1932 / 109 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 May 1932 18:00:01 GMT) scan diff

Ziaatsauzeiger Nr. 109 vom 11. Mai 1932.

(Lärm und Zurufe links.) zige ate bekannt wird, wird die lächerliche Aktion, die sich Herr Minister Severing erlaubt hat, restlos zusammenbrechen. Für Landesverrat 8s Sie (nach links) zuständig. (Stürmisches Händeklatschen und Bravo!⸗Rufe bei den Nationalsozialisten. Entrüstete Zuruse bei den Sozialdemokraten und Rufe: Lumpen! Vizepräsident Esser ruft den Redner zur Ordnung.) Wir wissen, daß Sie (zu den Sozialdemokraten) in letzter Zeit sehr patriotisch. geworden sind. Wir wissen aber auch ganz genau, daß für Sie der Vorwurf „Landesverrat“ kein Vorwurf wäre. Gegen den Vorwurf des Landesverrats, den Sie uns gemacht haben, habe ich diese Fest⸗ tellung treffen müssen. Ist es richtig, Herr Reichskanzler, daß er Botschafter von Hoesch vor dem S. A.⸗Verbot wiederholt in E“ Telegrammen darauf hingewiesen son⸗ daß sowohl für ie Abrüstungsverhandlungen als auch für die onstigen politischen Verhandlungen das S. A.⸗Verbot eine dringende Notwendigkeit sei?

Reichskanzler Dr. Brüning erhebt sich und erklärt: Diese Frage kann ich sofort beantworten. In keinem Telegramm hat der Botschafter von Hoesch sich mit der Frage eines SA.⸗Verbotes beschäftigt. (Stürmisches Hört, hört! links.)

Abg. Göring (ff.): Die Polen haben immer wieder ver⸗ langt, daß die SA. auch in Danzig verboten werden müsse. Herr Reichskanzler, Sie operieren im Ausland, der Presse zufolge, damit, daß Deutschland gewisse Erleichterungen durch die außenpolitischen Verhandlungen gebracht werden müßten, da sonst keine Möglich⸗ keit vorhanden sei, bei dem immer größeren Anwachsen der nationalsozialistischen Bewegung die Politik zu führen. Herr Reichskanzler, Sie müssen im Gegenteil dem Ausland zeigen, * diese Bewegung notwendig ist, um Erleichterungen für Deutschlan 125 Durch die Auflösung der SA. hat sich aber gerade im Osten die akute Gefahr für das Deutschtum verschärft. Der Reichskanzler weiß, daß sich das heutige Kabinett auf pazifistische Organisationen, wie das Reichsbanner usw., stützt, die die Kriegs⸗ dienstverweigerung auf ihre Fahne geschrieben haben. (Großer

Lärm links.) Ich verstehe nicht, wie sich Herr Groener für das Reichsbanner einsetzen kann, obwohl’ dort die Kräfte sitzen, die niemals mit soldatischem Gefühl und Empfinden in Einklang zu bringen sind. Man weiß heute, daß die SA. das stärkste Instrument im Kampf um die Aufflärung des Volkes ist. (Großer Lärm bei den Kommunisten.) Sie wissen, daß dieses Verbot gerichtlich niemals aufrechtzuerhalten ist. Dr. Breitscheid hat hier gestern die Haltung eines Teils der Richterschaft beklagt. Ich habe bedauert, daß der Präsident hier nicht eingeschritten ist, als von der Tribüne dieses Hauses eine bewußte Rechtsbeugung geschah. Der Richter hat nicht seinen Eid auf die Republik geleistet, sondern auf das deutsche Volk und das Recht des deutschen Volkes. (Beifall bei den Nationalsozialisten.) Man hat auch gesagt, es widerspreche dem Sauberkeitsgefühl, daß Beamte, die gegen den Staat kämpften, em bezögen. Bisher hat Herr Severing noch nicht persönlich die Polizei bezahlt, auch nicht die Republik und der Staat, sondern das deutsche Volk bezahlt die Polizei. Wir müssen im Gegenteil bedauern, daß heute Minister, die die nationale Bewegung immer wieder unterdrücken, ihr Geld vom deutschen⸗Volke annehmen, daß och zu 14 Millionen aus nationalsozialistischen Steuerzahlern besteht. (Beifall bei den Nationalsozialisten.) Das SA.⸗Verbot hat auch sein Gutes gehabt; es hat den Mittelparteien gezeigt, wohin der restlose Anschluß an dieses Kabinett führt, es hat ihre Parteien zerschlagen. Immer wieder ist es die Angst vor der Auflösung, mit der Brüning sie in das kaudinische Joch zwingt. Die Differenzierung dieser Parteien ist so groß, daß nicht ein einziger gemeinsamer Beschluß zustande käme, wenn nicht die Angst vor dem Nationalsozialismus diese Parteien immer wieder zusammenführte. Hätten wir nicht die SA. gehabt, dann würde heute in Deutschland überhaupt keine Ordnung mehr möglich sein, dann hätten wir den Bolschewismus. (Lärmende Zwischenruse links und Zustimmung bei den Nationalsozialisten.) Es wird die Zeit kommen, wo man der SA. danken wird, daß sie den Mut gehabt hat, sich die Straße von Ihrem (nach links) Terror zurückzuerobern. (Erneuter Beifall bei den Nationalsozialisten.) Sie mögen der SA. ihre braunen Hemden ausziehen, den Geist werden Sie ihr nicht ausziehen können. Geifall.) Es ist eine Lüge, daß die SA. nicht bereit sei, die deutschen Grenzen zu schuͤtzen. Unsere SA. ist immer bereitgewesen, die treueste Garde ür das Vaterland zu sein, sie wird aber niemals dazu dienen, als Knüppelgarde der Polizei verwendet zu werden. (Beifall bei den Nationalsozialisten.) Der Redner verliest ein Zitat aus einer Linkszeitschrift: „Nein, Ihr Herren von der Reichswehr, wenn Ihr noch einmal einen Verteidigungskrieg. entfesseln solltet, dann wird Euch ein neuer Feind erstehen, der Euch zuerst das Genick brechen wird, das Reichsbanner.“ (Stürmisches Hört, hört! rechts.) Diese Organisation, Herr Minister Groener, haben Sie geschützt, während Sie eine Organisation, in der der Geist der Besten der alten Armee herrschte, auflösten. Das ewige Nachgeben gegen⸗ über der Sozialdemokratie muß die Erinnerung an die Zeit wach⸗ rufen, als diese Leute die rote Fahne des Verrats im Rücken der kämpfenden Armee aufrollten. (Starker Beifall bei den Nationalsozialisten lärmende Rufe bei den Sozialdemo⸗ raten: Lügner! Die Nationalsozialisten fordern erregt Ord⸗ nungsmaßnahmen des Präsidenten. Vizepräsident Esser ruft den Abgeordneten S ollmann (Soz.) zur Ordnung.) Wenn man auch Hitlers Lauenburger Rede noch 5 verfälscht, sie wird in der tatsächlichen Fassung von jedem Deutschen klar und eindeutig verstanden werden. Es gibt keine Rettung der deut⸗ schen Grenzen, wenn nicht hinter den Formationen, die eine Grenze schützen sollen, das ganze Volk steht.

