1932 / 109 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 May 1932 18:00:01 GMT) scan diff

lionen Einwohnern sollte ja schließlich noch eine Schuld von 1700 Millionen, auch wenn sie unfundiert ist, ertragen und aus⸗ halten können.

Die fundierte Schuld des Reichs beläuft sich am 31. Dezember vorigen Jahres auf 10 208 000 000 Reichsmark. Sie ist gegenüber dem Stand vom 30. September 1930 um 300 Millionen kleiner geworden. genommen, weil von dort ab in dieser Summe schon die Young⸗ Anleihe enthalten ist. Damals ist ein großer Sprung nach oben erfolgt, weil wir die Joung⸗Anleihe mit 1473 Millionen Mark

übernehmen mußten, wovon bekanntlich zwei Drittel der Entente

üugefallen sind, während das andere Drittel der Reichspost und

Reichsbank verblieben ist. Das Reich hat also von diesen 1400 Nillionen damals nichts bekommen.

Wenn wir nun diese fundierte Schuld des Reichs aufgliedern, ann teilt sie sich in fünf Gruppen, nämlich erstens in die Kriegs⸗

und Vorkriegsschuld. Das ist alles Anleiheablösungsschuld, sei

es Neubesitz, sei es Altbesitz. Das sind 4 631 000 000 Reichsmatkk.

Die zweite Gruppe ist die Stabilisterungsschuld. Das ist haupt⸗

sächlich eine Schuld, die wir bei der Rentenbank und der Reichs⸗

bank haben, im ganzen 607 Millionen Mark. Dann die Ent⸗ schädigungsansprüche, die wir anerkannt haben als Entschädigungs⸗ schuld mit 1291 Millionen Mark. Das stammt auch aus dem Krige her. Dann die Reparationsschulden, Dawes⸗ und Young⸗ Unleihe mit 2205 Millionen und Schulden für außerordentliche Ausgaben 1474 Millionen. Also mit andern Worten: abgesehen von den Kosten des Krieges, die Sie hier in den vier ersten Posten finden, hat das Deutsche Reich in der Nachkriegszeit Schulden für igentliche Ausgaben für Reichszwecke außerordentlicher Art nur n Höhe von etwa 1 ½ Milliarden Mark gemacht. Alles andere ntfällt auf Kriegslasten und Reparationen.

8 Wenn man diese Dinge ansieht, dann versteht man nicht recht, warum draußen in der Oeffentlichkeit nun fortgesetzt die Meinung rweckt wird, als ob wir in Deutschland ganz besonders schlecht ge⸗ wirtschaftet hätten. (Zuruf von den Kommunisten: Sie scheinen se Gemeinden zu vergessen!) Ich bin nicht Oberbürgermeister,

sondern ich bin hier Reichsfinanzminister. (Zuruf von den Kom⸗

munisten: Das haben wir vorhin schon gemerkt!) Es ist die Tat⸗ sache festzustellen, daß das Reich, abgesehen von den eigentlichen Lasten des Krieges, an fundierten Schulden etwa 1 ½ Milliarden und an unfundierten 1,6 Milliarden hat. Das sind im ganzen

3 Milliarden Mark. Wenn man dann damit die Zeitungsnach⸗

richten vergleicht, in denen zeitweise alle Vierteljahr oder alle ier Wochen gemeldet wurde, wir hätten wieder einmal 500 Mil⸗ ionen Schulden neu gemacht, so versteht man nicht, wie man den

Mut aufbringen kann, derartige Nachrichten zu verbreiten, die urchaus geeignet sind, das Deutsche Reich und vor allen Dingen as deutsche Volk zu schädigen und unsere Wirtschaft noch weiter herunterzubringen, als sie ohnehin schon herunter ist. (Hört, hört!)

Nun, meine Damen und Herren, sind zwei Arten von Kredit⸗ ermächtigungen im Umlauf, nämlich solche Kreditermächtigungen, pie wir durch formelles Gesetz von Ihnen hier im Reichstag be⸗

willigt bekommen haben. Sodann sind Kreditermächtigungen im

Umlauf, die auf Notverordnungen beruhen. Zu den letzteren ge⸗

zört die Verordnung vom 29. März 1932, durch die der Herr Reichspräsident die Kreditermächtigungen aufrechterhalten hat, die im Etat des Jahres 1931 bestanden haben. Hier handelt es ich also nicht um etwas Neues, sondern hier handelt es sich zu⸗ nächst darum, die Ermächtigungen aufrechtzuerhalten, die wir durch Sie im Etat 1931 genehmigt bekommen hatten, und diese Kreditermächtigungen mußten, weil wir sie nicht hatten um⸗ wandeln können, in fundierte Schulden fortgeführt werden. Ferner gehört dahin die Notverordnung vom 6. Oktober 1931 und

ie Verordnung vom 20. Februar 1932. Diese Verordnungen haben es mit der Liquidierung der Kreditkrise zu tun. Die

Kreditermächtigungen für den Osten, die noch bestehen, sind in

dem Osthilfegesetz vom 31. März 1931 enthalten, und ebenso sind

die Bestimmungen über die Higginson⸗Anleihe und über die Tilgung der kurzfristigen Schuld in einem Gesetz vom 23. Oktober 1930 enthalten.

Nun hat die Reichsschuldenverwaltung die Verordnung vom z. Oktober 1931 als eine ausreichende gesetzliche Grundlage für

die Erteilung von Kreditermächtigungen angesehen und hat dem⸗ entsprechend auch die Schuldurkunden, die auf Grund dieser Ver⸗ orndnung verlangt wurden, ausgestellt. Sie hat aber diesen Stand⸗ punkt verlassen bei der Verordnung vom 20. Februar 1932. Zu der Frage, ob die Verlängerung der vorjährigen Ermächtigung durch die Notverordnung vom 29. März 1932, von der ich vorhin sprach, gültig sei, hat sich die Reichsschuldenverwaltung bislang

nicht geäußert. Sie ist in ihrer Auffassung, die sie ursprünglich eingenommen hat, offenbar schwankend geworden durch die Aus⸗

füuͤhrungen, die der Vizepräsident der Reichsschuldenverwaltung im Reichsverwaltungsblatt am 19. Dezember 1931 und im Deutschen

Oekonomist am 9. Oktober 1931 veröffentlicht hat. In diesen

Aufsätzen ist bekanntlich die Auffassung vertreten, daß im Hinblick

auf den Wortlaut des Art. 87 der Reichsverfassung für Kredit⸗ ermächtigungen ein formelles Gesetz erforderlich sei, daß also Not⸗

verordnungen dazu nicht genügen, daß jenes Gesetz nicht durch eine Notverordnung ersetzt werden könnte. Demgegenüber ver⸗ tritt die Reichsregierung den Standpunkt und kann sich dabei übrigens auf angesehene Staatsrechtslehrer, wie Anschütz, Jellinek,

Karl Schmidt, Thoma und Poetzch⸗Heffter, stützen (Ab⸗ geordneter Dr. Frick: Anschütz hat früher eine andere Auffassung vertreten!) ja, Herr Kollege Frick, die Reichsschuldenverwaltung

hat ja früher selber auch eine andere Auffassung vertreten, und

die Schwierigkeiten sind ja gerade dadurch entstanden, daß sie diese Auffassung mitten im Winter geändert hat (Abgeord⸗ neter Dr. Frick: Aber der Wortlaut der Verfassung ist ganz ein⸗ deutig!), daß Kreditermächtigungen auch durch Berordnung auf

Grund des Art. 48 der Reichsverfassung erteilt werden können.

