Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 116 vom 20. Mai 1932.
0 vH des Weltgoldvorrates im Besitze Frankreichs und der Vereinigten Staaten sind. Es ist offensichtlich, daß durch den amerikanischen Zolltarif Zahlungen in Waren unmöglich gemacht werden.“ Ebenso deutlich wie diese wirtschaftswidrige Gold⸗ bewegung spricht die Umwälzung in den Handelsbilanzen. Während Deutschland früher immer eine passive Handelsbilanz
atte, haben in den letzten beiden Jahren die Schuldenzahlungen, denen keine gleichzeitigen Auslandskredite mehr gegenüberstanden, eine enorme Aktivierung der deutschen Handelsbilanz erzwungen. In der gleichen Zeit ist in Frankreich an Stelle der ziemlich aus⸗ geglichenen oder sogar aktiven Handelsbilanz der Jahre 1925 bis 1927 im Jahre 1931 eine Passivität von 2 Milliarden Mark ge⸗
(Hört! hört!) Ebenso ist in den Vereinigten Staaten die große Aktivität jetzt auf ein Minimum zusammen⸗ geschmolzen.
Was bedeuten gegenüber diesen enormen Verlusten im Güter⸗ tausch und gegenüber den noch größeren Verlusten, die dieses Land und andere Gläubigerländer an Wertpapieren und sonstigem Kapitalbesitz erlitten haben, die Beträge, wie sie denjenigen vor⸗ zuschweben scheinen, die noch an der Möglichkeit späterer Repa⸗ rationszahlungen festhalten! (Lebhafte Zustimmung.) Aber davon abgesehen, welche Länder werden denn in Zukunft bereit sein, die deutschen Ausfuhrgüter in dem notwendigen Ausmaße aufzu⸗ nehmen oder uns Anleihen zu gewähren, was doch beides die theoretische Voraussetzung für die Verwirklichung solcher Forde⸗ rungen wäre? Ich sehe überall nur das Gegenteil einer solchen Bereitwilligkeit. Alle Gläubigerländer sind weiter bemüht, Gold an sich zu ziehen und Kredite zurückzunehmen; alle Länder schließen sich immer mehr gegen den Warenverkehr mit dem Aus⸗ la de ab. Die Gläubiger politischer Geldforderungen müssen sich Rechenschaft geben über deren Erfüllbarkeit. Die Erfahrungen der letzten Jahre sind ein harter Lehrmeister über die Grenze des Möglichen gewesen, namentlich was uns selbst angeht. Die optimistische Einschätzung der künftigen Wirtschaftsentwicklung, der die früheren Sachverständigengremien jedesmal zum Opfer gefallen sind, hat sich fürchterlich gerächt. (Zustimmung.) Eine wesentliche Folge jener falschen Einschätzung der künftigen Ent⸗ wicklung ist die Erschütterung oder Gefährdung des Kredits, der Währung und vor allem der Handelsbeziehungen, unter der heute fast alle Länder leiden und die sie zur Errichtung von Wirtschafts⸗ sperren aller Art verleitet oder zwingt. Ich sehe diese Absperrung, die sich gewollt oder ungewollt in erster Linie immer wieder gegen Deutschland richtet, mit der größten Sorge von Tag zu Tag zu⸗ nehmen. (Zuruf von den Kommunisten: Ihr habt ja mit dem Unfug begonnen!) Dabei will ich nicht in Abrede stellen, daß Deutschland selbst Maßnahmen im Devisenverkehr hat ergreifen müssen, die sich mit der Zeit als eine Beschränkung der Waren⸗ einfuhr auswirken. Aber die Welt darf eins nicht übersehen. Wir haben diese Devisenregelung seinerzeit nicht als ein In⸗ strument der Handelspolitik eingeführt; sie ist eingeführt worden im Zusammenhang mit der plötzlichen Zurückziehung der kurz⸗ fristigen privaten Kredite im vorigen Jahr, und zwar gerade auf das Anraten, ja sogar auf das ungeduldige Drängen unserer Gläubiger. (Hört, hört!) Erst später, als trotz aller unserer Maßnahmen die Notendeckung der Reichsbank immer mehr zurückging, haben wir sehr gegen unseren Willen die Devisenzuteilung für die Wareneinfuhr immer mehr herabsetzen müssen. Wenn diese Einschränkungen heute einen solchen Grad erreicht haben, daß sie auf dem einen oder anderen Warengebiet tatsächlich eine Einschränkung der Einfuhr zur Folge haben, so kann ich nur versichern, daß uns dazu die unabweisbare Notwendigkeit veranlaßt hat. Jedermann im Auslande wird sich von dem Vorhandensein dieser Notwendigkeit durch einen Blick auf die Reichsbankausweise überzeugen können. Es ist die feste Absicht der Reichsregierung, die sich daraus ungewollt ergebende Einschränkung der Wareneinfuhr so schonend wie möglich zu ge⸗ stalten und kein Land vor dem anderen dabei zu bevorzugen. Auf der anderen Seite aber ist die Reichsregierung ebenso entschlossen, die deutsche Währung unter allen Umständen zu halten. (Leb⸗ hafter Beifall.) Sie ist darin einig mit der Reichsbank. Ich habe nicht einen Augenblick in der Auffassung geschwankt, daß wir diese Politik unter allen Umständen durchhalten müssen und können. (Erneuter lebhafter Beifall.) Sollte die weitere Ge⸗ staltung unserer Handels⸗ und Zahlungsbilanz uns zu noch schärferen Eingriffen in den Zahlungsverkehr zwingen, so werden wir nicht zögern, sie sofort vorzunehmen. (Ab⸗ geordneter Torgler: Prägen Sie noch etwas mehr Silbergeld!) Ich appelliere an die Einsicht der Staaten, die davon etwa be⸗ troffen werden könnten, unsere Zwangslage zu berücksichtigen. Ich habe volles Verständnis für die Beschwerden, die jetzt aus allen Ländern und gerade aus unseren Gläubigerländern wegen unserer Deviseneinschränkungen zu uns kommen. Aber in wohl⸗ verstandenem eigenen Interesse sollten diese Länder sich solidarisch mit uus fühlen, wenn wir alles tun, um die deutsche Währung aufrechtzuerhalten. Sie müssen einsehen, daß es noch mißlichere Folgen für sie haben würde, wenn wir nach den vielen Zu⸗ sammenbrüchen anderer nationalen Währungen jetzt auch die deutsche Währung ins Wanken bringen würden. (Sehr gut! in der Mitte.)
