Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 109 vom 11. Mai 1932.
Ber⸗
der groß⸗deutschen Probleme niemals gegen uns und niemals ohne uns durchgeführt werden kann (sehr wahr! bei den Na⸗ tionalsozialisten). Man wird sich einmal darüber klar werden müssen, worauf unser Aufstieg zurückzuführen ist. Wenn man erklärt, er sei lediglich die Folge der durch die Not hervor e⸗ rufenen Unzufriedenheit des Volkes, so muß man fragen: Woher kommen denn die Unzufriedenen? Wenn es solche gibt, so ist das doch die Schuld der Regierenden! (Zustimmung bei den Nationalsozialisten.) Der Grund für den Ausstieg unserer Be⸗ wegung ist zum Teil das neuerwachte Nationalgefühl, das sich nach Jahren künstlicher Drosselung um so stärker regt. Vor allem aber ist dieser Aufstieg der Protest eines Volkes gegen einen Staat, der das Recht des Volkes auf Arbeit und auf ein natürliches Auskommen mißachtet, er ist die Folge einer Wirt⸗ schaftsordnung, die den Weizen verbrennt, den Kaffee sinnlos ins Meer wirft, die Güter der Welt nutzlos aufstapelt, nur um die Gewinne der Börse zu sichern (lebhafte Zustimmung bei den Nationalsozialisten). Der Herrgott läßt auf der Erde für alle Menschen genug zu essen wachsen. Wenn das Verteilungssystem es nicht richtig allen zuführen kann, dann ist dieses System falsch und muß geändert werden. Die große antikapitalistische Sehn⸗ sucht, die durch unser Volk geht, ist dabeig nicht eine Ablehnung des aus Arbeit und Sparsinn entstandenen sittlichen Eigen⸗ tumsrechts und hat gar nichts mehr zu tun mit den sinnlosen und destruktiven Tendenzen der Internationale, sondern ist der Protest des Volkes gegen eine entartete Wirtschaft. Das Volk verlangt vom Staat, daß er, um das eigene Lebensrecht zu sichern, die Herrschaft des Dämon Gold bricht, der abgewirtschaftet hat. (Lebhafter Beifall bei den Nationalsozialisten.) Wir stehen im Anfang einer Entwicklung zur Ueberwindung des Indivi⸗ dualismus und vor dem Aufkommen eines neuen Denkens über den Staat. Das ist mir nie so zum Bewußtsein gekommen wie bei der Parole der SPD. zum 1. Mai. Der Artikel des Prä⸗ sidenten Löbe zum 1. Mai⸗ hat mich fast entsetzt. Nachdem Mil⸗ lionen deutscher Arbeiter Ihnen (zu den Sozialdemokraten) die Besserung ihres Lebens bewußt und gern und in Hoffnung an⸗ vertraut hatten, wissen Sie nichts anderes zu sagen als: Arbeits⸗ kürzung, Völkerfriede und Klassenhaß. Mit Ihrem Klassenhaß erstören Sie aber die Möglichkeit Deutschlands, den Völker⸗ srieden durchzusetzen. Auch wir wollen keinen Krieg, sondern Frieden. (Lachen und Unruhe links.) Wir wollen Frieden nach innen und außen und Ordnung im Innern, aber wir wollen das alles auf dem Wege der Erneuerung nach den Gesetzen natürlicher Harmonie (Rufe bei den Sozialdemokraten: Das sind ja alles nur Phrasen!) Wenn Sie (nach links) die außenpoliti⸗ Möglichkeiten Deutschlands zerstören, zerstören Sie zu⸗ gleich die Lebensmöglichkeiten des deutschen Arbeitnehmers. Arbeitszeitverkürzung ist jetzt Ihr Allheilmittel, wobei Sie heim⸗ lich eine ganz kleine Aenderung vorgenommen haben. Früher verlangten Sie immer Arbeitszeitkürzung ohne Lohnausgleich (Rufe bei den Sozialdemokraten: Niemals! — Abg. Torgeler (Komm.): Bei aller Bescheidenheit nehmen wir das für uns in Anspruch! Heiterkeit). Bescheidenheit und Torgeler sind zwei grundverschiedene Begriffe (Lachen bei den Nationalsozialisten). Arbeitszeitkürzung das bedeutet nichts anderes als hohen Lohn⸗ abbau für die noch Arbeitenden. Die Kaufkraft wird dabei nicht um einen Pfennig erhöht und infolgedessen auch nicht für einen Groschen neue Arbeitsmöglichkeit geschaffen (Zustimmung bei den Nationalsozialisten). Die Arbeitszeitkürzung ist nichts anderes als ein Unrecht, daß man den Erwerbslosen zufügt, weil man ihnen damit keine Arbeit geben kann, weil man vielmehr den sogenannten sozialen Ausgleich hiernach darin sucht, daß nun alle hungern sollen (sehr wahr! bei den Nationalsozialisten). Arbeitzeitkürzung ist eine Lüge. Wenn Sie sie nur in den Branchen durchführen wollen, in denen sie möglich erscheint, dann ist der Erfolg gleich Null. Nach einer mir vorliegenden Statistik über die bereits bisher in der Praxis eingeführte Arbeitszeitkürzung wurde z. B. in der Metallindustrie im Ja⸗ nuar d. J. nur noch 38,5, im Februar nur noch 38,2 Stunden pro Woche gearbeitet. Aehnlich liegt es in der Textilindustrie, in der chemischen Industrie und in anderen großen Wirtschafts⸗ gruppen. Dort ist also die Arbeitszeitkürzung schon erzwungen. Man muß sagen, daß bei diesen Tatsachen die von Ihnen prophe⸗ zeiten Vorteile einer Arbeitszeitkürzung lediglich ein Narkotikum darstellen, hinter dem nichts Reales steht. Auf dem Gewerk⸗ schaftskongreß, der in vieler Hinsicht bedeutungsvoll war, hat Herr Leipart von Arbeitszeitkürzung nur im Rahmen seiner großen Rede kurz gesprochen. Es ist mir aufgefallen, daß in dem schriftlichen Exposé, das den Ertrag des Kongresses im Form eines Arbeitsbeschaffungsprogrammes und in Form von Richt⸗ linien der Oeffentlichkeit klar machen sollte, von der Arbeitszeit⸗ kürzung nichts mehr steht. Arbeitszeitkürzung ist eben ein Schlagwort, das wie andere ähnlicher Art das Reservatrecht einer dogmatisch verrannten politischen Führerschaft darstellt. In der Praxis aber haben auch die Gewerkschaften erfreulicher⸗ weise die Arbeitszeitkürzung als Lüge erkannt, mit der sie sich nicht belasten wollen. (Händeklatschen bei den Nationalsozialisten.) Der Gewerkschaftskongreß war geradezu von schicksalhafter Be⸗ deutung, weil vielleicht eine entscheidende Entwicklung sich in der Tatsache andeutet, daß die Führer der deutschen Gewerkschaften, die im Gegensatz zu ihren Parteiführern von altersher wirklich aus dem Arbeiterstande kommen (Beifall bei den National⸗ sozialisten), heute z. B. jede Tributpolitik ablehnen. Es ist auch ein hervorragendes Zeichen, wenn in den Vorschlägen der Ge⸗ werkschaften über die Arbeitsbeschaffung, über die man absolut reden kann und an der wir jederzeit unter entsprechenden Be⸗ dingungen mit zu arbeiten bereit sind, das Mittel der Anleihen abgelehnt wird. Die alten Führer allerdings wissen auch zur Zeit noch kein anderes Mittel als die Auflegung einer Anleihe. Aber in der Zeitschrift des Gewerkschaftsbundes wird von einem Mann, den ich nicht kenne, der Gedanke der Anleihen und ähn⸗ licher Geldbeschaffungsmöglichkeiten strikt abgelehnt. Und im weiteren Verlauf seiner Ausführungen zur Kreditschaffung kommt der Verfasser