Deutschland wird nichts mehr verlieren, kein Grenzgebiet mehr opfern an dem Tage, an e. hinter den Deutschen in Ostpreußen und Danzig 25 Millionen Kämpfer nationalsozialistischer Prägung stehen. (Beifall rechts.) Es hat vor zwei Jahren eine Zeit gegeben, da harte man sich durch die Trennung von der Sozialdemokratie ein, historisches Verdienst erwerben können. Jetzt, nachdem soviel zerschlagen ist, können wir diesem Kabinett nicht mehr folgen. (Abg. Torgler [Komm.]: Versprechen Sie nicht zuviel, Herr Goe⸗ ring, morgen kommt es vielleicht anders.) 1919 verteidigten auch Freiwillige die deutschen Grenzen in Oberschlesien, und das waren keine Leute von Ihnen (zu den Sozialdemokraten), sondern von uns. Aber diese Leute sind von Ihnen (zu den Sozialdemokraten) als Verbrecher eingekerkert worden. as nationalsozialistische Deutschland wird seine Grenzen vor allem auch dadurch schützen, daß es die Verräter im Innern zuerst beseitigt. (Lebhafter Bei⸗ sall bei den Nationalsozialisten.) Es wird nicht dulden, daß an der Grenze Millionen Deutscher alles einsetzen, um das Land zu schützen und daß andere im Hintergrund seine Einrichtungen zer⸗ stören. So sehen wir also Deutschland außenpolitisch ohnmächtig, innenpolitisch antinational regiert, Rechtsbrüche gegen uns, Un⸗ terdrückungen, wie sie in der Geschichte der Völker selten sind. Lachen links.) Im Wahlkampf hat uns der Rundfunk nicht ein einziges Mal zur Verfügung gestanden. Man hat Versamm⸗ lungen mit der lächerlichsten Begkündung verboten, z. B., weil Polizei nicht in genügender Stärke zur Stelle sei. Wenn aber irgendwo ein nationalsozialistisches Büro zu durchsuchen war, dann kam genug Polizei im Panzerwagen angefahren. (In diesem Augenblick erscheint auf der Regierungsbank Polizeivizepräsident Dr. Weiß. Er wird von den Nationalsozialisten mit Rufen be⸗ grüßt: Isidor! Raus! Der preußische Innenminister Severing begibt sich daraufhin zu dem amtierenden Vizepräsidenten Esser und spricht mit ihm über dicser Zwischenfall. Der Redner fährt dann fort) Ein leuchtendes Beispiel von Demokratie und Parla⸗ mentarismus haben Sie gegeben. Durch den Mißbrauch der Demokratie selbst haben Sie Ihr eigenes Reich erstört. Dr. Breitscheid hat sich in seinem gestrigen 5vöe aufgeregt über Terror von unserer Seite. Wer hat denn aber den Spruch erfunden: „Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein.“ (Heiterkeit und Rufe liuks: Bülow!) Wir

