaften völlig zusammengebrochen, und die landwirtschaftlichen Genossen seien betrogen und“ ihrer Existenz beraubt. Die Sozialdemokratie sei daran mit Schuld, denn sie habe die Zuschüsse aus Steuermitteln an die Landbundgenossenschaften mit bewilligt. Mit der Er⸗ werbung des Gebäudes der „Pommerschen Reichspost“ in Stettin für 420 000 ℳ hätten die Sozialdemokraten ein gutes Geschäft gemacht, denn das Gebäude sei viel mehr wert. Die Sozialdeme⸗ kraten hätten keine Veranlassung, sich über die Korruptions⸗ skandale so sehr zu entrüsten, denn ihre Leute säßen ja mit in der preußischen Regierung. Die habe aber niemals etwas dagegen unternommen. Die Sozialdemokraten wollten aber gar nicht sie en die Korruption einschreiten, sondern vor den bevor⸗ lehenden Wahlen nur etwas Wahlagitation treiben und auf die kleinen Landwirte Eindruck machen. Diese sollten auch für die deutschnationale Propaganda ausgenutzt werden. Der neue
ommersche Landarbeitertarif werde auf den geschlossenen Wider⸗ tand der Landarbeiter stoßen. Die Sozialdemokratische Partei ei interessiert an der Aufrechterhaltung des korrupten kapita⸗ listischen Systems.
Abg. Grzimek (D. Staatsp.) erklärt, die Rede des Vor⸗ redners zeige, wie die Kommunisten der äußersten Rechten in die Hände arbeiteten. (Lärm bei den Kommunisten.) Eine un⸗ Bih liche überhebliche Tonart habe sich wieder in der Rede des
eutschnationalen Sprechers gezeigt, der so tue, als ob er allein Verständnis und Liebe für den Osten gepachtet habe. Dabei säßen doch die Deutschnationalen werklich facbie im Glaskasten, wie die Korruptionsfälle in ihren Reihen bewiesen. Ihr Geschrei Pegen das System vertrage sich auch nicht mit dem Verkauf ihrer
ebäude in Pommern an die freien Gewerkschaften. Die
Methoden des Herrn von Rohr, der es sogar wage, allen anderen als den Deutschnationalen Haß gegen den deutschen Osten iu unterstellen, brauche man nur im Ostgebiet zu veröffentlichen, um dem Osten das Verwerfliche solcher Methoden darzulegen, Herr von Rohr habe gesagt, das Landvolk hätte kein Vertrauen mehr zum heutigen System, aber namenloses Vertrauen zu den Männern des aften Systems; das sind, so sagt der Redner, bit vor kurzem auch noch die Herren Schlange und Schiele gewesen seonte hetzen die Deutschnationalen gegen Schlange und Schicle als geßen Marxisten. Vor kurzem taten sie noch ⸗ als ob sie namenloses Vertrauen zu Hindenburg hätten und wie schallt es jetzt aus ihrem Blätterwald? Die Folgen dieser Hett sind, daß in einer Versammlung bereits ein Mann verhafte wurde, der Schmähungen gegen Hindenburg ausstieß und 8 dem man dann Schlagring und Revolver fand. Das sind de Früchte der deutschnationalen Hetzekampagne. (Sehr wahr’ be der Staatspartei.) Sie (zu den Deutschnationalen) predige⸗ Vertrauen nur zu den Männern, die hundertprozentig tun, was Ihre Parteibeamten verlangen. Das deutsche Volk lehnt in der roßen Mehrheit eine solche Tätigkeit ab. (Beifall bei
ttaatspartei.) 8
Damit schließt die Aussprache.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
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Vier Beilagen . (einschließlich zwei Zentralhandelsregisterbeilagen).