Jede Regierung hat Verpflichtungen in erster Linie gegen ihr eigenes Land, die in Maßnahmen zur Erhaltung von Währung, Kredit und Produktion bestehen. Ueberall beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß diese Maßnahmen, einzeln ge⸗ troffen, dazu beitragen und beitragen müssen, die Weltkrise noch weiter zu verschärfen. (Sehr gut!) Nur gemeinsame und ver⸗ einigte Anstrengungen der durch Wirtschaftsinteressen ver⸗ bundenen Staaten können diesem Zustande ein Ende machen und die Voraussetzung für die Wiederherstellung normaler Zustände schaffen.
Die Hindernisse, die einer derartigen gemeinsamen Aktion noch im Wege stehen, sind bekannt, und ich habe auf eines der ernstesten besonders hingewiesen. Ich stehe aber nicht an, hier zu erklären, daß Deutschland bereit ist, sobald alle von mir eben erwähnten Voraussetzungen vorliegen, den Abbau aller Handels⸗ hemmnisse dieser Krisenzeit einzuleiten (sehr gut) und darüber hinaus sich Vereinbarungen über einen schrittweisen Abbau der Zollmauern auf allgemeiner oder regionaler Basis anzuschließen. (Lebhaftes Bravo in der Mitte und links. — Zuruf von den Kommunisten: St.⸗Nimmerleins⸗Tag!“) — Das Wort „St.⸗ Nimmerleins⸗Tag“ trifft die Sitnation wirklich nicht mehr, wie
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sie sich in fortschreitendem Tempo in den letzten Monaten und Wochen auch in der Einsicht der Staatsmänner und in der Ein⸗ sicht der meisten Wirtschaftsführer der ganzen Welt entwickelt hat. (Sehr wahr!) Es gibt eine Gefahr und in ihr eine Hoffnung; sie besteht für alle Länder der Welt darin, daß die Krise in den nächsten Wochen und Monaten auf der ganzen Welt so ungeheuer rapide Fortschritte machen wird, daß ein Warten auch nur um Wochen und Monate die Welt in eine Situation bringt, aus der dann vielleicht keiner mehr einen Ausweg finden kann. (Leb⸗ hafte Zurufe bei den Kommunisten. — Abgeordneter Koenen: Beseitigung der Profitwirtschaft! Sozialismus! — Glocke.) — Präsident Löbe: Meine Herren (zu den Kommunisten),, ich bitte jetzt um Ruhe. (Erneute Zurufe bei den Kommunisten.) — Wir haben es ja jetzt gehört, und das genügt. (Heiterkeit und erneute Zurufe.) — Herr Abgeorgneter Torgler, meine Bitte gilt auch für Sie. (Erneute Zurufe.) — Wenn ich dieses Wort ausspreche, so wird das für diejenigen Staatsmanner, mit denen ich in den letzten zwei Jahren zu sprechen die Ehre gehabt habe, aus meinem Munde nichts Neues sein. Ich darf aber das eine als Fortschritt überall in der Welt festellen, daß die Hoffnung einzelner Länder, sich aus den Konsequenzen einer so ungeheuerlichen Krise wenig⸗ stens eine Zeit noch länger fernzuhalten, als es anderen möglich ist, langsam stetig im Schwinden ist. (Sehr wahr!) Ich sträube mich auch nicht, solche Dinge hier ganz offen auszusprechen. Mögen Sie daraus Meinungen herauslesen oder für Ihre Agitation Kapital schlagen, — das läßt mich vollkommen kühl (Zurufe von den Kommunisten); denn eines ist sicher: welche Wirtschaftsform auch immer der verschiedensten Art in den ein⸗ zelnen Ländern der Welt im Augenblick vorhanden ist, keine wird von den Konsequenzen dessen verschont sein, was ich hier eben warnend ausgesprochen habe. Die Zeit, daß die Staatsmänner vor der Oeffentlichkeit mit allzu vorsichtigen Worten über diese Dinge sprechen, ist meiner festen Ueberzeugung nach endgültig vorbei. (Sehr wahr! bei den Parteien der Mitte.) Es kommt darauf an, ohne Verletzung der übrigen und ohne Uebertreibung in den nächsten Wochen jedem Bürger in jedem Staate der Welt die Gefahr einzuhämmern, vor der die ganze Welt in den nächsten Sommer⸗ und Herbstmonaten stehen wird. (Lebhafte Zustimmung, Beifall und Händeklatschen bei den Parteien der Mitte. — Zuruf von den Kommunisten: Die Ausbeuterherrschaft steht vor dem Zusammenbruch! — Glocke.) — (Präsident Löbe: Meine Herren, ich bitte um Ruhe!) — Man glaube doch nicht, meine Damen und Herren, daß angesichts dieses Tempos der Wirtschaftskrise man in der Lage sei, mit tausend möglichen