Wegen der rechtlichen Grundlagen für diesen Standpunkt beziehe ich mich auf die Begründung der Vorlage, die ich Ihnen über⸗ geben habe.

Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit auf die Folgen hin⸗ weisen. Diese Vorgänge müssen zu sachlich ganz unmöglichen Folgerungen führen, wenn sie auf die Dauer so praktiziert werden, wie es hier geschehen ist. Setzen Sie einmal den Fall, das Par⸗ lament ist nicht versammelt am Ende eines Jahres, und die Kreditermächtigungen wären abgelaufen, der Etat ist nicht ver⸗

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr.

Wir haben hier den 30. September 1930 deswegen

109 vom 11. Mai 1932.

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abschiedet, das Etatgesetz auch nicht. Nun überlegen Sie sich. einmal, in welche Lage dann unter Umständen die Reichsregierung kommen muß, wenn sie nicht imstande ist, in diesem Falle einen einzigen Schatzwechsel zu verkaufen oder eine einzige Reichsschatz⸗ anweisung unterzubringen. Es geht doch das ganze Jahr in der Reichsfinanzverwaltung so zu, daß man aus lausenden Ein⸗ nahmen die laufenden Ausgaben deckt, daß man vielleicht zu Be⸗ ginn des Monats, vor allen Dingen der Quartalsmonate über⸗ zähliges Geld hat und dieses Geld dann verwendet, um Schatz⸗ anweisungen und Schatzwechsel einzulösen, daß man aber de rartige Papiere wieder begibt, wenn man wieder Geld braucht. Das ist ganz genau so wie bei einem Kaufmann, der mit der Bank arbeitet, indem er bald Geld holt, bald Geld hinbringt. Wenn wir nun am Ende eines solchen Jahres stünden und der Etat mit⸗ samt dem Etatgesetz wäre nicht verabschiedet und wir hätten keine alten Kreditermächtigungen, dann würden wir in einem solchen Augenblick nicht einen Pfennig Geld beschaffen können, sondern müßten unter Umständen aus einem untergeordneten Grunde die Zahlungen einstellen, so daß die größten Störungen im Staats⸗ betriebe eintreten würden, oder aber wir müßten Zwangsanleihen ausschreiben oder Steuern erhöhen oder sonst ein verwegenes Manöver machen, um über einen solchen Zustand hinweg⸗ zukommen. Daß ein solcher Zustand unbefriedigend ist und dem Staats⸗ und dem allgemeinen Interesse widerspricht, liegt auf der Hand, und es ist auch ganz unverständlich, eine solche Haltung ein⸗ zunehmen, daß solche Kreditermächtigungen nicht auf den Art. 48 basiert werden können, wenn man gleichzeitig der Meinung ist die auch tatsächlich die ganze Zeit hindurch allgemein festgehalten wurde —, daß man auf Grund solcher Notverordnungen Steuern ausschreiben, daß man Enteignungen vornehmen kann, daß man Zwangsanleihen ausschriebe und sogar zu Zahlungssperren greift, wie wir es im vergangenen Jahr erlebt haben, daß es aber auf keinen Fall möglich sein soll, auch nur den geringsten Kredit auf Grund einer solchen Ermächtigung aufzunehmen.

Nun ist diese Frage schon in der Februartagung des Reichs⸗ tags erörtert worden. Damals ist mir aus dem Hause entgegen⸗ gerufen worden, daß die Reichsschuldenverwaltung Schatz⸗ anweisungen auf Grund der Bankenverordnung nicht ausstellen würde. Ich wurde damals von dieser Sache sehr überrascht und besonders darüber, daß diese Angelegenheit hier zur Sprache ge⸗ bracht wurde. Ich hörte hier zum erstenmal, daß die Dinge sich schon so zugespitzt hatten. Auf Grund der dienstlichen Erklärungen der Mitglieder der Reichsschuldenverwaltung habe ich feststellen können, daß von Angehörigen der Reichsschuldenverwaltung über die Frage nach außen Erklärungen nicht abgegeben worden sind. Es ist deswegen offen, wie es möglich war, daß diese Dinge damals schon in das Parlament kamen.

Die Stellungnahme der Reichsschuldenverwaltung, die nach § 23 der Reichsschuldenordnung für ordnungsmäßige Ausstellung und Ausreichung der Schuldurkunden des Reichs selbständig und unbedingt verantwortlich ist und der der Reichsfinanzminister in dieser Beziehung irgendwelche Anweisungen zu erteilen nicht in der Lage ist, hat die Reichsregierung deswegen veranlaßt, Ihnen in dem neuen Gesetzentwurf die zweifelhaften Kreditermächtigun⸗ gen zur Beschlußfassung vorzulegen, um eine Entscheidung der Streitfrage herbeizuführen. Die Reichsregierung hat geglaubt, es auf eine negative Stellungnahme der Reichsschuldenverwaltung gar nicht ankommen lassen zu sollen, sondern die Angelegenheit ihrer Entscheidung hier zu unterbreiten.