Wenn das Leipziger Prozeßmaterial

ihr Gehalt von diesem Staate

haben bis heute als Opfer für die künftige Freiheit Deutschlands gelitten. In der Weltgeschichte gibt es kein Beispiel einer Regie⸗ rung, die im Innern die nationale Kraft des Volkes so plan⸗ mäßig unterdrückte und dann noch außerpolitische Erfolge haben wollte. Das Urteil über Sie, die Rechtfertigung für uns hat das deutsche Volk am 24. April ausgesprochen, es wird auch weiter in der Zukunft zu unseren Gunsten sprechen. Wenn außen⸗ und innenpolitisch ein Volk so unglucklich regiert wird, so kann das auch wirtschaftspolitisch nur zu einer Katastrophe führen. Arbeits⸗ beschaffung, Siedlung, alles ist steckengeblieben. Ihre ganze Wirt⸗ schaftspolitik, vom Houng⸗Plan bis heute, ist ein einziger Niedergang. Unglücklich sind Ihre Maßnahmen auch nach der Richtung, daß sie den Schwachen weiter schwächen und den Starken weiter schützen. (Abg. Torgler [Komm.]: Wie ist es denn mit der Vermögens⸗ steuer?) So mußte eine allgemeine Empörung zum Durchbruch kommen. Die Gesamtwirtschaft ist derartig überlastet, daß dem ganzen Volk der Untergang droht. Die Wirtschaft ist der Blut⸗ kreislauf des Staates und wir wenden uns dagegen, daß dem Staatskörper immer noch neues Blut abgezapft wird. Auch das, was mit bestem Wollen namentlich für die Landwirtschaft unter⸗ nommen wurde, ist so spät und so zögernd unternommen worden, daß es nur zu weiterer Schrumpfung der deutschen Wirtschaft ge⸗ führt hat. Sechs Millionen Areitslose sind dafür ein erschütterndes Zeugnis. Seit dem Antritt der jetzigen Regierung haben sich die Zustände fast zu einem Chaos entwickelt. Wenn wir auch heute wieder die 1414— nach der Ueberlassung der Verantwortung an uns gestellt haben, so tun wir das nicht aus der Sucht nach Ministersesseln (Lachen links), sondern um dem Chaos möglichst schnell ein Ende zu machen. Die alte Generation hat in wahn⸗ witzigster Weise die übernommenen Güter der Nation verwirt⸗ schaftet. Sie kann nicht erwarten, daß die Iugend sich das weiter gefallen läßt. Darum ist die Jugend auch unter größten Opfern gewillt, das Heute zu korrigieren. (Zuruf bei den Kommunisten: Durch Sklavendienst!) Man behauptet, wir wollten eine neue Inflation schaffen. Da muß sich doch Hilferding als Fachmann für Inflation sehr gekränkt fuhlen. (Zuruf bei den Sozialdemo⸗ kraten: Blöder Hammel! Vizepräsident Esser ersucht den Zwischenrufer sich zu melden und erteilt ihm einen Ordnungsruf; er fragt dann weiter zu den Nationalsozialisten gewendet: Und wer hat vorhin Isidor gerufen? Daraufhin erheben die National⸗ sozialisten wie ein Mann die Hände. Vizepräsident Esser erklärt: Dann rufe ich Sie alle zur Ordnung!) Wenn ein Feldherr eine Schlacht verliert, muß er verschwinden. Ich erinnere Sie nur an die Vorgänge beim deutschen Heer 1916. Hätte man Hindenburg und Ludendorff schon ein Jahr früher an die Spitze berufen, vielleicht würde der Ausgang anders gewesen sein. Hoffentlich heißt es auch jetzt nicht wieder: zu spät! Das Kabinett genießt nicht mehr das Vertrauen des Volkes, das zeigt der Wahlausfall. Auch mit den verfassungsrechtlich bedenklichen Notverordnungen ist die Lage nicht mehr zu meistern. Nachdem wir National⸗ sozialisten so stark aus den Wahlen hervorgegangen sind (Aharufe links), muß grundsätzlich ein neuer Kurs eingeschlagen werden. Wir sind nicht dafür zu haben, dem bisherigen System ein Schön⸗ heitspflästerchen aufzukleben. Auf der anderen Seite erklären wir, daß unser Kampf unerbittlich weiter geht. (Hu⸗Hu⸗Rufe links.) Man sagte vor den Wahlen, der Höhepunkt unserer Bewegung sei überschritten. Das war eine der grundlegenden Illusionen, denen sich das Kabinett hingegeben hat. Unser Höhepunkt wird erst in dem Augenblick überschritten sein, wo die bisherigen Führer ab⸗ getreten sind. Jetzt, nachdem wir aus den Länderwahlen so stark 1“ sind, wenden wir uns ausdrücklich an alle Par teien, die bewußt am Aufbau Deutschlands arbeiten wollen. Wir reichen Ihnen die Hand zu gemeinsamem Aufbau, lassen aber cuch darüber keine Unklarheit, daß ein völlig neuer Kurs Platz greifen muß. Wer unter diesen Umständen bereit ist, mit uns zusammen zu arbeiten, den werden wir nicht zurückstoßen. Das Kabinett Brüning muß beseitigt werden, damit Deutschland leben kann. (Stürmischer Beifall bei den Nationalsozialisten.) 8

Abg. Dr. Frick (Nat. Soz.): Ich bitte den Herrn Präsi⸗ denten, festzustellen, was der Vizepolizeipräsident Weiß hier auf der Tribüne des Hauses zu suchen hat. (Rufe bei den Kommu⸗ nisten: Das ist doch Goebbels Bruder, wenigstens sieht er so aus!)

Vizepräsident Esser erklärt, er könne darüber keine Auskunft geben. . 8 3 1

Reichsinnenminister Groener erhält hierauf das Wort. Seine Ausführungen werden nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden.

Abg. Strasser (Nat. Soz.), der nun zur Geschäftsordnung das Wort nimmt, führt aus: Ich beantrage namens meiner Fraktion, daß die Rede des Herrn Reichsinnenministers durch Schallplatten in ganz Deutschland verbreitet wird. (Lachen und Händeklatschen bei den Nationalsozialisten.) Ich stelle diesen An⸗ trag auch deshalb, damit sich das Reichskabinett darüber klar werden kann, ob dieser Mann geeignet ist, weiterhin die öffent⸗ liche Sicherheit in Deutschland zu vertreten und ob er weiterhin die Armee in Deutschland führen kann. (Händeklatschen bei den Nationalsozialisten. Große Unruhe links und in der Mitte.)

Vizepräsident Esser erblickt in der Formulierung und der Art des Vortrages dieses Antrags Strasser eine starke Beleidigung für den Reichsminister Groner. Er schließt deshalb den Abg. Strasser von der weiteren Teil⸗ nahme an der heutigen Reichstagssitzung aus und ersucht ihn, das Haus sofort zu verlassen. Bei seinen Ausführungen, die in der Mitte und links mit Zustimmung aufgenommen werden, erhebt sich auf der äußersten Rechten ein ohren⸗ betäubender Lärm. Strasser bleibt im Sitzungssaal, worauf Vizepräsident Esser das Präsidentengestühl verläßt, womit die Sitzung automatisch unterbrochen ist. (Nach den ver⸗ schärften Bestimmungen der Geschäftsordnung des Hauses hat sich der Abg. Strasser durch seine Weigerung, sofort den Sitzungssaal zu verlassen, ohne weiteres für 7 Sitzungs⸗ tage ausgeschlossen.)

Kurz vor 7 Uhr eröffnet Vizepräsident Esser die Sitzung wieder und teilt mit:

Inzwischen hat der Aeltestenrat getagt und den Tatbestand festgestellt, der zur Aufhebung der Sitzung geführt hat. Abg. Strasser hat nach dem Stenogramm folgendes gesagt:

„Ich be⸗ antrage weiterhin Aussetzung der Debatte, damit sich das Reichs⸗ kabinett darüber klar wird, ob dieser Mann die öffentliche Sicherheit gewährleistet und die Armee in Deutschland führen soll.“ Es war hier auf dem Präösidium verstanden worden und ist auch im Hause so verstanden worden, als ob Herr Strasser gesagt hätte: „ob dieser Mann weiterhin die öffentliche Sicherheit gefährden und die Armee in Deutschland führen soll.“ (Zuruf bei den Kommunisten: Ein bißchen gewaltsam!) Das ist nicht gewaltsam. Ich bitte derartige Zurufe zu unterlassen. Auf Grund dieser irrtümlichen Auffassung von den Ausführungen des Abg. Strasser habe ich zu der schärfsten Maßnahme gegriffen und seine Ausweisung verfügt. Nachdem jetzt aus dem Stenographischen Bericht festgestellt ist, daß er den von mir gehörten Ausdruck nicht gebraucht, sondern „gewährleistet“ gesagt hat, erscheint dieser Ausdruck wesentlich milder. Dieser Ausdruck erscheint mit einem Ordnungsruf genügend gerügt. Ich nehme also die Ausweisung zurück und erteile dem Abg. Strasser einen Ordnungsruf.