Patentmedizinen hier in Deutschland oder anderswo in der Welt isoliert die Dinge wesent⸗ lich bessern zu können. (Sehr wahr! bei den Parteien der Mitte und den Sozialdemokraten.) Man kann vieles tun, und ein Volk wie das deutsche muß in den kommenden entscheidenden Ausein⸗ andersetzungen das Höchstmaß an Intelligenz und Organisations⸗ fähigkeit aufbringen, um diesen Kampf am sichersten und am längsten aushalten zu können (fortgesetzte Unruhe und Zurufe von den Kommunisten), und man glaube nicht, meine Damen und Herren, daß es irgendwie imponiert, wenn, wie ich zu meinem großen Bedauern feststellen muß, in einzelnen Zeitungen, die sonst sehr großes Verständnis für die Außenpolitik der Reichsregierung gehabt haben, man die Dinge so darstellt, als ob ich einen Fehler gemacht hätte, an die Reparationsfrage mit einer solchen Energie heranzugehen. (Sehr gut! bei den Parteien der Mitte.) Meine Herren! Nur nicht in den letzten fünf Minuten weich werden! (Stürmischer, anhaltender Beifall und Händeklatschen bei den Parteien der Mitte.)
Ich wende mich auch dagegen, daß immer und immer wieder Persönlichkeiten aus der Wirtschaft oder sonst von einem drohen⸗ den schnellen Zusammenbruch Deutschlands in Deutschland oder außerhalb Deutschlands Märchen erzählen und die Termine dafür bereits angeben. (Hört, hört! bei den Parteien der Mitte und den Sozialdemokraten.) Wenn das deutsche Volk die Nerven behält, wenn das Letzte darangesetzt wird, um durch Zusammenfassung der dem Volke zur Verfügung stehenden Kräfte in den nächsten Monaten das Höchste zu leisten, ist das deutsche Volk ganz be⸗ stimmt nicht dasjenige, was etwa unter den ersten oder den nächsten Völkern sein würde, die infolge der allgemeinen Krise zusammenbrechen würden.
Meine Herren, Sie beurteilen, Sie kritisieren die inneren Maßnahmen der Reichsregierung. Das ist nicht nur Ihr gutes Recht, sondern das findet bei mir völliges Verständnis, weil Sie natürlich die Aufgabe haben und die Verantwortung fühlen, immer und immer wieder auch Ihrerseits zu drängen und Vor⸗ schläge zu machen, die zu dem Ziele führen können und müßten, das ich soeben ausgesprochen habe. Aber, meine Damen und Herren, wenn auch in der Rede, ich weiß es nicht mehr genau, von welchem Vertreter der Nationalsozialistischen Partei, gestern die Ausführung gemacht wurde, die ich so oft gehört habe, die mir so bekannt vorkommt, gerade in den letzten Tagen fast wort⸗ wörtlich bekannt vorkommt, daß die Reichsregierung zu zögernd in den einzelnen Maßnahmen gewesen ist (Zuruf von den Kom⸗ munisten: Im Lohnabbau nicht! — Lachen), so möchte ich dem⸗ gegenüber doch aus der Praxis von zwei Jahren einmal folgen⸗ des feststellen. Wie viele Wirtschaftsführer und andere Sachver⸗ ständige habe ich in den vergangenen zwei Jahren gehört, und wie haben die Auffassungen gewechselt! Man glaubte, in einem Augenblick ist dieses das Allheilmittel, und dann wird es besser, und nach einigen Monaten sah man sich nach einem neuen All⸗ heilmittel um. Man hat z. B. kritisiert, daß die Bankensanierung nicht frühzeitig gemacht worden ist, und heute kritisiert man die Reichsregierung, daß sie schon zu früh erfolgt ist. (Fortgesetzte Zurufe von den Kommunisten.) — Meine Damen und Herren, wenn Sie einen Augenblick ruhig sein würden, können Sie sich nachher völlig austoben, wie Sie wollen. (Heiterkeit.)
Meine Damen und Herren, das muß ich eben feststellen: ich bin mit meinen Mitarbeitern zugänglich gegenüber jeder Art von Kritik, auch wenn sie noch so scharf ist, bloß kann ich eins nicht zu⸗ lassen: das ist eine Kritik, die keine Rückficht auf die Erhaltung der Widerstandskraft des deutschen Volks (sehr gut! in der Mitte) und auf die außenpolitische Situation Deutschlands nimmt. (Leb⸗ hafter Beifall und Händeklatschen bei den Parteien der Mitte. — Abgeordneter Dr. Goebbels: Sie zerstören die Widerstandskraft, indem Sie die S. A. verbieten, Herr Kanzler! — Glocke des Prä⸗ sidenten.) — (Präsident Löbe: Ich bitte um Ruhe, meine Herren!)