Nun ist im Haushaltsausschuß, in dem wir neulich über die Bankenfrage verhandelt haben, eine weitere Streitfrage, die im Zusammenhang mit diesen Dingen steht, aufgetaucht, indem der Abgeordnete Hergt auf die Frage einging, ob die Kredit⸗ ermächtigungen zweckgebunden seien, mit anderen Worten: ob wir berechtigt waren, Kreditermächtigungen, die wir hatten, vorübergehend auch für Sanierungszwecke auszunützen. Ich glaube, konkret habe ich es so richtig gefaßt, wie der Herr Kollege Hergt es damals gefragt hat. Nun liegt es so, daß wir leider unsere Kreditermächtigungen, die auf langfristige Anleihen gehen, nicht in die Tat üumsetzen konnten. Das ist ja hier im Hause be⸗ kannt. Es sind vielmehr auf ihrer Grundlage kurzfristige Ver⸗ bindlichkeiten eingegangen worden, und es wird praktisch gar nicht möglich sein, die Mittel für die verschiedenen Zwecke, für die sie vorgesehen sind, getrennt zu halten. Es wird sich aber darum handeln, daß die Mittel nicht für Aufgaben verwendet werden, für die eine gesetzliche Grundlage fehlt, oder daß die bewilligten Summen nicht überschritten werden. Beides ist im vorliegender Falle nicht geschehen; denn für die Bankensanierung hatten wir ja an sich eine gesetzliche oder notverordnungsmäßige Grundlage.

Nun wird es vielleicht interessieren, um das Bild zu vervoll⸗ ständigen, einen Überblick über die Verpflichtungen des Reichs aus Anlaß der Kreditkrise und über die Garantien, die das Reich aus dieser Kreditkrise und aus anderen Vorgängen übernommen hat, zu erhalten. Das Gesamtengagement, das aus der Bankenkrise entstanden ist, beläuft sich, wie ich neulich schon mitgteilt habe, auf eine Summe von 1115 Millionen Reichsmark. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Diese 1115 Millionen Reichsmark sind nun aber keineswegs der Betrag, den das Reich etwa hingegeben hätte, oder gar der Betrag, den das Reich etwa bei der ganzen Aktion verlieren würde. Davon kann gar keine Rede sein —, sondern in diesem Betrag stecken eine ganze Menge Dinge, die von selbst wieder hereinkommen werden. Ich habe die Zahlen, so wie ich sie damals dem Ausschuß vorgetragen habe, hier zur Hand, und ich darf sie vielleicht bekanntgeben. Zunächst einmal sind den Banken im ganzen Beträge in Schatzanweisungen in Höhe von 307 Mil⸗ lionen Reichsmark gegeben worden, für die sie die Verpflichtung übernommen haben, sie zurückzuzahlen. Diese Summe scheidet also von vornherein aus. Sodann ist ein großer Teil der Ver⸗ pflichtungen in Form von Bürgschaften gegeben worden, nämlich 285 Millionen Reichsmark. Diese Bürgschaften verteilen sich auf die Deutsche Girozentrale, auf die Norddeutsche Creditbank und auf eine Reihe kleinerer Banken, vor allen Dingen aber auf die vielen Genossenschaftsbanken, denen wir zur Hilfe gekommen sind. Man wird bei der Deutschen Girozentrale, hinter der die Ge⸗

samtheit des deutschen Sparkassenwesens und hinter der auch die Haftbarkeit der Gemeinden und Kreise steht, nicht anzunehmen brauchen, daß hier irgend etwas verlorengeht. Ich darf darauf hinweisen, daß die Sparkassen Hunderte von Millionen in der Zwischenzeit an die Akzeptbank zurückgezahlt haben, und daß in⸗

folgedessen dieser Betrag von 100 Millionen Reichsmark, für den ich damals die Bürgschaft unterschrieben habe, damit die Spar⸗ kassen nicht zusammenbrachen, ziemlich restlos eingehen wird. Ebenso habe ich die Ueberzeugung, daß bei den gewerblichen Kredit⸗ genossenschaften, für die wir damals jetzt ist es schon etwas mehr uns mit 48 Millionen Reichsmark verbürgt hatten, auch kein allzu großer Ausfall entstehen wird; ebenso bei den Konfum⸗ genossenschaften mit 9,5 Millionen Reichsmark. Dagegen wird unter Umständen ein Ausfall bei der Norddeutschen Creditbank in Bremen entstehen, für die wir uns mit 88 Millionen verbürgt haben, und bei der Berliner Bank für Handel und Grundbesitz. Das andere sind nur kleinere Beträge. Im ganzen aber wird von dieser Summe von 285 Millionen ein ernsthafter Betrag dem Reich voraussichtlich nicht zur Last fallen. Es konzentrieren sich also die Verluste auf die verlorenen Zuschüsse, die die Summe von 185 Millionen ausmachen. Die vom Reich zur Verfügung zu stellenden Schatzanweisungen verteilen sich dann weiter auf die Beteiligungen an der Akzeptbank, der Dresdner Bank, der Com⸗ merz⸗ und Privatbank und der Schröder⸗, jetzt Norddeutschen Creditbank. Diese Beteiligungen betragen 338 Millionen, und an diesen Beteiligungen ist nun allerdings ein erheblicher Betrag ver⸗ lorengegangen. In dem Augenblick nämlich, in dem die Danat⸗ bank auf die Dresdner Bank übernommen wurde, fielen auch die Verluste der Danatbank auf die Dresdner Bank. Wir haben nun, um eine geordnete Bilanz der Dresdner Bank machen zu können, die 300 Millionen Reichsmark Kapital, die wir selbst in Form von Aktien bei der Dresdner Bank hatten, auf 200 Millionen Reichs⸗ mark zusammengelegt, und wir haben außerdem etwa 50 Mil⸗ lionen Reichsmark Aktien an die Golddiskontbank abgegeben, so daß wir hier einen Verlust von etwa 150 Millionen Reichsmark erleiden, der zu den 185 Millionen hinzuzuzählen ist. Diese zwei Posten sind die Hauptverluste, die wir aus dem ungeheuren Kreditkrach des vorigen Jahres haben werden. Die Aktzeptbank, die imerhin noch ein Engagement von 1,4 Milliarden Reichsmark hat, wird aus der ganzen Sache ungeschlagen herauskommen. Man kann damit rechnen, daß die 17 Millionen, die wir dort effektiv eingezahlt haben, die uns aber die Akzeptbank dann zurückgeliehen hat, weil sie sie gar nicht brauchte, gerettet werden, so daß wir bei der Akzeptbank überhaupt keinerlei Verluste erleiden werden.

Um es also zu rekapitulieren: das Engagement ist auf dem Papier 1115 Millionen; die Verluste, die wir erlitten haben, be⸗ tragen 335 Millionen.