Darauf wird die allgemeine politische Aussprache fort⸗ gesetzt.

Abg. Dr. Bell (Zentr.): Bei der überhitzten Atmosphäre unserer gesamten Außen⸗ und Innenpolitik wird der verant⸗ wortungsbewußte Politiker es als Gewissenspflicht erachten, von polemischen Erörterungen möglichst abzusehen. Das ist um so notwendiger, als wir vor welthistorischen Entscheidungen stehen,

die für das Schicksal Deutschlands und die Zukunft der Welt von ausschlaggebender Bedeutung sind. Staatsmänner und Par⸗ lamentarier, Politiker und Wirtschaftler, die jetzt noch das Rollen der Lawinen überhöoören, werden dereinst vor der Weltgeschichte die furchtbare Verantwortung auf sich laden, durch schwere Miß⸗ griffe und Unterlassungssfünden ein Beben des Erdballs ver⸗ schuldet zu haben, das die Errungenschaften von Wirtschaft und Kultur aus Jahrtausenden in Trümmer schlägt. Der Redner geht dann zunachst auf die vorliegenden Anträge ein und stimmt den Kreditermächtigungen sowie der Prämienanleihe zu. Den Antrag auf Aufhebung des S. A.⸗Verbots lehnt er ab. Mit dem Gedanken der Staatsautorität sei es schlechterdings unvereinbar, wenn sich ein Staat im Staate bildet und militärische Kampf⸗ organisationen mit der Pfeilspitze gegen das Staatsgebäude tätig werden. Der Staat gibt sich selbst auf, wenn er die Staats⸗ autorität gegen solche Bestrebungen und Machenschaften nicht zu schützen vermag. Daß bei den betroffenen Kampforganisationen die tatsäaͤchlichen Voraussetzungen gegeben waren, ist von der Reichsleitung mit durchschlagendem Beweismaterial einwandfrei dargetan worden. Der Einwand, es handle sich bei dieser Not⸗ verordnung um ein einseitiges und verfassungswidriges Unter⸗ drückungssystem gegen eine bestimmte Partei, entbehrt jeder Grundlage. Der Reichswehrminister, der durch seinen bekannten Erlaß Angehörigen der Nationalsozialisten den Eintritt in die Reichswehr gewährt hat, ist sicherlich gegen solchen Verdacht ge⸗ feit. Wir halten es für unsere vornehmste Pflicht, die Reichs⸗ leitung bei ihren Maßnahmen zur Sicherung der Staatsautorität nachdrücklichst zu unterstützen. Die neueste Notverordnung, wonach alle militärähnlichen Verbände der Kontrolle der Regierung unter⸗ stellt werden, räumt den Vorwurf der Imparität aus. Es muß in diesem Zusammenhang, von Zwangsauflösungen abgesehen, verwiesen werden auf die Stimmung weitester Volkskreise gegen alle derartigen militärähnlichen Organisationen. Es würde weithin befreiend wirken, wenn Staatsautorität, Ordnung und Sicherheit als soweit gefestigt gelten, daß für solche Organi⸗ sationen kein Raum mehr ist. Der Redner begrüßt die Verord⸗ nung über die Auflösung der kommunistischen Gottlosenorgani⸗ sationen. Das ganze deutsche Volk, soweit es nicht jede Staats⸗ autorität und jedes religiöse Empfinden über Bors geworfen hat, bäumt sich auf gegen diese Unterwühlungen des Staatsgebändes und verlangt zugleich durchgreifenden Schutz gegen solche Ver⸗ gewaltigungen der verfassungsrechtlich garantierten Glaubens⸗ und Gewissensfreiheit. Kein verantwortungsbewußter Staats⸗ bürger kann es dulden, daß die sittliche Wiedererneue⸗ rung unseres Volkes durch solche staatsgefährlichen und kulturfeindlichen Machenschaften erschüttert wird. Wer dem Volke wieder aufwärts helfen will, darf ihm sein wertvollstes Gut, seine Religion und Kultur, nicht aus dem Herzen reißen. Der Redner erörtert dann die Vorwürfe, die aus Anlaß der Reichspräsidentenwahl gegen den Rundfunk erhoben wurden. Die kurzen Ausführungen, die der Reichspräsident im Rundsunk machte, entzögen jeder Beanstandung den Boden; sie waren weder nach dem Willen des Vortragenden noch nach dem Inhalt des Vortrags eine Kandidatenrede oder eine Wahlpropaganda. Auch die Reden des Reichskanzlers berechtigten nicht zu dem Vorwurf der parteipolitischen Ausnutzung des Rundfunks. Die Reichs⸗ leitung werde in dem beantragten Untersuchungsausschuß sich auch gegenüber den sonstigen Vorwürfen zu rechtfertigen wissen. Di Anträge auf Reichstagsauflösung lehnt der Redner ab. In Wahrung des Geistes und des Sinnes der Verfassung werde der Reichspräsident pflichtgemäß von seiner Befugnis, den Reichstag aufzulösen, nur dann Gebrauch machen, wenn zwingende Gründe die Annahme rechtfertigen, daß durch den bestehenden Reichstag sich die entscheidenden Staatsaufgaben nicht erfüllen lassen. Ohne diese Voraussetzungen lasse sich das Verlangen nach einer Reichs⸗ tagsauflösung nicht dadurch