Meine Damen und Herren! Solche Zwischenrufe, wie Herr Goebbels sie eben gemacht hat, mögen Sie durchaus weiter im Sportpalast oder meinetwegen auch hier machen; zu dem, was ich im vollen Ernst vor der Welt dem deutschen Volke in dieser Stunde zu sagen habe, passen sie wirklich nicht. (Sehr gut! und lebhafte Bravo⸗Rufe bei den Parteien der Mitte.) Sagen Sie mir, was ich in den zwei Jahren getan habe, um die Wider⸗ standskraft des deutschen Volkes zu schwächen! Können Sie mir irgend etwas nachweisen, meine Damen und Herren? (Zurufe von den Kommunisten: Notverordnungen! Hunger! — Abgeord⸗ neter Dr. Kleiner: Lassen Sie uns nicht durch den Staatsanwalt und durch die Gerichte verfolgen! — Unruhe.) — Herr Dr. Kleiner, zunächst würde ich Sie nie verfolgen lassen (Heiterkeit; Abgeord⸗ neter Dr. Kleiner: Fragen Sie Herrn Dr. Wirth!) und zweitens habe ich durch einen Staatsanwalt noch niemanden verfolgen lassen. (Erneute Zurufe des Abgeordneten Dr. Kleiner. — Glocke des Präsidenten.) — (Präsident Löbe: Herr Abgeordneter Dr. Kleiner, ich bitte um Ruhe!) — Meine Damen und Herren, ich habe in den zwei vergangenen Jahren auch nicht so gehandelt, wie der Herr Abgeordnete Göring sich gestern geäußert hat, daß ich meine Dienstzeit hier damit begonnen habe, Versprechungen zu machen (Sehr richtig! im Zentrum.) Ich bin ins Land hin⸗ ausgegangen und habe gesagt: ich kann nicht versprechen, daß es besser wird. (Erneute Zustimmung in der Mitte.) Ich bin vom ersten Tage an ins Land hinausgegangen und habe gesagt: ich fasse es als meine Aufgabe auf, dem deutschen Volke die Wahrheit über seine Situation zu sagen. (Lebhafter Beifall in der Mitte.) Und diesen Weg, meine Damen und Herren, bin ich unbedingt und unentwegt weitergegangen, und ich werde diesen Weg weitergehen, und ich kann ihn des⸗ wegen weitergehen, weil ich im vergangenen Oktober von dieser Stelle schon sagen konnte: die schwersten Hemmungen, die für Deutschland allein existierten auf dem Wege, den wir unbedingt gehen mußten, sind überwunden, ohne daß es zu einem Zu⸗ sammenbruch wirtschaftlicher und seelischer Art in Deutschland gekommen ist. (Zurufe von den Nationalsozialisten und den Kommunisten.) Meine Damen und Herren! Ich kenne die Not und die Sorgen und das Elend der Vielen (fortgesetzte Zurufe von den Kommunisten und den Nationalsozialisten) — lassen Sie doch! —, und ich empfinde in meinem Herzen sehr viel stärker mit ihnen als diejenigen, welche mit dieser Not allein Agitation treiben wollen. (Stürmischer Beifall und Händeklatschen in der Mitte. — Abgeordneter Göring: Herr Kanzler, haben Sie es auch in Ihrem Herzen gefühlt, als die SA.⸗Männer ohne Obdach auf die Straße geworfen wurden?) — Das haben wir geprüft, und Sie wissen, daß gleichzeitig dafür Maßnahmen ge⸗ troffen worden sind. (Rufe von den Nationalsozialisten: Welche? Ins Asyl werden sie geworfen! — Glocke.) — (Präsident Löbe: Meine Herren, ich bitte, jetzt nicht mehr zu unterbrechen.) — Meine Damen und Herren! Aus den zwei Reden des vergan⸗ genen Tages ist immer wieder die Tendenz herausgeklungen: jetzt sind wir beinahe so weit, daß wir auch diese⸗Regierung vielleicht noch beseitigen können, um dann, wenn die Situation für außen⸗ politische Erfolge und damit für den Wiederaufstieg bereinigt ist (sehr gut! in der Mitte. — Lachen und Zurufe von den Nationalsozialisten), sagen zu können: jetzt ist das Schlechte alles vorbei. (Erneutes Lachen und Zurufe von den National⸗ sozialisten) — Meine Herren, durch das Lachen ändern Sie nichts an der jetzigen Situation. (Sehr gut! im Zentrum. — Zu⸗ rufe von den Nationalsozialisten.) Und obwohl ich nicht beab⸗ sichtige, heute in eine Polemik gegen irgendeine Seite des Hohen Hauses einzutreten, bin ich doch auch als Außenminister ver⸗ pflichtet, Ihnen gegenüber eine Warnung und eine Bitte aus⸗ zusprechen. Seien Sie bitte mit Ihren Privatunterhaltungen mit ausländischen Politikern und Journalisten etwas vor⸗ sichtiger! (Stürmische Rufe in der Mitte: Hört, hört!) Es ist nicht wünschenswert — — (Andauernde Unruhe. — Zurufe links: Herr Rosenberg hat geschwätzt! — Gegenrufe von den National⸗ sozialisten: Breitscheid! — Glocke.) — (Präsident Löbe: Ich bitte um Ruhe! [Abgeordneter Torgler: Heraus mit der Sprache! Wir sind hier doch keine Hellseher! — Heiterkeit.] — Ich bitte Wum Ruhe«!) — Meine Damen