Ich will nun nicht die Frage untersuchen, ob dieser Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu dem steht, was wir mit der Sanierung der Großbanken und der Genossenschaftsbanken erreicht haben. Ich will aber für diejenigen, die sich überhaupt noch ein Urteil in dieser Frage bilden wollen und die den ernsten Willen haben, die Sache ernst zu nehmen, sagen, daß wir in Verfolg der Bankenkrise in drei Wochen des Julis vorigen Jahres einen Steuerausfall von 200 Millionen gehabt haben. Wenn wir also die Bankenkrise nicht bewältigt hätten, dann hätten wir einen Steuerausfall von solcher Höhe bekommen, daß eine weitere Wirt⸗ schaft des Reichs überhaupt unmöglich geworden wäre. Diese ein⸗ fache Ueberlegung zeigt, daß es überhaupt nicht möglich war, die Banken schießen zu lassen, sondern daß infolge der Bildung dieser ungeheuren Unternehmungen die Gesamtwirtschaft so mit ihnen verknüpft ist, daß ihr Zusammenbruch zugleich den Zusammen⸗ bruch eines großen Teils der Wirtschaft bedeutet. Weil dem so ist, hat die Reichsregierung eingreifen müssen, und jede andere Regierung hätte genau dasselbe tun müssen.

Nun noch ein Wort über die Garantien des Reichs. Ich will mich hier nicht ausführlich darüber verbreiten, obwohl diese Frage im Ausschuß besonders aufgegriffen worden ist, und zwar des⸗ wegen nicht, weil wir versuch⸗ haben, in der Einleitung zu dem neuen Etat alle diese Dinge, die den Reichstag interessieren, zu⸗ sammenzustellen. Wir haben sowohl die einzelnen gesetzgeberischen Maßnahmen aufgeführt, auf denen diese Garantien aufgebaut sind, als auch die einzelnen Beträge. Ich will nur ein paar ganz allgemeine Zahlen nennen.

Nach der Uebersicht vom Oktober 1930 betrugen die effektiv in Anspruch genommenen Garantien des Reichs 684 Millionen. Davon sind 212 Millionen bis zu demselben Zeitpunkt des Jahres 1921, also innerhalb von 12 Monaten, abgegangen, so daß eine wirklich übernommene Garantiesumme von 472 Millionen be⸗ stand. Es kommen dann neu hinzu in der gleichen Zeit 777 Mil⸗ lionen. Die Garantie für die Danatbank, von der ich dann be⸗ sonders reden will, ist nicht dabei. Wir hatten also im Oktober 1931 einen Garantiestand von 1249 Millionen. Ob wir den Stand auf den 1. April in den Etatsüberblick schon fortführen können, das unterliegt noch der Prüfung.

Diese Erhöhung ist nun mit 300 Millionen Reichsmark auf die Ausdehnung der Russengeschäfte zurückzuführen, mit 120 Mil⸗ lionen Reichsmark auf sonstige Ausfuhrgarantien und auf 147 Millionen Reichsmark, die wir für die Banken garantiert haben. Die Garantie für die Danatbank, die bekanntlich hoch war ich glaube, sie würde etwa 1,6 Milliarden betragen haben —, ist in der Zwischenzeit in der Hauptsache erloschen. Diese größte aller Garantien, die wir jemals übernommen haben, ist dadurch verschwunden, daß wir bei der Uebernahme der Danatbank auf die Dresdner Bank diese Garantie teilweise zum Erlöschen gebracht haben. Sie existiert gegenüber den inländischen Gläubigern dieser beiden Banken überhaupt nicht mehr. Dagegen sind wer nicht aus der Garantie für die ausländischen Schulden der Danatbank herausgekommen, und diese betragen etwa 400 Millionen Reichs⸗ mark, wenn man das Saargebiet einrechnet. Das ist der Rest der Gesamtgarantie, die wir für die Danatbank übernommen haben. Es kann aber keine Rede davon sein, daß diese Garantie ernstlich in Anspruch genommen wird; sonst müßte man an⸗ nehmen, daß das Bankwesen von neuem zusammenbricht. 3

Sodann ist noch zu beachten, und das hat auch zu Irrtümern Veranlassung gegeben, daß auch die Garantieermächtigungen zu⸗ gunsten des Ostens nicht in der Höhe, in der sie gegeben sind, aus⸗ genützt werden. Die Garantieermächtigungen für den Osten be⸗ trugen etwa 800 Millionen Reichsmark. In der Zwischenzeit hat sich nun herausgestellt, daß man mit diesen Garantieermächti⸗ gungen nicht viel anfangen kann. Wir haben deswegen ein anderes Verfahren erfunden ich bin ressortmäßig dafür nicht

zuständig, sondern Kollege Schlange —, wie man diese Sache in

ot.-

an die Gemeinden.

werden.

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 109 vom 11. Mai 1932. 2.

Ordnung bringt. Es ist möglich, entweder diese 800 Millionen zu streichen oder aber sie auf einen Betrag von 200 Millionen herunterzubringen. Letzteres hat die Industrieobligationenbank vorgeschlagen, und es wird zur Zeit abschließend darüber ver⸗ handelt. Es steht also heute schon fest, daß auch diese Garantie auf etwa 200 Millionen zurückgehen wird, so daß wir aus dieser Sache und aus der Danatbank eine Garantieminderung von etwa 1800 Millionen Reichsmark haben werden.

Abschließend noch ein kurzes Bild über den kommenden Etat. Es ist natürlich ein sehr oberflächliches und törichtes Gerede, wenn man draußen und in den Zeitungen erklärt, das Finanz⸗ ministerium habe noch gar keinen Etat aufgestellt, oder wenn es einen aufgestellt habe, so befänden sich keine Zahlen in diesem Etat. Man kann einen Etat natürlich überhaupt nur mit Zahlen aufstellen; denn wenn man keine Zahlen hineinschreibt, dann steht überhaupt nichts da. (Abgeordneter Torgler: Hört, hört!) Ja, Herr Kollege Torgler, Ihre Presse weiß es manchmal nicht, und deswegen habe ich angenommen, Sie wüßten es vielleicht auch nicht. Deswegen möchte ich hier sagen, daß wir natürlich, und zwar schon seit längerer Zeit, einen Etat aufgestellt haben, daß aber in diesem Etat ein einziger, allerdings recht unangenehmer, Punkt noch nicht feststeht, nämlich die Frage der Arbeitslosen, die bekanntlich im vorigen Jahr in allen drei Unterstützungsformen einen Aufwand von 3,3 Milliarden Reichsmark erfordert haben. Von diesen 3,3 Milliarden Reichsmark, die die Arbeitslosen im vorigen Jahr einschließlich der Wohlfahrtserwerbslosen gekostet haben, entfielen auf das Reich 900 Millionen Reichsmark an⸗ Krisenunterstützung und 230 Millionen Reichsmark für Zuschüsse Dieser Punkt ist heute noch offen. Hier müssen erst noch eine ganze Reihe von Vorfragen entschieden Dabei ist es ungeheuer schwer, man kann vielleicht sogar sagen, es ist unmöglich, heute schon für den nächsten Winter zu

errechnen, wie groß die Zahl der Arbeitslosen und wie groß in⸗

folgedessen der Aufwand sein wird; denn die Ziffer der Arbeits⸗ losen wird ja nicht von uns festgestellt, sondern ist eine Folge der Weltkrise, deren Entwicklung wir nicht kennen. Sie hängt zu⸗ sammen mit den außenpolitischen Verhandlungen, von denen wir

nicht wissen, wie sie ausgehen, und sie hängt endlich auch mit den

Maßnahmen zusammen, die wir selbst zu treffen in der Lage sind. Zu diesen Maßnahmen gehört allerdings der Versuch, einen