rechtfertigen, daß eine Neuwahl vor⸗ aussichtlich eine andere Zusammensetzung und Sc bringen werde. Die Verantwortung dafür, daß das deutsche Vol nach drei nervenaufpeitschenden Wahlgängen in die neuen Auf⸗ regungen einer vorzeitigen Reichstagswahl gestürzt wird, müsse das Zentrum ablehnen. Der Redner geht dann auf die Stellung des Zentrums zu den letzten Wahlergebnissen ein. Alle gegen das Zentrum gerichteten Verdächtigungen und Wahrheitsentstellungen prallten wirkungslos ab an der unerschütterlichen Treue und Festigkeit der Wähler. Parteien sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck der Staatserhaltung und der Förderung des Staatswohls. Durchdrungen von dieser Ueberzeugung, der wir vor der Geschichte unseres Volkes in größten Notzeiten die schwersten Opfer gebracht haben, bleiben wir auch in Zukunft bereit und entschlossen, im wahren Vaterlandsdienst uns hinweg⸗ zusetzen über alle Verkennungen und Ansfeindungen. Wir lassem unser hartgeprüftes und schwer darniederliegendes Volk nicht ins Verderben reißen. Wir stellen uns schützend vor unsere Volks⸗ genossen und bewahren sie, Phrase und Schlagwort durch Klarheit und Wahrheit zerschlagend, vor wahnwitzigen Traumpsvchosen und gefährlichen Experimenten. Unbeirrt durch zeitweilige Rückschläge um Politik und Wirtschaft werden wir mit Nexvenstärke fort⸗ fahren, gemeinsam mit allen positiven⸗ Aufbaukräften auf dem dornenvollen Weg von Kreuzwegstation zu Kreuzwegstation unser Volk aus Nacht zum Licht der Freiheit und der Auferstehung zu führen. Darin wissen wir uns eins mit unserm allverehrten Herrn Reichspräsidenten, dem bewährten Führer des Volks, dessen Wiederwahl von unermeßlicher Bedeutung für Deutschlands Wiederaufstieg ist. Der Redner bespricht dann die Stellung der Opposition des parlamentarischen Systems. Kritik darf niemals wn der Kritik willen geübt werden, sondern⸗ muß steis mit ge⸗ eigneten Besserungsvorschlägen verbunden sein. Daran die oppositionellen Kritiker bisher fehlen. lassen. Die Mängel 87* parlamentarischen Systems in Deutschland haben wir niemal; verkannt. Zu ihrer Beseitigung haben wir gewisse Reformen F. Geschäftsordnung durchgesetzt. Wir haben uns auch keinesweg der Notwendigkeit verschlossen, an einer opganischen Fort⸗ entwicklung der Verfassung mitzuarbeiten. Auch die zeitgemäße Reform des Wahlrechts ist ein Pflichtgebot der Stunde. Für die Gesundung der parlamentarischen Verhältnisse ist aber von aus⸗ 1. boender Bede je sich im Par die Opposition schlaggebender Bedentung, wie sich im Parlament die grundsätzlich und praktisch sur Regierung stellt. Eine Opposition, die in Wahrheit dem Volkswohl und dem Vaterlandeineeresse dient, muß von Staatsverantwoptung und Gewissenspflicht ge⸗ tragen sein. Andererseits darf eine starke und zielbewußte 9 gierung sich nicht verwirren lassen von der Porteien Hoß und Gunst. Sie muß über den Parteien stehen und mit Führer w den von ihr als richtig erkannten Weg voranschreiten ohne Rücksicht auf wechselnde Tagesanschauungen und vorüber⸗ gehende Zeitströmungen. Gerechte Kritik wird dem Sv nett Brüning das Zeugnis nicht vorenthalten, daß es durch Wahrung dieses Staatsgrundsatzes sein. Vertraven im Inland und Ausland befestigt und dadurch die Voraussetzung für eine ersprießliche Innen⸗ und Außenpolitik geschaffen S Wir stellen mit Befriedigung fest, daß bei der g. Arbeitslosigkeit sich die Sorge der Reichsregierung sowoh nach der Seite der unterstützenden Fürsorge als auch nach der Seite der Arbeitsbeschaffung bewegt. Obgleich der Abg. Strasser sich über gewisse positive Ziele seiner Partei ausgesprochen hat, können wir doch auch diesen Ausführungen den Charakter von verführerischen, aber unerfüllbaren Illusionen nicht absprechen. Die von ihm gezeigten Wege der Meliorationen, Kultivierung, Siedlung, Wegebau usw. sind schon von früheren Regierungen aufgezeigt und in den Veröffentlichungen der Gutachterkom⸗ mission zur Arbeitslosenfrage behandelt worden. In seiner Kritik der Goldwährung hat er es sich sehr leicht gemacht. Wir haben keine reine Goldwährung und auch nie uns prinzipiell für eine solche erklärt. Es ist eine banale Wahrheit, daß die Stabi⸗ lität einer Währung nicht nur von der Golddeckung abhängt. Die nationalsozialistischen Kreditbeschaffungsvorschläge aufen auf eine kleine Inflation hinaus. Das heutige Deut chland hat es nicht in der Hand, bei einer auch nur begonnenen . nflations⸗