Druck der
Deutschen Reichsa
Erste Beilage
nzeiger ind Preußischen Staatsanzeiger
——=ö—
Berlin, Freitag, den 19. Februar
1932
— Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
on seinem Schlußwort wendet sich Abg. Hartwi
In sanbers gegen den Abg. von Rohr (D. Nat.). Wenn Herr 28g he r ihm⸗ dem Redner, Fälschung vorgeworfen habe, so i das süig ich eine schnoddrige Junkerfrechheit. Gisepräß ent
umhoff ruft den Redner zur Ordnung). Ich frage, so sog⸗ der zoyner, den der „Pommerschen Reichs⸗ zie Herrn von Rohr: Trifft es zu, daß die Aufsichtsratssitzung ir,Pommerschen Reichspost“, in der über den Verkauf des Ge⸗ anbes der „Reichspost“ verhandelt wurde, von 8 Uhr abends bis Auhr morgens dauerte und daß von Rohr den schärfsten Angriffen
esetzt war, daß Briefe vorlagen von prominenten Persönlich⸗ in der pommerschen Landwirtschaft, in denen beklaat wurde, nun die nationalistische Trutzburg, das Haus der „Pommer⸗
n Reichspost“, an die marxistischen Gewerkschaften verkauft
den soll? Herr von Rohr hat sich als oller ehrlicher Makler zmommen und den freien Gewerkschaften den Zuschlag gegeben, weil er von ihnen 10 000 ℳ mehr für das Grundstück bekam als in anderen. (Heiterkeit und Hört, hört!)
Die sozialdemokratischen Anträge gehen dann in die gusschüsse. Die Große Anfrage der SPD. über den Fall hr „Pommerschen Reichspost“ wird dem Ausschußantrag uisprechend für erledigt erklärt.
Es folgt die Aussprache über den Bericht des Ver⸗ flungsausschusses zu dem deutschnationalen Antrag gegen
Verletzung der Memelland⸗Konvention hurch die litauische Regierung. In der vom berfassungsausschuß beschlossenen Form verlangt der Antrag,
das Staatsministerium beim Reich alle möglichen Maß⸗ nahmen gegen den litauischen Rechtsbruch im Memelland er⸗ wirken möge.
Abg. Bugdahn (Soz.) erklärt, der Antrag des Verfassungs⸗
uszes gehe weit über den Parteirahmen hinaus. Diese Ent⸗
nische Vergewaltigung. Gegenüber den Genfer litauischen Be⸗ zdungen müsse mit allem Nachdruck festgestellt werden, daß das Lorgehen Litauens eine eklatante schwere Verletzung der Memel⸗ vnvention ist. (Zustimmung.) Die Gründe, die Litauen für die znahmen und für die Internierung des Präsidenten Böttcher mführe, seien sehr fadenscheinig. Ich betone das mit Nachdruck, s fährt der Redner fort, weil unsere Parteifreunde im Memel⸗ dim Direktorium bisher nicht vertreten waren und oft eine pppositionelle Haltung gegen das bisherige Direktorium haben einnehmen müssen. Aber gestern bei der Besprechung im memel⸗ lündischen Landtag hat der sozialdemokratische Sprecher erklärt, daß ie Rachprüfung der Angelegenheit Böttcher nicht eine Angelegen⸗ heit der litauischen Regierung sei, sondern daß das ausschließlich Angelegenheit des memelländischen Landtages sein könne. n also die bisherige Opposition gegen das Direktorium böttcher sich jetzt energisch dem Protest anschließt, so macht das jiesen Protest besonders wertvoll. Im memelländischen Landtag haben alle Parteien mit Ausnahme der vier Nationallitauer gegen die 8818 protestiert. Ich unterstreiche besonders, daß sch unter der Mehrheit auch die Stimmen der Kommunisten be⸗ fanden. -9½ orientierten Arbeiterpartei in Memel hat die Ver⸗ gevaltigungsmaßnahmen am schärfsten von allen Parteien zurückgewiesen. (Erneuter Widerspruch bei den Kommunisten.) In Memel sind die allgemeinen Menschheits⸗ und Freiheitsrechte un⸗ geheuerlich verletzt. Die Leeh. steht unter einer Vorzensur, wie bir sie nur im vorigen Jahrhundert gekannt haben. Wenn wir den Antrag annehmen, so deshalb, weil im Memelland Zustände besthen, gegen die die 1 mit allen nur möglichen Naßnahmen eingreifen muß. Es handelt sich