Zeil der Arbeitslosen zu beschäftigen oder anderweitig unterzu⸗

bringen. Dieses Problem ist nicht nur wegen der Arbeitslosen, sondern auch deswegen besonders vordringlich geworden, weil sich herausgestellt hat, daß beim besten Willen ein großer Teil des

deutschen Landes im Osten nicht umgeschuldet werden kann, son⸗

dern daß er so überschuldet ist, daß er den Besitzer wechseln muß,

weil er sonst in die Gefahr kommt, zu veröden. Welche Sorgen

für die Ernährung unserer Bevölkerung sich daraus aber ergeben, bedarf keiner Ueberlegung. Darum muß auch darauf Bedacht ge⸗ nommen werden, dieses Land rechtzeitig aufzuteilen oder zu be⸗ siedeln oder einer geeigneten Uebergangswirtschaft zuzuführen. So verbindet sich hier die Notwendigkeit der Fürsorge für die Arbeitslosen mit der Möglichkeit, das agrarische Fundament Deutschlands zu verstärken.

Es wird deswegen im vorletzten Paragraphen des vorliegen⸗

den Gesetzes der Reichstag gebeten, seine Zustimmung dazu zu

geben, daß wir eine sogenannte Prämienanleihe auflegen, damit wir diese Arbeit in Angriff nehmen können. Daneben aber wird auch der freiwillige Arbeitsdienst auszubauen und Arbeit zu be⸗ schaffen sein. Aus laufenden Mitteln ist bekanntlich dafür kein Geld aufzubringen. Ich hoffe aber, daß Sie hier in diesem Hause gerade dieser Aktion besonderes Verständnis entgegenbringen und die Bestimmungen des § 8 gutheißen werden.

Im übrigen balanciert der Etat in Einnahme und Ausgabe mit etwa 8,3 Milliarden Mark. Er ist auf das sparsamste auf⸗ gestellt. Die Ueberweisungen an die Länder einschließlich der Polizeikosten betragen 2,3 Milliarden, so daß der eigentliche Reichsaufwand mit genau 6 Milliarden Reichsmark zu beziffern ist. In diesen 6 Milliarden sind enthalten 1 Milliarde für die Arbeitslosen, 1,2 Milliarden für die Kriegsopfer, 477 Millionen für die Sozialversicherung, 420 Millionen für außerordentliche Schuldentilgung, die Tilgung und Verzinsung der fundierten und schwebenden Schulden sowie der Reparationsanleihen erfordert

nicht ganz 700 Millionen Mark, so daß also für den gesamten Rest 8 2,2 Milliarden Mark übrigbleiben. 8

62. Sitzung vom 10. Mai 193 (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Präsident Löbe eröffnet die Sitzung mit der Verlesung

eines Telegramms, in welchem der Präsident der franzö⸗

französischen

sischen Kammer, Buisson, dem Reichstag seinen Dank für das Beileidstelegramm aus Anlaß des Dahinscheidens des Staatspräsidenten Doumer ausspricht.

Dann wird die erste Lesung des Schulden⸗ tilgungsgesetzes fortgesetzt.

Abg. Dr. Bang (D. Nat.): Man muß sich wundern, daß der Reichstag überhaupt noch der Ehre teilhaftig wird, zu Finanz⸗ und Etatsberatungen zugezogen zu werden. wenigstens den Anschein erwecken, als ob auf diesem wichtigen Ge⸗

biet des Staatslebens noch verfassungsmäßig regiert werde. Aller⸗

dings ist schon vor Wochen angekündigt worden, man wolle ver⸗ den Etat parlamentarisch und nicht durch Notverordnung urchzubringen. Dabei vergessen die Herren, daß die Ablehnung

eines Etats nicht zu Notverordnungen, sondern zum Rücktritt der

deutsche Demokratie

Regierung führen muß. Die Ankündigung, man werde den Etat bei Ablehnung durch das Parlament durch Notverordnung in Kraft setzen, beweist, daß diese ganze Reichstagstagung eine leere Farce ist, daß ihr eine Bedeutung nicht zukommt. Wäre sich der Reichstag seiner Stellung bewußt, so müßte er ein solches An⸗ sinnen grundsätzlich ablehnen. Die Regierung vergißt ferner, daß der Dauermißbrauch des Artikels 48 die Entwertung ihres Instru⸗

mmaents bedeutet, das nicht für die Not eines Kabinetts, sondern für

den höchsten Notstand des Staates geschaffen ist. Dieser Notstand ist durch das Dauerregieren nach Art. 48 erst mitverursacht worden. Der Reichskanzler hat hier am 5. Februar 1931 feierlich erklärt, daß die Regierung keineswegs versuchen werde, auf die Dauer mit Artikel 48 zu regieren. Wir leben aber seitdem von Not⸗ verordnungen am laufenden Band. Das Reichsgesetzblatt der beiden letzten Jahre ist das erhabenste Denkmal, das die sogenannte sich selbst errichten konnte. In Wahrheit haben wir heute den Absolutismus der Reichsbürokratie. Das bedeutet, daß ständig an der Seele des Volkes vorbeiregiert wird. Sogar der „Vorwärts“ erkläart, daß sich die Regierung eine Fülle