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 109 vom 11. Mai 1932.

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politik den Moment und den Punkt der Stabilisierung von sich aus u bestimmen. Auch die kleine Inflation könnte leicht ein Sprung ins Verderben sein. Auch bei der Arbeitsdienstpflicht hat der Abg. Smeper sich die Begründung allzuleicht gemacht. Für wen diese Pflicht gelten? Doch hoffentlich für alle Kreise der eutschen Nation, für Besitzende und Nichtbesitzende, für geistige und körperliche Arbeiter, ohne Unterschied der Klasse und des Berufs. Oder will Herr Strasser vielleicht nur die Arbeitslosen mit der Arbeitsdienstpflicht beglücken? Er hat auch nichts dar⸗ über verraten, wie sich die übrige Wirtschaft, die auf Verdienst und Lohn angewiesen ist, zu einem Arbeitsheer von, sagen wir einmal 700 000 Menschen stellen wird. Wie stellt er sich die Unterbringung dieser Arbeitsdienstpflichtigen an fortgesetzt wechselnden Arbeitsplätzen vor? Auch die Fragen der Siedlung 27 wesentlich schwieriger gelagert, zumal er nichts Neues zu ieser wichtigen Frage vorgebracht hat. Im übrigen darf man berechtigte Zweifel darüber haben, ob bei Durchführung des Strasserschen Programms seine heutigen Wähler hinter ihm stehen würden. Was auf diesem Gebiet nur denkbar und mög⸗ lich ist, werden meine politischen Freunde selbstverständlich auch ihrerseits in Angriff zu nehmen bereit sein. Wir freuen uns, daß die Regierung bereit ist, das Mögliche zur Arbeits⸗ beschaffung zu tun und habe deshalb auch dem Gesetzentwurf über die Anleihe zugestimmt. Wir bedauern nur, daß die Opposition dem versagt hat. Was die unterstützende Erwerbslosenfür⸗ sorge angeht, so sind wir der Auffassung, daß man nicht leichten Herzens die Beseitigung der Arbeitslosenversicherung und ihren Ersatz durch eine reine Arbeitslosenfürsorge, in der Hauptsache auf Kosten des Reichs, verlangen sollte. Abgesehen von der sozzalpolitischen Seite dieser Frage sollte man nicht vergessen, daß die Arbeitslosenversicherung immer noch über eine Mil⸗ liarde Mark für die Arbeitslosenunterstützung beibringt. Schließ⸗ lich aber setzt die Behebung der Krise voraus eine weltwirt⸗ schaftliche und weltpolitische Verständigung. Gerade dieser Weg aber wird durch gewisse Agitationen starkt erschwert. Nur eine von Schwankungen und Erschütterungen befreite Innen⸗ b ermöglicht uns, eine die berechtigten Erwartungen des Volkes erfüllende Außenpolitik durchzusetzen. Möge man bei den entscheidenden Beratungen in Lausanne und Genf den überholten Spielregeln einer veralteten Diplomatie und einer einseitigen Sicherungsmethode entsagen. Der Worte sind genug gewechselt, auch der Friedensversicherungen und der Versöhnungsbeteuerungen. Die Welt will nun endlich Taten sehen, nicht zuletzt wir Deutschen, deren Geduld und Opfersinn wahrlich auf allzu schwere Be⸗ lastungsproben gestellt wurden. Sollte wirklich ein großer Auf⸗ wand schmählich vertan werden, dann wären die verheerenden Auswirkungen einer Enttäuschung nicht abzusehen. Die innen

politische Zersplitterung hat leider im Ausland manche falschen Auffassungen über unsere Stellung zu den wichtigsten außen⸗ politischen Problemen erweckt. Tatsächlich ergibt sich aus unzwei deutigen Kundgebungen, daß trotz schärfster innenpolitischer Gegen⸗ säͤtze über die wichtigsten außenpolitischen Fragen das ganze deutsche Volk ohne Unterschied der Parteien einig ist. Das vom Reichskanzler in der Reparationsfrage mit überzeugender Be⸗ rründung ausgesprochene Nein hat im deutschen Volk ein lebhaftes Echo gefunden. Wir erkennen an, daß der überwiegende Teil der Welt die Streichung der Reparationen und politischen Schulden verlangt, weil der sonst unvermeidliche Zusammenbruch der deut⸗ schen Wirtschaft verhängnisvolle Auswirkungen für Weltwirtschaft und Weltfinanz nach sich ziehen würde. Wir erwarten, daß die bisher noch in einseitigen Bindungen und Zielrichtungen befan⸗ genen Nationen sich zur gleichen Erkenntnis und Entschlußkraft urchringen und im Interesse der Verständigung und des Völker⸗ friedens sich von dem starren System des status quo freimachen. Die dem Versailler Vertrag zugrunde gelegte Kriegsschuldthese ist durch die historischen Feststellungen und Aktenpublikationen längst in eine Kriegsschuldlüge umgeprägt, ebenso wie die Kolonial⸗

schuldlüge. Der neuerliche Versuch von französischer Seite, sich

durch Umdeutung des Art. 231 den unabweisbaren Folgerungen zu entziehen, scheiterte an der aktenkundigen Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Zu diesen historischen Feststellungen gesellt sich eine ausdrückliche Versicherung. Wir treten ehrlich ein für einen dauernden Frieden, namentlich auch mit unseren westlichen Nach barn, aber weder für einen Gewaltfrieden noch für einen Kirch⸗ hofsfrieden. Wahrer Friede muß als endgültige Liquidation des Weltkrieges Deutschland wie allen anderen Staaten gleiches Recht, gleiche Weltgeltung, gleiche Sicherheit, gleiche Entwicklungs möglichkeit gewährleisten unter Befreiung von allen Hemmungen und Bindungen. Nur wenn die Macht sich vor dem Recht beugt, anstatt das Recht zu beugen, werden Weltvernunft und Welt⸗ gerechtigkeit die traurige Uebergangszeit zwischen Weltkrieg und Weltfrieden beenden. Unsere treuen deutschen Brüder und Schwestern, zumal in Memel und Danzig, deren Festhalten am Deutschtum unauslöschlichen Dank des deutschen Vaterlandes ver dient, müssen von allen zuständigen Stellen nachdrücklich vor jeglicher Wiederholung solcher Vergewaltigungen geschützt werden, die für deutsche Ehre und Würde unerträglich sind. Schließlich sprechen wir die gemeinsame Erwartung aus, daß die zuständigen Instanzen des Völkerbundes Beratungsmethode und Verhand⸗ lungstempo so einrichten, daß die Entscheidung über allgemeine und gleichmäßige Abrüstung nicht verzögert wird. Am 4. August 1914, so erklärte der Redner zum Schluß, als wir zu einer unvergeßlichen Sitzung im gleichen Saale versammelt waren, zeigte sich, daß Vaterlandsgeist und Opfersinn stark genug im deutschen Volke waren, um über alle Gegensätze hinweg eine große Einheitsfront zur Verteidigung des bedrohten Vaterlandes zu bilden. Jetzt stehen wir vor einer Schicksalswende, vor einer welt⸗ historischen Entscheidungsstunde, deren Bedeutung wahrlich nicht hinter dem 4. August 1914 zurücksteht. Jetzt heißt die Parole Rettung des Volkes, ob das deutsche Volk trotz aller Leiden und Nöte an sich selbst glaubt und auf seine Zukunft baut. Losgelöst von einseitigen Bindungen und Parteiinteressen sollten in dieser Schicksalsstunde die berufenen Führer aus allen Lagern die inneren Kräfte des Volkes, die auch heute noch stark genug sind, zu neuer schöpferischer Gemeinschaftsarbeit erwecken. Von der Einheits⸗ front aller Aufbauwilligen darf sich keiner ausschließen, der in Wahrheit das Vaterland über die Partei stellt und dessen Herz für das deutsche Volk schlägt. (Starker Beifall im Zentrum.)