zu Finanzierungsmöglichkeiten, die von uns zum ersten Male in die Debatte des deutschen Volkes geworfen wurden. (Beifall bei den Nationalsozialisten.) Wir überschätzen diese Entwicklung bei den Gewerkschaften nicht, aber die Sozial⸗ demokratie hat auch keinen Anlaß, sie zu unterschätzen. Wenn Reichsarbeitsminister Stegerwald in einer seiner letzten Reden erklärt hat, man solle die Sozialversicherung den Versicherten übergeben, dann sagen wir dazu: wenn man das in Zeiten tun würde, in denen die Sozialversicherung in Ordnung ist, dann könnte man sich damit abfinden. Heute aber ist die Sozialver⸗ sicherung restlos fertig. Wenn man angesichts dieser Tatsache zu den Versicherten sagt: Hier habt Ihr die Konkursmasse, dann be⸗ deutet das den Zusammenbruch der deutschen Sozialversicherung überhaupt (sehr wahr! bei den Nationalsozialisten), dann würde der heutige Staat und ein Gewerkschaftler wie Dr. Stegerwald das Werk zerstören, das der Reaktionär Bismarck seinerzeit für das deutsche Volk geschaffen hat. Die deutschen Gewerkschaften müssen auch hier Obacht geben, ob sie die Tolerierung eines Ka⸗ binetts weiter zugestehen wollen, dessen Vorschläge dahin zielen, daß die Sozialversicherung in die Brüche gehen soll. Eine zielbewußte Regierung muß durch Arbeitsbeschaffung ver⸗ hindern, daß auch in die deutsche Arbeiterschaft selbst eine Spal⸗ tung hineinkommt, daß der Neid der Arbeitslosen auf die Besser⸗ gestellten in noch stärkerem Maße vergrößert wird, als er heute schon besteht. Die Prämienanleihe ist das Mittel eines Systems die die letzten ausgefahrensten Gleise der kapitalistischen Wirtschaft geht. (Zustimmung bei den Nationalsozialisten.) Mit finan⸗ ziellen Mitteln ist das Arbeitslosenproblem überhaupt nicht mehr zu lösen. Wir Nationalsozialisten lehnen diese Art des Regierens ab. Notwendig ist vor allem eine von allen Sonderinteressen unabhängige Staatsgewalt. (Rufe der Kommunisten: Abhängig von Thyssen nennen Si bhängig!) 2 S8 eine politische — 8 8 v“ 8
Mittel
Arbeit verfolgt hätten, würden Sie zu so einem saudummen Vor⸗ wurf nicht kommen. (Heiterkeit. — Präsident Löbe rügt den Ausdruck.) Die Sinnlosigkeit des ganzen heutigen Währungs⸗ systems und des darauf aufgebauten Weltgebäudes ergibt sich aus dem Mißverhältnis zwischen Goldbestand und Schulden. Professor Cassel hat den gesamten Goldvorrat auf 50 Milliarden beziffert. Die internationalen Schuldverpflichtungen aller Vötker betragen 1600 Milliarden, also ein Vielfaches des Goldbestandes. Daraus ergibt sich die Unmöglichkeit, diese Schulden jemals durch Goldhergabe zu decken. Auf jeden Kopf des Erdballs bis zum Eskimo, vom Säugling bis zum Greis entfällt heute eine Goldschuld von 1000 ℳ. Langsam kommt schon eine neue Den⸗ kungsweise in die Völker wenn auch noch nicht in Deutschland. So hat Professor Cassel gesagt, daß der Verzicht auf die Gold⸗ währung etwas grundsätzlich anderes sei als Inflation. Aehnlich hat sich der amerikanische Nationalökonom Fisher geäußert. Die Nationalsozialistische Partei will heute ihre Gedanken und Pläne, die in monatelanger Arbeit über Arbeitslosigkeit und Arbeits⸗ beschaffung ausgearbeitet sind, der Oeffentlichkeit mitteilen. Sie umfassen die Binnensiedlung, den Abbau des Städtezustroms, die Steigerung des Inlandsertrags Hand in Hand mit einem ge⸗ schlossenen Wirtschaftsraum, die Sicherung der Volksernährung, die Organisation der nationalen Arbeit, die Erneuerung unseres Bodenrechts und die Erklärung, daß jeder deutsche Volksgenosse verpflichtet ist, seine Arbeitskraft im Rahmen der Gesamtnation zur Erzeugung von lebenswichtigen Gütern auszuwerten, kurz die Arbeitsdienstpflicht. Es gibt auf der Welt nur zwei ewige Werte, die Bodenschätze und die Arbeitskraft. Der Satz, daß Kapital Arbeit schafft, ist falsch. Wir sagen: Arbeit schafft Kapital. (Beifall bei den Nationalsozialisten.) Vor allem muß § 163 der Weimarer Verfassung geändert werden. Hier zeigt sich eine bewußte Feigheit der damaligen Verfassungsrechtler, daß man nur den Satz aufgenommen hat, daß jeder Deutsche das Recht auf Arbeit haben soll. Damit zeigte man schon das Un⸗ vermögen, Staat und Wirtschaft zu dirigieren und Arbeit zu geben. (Zuruf bei den Kommunisten: Warum stimmt Ihr nicht für unseren Antrag: Schluß mit den Pensionen?) Die zweite For⸗ derung, die wir zu stellen haben, ist die Ausnutzung der Arbeits⸗ kraft für die Allgemeinheit. Der Staat muß nie fragen: Habe ich das Geld dazu? Für die Arbeitsbeschaffung gibt es immer Geld. Der Staat muß nur fragen: Wo habe ich das Geld ein⸗ zusetzen. Das Geld für die Arbeitsbeschaffung, die wir vorschlagen, ist mindestens so gut angewendet wie die Russenkredite und die Gelder zur Finanzierung der Banken. (Lebhafte Zustimmung bei den Nationalsozialisten.) Ein Volk, das vom Ausland abhängig ist, kann niemals alle Probleme der nationalen Freiheit nach eigenem Belieben ordnen. Deshalb müssen wir die Herstellung der lebenswichtigen Ernährungsmittel auf deutscher Scholle möglich machen. Ferner ist eine Aussiedlung der Großstädte not⸗ wendig. Das eigene unbewußte Empfinden des Volkes schickt sich schon an, den richtigen organischen Weg zu gehen. Letzten Endes ist das Bodenproblem das größte soziale Problem. Dieser Ein⸗ sicht muß durch den in weitestem Maße durchgeführten Bau von Eigenheimsiedlungen Rechnung getragen werden. Selbst in Groß Berlin ist genug Platz für Arbeitersiedlungen mit einem halben bis zu einem Morgen Land vorhanden, und die Arbeiter würden trotzdem nicht längere Arbeitswege haben als heute. Wir haben diese Dinge bei Siemens und Boͤrsig durchgeprüft, und an dem Tage, wo wir zur Regierung kommen, wird der erste Spaten⸗ stich erfolgen. (Lebhafter Beifall bei den Nationalsozialisten.) Die individualistisch infizierten Geister befürchten, daß der Voltswirt⸗ schaft Geld entzogen werde, wenn es an einer Stelle verwendet wird. Für den heutigen modernen Menschen ist das ein ganz unfaßbarer Gedanke, denn tatsächlich entsteht aus Arbeit immer wieder Arbeit. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Und woher nehmen Sie den Boden?) Boden ist in Deutschland genug da. (Mit erhobener Stimme:) Ich habe unter bewußtem Verzicht auf rethorische Wirkung Ihnen sachlich unsere Vorschläge vortragen wollen. Bedenken Sie (zu den Sozialdemokraten), daß hinter uns zwölf Millionen Deutsche stehen. Wir haben jederzeit die Mög⸗ lichkeit, Ihr (zu den Sozialdemokraten) Verhalten gegenüber dieser Rede als einen Verrat an den Arbeitslosen dem Volke klar⸗ zumachen. (Lebhafter Beifall bei den Nationalsozialisten.) Die Einfuhrdrosselung, die bereits eingetreten ist, ist keineswegs eine Folge einer gewollten Regierungspolitik, sondern sie ist die Folge einer trostlos gewordenen Armut und der geschwundenen Kauf⸗ kraft des deutschen Volkes. Aber selbst die Einfuhr von zwei Milliarden, die man immer füx nötig erklärt, lann vermieden werden, wenn wir durch unsere Arbeit unser eigenes Land reicher machen. Wenn wir den Boden meliorisieren, ertragreicher machen, erhöhen wir den Reichtum des Landes. Achteinhalb Millionen Hektar in Deutschland haben zuviel Wasser, können drainiert werden. Bei den preußischen Regierungsstellen liegen ja bereits Arbeitsprogramme für 500 000 Arbeitskräfte. Warum kommen sie nicht zur Ausführung? Allerdings hat man gerade die Stellen, die zur Durchführung dieser Arbeiten berufen wären, die preu⸗ ßischen Kulturbauämter, einfach abgebaut. Auch Tariflohn kommt allerdings für diese Arbeiten nicht in Frage. (Aha⸗Rufe links.) Hier muß angesetzt werden der Arbeitsdienst. (Zurufe bei den Kommunisten: Ihr meint Arbeitspflicht!) Der Arbeitsdienst ist lange nicht so schlimm wie die Knechtschaft der russischen Arbeiter. (Zustimmung bei den Nationalsozialisten, Zuruf des Abg. Torgler (Komm.): Herr Thyssen hat seine Freude an diesem Arbeitsdienst.) Hinzu kommen noch andere Arbeiten. Im ganzen können etwa eine Million Arbeitskräfte auf 5 Jahre angesetzt werden. Ich wundere mich, wenn Leute, die selber 4 Jahre lang unter Lebensgefahr an der deutschen Grenze für das Vaterland tätig waren, sich dagegen sträuben, daß jetzt Einund⸗ zwanzigjährige Arbeit für ihr Vaterland leisten. (Lebhafter Bei⸗ fall bei den Nationalsozialisten.) Man soll doch auch nicht die große Bedeutung des Arbeitsdienstes für die Erziehung zum deutschen Staat vergessen. Dieses Erziehungsproblem bedeutet allerdings die Zerstörung Ihrer (zu den Sozialdemokraten und Kommu⸗ nisten) Weltanschauung. (Stürmische Zustimmung bei den Na⸗ tionalsozialisten.) Da Arbeit weitere Arbeit erzeugt, können auf diese Weise weitere Arbeitskräfte in Handel, Handwerk und Ver⸗ kehr in Arbeit gebracht werden. Wir brauchen nicht alles vom Staate aus zu machen, aber die ersten rößeren Arbeits⸗ beschaffungsaufträge müssen vom Staat ausgehen; dann werden wir in zwei Jahren wieder einen normalen Ablauf der Dinge haben. Bodenverbesserungsarbeiten und die Urbarmachung brach⸗ liegender Flächen schafft für hunderttausend Menschen jährlich neues Siedlungsland. Nach fünf Jahren hätten wir damit eine halbe Million neuer Siedlungsstellen im Osten. Es heißt neuer⸗ dings, daß die ganze Ostsiedlung auf den Arbeitsminister Steger⸗ wald übertragen werden soll. Das könnte fast den Eindruck er⸗ wecken, als ob unter Umständen bei der Ostsiedlung konfessionelle Rücksichten nicht mehr ausgeschaltet werden sollen. Das wäre ein gefährliches Spiel. Ein Staat, der die Arbeitsdienstpflicht de⸗ kretiert, muß zugleich weitgehende Vorsorge treffen, daß die so erzeugten Lebensgüter nicht der privaten⸗ Spekulation zum Opfer fallen. Es wird daher eine weitgehende Kontrolle des täglichen Marktes geschaffen werden müssen. In Verbindung damit muß auch das Lohnproblem grundsätzlich gelöst werden. Sicher ist die Rentabilität der Landwirtschaft die Voraussetzung dafür, daß über⸗ haupt an Meliorationen herangegangen werden kann. Aber eben⸗ so ist es eine Voraussetzung, daß die Einfuhr gedrosselt wird. Die Rentabilitätsfrage muß von der Preisgestaltung und der Ab⸗ enkung der Zinssätze angepackt werden. Das ganze landwirt chaftliche Kreditwesen wird auf eine neue Basis gestellt werden müssen. Als Politiker sehe ich keine Notwendigkeit für die heutige weitgehende organisierte Verästelung der deutschen Bauernschaft. Wenn der Staat die Sicherung des Lebens der Landwirtschaft übernimmt, wird ein großer Teil der oppositionellen Verbände überflüssig sein. Nun zu der Frage der Finanzierung der Arbeits⸗
schaffung. Es ist durchaus falsch, daß wir zu arm sind, um die ufzubringen. Gerade wenn man arm ist, muß man mehr 1“ “ 8 v1“
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arbeiten, um wieder hoch zu kommen. Die Finanzierung eines Arbeitsbeschaffungsprogramms ist durchaus möglich, und zwar muß die Finanzierung durch eine Bau⸗ und Wirtschaftsbank er⸗ folgen. Die Unkosten werden zu 75 vH auf die Löhne und zu 25 vH auf das reine Rohmaterial entfallen. Um die Mittel auf⸗ zubringen, muß die Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung die bisherigen Zahlungen an die nunmehr Beschäftigten der neuen Bank zur Verfügung stellen. Damit könnten 30 vH der gesamten Lohnsumme gedeckt werden. Weitere 5 vH könnten aus den Mehr⸗ eingängen der Arbeitslosenversicherung beglichen werden. Da durch Arbeit auch erhöhte Steuererträge geschaffen werden, könnten aus diesen Mehreingängen weitere 15 vH der notwendigen Mittel ge⸗ nommen werden. 25 vH würden die Siedler und Bauern selbst beizutragen haben. Der Rest von 25 vH ist dann von der Bau⸗ und Wirtschaftsbank durch Kredithergabe bereitzustellen. Eine solche Kredithergabe ist so lange restlos unbedenklich, als ein starker, sauberer Staat zur rechten Zeit abzudrehen und einer weiteren Entwicklung vorzubeugen in der Lage ist. Wenn man nun noch Bedenken gegen diese Art der Finanzierung hat, dann muß man einmal daran erinnern, was uns die Bankensanierung ekostet hat und was sonst an Verlustkrediten, die in die Mil⸗ iarden gehen, bisher schon gegeben worden ist. Was hätte man damit an ewig neue Arbeit zeugender Arbeitsbeschaffung tun können! Einen Begriff muß man allerdings außer Kraft setzen. Man wird an die Stelle rein kapitalistischer Finanzierung eines setzen müssen, nämlich, daß man für alle für solche Arbeiten auf⸗ gewendeten Geldmittel unter dem Gesichtswinkel der Belange der nationalen Kultur betrachtet. Für die Wegebauten wird man endlich das gesamte Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer verwenden müssen; darüber hinaus wird man diese Steuer umbauen müssen zu einer Betriebsmittelsteuer. (Abg. Torgler [Komm.]: Wie stehen Sie denn zur Vermögens⸗ und Besitzsteuer? — Präs. Löbe: Herr Torgler, Sie können diese Frage doch nachher in geordneter Rede stellen! — Torgler: Nein, ich möchte das gern jetzt wissen. — Präs. Löbe: Sie können doch die Antwort nicht erzwingen: — Aha⸗Rufe links.) Die Strompreisgestaltung muß gleichfalls re⸗ formiert werden.