und Herren! Es ist weder im Interesse der Beteiligten noch im Interesse einer geradlinigen und festen Fortführung einer Außenpolitik wünschenswert, daß das Ausland etwa auf Grund allen möglichen privaten Schwätze⸗ reien hoffen könnte, daß eine nach mir folgende Regierung kompromißfreudiger wäre. (Stürmische Rufe in der Mitte und links: Hört, hört! Herr Rosenberg! — Zurufe von den Deutsch⸗ nationalen. Bitte Namen nennen!) — Meine Damen und Herren! Der Name, der hier eben gefallen ist, hat mit dem, was ich eben gesagt habe, nichts zu tun. (Abgeordneter Berndt: Mit solchen Methoden kämpft man nicht!) — Herr Berndt, Sie von Ihrer Partei wagen meine Methoden zu kritisieren (Ab⸗ geordneter Berndt: Jawohl!), die Sie im Lande herumziehen und das Unglaublichste über meine Außenpolitik erzählen, als ob sie antinational bis zum Aeußersten wäre?! (Pfui⸗Rufe in der Mitte.) Glauben Sie, Herr Berndt — — (Abgeordneter Dr. Kleiner: Sagen Sie, wen Sie verdächtigen! Wer ist das? — Glocke.) — (Präsident Löbe: Herr Abgeordneter Dr. Kleiner, Sie dürfen solche Zurufe nicht machen, Sie haben nachher das Wort und können Fragen an den Reichskanzler richten.) — (Abgeordneter Schmidt [Hannovers: Der Herr Reichskanzler kann doch einfach den Namen nennen!) — Nein, das kann der Herr Reichskanzler machen, wie er will. (Lebhafter Widerspruch bei den Deutschnationalen. Sie brauchen nur einmal in den „Manchester Guardian“ hineinzusehen, worin das ganz deutlich schon vor einiger Zeit geschrieben worden ist. Mir liegt nur daran, und deswegen habe ich das ausgesprochen, vor der Welt festzustellen, daß diese oder eine andere Regierung in der Repa⸗ rationsfrage hinter das, was ich im Januar gesagt habe, aus sachlichen Gründen überhaupt nicht zurückweichen kann. (Bravo! und Händeklatschen in der Mitte.)
Nun weiß ich ja nicht, was ich von den Reden der Herren von der Nationalsozialistischen Partei, die hier gestern gehalten worden sind, in Wirklichkeit denken soll. Mich haben, und damit gehe ich über zu den innerpolitischen Maßnahmen, die die Reichs⸗ regierung vorbereitet hat, die Ausführungen des Herrn Abge⸗ ordneten Straßer außerordentlich interessiert (lebhafte Rufe bei den Kommunisten: Aha!), sich u einem ganz großen Teil
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auch decken mit den Maßnahmen, die die Reichsregierung in Vor⸗ bereitung hat. (Lebhafte Rufe von den Kommunisten: Hört, hört! — Abgeordneter Torgler: Man sieht die Brücke!) — Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Straßer hat gesagt, daß er in bezug auf die Arbeitsbeschaffung mit den Herren auf dieser Seite (nach links) in weitem Maße Sympathien hat. Wes⸗ halb darf ich nicht aussprechen, daß ich auch Sympathien mit den Ausführungen des Herrn Straßer habe? (Seiterkeit.)
Aber an einem Punkte scheiden sich die Geister, und das ist der Punkt der Finanzierungsfrage. Ich für meine Person werde es unter allen Umständen ablehnen bis zum äußersten, aus innen⸗ und außenpolitischen Gründen, irgend etwas zu tun, was vor⸗ übergehend eine kleine Erleichterung bringen könnte, was vor⸗ übergehend populär machen könnte, was aber die Währung in schwerste Gefahr bringen könnte. (Sehr wahr! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten. — Lebhafte Zurufe von den National⸗ sozialisten.) — Meine Herren, warten Sie doch! Sie haben doch ganz unstreitig in den letzten Tagen Fortschritte im Zuhören ge⸗ macht (Heiterkeit), wollen wir doch einmal ein wenig weiter⸗ gehen. Ich habe ja dem Herrn Abgeordneten Straßer gar nicht vorgeworfen, daß er gestern von einer Inflation gesprochen hat. Aber wenn Sie diesen oder einen der vielen Vorschläge, die meistens für eine Finanzierung nach ähnlicher Art gemacht worden sind, durchdenken, dann kommen Sie unter allen Um⸗ ständen zu einer gewissen Gefährdung der Mark, die, wenn je, in diesem Augenblick und in den nächsten Monaten das Allergefähr⸗ lichste sein würde. (Sehr wahr! in der Mitte und bei den Sozial⸗ demokraten. — Zurufe von den Kommunisten. — Abgeordneter Straßer: Herr Reichskanzler, äußern Sie sich doch bitte zu der Kreditschöpfung, von der ich sprach. Ich habe von einer pro⸗ duktiven Vorschöpfung gesprochen. Wenn das eine Inflation ist und die Mark gefährdet, dann müßte die Mark heute schon durch Ihre Krediterweiterungen in den letzten Monaten längst in⸗ flatiert sein. Die produktive Kreditschöpfung hat nichts zu tun mit einer inflatorischen Maßnahme.) — Ich verstehe durchaus, Herr Kollege Straßer, daß Sie nicht die Absicht haben, damit irgendwelche inflatorischen Erscheinungen herbeizuführen. Aber Sie haben eine Bemerkung gemacht, die dahin ging, daß es mög⸗ lich sein müsse — natürlich von einer anderen Regierung als der jetzigen — in einem gewissen Augenblick mit den von Ihnen vor⸗ geschlagenen Finanzierungsmaßnahmen haltzumachen. Wie soll ich — darüber haben ja schon einige Vorredner von mir ge⸗ sprochen — haltmachen, wenn ich angesichts der Tatsache, daß das deutsche Volk vor kurzem gerade eine Inflation überwunden hat und der Gedanke der Inflation versteckt oder verkappt in der ganzen Welt umgeht —, wie soll ich die deutsche Mark dann halten, wie es bisher gelungen ist, und wie es gelingen wird, wenn man in dieser Politik festbleibt, wie es auch für die nächsten Monate unter allen Umständen gelingen wird. In Deutschland können Sie nicht an einem bestimmten Punkt haltmachen, genau⸗ so wie England schwer an einem Punkt nach unten haltmachen kann. Wir müssen Wege wählen, die ganz klar sind und die ganz deutlich vor der Oeffentlichkeit ausgebreitet sind; denn wir müssen alles tun, um zu verhindern, den Glauben hervorzurufen, als ob wir vielleicht durch Hintertürchen irgendeine Inflation machen wollten. (Zustimmung in der Mitte. — Abgeordneter Dr. Frick: Da sind wir uns ganz einig, Herr Reichskanzler!) — Dann bin ich sehr dankbar dafür, aber ich habe gerade einen Antrag von Ihnen in anderer Richtung gesehen, den ich dann ab⸗ zulehnen bitte. (Heiterkeit und sehr gut! in der Mitte.)
Meine Damen und Herren! Das bedeutet nicht, daß keine Arbeitsbeschaffung möglich ist. Wir haben eine Reihe von Vor⸗ schlägen, die auch nach der technischen Seite so weit ausgearbeitet sind, daß sie jederzeit in Angriff genommen werden können. Wir sind in den Vorarbeiten für einen freiwilligen Arbeitsdienst (aha, bei den Kommunisten), wo sich ja die Anschauungen der meisten Parteien dieses Hohen Hauses sehr stark nähern, so weit sortgeschritten, daß wir auch damit gleich anfangen können. Aber es ist das Entscheidende, daß ein Weg ganz klarer und sauberer Finanzierung aller dieser Dinge gegangen wird. (Sehr gut! in der Mitte.) 1
Ich darf in diesem Zusammenhang auf einen Einwurf zurück⸗ kommen, den, glaube ich, der Herr Abgeordnete Hugo soeben gemacht hat. Wir denken nicht daran, nur an die Etatssicherung des Reichs heranzugehen, wir müssen Reich, Länder und Gemeinden unter allen Umständen gleichmäßig dabei absichern. (Sehr gut! in der Mitte.) Denn davon hängt der Kredit des Reiches ab, und leider ist es so, daß von diesem Kredit des Reichs heute in ganz großem Maße auch die gesamte deutsche Wirtschaft abhängig ge⸗ worden ist. (Sehr wahr! in der Mitte.) Das ist nicht die Folge des Systems. meine Damen und Herren, und die Bankenkrise und andere Dinge sind nicht Folgen eines politischen Systems. (Abgeordneter Torgler: Aber des Wirtschaftssystems!) Sie sind nichts anderes gewesen als die Folgen von Fehlern, die unter jedem politischen System in den vergangenen Jahren in der ganzen Welt mit wenig Ausnahmen begangen worden sind. Meine Damen und Herren! Bevor dieses Kabinett da war, — (Zuruf von den Deutschnationalen) — ja, Herr Stubbendorff, gerade als ein deutschnationales Kabinett da war, hat ein ganz großer Sachvoerständiger bereits ein Urteil über die deutschen Banken in einem größeren Kreise gefällt, das ich heute nicht noch einmal vor der Oeffentlichkeit wiederholen möchte. Weshalb haben Sie damals nicht zugegriffen? (Zuruf von den Deutsch⸗ nationalen: Sagen Sie das dem Herrn Grafen Westarp!) — Nein, es sind auch andere Herren gewesen, die damals an der Verant⸗ wortung beteiligt waren; und außerdem stand ja nichts im Wege, daß Sie die Initiative nach dieser Richtung ergriffen hätten. Die Aufgabe durchzuführen, auf dem Wege der Außenpolitik, den wir beschritten haben, und ohne Rücksicht der Partei zum mindesten in dem Ziele durchhalten müssen, und gleichzeitig unter einer fürchterlichen Wirtschaftskatastrophe den systematischen Aus⸗ weg zu finden und zu gehen, ist nicht so schnell möglich, wie manche Theoretiker sich träumen und wie manchmal in agita⸗ tocischen Versprechungen des Beifalls halber geäußert wird.