hier nicht nur um einen Fall Böttcher, der über kurz oder lang vor dem Haager Schiedsgericht erledigt wird. Es gilt darüber hinaus, einen Ge⸗ fahrenherd schlimmster Art sn beseitigen. Solche Gefahrenherde haben wir seit den 2b. chen Staatskonstruktionen von 1918 tine ganze Reihe. Wir sind als Sozialisten Gegner aller Gewalt⸗ mnaßnahmen bei Auseinandersetzungen der Völker. Der Protest, den wir erheben, ist ein Teil des Kampfes, den wir zur Befriedung kuropas und der Welt führen, den wir unter der Parole führen: Rie wieder Krieg! (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Pingel (Zentr.): Wir stellen mit Genugtuung fest, daß in diesen sonst leider so zerrissenen Zeiten das deutsche Volk venigstens einig ist in dem flammenden Protest gegen die ab⸗ seuliche Gewalttat Litauens an unseren deutschen Brüdern im Uemelland. Wenn es Litauen auch leugnet: Das Memelland ist deutsch und seine Bewohner sn deutsch 2. Abstammung, Kultur und Sprache. Wir haben schmerzlich empfunden, daß durch den Versailler Vertrag mit brutaler Gewalt das deutsche Memelland dom Mutterland abgeschnitten wurde, und daß es nach einem aubüberfall der Litauer eine Autonomie unter litauischer Führung erhielt. Die Garantie für die gewissenhafte Einhaltung des Memelabkommens hat der Völkerbundsrat übernommen. Lrotdem mußte die Bevölkerung des Memellandes lange Jahre hindurch die Gewalttaten der Litauer aushalten, bis das Vorgehen der Litauer jetzt gekrönt wurde durch eine ganz klare Verletzung des Memelabkommens. Diese Handlung Litauens ist ein Angriff af Treu und Glauben im Verkehr der Völker. Ich unterschreibe, wos der Vorsitzende des Memellandbundes auf einer Protestkund⸗ fäung sagte, daß Litauens Handlung die eines kleinen ver⸗ tlagenen Gelegenheitsräubers ist. Wir legen schärfsten Protest gegen ein. Mit Dank erkennen wir an, daß die Reichsregierung zenttg ausgesprochen hat, daß sie nicht nur die Pflicht, sondern duc das Recht habe, vom Völkerbund zu verlangen, daß der echtsbruch im Memelland wieder gutgemacht werde. Wir haben * Reichsregierung des Reichskanzlers Brüning das feste Ver⸗ rauen, daß sie alles tun wird, um das Unrecht am Memelland iu beseitigen. Welche Mittel anzuwenden sind, überlassen wir der meichsregierung. Vom Völkerbund erwarten wir, wenn er sich üht selbst aufgeben will, daß er eine Entscheidung trifft, die bact und Gerechtigkeit sichert auf der Grundlage der Menschen⸗ kechte und Menschengefetze. Im Namen meiner Freunde erkläre J, daß wir alles unterstützen werden, was Ruhe, Ordnung und “ im Memelland gewährleisten kann. (Beifall im durag von Plehwe (D. Nat.) — von den Kommunisten Uech höhnische Zurufe empfangen — erklärt, als geborener emeler wohne er am östlichsten Punkt des deutschen Volkes. stan⸗ habe dort immer wieder mit wachsender Empörung den banuischen Rechtsbrüchen zugesehen, die am 6. Februar begonnen vesen. Im November 1919 sei er zum letztenmal in Memel ge⸗ all nachdem er mit seinen Truppen den bolschewistischen Ein⸗ 1 abgewehrt habe. Die Franzofen hätten dann, mit einem eatercoup, vor den eindringenden Litauern das Feld geräumt. 88 Lölkerbund habe das Memelstatut garantiert; er habe jetzt e Pflicht, einzugreifen. Noch nie sei in Preußen . jetzt von
land eine derartige Frechheit eeege. worden, wie c ncr at energi zuru⸗ 8— olge
desem Zigeunervolk. Werde diese nicht gisc
se veen und rückgängig gemacht, dann sei die natürliche Fon
feie esetzung Ostpreußens und Danzigs durch Polen, Repressalien
8* im Sinne einer vaterländischen Abwehr unbedingt erforder⸗ Schon die Schließung der deutschen Grenze gegen litauische
* Einfuhr bedeute eine solche Repressivmaßnahme.