Heute ist sie im Besitz großer internationaler Gesellschaften. Die kleinen bayerischen Elektrizitätswerke hatten viel billigeren Strom als die AEG. von heute. Das wichtigste aber ist die Herabsetzung des Zinses. Wir bekommen in Deutschland keinen Aufstieg, wenn wir nicht die Zinsen auf ein erträgliches Maß herabsetzen, wenn wir nicht vor allem die Betrugsmanöver der Banken verhindern, die zwar von 5 vH reden, aber infolge hoher Abschlußprovisionen usw. in Wirklichkeit 10 vH Zinsen fordern. (Abg. Torgler [Komm.]: Das ist eine komische Brechung der Zins⸗ knechtschaft!!) Die Umgestaltung der Zinsen bringt eine Neu⸗ gestaltung der sozialen Struktur mit sich, das ist die Konsequenz der Weltwende, an der wir stehen und der wir uns nicht entziehen können. (Zuruf bei den Kommunisten: Das ist die Konter⸗ revolution!) Reichskanzler Dr. Brüning ist an alle diese Probleme mit dem besten Willen herangegangen, aber er hat seine Kraft da⸗ mit verbrauchen müssen, mühfelig mit heterogenen Parteien zu regieren. Ich halte es überhaupt für unmöglich, daß man mit einer Vielheit von Parteien solche Dinge durchführen kann, namentlich mit Parteien, deren Ansprüche im umgekehrten Ver⸗ hältnis zu ihrer Größe stehen. (Große Heiterkeit.) Mit solchen Parteien kann man nicht regieren, die müssen weg! (Stürmischer Beifall bei den Nationalsozialisten.) Der Mann, der in Deutsch⸗ land Arbeit schaffen will, kann solche Politik nicht machen mit Herrn Aufhäuser und auch nicht mit Hugo Wolff und Silverberg, mit Menschen von ausgesprochen internationalem finanzkapita⸗ listischem Denken. Sie hier im Reichstag sitzen im allgemeinen ganz behäbig, haben aber nicht erkannt, welche Umschichtung im Denken draußen im Volke vor sich gegangen ist. Sie haben nicht erkannt, daß heute Tausende von jungen Deutschen teils innerhalb, teils außerhalb unserer Bewegung Ihre Führung nicht mehr wollen. Sie fragen uns, wo denn unsere Köpfe waren. Da müssen wir gegenfragen: Herr Reichskanzler, was haben denn Ihre Leute, was haben Ihre Wirtschaftsführer erreicht? (Zu⸗ ruf bei den Kommunisten: Das sind doch Ihre lzu den National⸗ sozialisten! Wirtschaftsführer! Denken Sie nur an das Düssel⸗ dorfer Bankett!) Die Wirtschaftsführer haben sich nicht um Politik gekümmert und haben die Führung Potitikern übergeben, die in kurzer Zeit das verwirtschaftet haben, was vorher in Jahr⸗ zehnten aufgebaut war. Politik heißt vorausschauen. Aber be⸗ deutet das etwa Politik, wenn eine Fejung aus Angst vor kom⸗ menden autarken Gestaltungen Wirtschaftskonferenzen veranstaltet, um sie für ihr Annoncengeschäft auszunutzen? Wo sind denn die Finanzkapitäne? Was haben sie denn geleistet? (Zurufe links: Die gehören doch zu euch!) Ja, 2 vH Umsatzprovision, das ist ein einfaches, sauberes Geschäft! Aus unseren Steuergroschen sind die Wirtschaftsführer saniert worden. Aber was haben sie denn an eigenen Leistungen aufzuweisen, die Herren von gestern, die Herren von heute? Doch nur die Not des ganzen Volkes. (Zuruf bei den Kommunisten: Nein, eure Anerkennung und die der Hohenzollern! — ” Die Umstellung kann nur erfolgen mit Hilfe der großen Parteien, die weitgehend diszipliniert sind und die sich auf das Vertrauen des Volkes stützen können. Das Vertrauen des Volkes haben wir uns erworben, indem wir diese Bewegung gegen Sie alle aus einem Nichts geschaffen haben. Für die Erfüllung unserer Aufgabe hoffen wir auf Gott, das Urteil überlassen wir der Geschichte! (Stürmischer Beifall und Heilrufe bei den Nationalsozialisten.)