Aber offenbar will man

von Befugnissen erteilt habe, „wie sie eine kaiserliche Regierung von ehedem sich nicht einmal im Traume angemaßt hätte“. (Hört, hört! rechts.) Auf diesem Wege sind sogar die privatrecht⸗ lichen Rechtsgrundlagen ins Wanken geraten: Es gibt heute keine Rechtssicherheit mehr. Wir sind sogar so weit, daß mit Notver⸗ ordnungen die Zuständigkeitsgrenzen zwischen Reich und Ländern angegriffen und die Länder durch Reichsnowerordnung „ermäch⸗ tigt“, d. h. gezwungen werden, ihr eigenes Landesrecht zu brechen. Wir leben so tatsächlich in einem Zustande der Verfassungslosigkeit. Eine demokratische Zeitung schrieb zur letzten Verfassungsfeier: „Die H von Weimar ist verhüllt, wie eine Statue der Götter“. In Wahrheit bedeutet die dauernde Loslösung eines Volkes von seinen verfassungsrechtlichen Grundlagen die Ge⸗ wöhnung und Erziehung zur Gesetzlosigkeit, also zur Gesetz⸗ widrigkeit, zur Illoyalität und Illegalität. Daß dies nicht ohne Folgen bleiben kann, liegt auf der Hand. Auch die Etatswirt⸗ shast im Reich entbehrt heute der verfassungsmäßigen Grund⸗ lagen. Heute ist der grundlegende Artikel 85 der Reichsver⸗ fassung außer Kurs gesetzt, wonach der Haushaltsplan vor Beginn des Rechnungsjahres durch ein Gesetz festgestellt werden muß. Sieben Zeiten Notverordnung eines damals noch dazu im Rück⸗ tritt befindlichen Kabinetts haben genügt, um das fundamen⸗ talste Grundrecht jeder Volksvertretung in der „freiesten aller Demokratien“ anzutasten. Ein Parlament, das sich das gefallen läßt, verletzt damit selbst die Verfassung, gibt sich selbst auf, nur um eine zufällige Parteikonstellation und Parteikrippen⸗Wirt⸗ schaft am Leben zu erhalten. Selbst der Grundsatz des Artikels 87, daß Kreditbeschaffungen und Uebernahme von Sicherheitsleistungen u Lasten des Reiches nur auf Grund eines Reichsgesetzes möglich sind⸗ ist heute beseitigt. Die Regierung hat sich seit Jahr und Tag durch Notverordnung Milliarden von Kreditermächtigungen er⸗ teilt und damit die in einer Weise belastet, die weder zeitlich noch ihren Ausmaßen nach verantwortet werden kann. Durch das verfilzte Gewirr von Kreditermächtigungen, Bürg⸗ schaften, Garantien und Kreditzusagen von Milliardenwerten schaut auch die Reichsschuldenverwaltung und der Rechnungshof des Deutschen Reiches nicht mehr hindurch. Was dieses verfassungs⸗ rechtlich nicht haltbare Selbstbewilligungsverfahren für den Kredit des Reiches bedeutet, liegt auf der Hand. Wir stehen damit vor einem Rückfall in die Zeit der Willkür und Unordnung vorkonstitu⸗ tioneller Zeiten. Selbst das absolute preußische Königstum am Anfang des vorigen Jahrhunderts hat mehr selbstverantwortliche Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht der in Aussicht genom⸗ menen Ständevertretungen gehabt. Sogar die Revolutionsgewalt nit ihren Arbeiter⸗ und Soldatenräten hat den Staatskredit für⸗ sorglicher behandelt als der Parteiabsolutismus von heute. Wir verlangen zumindest die schleunige Vorlage einer Zusammen⸗ 8 aller bisherigen Selbstbewilligungen nebst einer belegten Aufstellung, in welcher Höhe, auf welche Dauer, zu wessen Gunsten und unter welchen Sicherungen von den Kreditbewilligungen, Er⸗ mächtigungen usw. bisher Gebrauch gemacht worden ist. Es be⸗ steht die Vermutung, daß nicht nur auf dem Gebiete des Etats⸗ rechts, sondern auchan dem der Etatsausführungen die Grund⸗ sätze einer ordentlichen Finanzverwaltung in Vergessenheit geraten ind. Ich erinnere besonders an die Verwendung von rund 500 000 M für Wahlzwecke, für die weder Belege noch Verwen⸗ dungsnachweise da sind, und über deren Verwendung die Regierung jede Aufklärung verweigert hat. In Preußen ist man da wenig⸗ stens offenherziger. Dort war durch die Regierungspräsidenten eine Schmähschrift gegen Hugenberg und andere nationale Führer verteilt worden. Auf die Frage, auf wessen Veranlassung und aus welchen Mitteln, hat Herr Severing geantwortet: „765 Stück durch das Ministerium des Innern aus Mitteln des Haushalts.“ Die Umwandlung des Staates in ein Parteiinstrument kann nicht besser belegt werden. Auch in dieser Richtung ist die Entwicklung durchaus zielbewußt. So sind 1929 z. B. 650 000 M Propaganda⸗ kosten für den YNoung⸗Plan ausgegeben worden. Wir haben es uns also selber eine Stange Goldes kosten lassen, um den trostlosen Zustand von heute zu erreichen. Die nun vollzogene tatsächliche Außerkurssetzung der verfassungsmäßigen Grundlagen der Etats⸗ und Finanzwirtschaft bedeutet die Krönung dieser Entwicklung und ihrer Auslieferung an den Parteiabsolutismus von heute. Da ist es fast erstaunlich, daß uns die Regierung hier gewissermaßen um Indemnität und um eine Anleiheermächtigung bittet. Ueber die Ratlosigkeit innerhalb der Regierung kann man schreiben: „Das System von heute in der Sackgasse.“ Der Rücktritt des Reichs⸗ wirtschaftsministers beweist, daß die Fortsetzung der bisherigen Wirtschafts⸗ und Finanzpolitik die wirtschaftliche und finanzielle Katastrophe bedeutet. Der Reichsarbeitsminister tritt heute für die verfehlte Idee der Vierzigstunden⸗Woche ein, die er noch im Dezember für gefährlichen Unsinn erklärt hatte. So befindet sich alles in voller Auflösung. Auch wenn die Regierung Ver⸗ trauen verdiente, wäre keine Volksvertretung in der Lage, die Ver⸗ antwortung für die Erteilung einer unbegrenzten Anleiheermächti⸗ gung zu tragen. Ueber den Erfolg der geplanten Anleihe wird man sich täuschen. Es handelt sich dabei in Wahrheit auch nur um einen geldwirtschaftlichen Erfolg. Zu den neuen Arbeits⸗ beschaffungsplänen bemerke ich nur, daß allein die Befreiung und Entlastung der freien Wirtschaft bei grundsätzlicher Umstellung des staatssozialistischen Apparates wirkliche Arbeitsbeschaffung ge⸗ währleisten kann. Die Mittel werden wohl nur zur Finanzierung unserer Finanz⸗ und Kassenwirtschaft dienen. Unter keinen Umständen werden Sie mit dieser Vorlage den Zusammenbruch des Etatswesens aufhalten. Es handelt sich hier nur um den Anschein einer Etatsdebatte, nicht aber um sachliche Mitarbeit. Die Etatsgeschichte der letzten vier Jahre ist die Ge⸗ schichte des Zusammenbruchs, vor allem des Zusammenbruchs aller Illusionen, Hoffnungen und Versprechungen. Wir wanken seit Jahren von einem Defizit ins andere und stopfen Löcher mit Löchern. Die Etatsgeschichte ist aber auch die Beschichte des Zu⸗ fammenbruchs aller Vorausberechnungen der Regierung. Sogar die Regierung hat schließlich eingesehen, daß ihre Etatsberech⸗ nungen auf völlig falschen Schätzungen beruhten. Die Folge waren außerordentliche Steuererhöhungen: Die Krisensteuer, die ver⸗ doppelte Zuckerstener, die Erhöhung der Mineralzölle, die Ver⸗ schärfung der Umsatzsteuer, die Kürzungen der Gehälter, Pen⸗ sionen, Sozialrenten und der Leistungen an die Kriegsopfer. Mitte Juni 1931 war die offene Krise da. In höchster Not hat man dem deutschen Volke die Wahrheit verschwiegen. Das ist für die Regierungsmaximen von heute überaus kennzeichnend. Wenn das unverhoffte „Gnadengeschenk“ der Hoover⸗Botschaft nicht ge⸗ kommen wäare, dann wäre das deutsche Volk ahnungs⸗ und rettungslos in den Abgrund gesaust und auf seinen Grabstein hätte man dann schreiben dürfen: „Gestorben zwecks Vermeidung von Kreditverschlechterung.“ Der Redner führt dann weiter im einzelnen aus, daß sich die Vorausberechnungen der Regierung stets als unrichtig erwiesen hätten. Mit neuen Notverordnungen a⸗ man sich zu helfen gesucht, die immer neue schwere Be⸗ astungen brachten. Aber auch dadurch habe man den Ausgleich nicht erzielen können. Im Gegenteil, diese Notverordnungen hätten mit der steigenden Strangulierung der Privatwirtschaft und ihrer steigenden Sozialisierung das Unheil nur vertieft. In einem gesunden Staate lebe die Wirtschaft von der Politik, bei uns lebe seit 13 Jahren die Politik von der Wirtschaft mit dem Erfolge ihrer Zerstörung. Der Rückgang der Reichseinnahmen ist seit Januar immer bedrohlicher geworden. Das letzte und ver⸗ b Mittel, die Vorverlegung der Aprilrate aus Einkommen⸗ teuer⸗ und Körperschaftssteuervorauszahlung auf den März ist nur als rechtswidrig zu bezeichnen. Die Anweisung beschleunigter Einziehung und Zwangsvollstreckung hat die unerhörte Härte dieser Vorausbeschlagnahme noch verschärft. Die Folge ist eine neue Welle des Elends. Etatsrechtlich bedeutet dieser Vorgang eine Etatsverfälschung. Bei diesen Versuchen, den Reichsetat zum Ausgleich zu bringen, hat man die Zusammenhänge mit den Etats der Länder und Gemeinden rücksichtslos preisgegeben. Auf dem Wege des „Abhängens“, also der Verschiebung von Lasten auf