K 4* I
Lärmende Zu⸗
(Stettin)
eung sei schlechthin ein Protest des Deutschtums sehen die
(Widerspruch bei den Komm.) Der Vertreter der kom⸗
rufe bei den Komm.) Der Redner weist die Provokation der Kissun der litauischen Fahne durch den litauischen Konsul in
ilsit hin, der erklärt habe, er flagge nur, weil Sonntag sei. Einem so frech provokatorischen Verhalten gegenüber müsse man sein echt preußisch⸗deutsches Nationalbewußtsein betätigen.
Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.) bestreitet, daß die kom⸗ munistische Fraktion in Memel mit den Sozialdemokraten und den Bürgerlichen zusammen gegangen sei. Es gebe in Memel ar keine Kommunistische Partei. Die Memelgrenzen seien gegen en Willen der deutschen werktätigen Nassen und r Werktätigen in Memel gezogen worden. Die Kommunisten erkennen das Memelstatut nicht an, insonderheit auch nicht die darin festgelegte Unantastbarkeit des Privateigentums. Ein Recht zum Protest gegen die Unterdrückung der werktätigen evölkerung im Memelgebiet hätten nur die Kommunisten, aber nicht die Sozialdemokraten und ihre Regierungsgenossen, die auch in Deutschland die werktätigen Massen auf das schlimmste unterdrückten. Der Redner bringt einen Antrag seiner Fraktion ein, der das Staatsministerium er⸗ sucht⸗ auf die Reichsregierung im Sinne des Austritts Deutsch⸗ nds aus dem Völkerbund einzuwirken. Er nennt den Völker⸗ bund den Zuhälter der imperialistischen Räubergesellschaft im Fernen Osten. 1 Abg. Steffens (D. Vp.) erklärt, es sei erfreulich, wenn in einer Zeit der größten Zersplitterung ein Volk sich als einig erweise und der Landtag geschlossen gegen das rechtswidrige un Geenlais Verhalten der litauischen Regierung Front mache. Das Memelland sei gegen das Selbstbestimmungsrecht von Deutschland losgerissen worden. Wir klagen Litauen an wegen Litauisierung und Schikanisierung einer unzweifelhaft veutschen Bevölkerung. Das Memelabkommen ist gebrochen worden. Man verbreitet Fälschungen über die Nationalität der Memelländer. Sie sind in überwiegender Mehrheit, nach Geschichte und Kultur, deutsch und wollen es bleiben. Der Redner dankt den Memelländern, daß sie beim Mutterland aushalten. Wir wünschen keine Anwandlung. der Schwäche in der Behandlung dieser Angelegenheit durch das Reich. Es ist schon viel zu viel Rücksicht genommen worden. Litauen hat uns mit Undank belohnt. Es muß Schluß damit sein. Schwäche und Nachgiebigkeit würden jetzt ein Verbrechen am Volkstum sein und die größte Sünde gegen das staatliche Dasein. (Lebhaftes Bravo! rechts.) Die Reichsregierung hat die Pflicht, vor aller Welt der Entrüstung des deutschen Volkes zu sekundieren und alles zur Erreichung des Zieles zu tun, daß die memel⸗ ländische Bevölkerung mit ihren politischen Rechten geschützt und die deutsche Kultur dort erhalten wird. (Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Goldau (D. Landvolk) gibt namens seiner politischen Freunde folgende Erklärung ab: „Das Deutsche Landvolk gibt auch von der Tribüne dieses Hauses und damit vor dem Lande und der gesamten Weltöffentlichkeit seiner tiefsten Entrüstung über die Vergewaltigung der verfassungs⸗ und völkerrechtsmäßigen Rechte des memelländischen Direktoriums durch die litauische Regierung Ausdruck. Wir stellen fest, daß die litauische Regierung durch das Vorgehen gegen den Präsidenten Böttcher wie durch andere Maß⸗ nahmen und Versuche einen zweifelsfreien und bewußten Bruch der Memellandskonvention verübt hat. Wir verlangen und er⸗ warten, daß die Reichsregierung alle Mittel anwendet, um die vergewaltigten Rechte der deutschen Mehrheit des Memellandes wiederherzustellen und zu sichern, zugleich aber auch um eine an⸗ ge Sühne für den mutwilligen Rechtsbruch der litauischen Seeang zu erreichen. Wir verlangen weiterhin, daß das Deutsche Reich, wenn nicht eine klare