Abg. Hepp (Dt. Landvolk) betont, daß es ein großer Fehler war, 1930 in Auswertung des Wahlergebnisses die großen poli⸗ tischen Kräfte, die sich daraus ergaben, nicht zur Verantwortung heranzuziehen. Der Reichskanzler, so erklärt der Redner weiter, der neben seinem schweren Amte auch noch die Außenpolitik mit übernommen hat, war gar nicht in der Lage, zu führen. So wenig wir eine Parteidiktatur wünschen, so wenig wünschen wir, daß etwa durch das Fortbestehen des Systems der Notverordnungen die Diktatur der Amtsbürokratie aufgerichtet werden sollte. Dem stellen wir die Auffassung von der Notwendigkeit der Selbstver⸗ waltung und der Verantwortung des deutschen Staatsbürgers ent⸗ gegen. Dem heutigen System ist die Bewältigung der ungeheuren Lebensfragen der Nation nicht möglich. Wir sind daher für Zu⸗ sammenfassung aller Kräh die guten Willens sind, das deutsche Volk zu retten. Der Erfüllungsfanatismus auf dem Gebiete der Außenpolitik ist zu Ende; es gibt in Deutschland heute keinen Menschen mehr, der glaubt, daß wir noch irgendwelche Repara⸗ tionen zu zahlen in der Lage sind. Soweit ich unterrichtet bin, besteht auch die Absicht, zum ersten Male dem Reichstag einen Etat vorzulegen, in dem keine Reparationszahlungen mehr enthalten sind. Die Frage der Abrüstung scheint nicht den von weitesten. Schichten unseres Volkes erwarteten Weg zu gehen. Der Forde⸗ rung einer allgemeinen Abrüstung folgen wir, soweit sie wirklich eine allgemeine ist. Sollte Letzteres aber nicht der Fall sein, so muß Deutschland das Recht der Rüstung nach seinen eigenen Lebensbedürfnissen gegeben werden. Der Kampf Deutschlands um seine außenpolitische Stellung ist mit dem Aufhören der Repara⸗ tionszahlungen aber noch nicht zu Ende. Die Ziele der franzö⸗ sischen Außenpolitik, Deutschland wirtschaftlich und ET“
- 0 si 9 9 1p ꝗo 9 2 9 P * 9 zuhalten, sind heute noch dieselben wie früher. Frankreich wit
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlich für Schriftleitung und Verlag: Direktor Mengering in Berlin⸗Pankow. Preußischen Druckerei und Verlags⸗Aktiengesellschaft,
Berlin, Wilhelmstraße 32.
Sieben Beilagen “
chließl Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen).
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— nun Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeige
Berlin, Mittwoch, den 11. Mai
3 (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) m des Vasallen⸗ und Tributstaates aufrechterhalten auch in dem Plan der Schaffung eines Paneuropa. Unsere außen⸗ politische Geltung ist zur Zeit noch äußerst schwach. Das haben ber letzten politischen Vorgänge in Danzig und im Memelland be⸗ wiesen. Mit Stolz müssen wir den Ausgang der Wahlen zum Memelländischen Landtag beurteilen, mit Stolz feststellen, daß hier an der äußersten Nordostecke des deutschen Landes der deutsche Gedanke einen hundertprozentigen Erfolg davongetragen hat. Durch die starke Beschäftigung des Reichskanzlers mit den außen⸗ politischen Fragen in den letzten * war ihm die Möglichkeit genommen, die Fäden der inneren Politik straff in die Hand zu nehmen und zusammenzufassen. Die Politik der Köpfe war hier nicht in der Lage, Erfolge zu erzielen. Den Abgang des Wirt⸗ schaftsministers Warmbold kann man doch auch begründen mit der Auffassung, daß eine entscheidende Uebereinstimmung in den wirt⸗ schaftlichen Fragen nicht zustande gekommen ist. Diesen Fragen ist wohl weniger Gewicht beigelegt worden als den aus dem Ressort des Arbeitsministers kommenden sozialen Fragen. Das S. A.⸗ Verbot billigen wir durchaus nicht. Wenn man schon die Not⸗ wendigkeit betont, unter allgemein staatlichen Gesichtspunkten gegen Verbände vorzugehen, von denen man sagt, daß sie willens seien, einen Staat im Staate aufzuführen, dann hätte man, mit gleichem Maße messend, auch gegen alle anderen ähnlichen Verbände vor⸗ gehen müssen. Auch auf dem Gebiete der Maßnahmen für die Landwirtschaft ist keine einheitliche Auffassung vorhanden gewesen. Das Volk kann da auch nicht mehr durch Rundfunkvorträge be⸗ ruhigt werden. Die schon lange in Aussicht gestellten Taten müssen schleunigst durchgeführt werden, wenn von der zusammen⸗ brechenden Landwirtschaft noch etwas gerettet werden soll. Die größten Gefahrenmomente bestehen aber im Osten. Hier müssen auch die großen nationalen und nationalpolitischen Auswirkungen einer ernsten Agrarkrise mit beurteilt werden. Die Aktion des Ministers Schlange, das deutsche Volk durch Verhinderung eines geIten Ernteausfalls vor dem Hungern zu schützen, ist als ge⸗ ungen zu bezeichnen. Man wird von einer einigermaßen ge⸗ sicherten Ernte für den Herbst d. J. sprechen dürfen. Auf dem Gebiet des Getreidebaues sind durch Minister Schiele wirklich Maßnahmen mit durchgreifendem Erfolg getroffen worden. Da⸗ gegen ist auf dem Gebiet der bäuerlichen Veredelungswirtschaft, auf dem man die Notwendigkeit besonderen Schutzes betont hatte, ein wirklich maßgeblicher Erfolg nicht erzielt worden. Es muß unser Ziel sein, wenn wir die deutsche Wirtschaft als selbständiges Ganzes erhalten wollen, sie abzusetzen von dem, was auf den Weltmärkten vor sich geht. Das bäuerliche Element hat ein An⸗ recht darauf, nicht nur aus wirtschaftspolitischen, sondern auch aus volkspolitischen und staatspolitischen Gründen, erhalten zu werden. Die unglückliche Zusammensetzung des Kabinetts hat es verhindert, daß ein wirklich weittragender Erfolg eintreten konnte. Ein Schutz der deutschen Milchwirtschaft ist leider nicht mehr vor⸗ 2— Der Zollschutz in Höhe von 170 ℳ je Doppelzentner
utter ist der deutschen Buttererzeugung nicht restlos zugute ge⸗ kommen, er ist durch eine Reihe von Abmachungen mit anderen Ländern längst durchbrochen. Trotz der Zollneuregelung unter⸗ 1b9 sich das Gesamtergebnis der Buttereinfuhr im März 1932 aum von dem im März 1931. Daß der Maximaltarif nicht restlos zur Wirkung kommen wird, zeigen die Vereinbarungen mit Polen. Trotz der Maßnahmen auf dem Gebiete der Sicherung der deutschen Viehwirtschaft ist festzustellen, daß insbesondere in den Randgebieten, wie etwa Schleswig⸗Holstein, die Konkurrenz der ausländischen Vieherzeugung sich ungünstig auswirkt. Es kommen nach Deutschland noch Schweine herein, die in ihrer Be⸗ schaffenheit nicht als einwandfrei bezeichnet werden können. Durch⸗ aus ungenügend ist der Schutz des Obst⸗ und Gartenbaues, ins⸗ besondere des Frühgemüsebaues. Es gilt, nicht nur die deutschen Erzeugnisse zu fördern, sondern zahlreiche selbständige kleine Familienexistenzen zu erhalten. Wir richten an den Reichs⸗ ernährungsminister das dringende Ersuchen, diesen jungen Zweig unseres Wirtschaftslebens nicht untergehen zu lassen. Das gleiche gilt für den deutschen Weinbau. Trotz Steigerung aller Unkosten liegen hier die Preise mehr als 50 vH unter den Vorkriegspreisen. Aehnliche Erscheinungen zeigen sich in der deutschen Holzwirtschaft, die eine Haupteinnahmequelle der ländlichen Gemeinden bildet. Wir müssen besonders das Vordringen der russischen Konkurrenz feststellen. Reich, Länder und Gemeinden sollten bei Verwendung öffentlicher Mittel zur ausschließlichen Verwendung deutschen Holzes und deutscher Baumaterialien verpflichtet werden. Die ausländische Konkurrenz kann nur durch Kontingentierung der Einfuhr gemildert werden. Durch das bisherige Zollsystem haben
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wir uns des wirkungsvollsten Mittels der Einfuhrregelung be⸗
geben. Die Erhöhung der Umsatzsteuer für die Landwirtschaft und die Erhöhung der Zuckersteuer entsprachen nicht wirtschaftlicher Erkenntnis. Daß eine Fülle von Ressorts sich mit der Siedlungs⸗ 888 beschäftigen, muß zwangsläufig zu einer Sabotage der resten Siedlungsabsichten führen. Die Urbarmachung des Oed⸗ landes kann neue Werte schaffen und die Arbeitslosigkeit mildern; sie ist nur in Verbindung mit einer organisierten Arbeitsdienst⸗ pflicht durchführbar. Jenes „zu spät“, das über allen Maß⸗ nahmen des Kabinetts steht, zeigt sich auch hier.