Nach der Rede des Abg. Dr. Bell vertagt das Haus um 8 Uhr die Fortsetzung der politischen Aussprache auf Mittwoch, 10 Uhr; außerdem dritte Lesung des Schulden⸗ tilgungsgesetzes und Abstimmung über die mit der politischen Debatte verbundenen Anträge.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Aeltestenrat des Reichstags beschäftigte sich gestern vor dem Plenum in Anwesenheit des Staatssekretärs Pünder mit den weiteren Dispositionen für die Plenarverhandlungen. Es wurde beschlossen, die Redezeit für die Fraktionen zur politischen Aussprache, die bisher auf 2 Stunden bemessen war, auf 3 Stunden je Fraktion zu verlängern. Weiter kam zum Ausdruck, daß es och nicht feststehe, ob das Schuldentilgungsgesetz an den Haus⸗ haltsausschuß überwiesen werde. Dies werde sich am Schluß der heutigen Sitzung herausstellen. Für den Fall, daß eine Aus⸗ schußüberweisung abgelehnt wird, dürften der endgültigen Er⸗ ledigung der Vorlage auch in dritter Lesung noch vor der Pfingst⸗ vertagung absolut keine Schwierigkeiten im Wege stehen. Es ist da⸗ mit zu rechnen, daß die Plenarverhandlungen des Reichstags vor Pfingsten am Donnerstag abgeschlossen werden. Am gleichen Donnerstag wird dann noch der Auswärtige Ausschuß zusammen⸗ treten, da Staatssekretär Pünder im Aeltestenrat das Einverständ⸗ nis des Reichskanzlers zu einer solchen Verhandlung mitgeteilt

hat. Die Kommunisten beantragten, den Reichstag am 23. Mai

bereits wieder zusammenzuberufen zur Vornahme der ersten Lesung des Etats und Beratung anderer Gegenstände. steller, die Deutschnationalen und die Nationalsozialisten wurde dieser Antrag abgelehnt. Man rechnet nun damit, daß die Plenar⸗ verhandlungen des Reichstags am 6. Juni fortgesetzt werden. Dann wird das Haus die erste Lesung des neuen Haushaltsplans durchführen oder, falls der Etat noch nicht so weit ist, sich mit dem

Pensionskürzungsgesetz und Ausschußberichten beschäftigen.

Gegen die Antrag⸗

Sollte

der Haushaltsplan inzwischen vom Reichsrat erledigt werden, so

ist der Reichstagspräsident ermächtigt,

Haushaltsausschuß des Reichstags zu überweisen.

ihn ohne weiteres dem

Der Sozialpolitische Ausschuß des Reichstags, in dem die

Nationalsozialisten wieder vertreten waren, nahm am 10. d. M. den Bericht des Unterausschusses über die Aenderung des

5.

Teils der

1931 entgegen.

erstatters Abg. Carsten (Soz.) angenommen,

Dabei

Notverordnung vom wurde

einstimmig,

8. Dezember

193 „Dabei wurd astimmig, also auch mit den Stimmen der Nationalsozialisten, eine Entschließung des Bericht⸗

in

welcher die

Reichsregierung ersucht wird, die zur Erhaltung der Liquidität der Zweige der Sozialversicherung notwendigen Maßnahmen durch die Reichsregierung unverzüglich zu treffen. Die Bereitstellung und Sicherung der ordnungsgemäß erworbenen Renten für über 3 ½ Millionen Empfänger allein aus der In⸗ validenversicherung, die sonst aus der öffentlichen Fürsorge ganz oder teilweise unterhalten werden müßten, erfordert mindestens das gleiche Maß des Eintretens der Reichsregierung, wie es bei den Maßnahmen für andere Wirtschafts⸗ und Bevölkerungs⸗ kreise, wie zur Hilfe für die Banken, die Industrie und die Land⸗

der verschiedenen

wirtschaft, sichtbar geworden ist.

Der Volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstags befaßte

sich am 10. d. M. mit einer Reihe von Petitionen. Eine Petition

orderte eine Ergänzung des § 41 der Gewerbeordnung nach der Richtung, daß die Landesregierungen Bestimmungen über die Be⸗ schäftigung Jugendlicher in gewerbsmäßig betriebenen Regierungsrat Michel (Reichs⸗ wirtschaftsministerium) erklärte dazu, daß von der Reichsregierung im Zusammenhang mit der bevorstehenden Aenderung der Ge⸗ werbeordnung eine Ergänzung in dieser Richtung beabsichtigt sei.

Musikkapellen erlassen können.

Besondere Maßnahmen, wie sie in

der Pet

ition

vorgeschlagen

werden, seien daher nicht erforderlich. Der Ausschuß beschloß, die Petition zur Berücksichtigung zu überweisen. In einer anderen

Viehseuchen⸗ gesetzes gewünscht, insbesondere nach der Richtung, daß eine Entschädigung für Vieh, das auf Viehhöfen, Schlachthöfen usw. an

Petition

Milzbrand

wurde

erkrankt,

die

gewährt

Abänderung des

werden

soll.

Ministerialrat

Dr. Giese (Reichsinnenministerium) bat, eine Abänderung des Viehseuchengesetzes abzulehnen, nachdem er die Sachlage dargelegt Daraus ergab sich, daß beim Reichsinnenministerium, beim Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und bei der überwiegenden Zahl der Landesregierungen grundsätzliche Be⸗ denken gegen eine Abänderung des Viehseuchengesetzes vorhanden seien. Zunächst einmal seien für die Frage einer Entschädigung für an Milzbrand erkranktes Vieh in Viehhöfen usw. in erster Linie die Landesregierungen zuständig, ferner habe die Angelegen⸗ heit keine besondere wirtschaftliche Bedeutung, schließlich solle der Ausschluß einer Entschädigung für solches Vieh die Viehhändler abhalten, krankes oder verdächtiges Vieh, das für die Verbreitung von Seuchen in Betracht komme, auf die Zentralstellen des Vieh⸗ Grundsätzlich ständen die gesamten Behörden auf dem Standpunkt, wie er auch in einzelnen Ländern in gesetz⸗

hatte.

handels zu drängen.

lichen Maßnahmen

seinen

Niederschlag gefunden

habe 6.