Wiederherstellung des Rechts im Memellande und eine Bestrafung des Rechtsbruchs mit größter Beschleunigung gesichert wird, sich zur Anwendung aller Re⸗ pressivmaßnahmen entschließt, die ihr gegenüber Litauen zu Ge⸗ bote stehen. Litauen muß sich endlich daran gewöhnen, daß das deutsche Volk auch nach der Abtrennung des Memellandes vom Reich die deutschen Brüder in diesem Lande, die ihrerseits ihren Pflichten Litauen gegenüber immer nachgekommen sind, nicht im Stich läßt und sich mit allen Kräften dafür einsetzen wird, daß die bescheidenen Rechte, die ihnen die Memellandkonvention ge⸗ lassen hat, auch geachtet werden. Von der preußischen Staats⸗ 8 fordern wir, daß sie ihren Einfluß im Reiche dahin geltend macht, daß die Reichsregierung ungesäumt und mit Nach⸗ druck im Sinne dieser unserer Erklärung handelt.“ Abg. Grzimek (D. Staatsp.) hebt hervor, daß am Memel⸗ strom ein wirklich deutsches Volk lebe, das von deutscher Kultur und Sitte durchdrungen sei und gar keine Lust habe, einem anderen Volk zu unterstehen. Er erinnert daran, daß 1920 ein französischer Bevollmächtigter im Memelland mit einem pol⸗ nischen Dolmetscher nichts anfangen konnte, weil vornisch dort nicht verstanden wird, sondern nux deutsch. Er verweist dann darauf, daß die Bevölkerung des Memellandes sich zu 100 vH für Deutschland ausgesprochen habe, und schildert weiter den histo⸗ rischen Verlauf der Abtrennung des Memellandes von Deutschland. Litauen, dem seine eigene Hauptstadt Wilna genommen sei, sollte ganz genau wissen, wie die Völker unter derartigen Unter⸗ drückungen leiden. Der Redner spricht der mustergültigen Haltung der deutschen Repräsentanten im Memelland seine Bewunderung aus und versichert das Deutschtum des Memellandes unter dem Beifall der Abgeordneten jeder Unterstützung in seinem Kampfe. In Deutschland ständen alle auf dem Standpunkt, daß im Memel⸗ and nicht Recht zu Unrecht werden dürfe. Die Reichsregierung und die hinter ihr stehende Staatsregierung verdienten Dank für die Schnelligkeit und Energie, mit der sie die Memelfrage vor den Völkerbund gebracht Den Litauern, so schließt der Redner, rufen wir zu, daß dieses kleine Land angewiesen ist auf ein gutes Verhältnis zum großen Nachbarlande auch in Fragen
internationaler Weltgeltung und hinsichtlich des litauischen Ver⸗
hältnisses zu anderen Nachbarländern. Von Deutschland wird nur Schutz zu erwarten sein, wenn das Deutschtum im Memel⸗ land nicht unterdrückt wird. (Beifall bei der Staatspartei.)
Abg. Hestermann (Wirtsch. P.) weist darauf hin, daß das Memelgebiet nicht litauisches, sondern deutsches Land ist. Nach dem Rechtsbruch von 1923 habe die Botschafterkonferenz voll⸗ kommen versagt. Das Memelstatut von 1924 habe dem Memel⸗ land wenigstens die Autonomie zugesichert. Seitdem habe Litauen fortgesetzt versucht, dies Memelstakn. zu durchbrechen. Wenn die übrigen drei Garanten des Memelstatuts nicht für Wiederher⸗ stellung des Rechtszustandes eintreten, dann ist, so erklärt der Redner, auch Deutschland nicht mehr daran gebunden und muß die Frage deutsch regeln. Denn 90 vH der Memeler Bevölkerung sind deutsch. Die Memelkonvention könne nicht von dem kleinen Litauen über den Haufen geworfen werden. Deswegen fordern wir, so erklärt der Redner, daß das Unrecht des Versailler Ver⸗ trages wieder gutgemacht und eine veltsaseen veranstaltet wird, damit das Memelland wieder zu Deutschland zurück⸗ kommen kann. Wenigstens die Androhung von Repressalien wäre die einzige Antwort auf die litauischen Unverschämtheiten ge⸗ wesen. Auch der Staat Litauen verdankt deutschen Soldaten seine Entstehung. Unsere Brüder im Memelland mögen in dieser Stunde versichert sein, daß wir sie niemals beseetn werden, ebensowenig wie alle von der sflavischen Flut bedrohten Grenz⸗ . Der Redner schließt mit dem Ruf: Los von Zersailles!