Damit ist die Aussprache geschlossen.
Präsident Löbe schlägt die Ueberweisung des Gesetz⸗ entwurfs an den Haushaltsausschuß vor. Die Abgg. Hepp. (Landv.) und Esser (Zentr.) erheben Widerspruch. Da die Abstimmung zweifelhaft bleibt, wird durch Auszählung mit 264 gegen 209 Stimmen der Nationalsozialisten, der Deutsch⸗ nationalen, des Landvolks und der Kommunisten dahin ent⸗ schieden, daß die Vorlage nicht dem Ausschuß überwiesen wird.
Das Schuldentilgungsgesetz wird darauf in 2. Beratung gegen die Stimmen der gleichen Parteien an⸗ genommen. „
Bei der Arbeitsbeschaffungsanleihe, die im § 8 geregelt ist, ist die Abstimmung wieder zweifelhaft, da Volkspartei und Wirtschaftspartei zunächst ebenfalls dagegen stimmen. Bei der Auszählung entscheidet sich aber die Wirt⸗ schaftspartei zugunsten der Abstimmung für die Anleihe, die mit 245 gegen 224 Stimmen der Nationalsozialisten, Deutschnationalen, Kommunisten, der Deutschen Volkspartei und des Landvolks genehmigt wird. Die dritte Lesung des Schuldentilgungsgesetzes findet später statt.
Das Haus geht zu der großen politischen Aus⸗ sprache über, die allerdings zum Teil schon bei der ersten Beratung des Schuldentilgungsgesetzes stattgefunden hat und eigentlich nur fortgesetzt wird.
Abg. Graßmann (Soz.): In der „Diktatur“ findet sich ein Artikel des Grafen von der Goltz, in dem es heißt: „Keine Hand soll sich erheben, keine Faust den Finger krümmen im Dienste eines solchen Systems .. . Wir wollen nicht für ein Phantom sterben.“ (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Da haben Sie (zu den Nationalsozialisten) Ihren inneren Wesenskern zwanglos enthüllt. Hier nun
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maschine, unbekümmert darum, was aus dem Menschen wird. Diesen Eindruck hatte man besonders bei der Rede des Herrn Dr. „ Er verteidigte die Industrie. In der heutigen ver⸗ armten Wirtschaft werden doppelt soviel Direktoren beschäftigt wie vor dem Kriege. (Rufe bei den Sozialdemokraten: Hört, hört! lauter Nazis!) Auch Strasser hielt es für abwegig, von der Fehlleitung des Kapitals zu reden. Da formulierte er falsch. Von Kapitalfehlleitungen reden wir nur da, wo Kredite gegeben werden, die dann einfrieren, wie die neue Schachtanlage des Stahltrusts, die zwar zehntausende von Arbeitern erspart, deren Verzinsung aber ein 5v der ersparten Löhne verschlingt. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Und solche Beispiele gibt es viele. Manche neuen Fabriken sind gar nicht mehr in Betrieb genommen worden und stehen heute meistbietend zum Verkauf. Und solche Investitionen sind noch gemacht worden als der Pro⸗ duktionsrückgang sich bereits bemerkbar machte. Die Lohnsenkungen haben zu einem Zustand geführt, der jeden Deutschen mit Scham erfüllen müßte. Wir sehen eine orientalische Zunahme des Bettelns in Deutschland, die für das Spießertum zu einem Anlaß der Furcht wird. Im Westerwald erbetteln sich Erwerbslose in Massen ihren Lebensunterhalt. In Baden hat sich eine Not⸗ gemeinschaft gebildet, die darauf hinweist, daß es Familien gibt, die wochenlang ohne Brot sind. (Hört, hört! bei den Sozial⸗ demokraten.) Aehnliche Nachrichten kommen aus anderen Gegen⸗ den des Reiches. Die Wirtschaftsführer stellen sich selbst das Armutszeugnis aus, nicht helfen zu können. Sie geben zu, daß Keynes Ausspruch richtig ist: „Mein Vorteil geht dahin, daß die Großbankiers der Welt zum Selbstmord entschlossen sind.“ Das Ergebnis der Fehler der F Wirtschaft ist eine Steige⸗ rung der Arbeitslosigkeit, die nicht nur eine große gesellschaftliche und politische Gefahr für die Welt darstellt, sondern die auch das Unmenschlichste gegenüber dem einzelnen ist, was sich denken läßt. Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Und wenn ein Ver⸗ treter der äußersten Rechten ein Heldenepos ableiert darüber, wie sie die Not lindern will, dann muß ich daran erinnern, daß die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie seit zwei Jahren unab⸗ lässig an allen Stellen dafür gewirkt haben, rechtzeitig einzu⸗ greifen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Wir haben schon 1930 Verkürzung der Arbeitszeit, Rationierung der Auf⸗ tragserteilung, 1931 zusätzliche Arbeitsbeschaffung durch die öffent⸗ liche Hand mit internationaler Kreditbeschaffung verlangt. Schließlich haben wir auf unserem Krisenkongreß es als einen Skandal bezeichnet, daß bei den hohen Arbeitslosenzahlen in vielen Betrieben noch mehr als 8 Stunden gearbeitet wird, daß in der Schuhindustrie soviele Arbeiter schon länger als 6 Jahre erwerbs⸗ los sind und daß Pensionäre den Arbeitslosen den Erwerb weg⸗ nehmen. Seit Jahren hat man aber nur die Löhne gesenkt und damit nur erreicht, daß sich die Arbeitslosen vermehrt haben und daß es der Wirtschaft immer schlechter gegangen ist. Die Kauf⸗ krafttheorie der Gewerkschaften hat sich doch als richtig erwiesen. Nun ist eine Ankurbelung der Konjunktur vom Ausland her in ve ganen Zeit kaum zu erwarten, denn überall wächst der Schutz⸗ “ Können wir auf die vage Aussicht hin, daß Strassers Programm in Jahrzehnten Erx ns hat, uns auf Autar⸗ kieexperimente einlassen, während wir noch nicht einmal wissen, was in den nächsten Monaten wird? Gerade die jüngeren Lebensalter sind von der Erwerbslosigkeit betroffen. Der Buch⸗ druckerverband hat festgestellt, der Anteil der jungen Leute zwischen 18 und 25 Jahren an den