Meine Damen und Herren! Auch der Herr Kollege Hugo, der doch sicher ein besonders sachverständiges Urteil über diese Dinge hat, — (Abgeordneter Torgler: Es fragt sich, worin!) — das werden Sie ja gleich hören! — hat vor mir von einer Konzern⸗ dämmerung gesprochen, und das will viel sagen. (Sehr gut! in
der Mitte.) Aber, meine Damen und Herren, wenn eine Konzern⸗ dämmerung kommt, die ein massenhaftes völliges Zusammen⸗ brechen der großen Konzerne auf einen Schlag zur Folge haben
würde, so kann das Deutschland unter keinen Umständen aus⸗
halten. Wir müssen mit allen Mitteln — das sind finanziell wenige, aber, wenn sie organisatorisch richtig gehandhabt werden, starke Mittel —, die Decke, die hier und da nach den Aeußerungen, die hier vorher gefallen sind, gewisse Risse hat, so lange stützen, bis unter allen Umständen von unten bereits ein neuer und zukunftsreicherer Typ der Unternehmungen aufgewachsen ist. (Zustimmung in der Mitte.) Das ist eine der schwersten Aufgaben, die je gestellt worden sind.
Etwas können wir schon feststellen. Durch die vielgelästerten Maßnahmen der Reichsregierung ist trotz aller Notlage des Mittelstandes, die in bestimmten Branchen, wie zum Beispiel der Barbranche, katastrophal ist, auf verschiedenen Gebieten bereits eine erfolgreiche Konkurrenz des kleinen Unternehmers gegenüber dem größeren und größten eingetreten. (Zurufe von den Kommu⸗ nisten.) Ich kritisiere mit keinem Wort an den Leistungen unserer Großindustrie. Ich will in diesem Augenblick nichts dagegen sagen. Aber eines muß ich doch sagen: Aus einer Strukturkrise, in der sich die Wirtschaft überall in der Welt be⸗ findet, kommt man dann am sichersten heraus, wenn man der Energie, der Opferfreudigkeit und der Entschlußkraft der kleinen selbständigen Existenzen möglichst die Bahn frei macht, denn das sind gewöhnlich diejenigen, die den stärksten und dauerhaftesten Willen zur Ueberwindung einer langwierigen Krise aufbringen. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte.)
Meine Damen und Herren! Wir bemühen uns auch trotz aller Klagen über die hohe Zinsspanne in stärkstem Maße, dafür zu sorgen, daß das, was wir seinerzeit bei der Bankenreform ver⸗ sprochen haben, durchgeführt wird, eine stärkere Berücksichtigung bei der Kreditgewährung der kleineren und mittleren Unter⸗ nehmer, auf der anderen Seite die Vorbereitung einer stärkeren regionalen Gliederung und eines regionalen Verwachsenseins unserer gesamten Bankinstitute. Auf diesem Gebiete sind gerade in den letzten 14 Tagen erhebliche Ansätze gemacht worden. So schnell wie manche es glauben, ist es nicht möglich; denn es gehören zu vielen dieser Dinge nicht gesetzgeberische Maßnahmen, nicht Verwaltungsmaßnahmen (Abgeordneter Torgler: sondern finanzielle!) seitens der Reichsregierung, Herr Kollege Torgler, sondern es gehört dazu eine Umwandlung des Denkens der Menschen, die an der Spitze von vielen kleinen Instituten und Organisationen stehen, und das kann man nicht durch eine Not⸗ verordnung beschleunigen. (Heitere Zustimmung.) Deshalb müssen wir berücksichtigen, daß nicht, ebenso wie auf den Gebieten der landwirtschaftlichen Umschuldung, wo wir auch sehr starke Rücksichten zu nehmen haben, nach erfolgter Umschuldung Klein⸗ gewerbe, Handwerker oder sonstige Persönlichkeiten des Mittel⸗ standes nach kurzer Zeit völlig ruiniert sind. (Sehr gut! in der Mitte. — Zuruf von den Deutschnationalen.) — Ach, das ist Ihnen zum Lachen, Herr Präsident (zum Abgeordneten Graef [Thüringen])). Es ist mir sehr interessant, wie weit Sie in die Materie bereits eingedrungen sind. Wenn Sie wüßten, Herr Kollege, welche Sorgen im östlichen Handwerk und Mittelstand mit der Umschuldung verknüpft sind, würden Sie hier nicht wagen, über diese Dinge lächerliche Bemerkungen zu machen. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte. — Zurufe des Abgeordneten Graef [Thüringen)). Wir sind mit den Vorarbeiten — darüber wird der Herr Ostkommissar gleich noch sprechen — so weit vor⸗ gedrungen, daß im Laufe — — (Abgeordneter Göring: eine neue Notverordnung!) — ja, eine Notverordnung über die Siedlung. Ich dachte, Herr Kollege Göring, in dem Punkte wären Sie nach den Ausführungen des Herrn Straßer endlich einmal freundlich mir gegenüber gewesen.