andere Lastenträger, hat man dafür gesorgt, daß insbesondere die Gemeindehaushalte in eine unmittelbar bedrohliche Lage geraten sind. Dieses ganze Verfahren kann man als Defizitschiebung kennzeichnen. Währung und Reichsetat sind bei uns zu etwas geworden, was wir als Kinder auf dem Jahrmarkt als „Mädchen ohne Unterleib“ anstaunten: Wir leben finanzwirtschaftlich in und von Luftspiegelungen. Den zusammenbrechenden Gemeinden bleibt im übrigen gar nichts anderes übrig, als sich wieder an das Reich zu wenden. In höchstem Maße ernst liegen die Dinge vor allem in Sachsen mit seiner dichten Bevölkerung, wo die Mittel zur Unterstützung der Erwerbslosen und sonstigen Renten⸗ empfänger fast durchweg exschöpft sind. Dort macht man sogar schon Eingriffe in Girokassen, staatliche Steuergelder ein, nimmt zweckgebundene Fonds und dergl. in Anspruch, um auch nur der drückendsten Not abzuhelfen. Zu alledem kommt nun der offensichtliche Zusammenbruch des Systems unserer Sozialver⸗ sicherung. Unter diesen Auspizien steht auch der neue Etat. Die Wurzel des Uebels, so betont der Redner, liegt in dem sozialistischen System von heute. Deshalb reden wir hier immer wieder an⸗ einander vorbei. Unser Unglück heißt nicht Kapital, sondern Kapitalzerstörung. Das hat Herr Stegerwald am 27. Juni 1930 selbst anerkannt, wenn er erklärte: „Die bisherige Finanzpolitik hat eine gewaltige Kapitalverwüstung gebracht und naturgemäß das Vertrauen zur deutschen Staatsführung gewaltig erschüttert.* Heute ist dieses Vertrauen überhaupt nicht mehr da. Die deutsche Wirtschaft kann, unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Aus⸗ blutung und dessen, was sie noch in Ländern und Gemeinden zu tragen hat, auch einen 8⸗ bis 9⸗Milliarden⸗Etat einfach nicht mehr tragen; um so weniger, je mehr sie laufend sozialisiert wird. Mit den Finanzen erschlagen wir die Wirtschaft, und an der Wirtschaft krepieren die Finanzen. Selbst, wenn Sie das bisherige Ver⸗ fahren der kalten Bolschewisierung in das der unmittelbaren Ent⸗ eignung überführen, werden sie nicht zum Ziel kommen. Sie können im wesentlichen heute nur noch Schulden enteignen. Selbst bei Fortsetzung der sinnlosen Politik, der sinnlosen Ueber⸗ drehung der Steuerschraube werden Sie nur das Gegenteil von dem erreichen, was Sie wollen. Bereits die Denkschrift des Reichsfinanzministers vom 28. April 1930 zum Etatsentwurf 1930 enthält übrigens die grundlegende Feststellung, daß der Wirt⸗ schaftszusammenbruch durch Ueberlastung der Wirtschaft mit Steuern und sonstigen öffentlichen Lasten verursacht sei. Damit deckt die Regierung also selbst die tiefste Ursache des wirtschaft⸗ lichen Zusammenbruchs und der Arbeitslosigkeit auf. Aber man tut ja bei uns stets das Gegenteil von dem, was man sagt, und wundert sich dann, daß man immer wieder das Gegenteil von dem erreicht, was man erstrebt. Helfen kann uns allein die Befreiung und Entlastung der Wirtschaft bei grundsätzlicher Umstellung des staatssozialistischen Apparates. Das gilt auch für die Arbeits⸗ beschaffung. Die Gesamt⸗Mehrbelastung seit dem 1. Januar 1930 bis heute beträgt an 7 Milliarden. Insgesamt hat seit 1925 eine Steigerung von 45,2 Prozent stattgefunden, und zwar wesent⸗ lich bei den direkten Belastungen. Eine solche Entwicklung muß selbstverständlich zum Zusammenbruch führen. Nächstens werden die Steuern wahrscheinlich mit dem Ueberfallkommando einge⸗ trieben werden. Früher schützte der böse Polizeistaat uns vor Raub und Diebstahl. Heute möchte man eine Wach⸗ und Schließ⸗ gesellschaft gründen, um sauer erworbenes Eigentum vor dem Staate und die Erwerbsmöglichkeiten vor der öffentlichen Hand zu schützen. Die rigorose Praxis der Steuerbehörden führt in seigendem Maße zu Verzweiflungsakten. Die intellektuellen Ur⸗ eber sitzen auf deutschen Regierungsbänken. Der Redner kriti⸗ siert dann die Aenderung des Reichsbewertungsgesetzes und erklärt, auf dem bisherigen Wege notverordnen wir uns den Untergang. Auch der neue Etat wird mit Notverordnungen nicht zu halten sein. Schon im ersten Vierteljahr des neuen Etatsjahres wird man einen Fehlbetrag von rund einer halben Milliarde haben, der dem bestehenden Kassenfehlbetrag hinzuzurechnen wäre. Dabei bestehen keine Reserven mehr. Kreditmöglichkeiten sind nicht da. Auch die Sonderreserve aus der Silberausprägung ist mit 350 Millionen bereits im letzten Etatsjahr verbraucht. Das Er⸗ gebnis der bisherigen Politik kennzeichnet die „Kölnische Zeitung“, die hinter dem System von heute steht, wenn sie kürzlich schrieb, daß es den neuen Finanzschwierigkeiten in Reich, Ländern und Gemeinden gegenüber nur noch drei Möglichkeiten gebe: Ent⸗ weder ein nochmaliger verzweifelter Versuch der Einnahmen⸗ beschaffung oder eine bedrohliche Finanzierung durch innere Kreditmanipulationen oder ein tatenloses Hineingleiten in eine akute Not mit der Einstellung der öffentlichen Zahlungsverpflich⸗ tungen. Das ist also das Ende vomn Liede! Das ist der ganze Erfolg der unerhörten Opfer, die man dem Volke auferlegt hat, um eine längst widerlegte Politik fortzusetzen. Ihre gesteigerte Fortsetzung kann doch nur zum endgültigen Zusammenbruch führen. Diese Politik kann sich auch nicht hinter der Weltwert⸗ schaftskrise verstecken. Wir stehen heute am Ende einer dreizehn⸗ jährigen Politik der Illusionen, einer Politik, die gemeint hat, daß ein Staat nicht aus der Produktion, sondern aus der Ent⸗ eignung leben könne, einer Politik, für die der Feind nicht draußen steht, sondern die gearbeitet hat unter der Parole: „Der Feind steht rechts.“ Die ersten sechs Jahre hat diese Politik davon ihr Leben gefristet, daß nian das Erbe der Väter verzehrte, die nächsten sechs Jahre davon, daß man die Zukunft verpfändete, daß man Wechsel zog auf die Zukunft unserer unglücklichen Kinder und Enkel. Und heute lebt diese Politik nur noch von Ultimoschwierigkeiten. Am Ende dieser Ultimorolitik steht das Ultimo unseres Volkes. Retten kann uns nur eine grundsätzliche Umstellung. Das System von heute ist gewogen und zu leicht befunden, seine Uhr ist abgelaufen. Es bleibt heute nur noch ein Wunsch: Daß der Zusammenbruch dieses Systems nicht den endgültigen Zusammenbruch unseres Volkes bedeuten möge. (Leb⸗ hafte Zustimmung rechts.)