gesamten Erwerbslosen des Verbandes mehr als 50 vH beträgt. „(Hört, hört! bei den Sozial⸗ demokraten.) Es ist verständlich, daß diese jungen Leute sagen: Warum soll ich die Gesetze der Gesellschaft achten, wenn mir gegenüber nicht einmal die elementaren Gesetze des Selbsterhal⸗ tungsrechts geachtet werden? Und diese jungen Leute mit der mangelnden Arbeitspraxis sind nicht nur eine politische und mo⸗ ralische Gefahr, sondern auch eine wirtschaftliche. Denn wenn erst der tüchtige Stamm gut ausgebildeter Facharbeiter ausge⸗ storben ist, dann sieht es um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt verdammt schlecht aus. Infolge der Einführung arbeitssparender Maschinen können 35 vH aller Schuharbeiter überhaupt nie mehr auf Beschäftigung rechnen. Deshalb verlangen wir eine Verkürzung der Arbeitszeit. Hinter den Schwierigkeiten der neuen Einteilung der Schichten darf man sich nicht verschanzen. Die Industrie hat schon viel größere Schwierigkeiten überwinden müssen. Selbst in der günstigsten Konjunktur können wir unsere Arbeitskapazität nur zu höchstens 75 vH ausnutzen. Was soll denn mit den übrigen werden? Aus diesem Grunde haben wir unseren Mitgliedern das unerhörte Opfer zugemutet, auf einen Teil ihrer Arbeit zu verzichten. Wir haben das nur getan, weil es auch um Kopf und. Kragen der anderen geht. Die Verkürzung der Arbeitszeit muß allerdings verbunden werden mit einem Einstellungszwang, sie darf nicht eine Gewinnsteigerung für den Unternehmer zur Folge haben, der sich vielleicht in dem Glauben wiegt, er könne von den alten Arbeitern in der verkürzten Arbeitszeit dieselbe Leistung ver⸗ langen, wie vorher in der vollen Arbeitszeit. Auf die Dauer ist es unerträglich, daß ein Betrieb wie die Reichsbahn mehr Arbeit fordert, während andere Betriebe unter schwersten Opfern die Arbeitszeit kürzen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir empfehlen ferner Arbeitsbeschaffung, und zwar zunächst die In⸗ standhaltung des Straßennetzes. Je länger man wartet, um so größere Summen müssen für die Straßen aufgewendet werden. Wir verlangen weiter Arbeiten zum Schutz gegen Hochwasser⸗ gefahr und stärkere Unterstützung des Kleinwohnungsbaues und der Hausreparaturen. Wir wollen auch ländliche Siedlung, ob⸗ wohl wir im Gegensatz zur Regierung darauf nicht das Haupt⸗ gewicht legen. Wir wünschen auch Meliorationen. Alle diese Ar⸗ beiten könnten 900 000 bis 1 Million Arbeitsloser beschäftigen, und die dazu nötigen 2 Milliarden Mark würden besser angewandt sein, als wenn man sie für Tumultschäden ausgeben müßte. Wir sind Gegner der Arbeitsdienstpflicht, weil wir sie ethisch für falsch halten. Auch der freiwillige Arbeitsdienst kann nur vorübergehend Beschäftigung bringen und kann nur für jugend⸗ liche ledige Arbeiter in Frage kommen, niemals für verheiratete. Die Vorschläge Strassers können zumeist nicht wie unsere Forde⸗ rungen schon in Kürze realisiert werden. Strassers Anbiederung an die freien Gewerkschaften ist nicht echt. In einer Ihrer (zu den Nat.⸗Soz.) Broschüren heißt es: Der Arbeiter will nichts als Brot und Spiele (Zuruf bei den Nat.⸗Soz.: Wer sagt denn das ?) Das zitiert Strasser als einen Satz aus einem Brief Adolf Hitlers (Widerspruch bei den Nat.⸗Soz.). Wie schätzt Adolf Hitler selbst die Gewerkschaften ein? Im zweiten Band seines Buches „Mein Kampf“ Seite 257 schreibt er, wer die sozialistischen Gewerk⸗ schaften bersclage und an ihre Stelle die nationalsozialistischen Gewerks aftsidee setzen könnte, der wäre einer der ganz großen Männer. Bestreiten Sie auch das, was die nationalsozialistische Betriebszellenorganisation als Richtlinien herausgegeben hat? (Zuruf bei den Nat.⸗Soz.: Gibts ja gar nicht! — Zuruf bei den Soz.: Das ist auch eine Privatarbeit! — Heiterkeit.) Darin heißt es z. B.: „Allerdings kommen Streiks so gut wie gar nicht in Be⸗ tracht. Bedenken dieserhalb sind bei den Herren Parteigenossen⸗ Arbeitgebern zu zerstreuen“. (Hört, hört! bei den Sozialdemo⸗ kraten. — Unriche bei den Nationalsozialisten und Rufe: Haben Sie das Original da? Zeigen Sie her!) Sie (zu den National⸗ sozialisten) wollen den stärksten Block, der Ihnen im Wege liegt, für Ihre Zwecke benutzen, oder wenn das nicht gelingt, zer⸗
rechnet man mit der Rechen⸗
trümmern. (Abg. Graf Reventlow [Nat.⸗Soz.]: Sie sagten eben:
„Sogenannte marxistische Gewerkschaften“) Nur zum Unterschied von den sogenannten Hirsch⸗Dunckerschen Gewerkschaften. Wir sind Margisten und bleiben es. (Aharufe rechts.) Der einzelne Arbeiter war schutzlos dem Ausbeuter freigegeben. Aus dieser Erkenntnis sind die Gewerkschaften entstanden und den Klassen⸗ kampf können Sie den so entstandenen Gewerkschaften nicht ab⸗ gewöhnen. Und wenn Sie an die Erfüllung Ihres Programms gehen, dann wird sich zeigen, daß sich nicht einmal Bruchteile erfüllen lassen. Sie bauen künstlich eine Bewegung auf unter Hereinnahme der heterogensten Bevölkerungsschichten. Wir da⸗ egen betrachten eine Bewegung nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck. Im Gewittersturm aushalten zu können auf dem als richtig erkannten Wege, das ist das starke Positivum unserer Bewegung, daß Sie (zu den Nationlsozialisten) auch mit dem stärksten Terror nicht zerstören werden. Der Glaube an den Sozialismus wird nicht nur diese Notzeit überdauern, er wird uns auch zum Siege führen. (Lebhafter Beifall bei den Sozial⸗ demokraten.)