Bayern, Sachsen, Thüringen, Anhalt und Württemberg), daß das Schlächtergewerbe in der Lage ist, sich durch Versicherung gegen Verluste infolge von Milzbrandfällen auf Schlachthöfen zu schützen. Der Ausschuß beschloß, über diese Petition zur Tagesordnung über⸗ zugehen.

Brauftoffverbrauch, Bierversteuerung ufw. im deutschen Zollgebiet in den Monaten Januar bis März 1932.

Statistik und Volkswirtschaft.

und im Rechnungsjahr 1931. (Vorläufige Ergebnisse.)

in den Brauereien

Nach den Brauereibetriebsgegenbüchern, Zucker⸗(Farbebier⸗) Verwendungsbüchern und Bi

1

——

ersteuergegenbüchern sind im 4. Viertel des Rechnungsjahres 1931

Landesfinanzamts⸗

verwendet worden

steuerfrei abgelassen und versteuert worden

bezirke Gersten⸗

malz

Laufende Nummer

anderes Malz

Einfachbier Schankbier

Vollbier

Zucker⸗

be⸗ jucer Farbe

bier ins⸗

gesamt

ins⸗ gesamt

davon untergärig

davon untergärig

ins⸗ gesamt

davon untergärig

Starkbier

ins⸗ gesamt

davon

untergärig

Bier im ganzen

Doppelzentner

Kilogramm

Hektoliter

4 h“

—₰½

11

12

13 14

Im 3. Rechnungsvierteljahr 1931)) .

Im 1. Rechnungsvierteljahr 1931*0) . Im

Berlin.. Brandenburg Breslau.. Darmstadt Dresden . Düsseldorf Hannover Karlsruhe Kassel..

Köln 8 Königsberg Leipzig... Magdeburg. . Mecklenburg⸗Lübeck vööbb55 eeöööö.“ bb858 Oberschlesien ... Oldenburg . . . Schleswig⸗Holstein Stetkn.. Stuttgart.. Thüringen.. 8 Eöö. 8 Unterweser 11nn .„ 26]/ Würzbug .

128 709 19 654 41 254 18 580 35 197 65 102 54 933 50 024 23 370 37 583 21 420 53 727 58 688 12 577

210 603

127 427

159 253 14 210

3 945

22 748 17 612 69 454 39 398 10 343 12 979 46 565

D So —2TC 0deo— 81 .„ 2à22à22, 95 092 095à

929909vb90bö0bö9ùb90bãböb9bùãäbbã;b9bᷓ;o a0 20

0909 29 9⸗b90ùs890 2929 a0

996 198 270 55 34 744 52 88 919

499

63 635

46 524 1 780

33 491 5 012 622 6 424 2 979

20 264 2 198

34 305 393

37 249 3 300

85 054 2 225

14 334 530

1 495 115 186

1 593 743 1 953 577 2 250

6 009 3 220 100 257 384 545 1 212 25 41 2 687 21 331 916 125 578 296 45 27 14 916 2 948

1“

1 0

2 713 18

472 292 27

43 986

0

638 889 94 178 202 057 85 063 195 315 286 443 261 717 179 699 116 468 163 815 88 653 280 442 299 641 55 130 992 782 565 814 745 739 66 177 17 068 128 151 78 475 301 620 180 374 57 125 104 423 170 485

617 753 91 362 189 974 84 998 187 058 259 568 258 120 179 664 115 790 150 860 83 580 274 823 286 266 53 266 960 159 552 613 741 281 61 440 16 987 127 551 73 762 299 254 177 734 55 922 100 048 169 166

18 356 1 862 5 799

297 4 989 229 1 822 711 475 124 921

14 357 3 869 1 446

19 411

335 6 623 426 155 2 634 1 875 318 6 535 838 446 1 103 1

18 231 1 862 5 796 4 920

1 822

14 357 3 864 1 390

19 074

6 617 2 634 1 875 6 535

257 229 711 475 893

335 409 155 318 797

329 003

566 772 790 126

58 837 104 896 259 658

Zusammen im 4. Rechnungsvierteljahr 1931 1 355 355 1 071 168 1 642 080

2 216 045

Im 2. Rechnungsvierteljahr 1931) ..

696 73 154 42 930 124 664 114 642 44 141 142 204 15 186 64 764 485 922 29 620 95 290 499 824 80 772

951 710 967 085 1 930 695 2 732 532

13 5386 15 103 118 548 82 632

151

81 538 12 748

19

41 260

6 355 744 7 714 090 9 993 299 11 338 907

6 168 999 7 521 965 9 671 536 10 954 106

95 916 64 589 10 500 27 468

95 011 63 862 10 154 26 623

6 690 966 7 936 069 10 519 341

11 946 971

Rechnungsjahr 1931 (1. April 1931 IIA4 .

. 6 284 648 37

071 6 582 022 247 125 1 252 614 229 819 240 220

150 665

35 402 040

34 316 606

198 473

195 650

37 093 347

Dagegen: 4. Rechnungsvierteljahr 1930 3. Rechnungsvierteljahr 1930 2. Rechnungsvierteljahr 1930 1. Rechnungsvierteljahr 1930. .

1 854 295 1 661 556 2 351 806 2 679 862

1 665 500 1 851 800 3 027 500 3 677 200

194 238 233 075 570 768 613 887

29 219 11 228 96 397 65 223

77 780 27 907 33 707 62 005

58 787 20 601 12 539 14 576

8 556 475 10 400 546 13 399 716 13 977 329

8 296 247 10 103 098 12 978 871 13 449 136

183 137 95 771 17 368 42 566

182 111 94 890 16 774 41 419

9 011 63 10 757 299 14 021 559 14 695 780

Rechnungsjahr 1930 (1. April 1930 ETTWTII83871“

*) Berichtigte vorläufige Angaben. Berlin, den 10. Mai 1932.

8 547 519

10 222 000 1 611 968]/ 202 067 201 399

Statistisches Reichsamt. J. V.: Dr. Platzer.

106 503

46 334 059

44 827 352

338 842 335 194

48 486 268