Abg. Baltrusch (Volksnat.) stimmt dem Entwurf des Schuldentilgungs⸗ und Kreditermächtigungsgesetzes zu. Die wich⸗ tigste Frage sei die, die Beschäftigungslosen wieder in Arbeit zu bringen. Ohne Beseitigung der Tributzahlungen sei die Be⸗ lebung der Wirtschaft nicht möglich. Die Reichsregierung müsse das Nein aufrechterhalten. Wer für völlige Autarkie eintrete, drücke den Lebensstandard des Volkes herab. Wenn der Völker⸗ bund überhaupt einen Sinn haben solle, müsse er die Initiative für eine vernünftige Zollpolitik und vernünftige Kreditpolitik er⸗ greifen. Entscheidend sei, daß die Auslands redite Deutschland und die Bedingungen dieser Anleihen erhalten blieben. Der Ka⸗ pitalmarkt müsse erleichtert und mittlere und kleine Betriebe berücksichtigt werden. Die Schaffung eines Ueberbrückungskredits ür die sofortige Hereinnahme von Auslandsaufträgen sollte Ehhr in die Hand genommen werden. Der Redner fordert weiter Verstärkung der ländlichen Siedlung, auch der vorstädtischen Klein⸗ siedlung und Erweiterung des freiwilligen Arbeitsdienstes sowie Einsetzung der arbeitslosen Industriearbeiter des Westens in die ländliche Siedlung. Die Dinge müßten sich aber schnell ent⸗ wickeln, auf den Ausgang der Reparationskonferenz und eine Aenderung der Wirtschaftslage könne Deutschland nicht warten. Von der Reichsregierung müsse verlangt werden, daß sie sich mit allen Mitteln einem weiteren Lohnabbau widersetze und das staatliche Schlichtungswesen erhalte.

Abg. Dr. Strasser (Nat.⸗Soz.): Außer den Notverord⸗ nungen ist in der ganzen politischen Entwicklung der letzten Jahre kein neuer und kein rettender Gedanke aufgetaucht. Die Regierungsmänner Deutschlands haben ihre ganze Politik ein⸗ gestellt auf die Fernhaltung der nationalen und sozialen Kräfte unserer Bewegung von der Macht. Alle Debatten standen nur unter dem Thema: Kampf gegen uns. Man beschränkte sich darauf, uns vor dem gesamten Volke und gegenüber dem Aus⸗ land herabzusetzen. Die Behauptung, daß es Revolution und Bürgerkrieg zur Folge haben müsse, wenn wir zur Macht kämen, ist deshalb so gefährlich, weil doch jeder weiß, daß die Lösung