Abg. Goering (Nat. Soz.) erklärt, seine Partei habe zunächst selbst geglaubt, daß das Kabinett Brüning, das sich Kabinett der Frontsbchaten nannte, tatsächlich zweckentsprechende neue Aufbau⸗ arbeit leisten würde. Es zeigte sich aber sehr bald, daß es nicht ein Kabinett der Frontsoldaten war, sondern daß man besser von einem Kabinett der Illusionen sprechen kann. Es half nichts, daß sich die Sozialdemokratie aus der Verantwortung gedrückt hatte. Dieses bürgerliche Kabinett war derart stark an die Politik der Sozialdemokratie angelehnt, daß es gar nicht anders konnte, als in der gleichen Richtung die bisherige verderbliche Politik fort⸗ zuführen. Es ist daher für uns selbstverständlich, daß wir diesem Kabinett unser Mißtrauen aussprechen müssen. Es hat sowohl in der Innenpolitik als auch in der Außenpolitik derart s t, daß es samt und sonders mit sämtlichen Mitgliedern das 2 * trauen verdient. Dieses Kabinett war in seiner Gesamtleistung die schwerste Enttäuschung, zumal es mit großen Versprechungen begonnen hatte. Wir protestieren dagegen, wenn der Versuch ge⸗ macht wird, aus dem Gesamtkreis der Aufgaben eine als gelöst herauszunehmen. Wir vermögen auch bis heute keinen außen⸗ politischen Erfolg zu erkennen, nicht einmal die Ansätze einer erfolg⸗ reichen Außenpolitik. Eine kraftvolle Außenpolitik erfordert die Erweckung der nationalen Kräfte im Innern. Es ist nicht möglich, an internationalen Verhandlungen E und damit Deutschland zu erheben, nur eine gesunde Politik im Innern schafft die Möglichkeit, sich mit Erfolg an internationalen Verhandlungen u beteiligen. Bismarck war nicht nur ein genialer Außenpolitiker, 4** aͤuch ein hervorragender Innenpolitiker. Er schuf im Innern erst die Kraft im Kampf gegen die Sozialdemokratie, die er dann nach außen anwenden konnte. (Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten.) Heute sehen wir, wie die Außenpolitik von einer Fenesen Innenpolitik regiert wird, wie eine entsetzliche Wirt⸗ chaftslage geschaffen wurde, die nicht allein auf die Weltkrisis zurückzuführen ist. Ich bin überzeugt, wenn die Weltwirtschafts⸗ krise nicht wäre, würde es in Deutschland auch nicht viel besser aussehen als heute. (Widerspruch und Zurufe.) Die Isolierung Frankreichs, von der so oft gesprochen wird, ist nicht das Ergebnis der Politik Brünings, sondern sie ist trotz und gegen das Kabinett Brüning durchgeführt worden. (Gelächter.) Wir erheben gegen das Kabinett Brüning den Vorwurf, daß der Außenminister diese Isolierung für Deutschland überhaupt nicht realisiert hat. Der Reichskanzler kann das nicht, weil er durch seine Innenpolitik Deutschland machtpolitich zu einem gänzlich wertlosen Fakto gemacht hat. (Erneuter Widerspruch und Zurufe.) Ich denke nur an Danzig und Memel. Wenn heute die Bedrohung unsere Ostgrenze stärker denn je ist, so vermag ich hierin einen außen⸗ politischen Erfolg nicht zu sehen. Wenn heute tatsächlich in Memel die deutsche Richtung sich vollkommen durchgesetzt hat, so ist das ebenfalls kein Verdienst der deutschen Außenpolitik. Diesen Erfolg hat allein die nationale Welle zu buchen, die über die Reichs⸗ grenzen hinaus in alle deutschen Gebiete vorgedrungen ist, und diese trägt nicht das Signum Brüning, sondern das Signum Hitler. (Beifall bei den Nationalsozialisten.) Wir haben recht⸗ zeitig auf die Gefahren, die Danzig, Ostpreußen und Oberschlesien von Polen drohen hingewiesen. Erst als die englische Press darauf aufmerksam machte, raffte man sich in Deutsch land auf, dagegen aufzutreten. Wir hatten gefordert, den deutschen Vertreter in Litauen abzuberufen. Man hat ihn zunächst gedeckt und hat ihn jetzt doch versetzen müssen. Wenn heute Danzig noch nicht ein Raub der Polen geworden ist, so ist das nicht ein Erfolg Ihrer Außenpolitik, Herr Reichskanzler, sondern des starken moralischen Halts und der nationalen Well die wir dort entfacht haben und die zum Ausbruch kam, als Hitler in Danzig war. Wir warnen aber davor, daß man aus dieser deutschen Stadt den Funken entstehen läßt, der zum zweiten Male Europa erschüttéern könnte, wir warnen die Mächte, die es angeht, vor einer Ueberspannung ihrer Forderungen. Solange es deutsche Männer gibt, wird Danzig nicht in polnische Hände fallen. (Bxavo bei den Nationalsozialen.) Die Abrüstung ist gleichfalls nicht als Erfolg der Regierung Brüning zu buchen. Auch hier sehen wir, daß Deutschland außenporitisch nicht das Gewicht hat, das es haben müßte. Auch da wieder ist Deutschland in die Defensive gedrängt. Frankreich und seine Vasallen richten jetzt ihre ganze Energie gegen die deutsche Luftfahrt. Wir wünschen nicht, daß ein italie⸗ nischer Minister die deutsche Außenpolitik vertreten muß und das sagt, was ein deutscher Außenminister sagen müßte. (Lebhafte Zustimmung bei den Nationalsozialisten.) Im übrigen ist es eigenartig, daß ausgerechnet das demokratische Frankreich nichts von Abrüstung wissen will, während gerade das nationalistische faschistische IJtalien für die Abrüstung eintritt. (Sehr gut! rechts.) Es gibt keine nationale Außenpolitik, wenn man im Inneren die nationalen Kräfte verfolgt und unterdrückt und sich auf internatio⸗ nalistische pazifistische Elemente stützt, von denen man weiß, daß sie nie für ihr Volk und ihr Vaterland eintreten werden. (Leb⸗ hafter Beifall bei den Nationalsozialisten.) Das Verbot unserer S. A. stellt nichts anderes dar, als eine moralische Abrüstung des Verteidigungswillens. Denn die S. A. hat ausschließlich den poli⸗ tikchen Schutz gegen jeden Terror durchgeführt, um die Propaganda unserer Bewegung zu ermöglichen. (Lachen links.) Der Reichs⸗ kanzler und der Reichswehrminister wußten das auch ganz genau. Die vorletzte Notverordnung, jene Notverordnung zum Schutz des Osterurlaubs (Heiterkeit), würde völlig genügt haben, um die S. A. zu verbieten, wenn sie irgendwie illegal aufgetreten wäre. Aller⸗ dings hätte ein solcher Verstoß der S. A. gegen die Gesetze gericht⸗ lich nachgewiesen werden müssen. Sie wußten aber ganz genau, daß Sie das nicht nachweisen konnten. Darum haben Sie der Freiheitsbewegung ohne Gerichtsbeschluß den persönlichen Schutz nehmen müssen, darum also die neue Notverordnung. Die Schein⸗ ründe für die Auflösung der S. A. sind von A bis Z unrichtig. Man begründet das Verbot z. B. damit, daß die S. A. „militär⸗ ähnlich“ sei. (Reichsinnenminister Groener: Nein!) Aber dieser Ausdruck ist doch gebraucht worden, und er läßt alle mög⸗ lichen Definitionen zu. Bei einer Demonstration der National⸗ sozialistischen Partei — nicht etwa der S. A., denn die war schon aufgelöst — in Merseburg fuhr die Polizei wild dazwischen, weil kommandiert wurde „rechtsum“ und „linksum“. (Pfui⸗Rufe bei den Nationalsozialisten.) Wenn derartig alle militärischen Bräuche unterdrückt werden, wie wollen Sie dann den Wehrwillen der Nation wieder aufbauen? Auf der anderen Seite aber beschuldigt 8
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man die S. A., daß sie nicht die deutschen Grenzen decken wolle. “ “ “ ¹ “ 8