Bei der Abstimmung wird nach Ablehnung des kommu⸗ nistischen Antrages ve Austritt aus dem Völker⸗ bund der Antrag Kommunisten einstimmig angenommen.
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es Verfassungsausschusses gegen die
Ohne Aussprache stimmt das Haus noch einem Initiativ⸗ Gesetzentwurf der Zentrumsfraktion zu, der den Berg⸗ arbeitern einen größeren Schutz gegen Ent⸗ lassungen aus Anlaß von Erkrankungen gewähren will.
Ein deutschnationaler Antrag, der die Regierung ersuchen wollte, erneut Verhandlungen mit dem Diakoni⸗ verein aufzunehmen im Interesse des Weiterbestehens der chirurgischen Klinik in der Ziegelstraße zu Berlin wird gegen die Rechtsparteien abgelehnt. Dagegen erklärt das Haus, entsprechend dem Antrag des Verkehrs⸗ ausschusses, die Polizeiverordnung über die Abänderung der Rhein⸗Schiffahrtspolizei⸗Ordnung vom 1. Januar 1913 durch Kenntnisnahme für erledigt.
Annahme fand noch ein Antrag des Hauptausschusses, worin das Staatsministerium ersucht wird, nochmals zu
rüfen; ob von einer Schließung des Schiller⸗
heaters in Berlin Abstand genommen werden kann, da durch die Schließung kaum irgendwelche Ersparnisse zu erwarten seien.
Nach 5 ¼ Uhr vertagt sich das Haus auf Dienstag, den 1. März, 13 Uhr: Landwirtschafts⸗Anträge und Anträge über das Disziplinarrecht an den Hochschulen sowie die Studenten⸗
Parlamentarische Nachrichten.
Im Haushaltsausschuß des Reichstags wurde der Entwurf einer Verordnung über die Eingruppierung von Warte⸗ geldempfängern am 18. d. M. behandelt. Dieser Entwurf war bereits im März 1928 dem Reichstag vorgelegt worden, konnte aber infolge der Reichstagsauflösung nicht mehr erledigt werden. Seit dem 1. Oktober 1927 werden die Bezüge, die in dem Entwurf vorgesehen sind, bereits gezahlt. Der Ausschuß timmte dem Verordnungsentwurf über die Eingruppierung von Wartegeldempfängern zu und vertagte sich auf den 19. Februar.
— Der Strafrechtsausschuß des Reichstags nahm am 18. d. M. zunächst den § 325 über den Verrat von Privatgeheim⸗ nissen in der Fassung der Vorlage an. Er will die Verletzung des Berufsgeheimnisses mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bedrohen, falls nicht ein berechtigtes Interesse für die Verletzung vorliegt. Wird jedoch ein Privatgeheimnis aus er Motiven oder, um jemand einen Nachteil zuzu⸗ slgen, offenbart, so soll Gefängnisstrafe ohne Begrenzung ein⸗ treten. Der Ausschuß nahm dann den Abschnitt „Sachbeschädi⸗ gung“ in Angriff. Auch dieser Abschnitt wurde ohne wesentliche Aenderungen vom Ausschuß angenommen. Weiterberatung am 19. Februar.
— Der Kriegsbeschädigtenausschuß des Reichstags beriet am 18. d. M. Petitionen. Außerdem fand eine Aussprache über die durch die 4. Notverordnung eingeführte Anrechnung von Sozialrenten auf die Kriegsversorgung statt, die von allen Seiten in der jetzigen Form als unerträglich bezeichnet wurde. Die von verschiedenen Parteien vorgelegten Aenderungsanträge befriedigten jedoch gleichfalls nicht. Annahme fand deshalb ein Vorschlag des Abg. Roßmann (Soz.), in einer “ Beratung mit dem Sozialpolitischen Ausschuß Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
— Der Wohnungsausschuß des Reichstags setzte die zweite Lesung des Städtebaugesetzes in seiner Sitzung am 18. d. M. fort. Die Verfahrensvorschriften für die Enteignung wurden im wesentlichen nach den Beschlüssen erster Lesung be⸗ stätigt, und zwar zumeist gegen die 5 Stimmen der Deutsch⸗ nationalen, der Wirtschaftspartei und der Deutschen Volkspartei. § 61 erhielt nach einem Antrage des Abg. D. Mumm (Chr. Soz.) einstimmig folgende Fassung: „Bei Streit über die Höhe der Ent⸗ schädigung für eine Enteignung entscheiden die Verwaltungs⸗ gerichte; eine Ausschließung des Obersten Verwaltungsgerichts eines Landes durch Landesgesetz ist nicht zulässig.“ Dann nahm der Ausschuß den Abschnitt über das Vorkaufsrecht unverändert nach den Beschlüssen erster Lesung an. Er gibt unter denselben Voraussetzungen wie für die Enteignung den Gemeinden auch ein Vorkaufsrecht für alle Grundstücke, sowohl die bebauten wie die unbebauten.
Handel und Gewerbe. Berlin, den 19. Februar 1932.
— Nach dem Jahresbericht der Eichbaum⸗Werger⸗ Brauereien A.⸗G., Worms, für 1930/31 bleibt ein Roh⸗ gewinn von 819 363 RM, hiervon sind Abschreibungen zu kürzen in Höhe von 506 170 RM. Von dem einschließlich des Gewinnvortrags vom 1. Oktober 1930 in Höhe von 133 488 RM zur Verfügung stehenden 446 682 RM sind zu verwenden: 7 vH auf die Vorzugs⸗ aktten — 525 RM, 5 vH auf die Stammaktien = 325 000 RM, als Vortrag auf neue Rechnung bleiben 121 157 RM. Die ersten vier Monate des laufenden Jahres haben in unserem Bezirk einen weiteren starken Rückgang im Absatz gebracht.
— Der Aufsichtsrat der Vereinigte Zünder⸗ u. Kabel⸗ werke A.⸗G., Meißen, hat in der am 17. Februar abgehaltenen Sitzung beschlossen, der für den 21. März einzuberufenden General⸗ versammlung die Verteilung einer Dividende von 9 vH in Vorschlag zu bringen.
Speisefette. Bericht der Firma Gust. Schultze & Sohn, Berlin, vom 17. Februar 1932. Butter: Die Auslandsmärkte haben sich weiter versteift und sind die Preise ständig im Steigen be⸗ riffen. Dänemark hat nicht nur nach England sondern auch nach
rankreich und Belgien sehr guten Absatz und war nicht in der Lage, die Aufträge restlos auszuführen. England hat bis 148 sh bezahlt. In Malmö ist die Ware auch sehr knapp. Entsprechend haben die Forderungen für die Randstaatenbutter angezogen und daher warn auch Berlin gestern gezwungen, eine weitere Erhöhung von je b RM für alle Qualitäten vorzunehmen. Der Einzelhandel, der bis jetzt seine Preise den gestiegenen Notierungen noch nicht richtig angepaßt hat, klagt über einen sehr starken Rückgang des Butterabsatzes. Außer⸗ ordentlich knapp und gesucht sind billigere Qualitäten, die fast völlig fehlen. Die Verkaufspreise des Großhandels sind heute (in l⸗Zentner⸗ Tonnen pro 100 Pfund): Inlandsbutter I. Qualität 150 bis 153 RM, II. Qualität 143 bis 146 RM, Auslandsbutter, dänische 156 bis 159 RM, kleinere Packungen entsprechender Aufschlag. — Margarine: Unveränderte Nachfrage. — Bericht der Firma Gebr. Gause, Berlin, vom 17. Februar 1932. Schmalz: Der Markt erfuhr zu Beginn der Berichtswoche zwar eine leichte Abschwächung, konnte sich dann aber durch zunehmende Kauflust der Spetulation wieder bei anziehenden Preisen befestigen. Die Konsumnachfrage war besser. Die heutigen Notierungen sind: Prima Westernschmalz 37,50 ℳ, amerikanisches Purelard 39,00 bis 40,00 ℳ, Berliner Bratenschmalz 45,00 ℳ, deutsches Schweineschmalz 50,00 ℳ, Liesenschmalz 48,00 ℳ.