Wir sind jetzt so weit, daß wir auf Grund der Vorbearbei⸗ tungen der Umschuldung und der damit zusammenhängenden Fragen mit der Siedlung in großem Maßstabe beginnen können. Ich freue mich, daß der Herr Abgeordnete Straßer gestern bei der Schätzung, ob man 100 000 Siedler in einem Jahr ansetzen sollte, selbst ein Fragezeichen gemacht hat. Ich warne auch hier vor Illusionen, und ich warne davor, irgendeinen Siedlertyp des Prestigeerfolges halber schnell zu schaffen, der schon nach ein oder zwei Jahren nicht mehr lebensfähig ist. (Lebhafte Zustim⸗ mung in der Mitte. — Zuruf von den Nationalsozialisten: Späte Erkenntnis!) — Nein, entschuldigen Sie. Da ich die Dinge in meinem Wahlkreise Schlesien seit 1926 beobachtet habe, habe ich wiederholt Gelegenheit gehabt, Bemerkungen nach dieser Richtung hin schon früher zu machen. Vielleicht ist es zweckmäßig, daß Sie sich mit dem Studium der Verhandlungen des Reichstags aus früheren Jahren (Zuruf des Abgeordneten Torgler) ohne Ihre Zwischenrufe, Herr Kollege Torgler, beschäftigen. (Heiter⸗ keit.)
Wir kommen an all' diese Dinge nicht heran, wenn wir zwei Fehler machen, wenn wir aus einer Prestigepolitik heraus glauben, mit einer auch sehr stark gesteigerten Arbeitsbeschaffung Wunder wirken zu können; denn eine Arbeitsbeschaffung wird endgültig das Rad nach oben hin erst treiben, wenn der Tief⸗ punkt einer Krise schon überwunden ist. (Sehr richtig! in der Mitte.) Aber — und das ist ja wohl auch zum Teil die Idee, die beim freiwilligen Arbeitsdienst in allen Parteien vorherrscht — das Entscheidende ist, daß alles geschieht, was möglich ist, zur Linderung der moralischen und psychologischen Folgen der Arbeitslosigkeit. (Zustimmung in der Mitte.) Man wird manches wirtschaftlich als nicht ganz richtig in Kauf nehmen müssen, um den Effekt einer moralischen und psychologischen Entlastung zu schaffen. (Erneute Zustimmung in der Mitte. — Zuruf von den Nationalsozialisten: Dann durften Sie die SA. nicht verbieten!) — Wollen Sie absolut noch einmal das Thema der SA.⸗Abteilungen hier aufrollen? Ich glaube, es ist genügend darüber geredet worden. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das Verbot notwendig war. Ich habe lange mit mir darüber ge⸗ rungen (Zurufe von den Nationalsozialisten.) — Hören Sie doch auf mit diesen Bemerkungen. (Zuruf links: Sie haben sich schon manches abgerungen!) — Ja, sonst sähe es sehr viel schlimmer aus, als es heute aussieht, wenn ich mir in den ver⸗ gangenen Jahren nicht manches abgerungen hätte — Bei den
nicht abgewartet?) — Aber Herr Kollege Göring, wollen Sie damit wieder die Frage an mich richten, ob das Verbot der SA.⸗Abteilungen auf ausländische Einflüsse zurückzuführen ist? (Abgeordneter Göring: Nein, davon habe ich nichts gesagt! Ich habe gefragt, warum Sie dann nicht eine gerichtliche Entschei⸗ dung darüber abgewartet haben, ob die SA. sich gegen den Staat gestellt hat!) — Herr Kollege Göring, weil wir es unbe⸗ dingt notwendig haben, im Interesse unsrer Kreditlage dafür zu sorgen, (Zuruf von den Nationalsozialisten: Also doch das Aus⸗ land!) — nein, der inneren — daß die Leute nicht aus Angst das Geld von den Sparkassen nehmen und in den Strumpf stecken. (Zurufe und Lachen bei den Nationalsozialisten.) — Da mögen Sie lachen, meine Herren, das ändert an der Tatsache nichts. Mir kommt es darauf an, objektiv gegenüber jedem Ver⸗ such, der die Staatsautorität untergräbt oder untergraben kann, eine feste Linie zu geben. Ich habe sehr lange Geduld gehabt, und ich habe sehr lange zugesehen. Aber ich würde mich vor der Geschichte als verantwortungslos hinstellen lassen müssen, wenn ich nicht wenigstens in diesem Augenblick endlich mit gewissen Dingen Schluß gemacht hätte. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte. — Zuruf von den Nationalsozialisten.) Die neue Not⸗ verordnung gibt die Garantie dafür, daß in Zukunft nichts Derartiges aufkommen kann, daß in Zukunft aber auch keine Mißdeutungen entstehen können, als ob eine Maßnahme viel⸗ leicht einseitig gegen irgendeine Richtung gedacht sei. (Zuruf von den Nationalsozialisten: Warum verbieten Sie dann Reichs⸗ banner und Eiserne Front nicht?) — Das ist Ihnen doch gestern ausdrücklich klargelegt worden. Ich habe ja auch nicht den Stahlhelm verboten. (Unruhe bei den Nationalsozialisten. — Abgeordneter Torgler: Wir sind auch neugierig; beantworten Sie doch einmal unsere Fragen!) — Ich habe Ihnen schon viel zuviel Fragen beantwortet. (Zurufe von den Kommunisten: Noch gar keine!) 8 Meine Damen und Herren! Ich erwähne das alles in dieser Stunde, weil ich es für meine Pflicht gehalten habe, ganz klar und deutlich auszusprechen, was ich über die wirtschaftliche Situation Deutschlands und die wirtschaftliche Situation der Welt denke. Ich habe nicht aus Uebertreibung oder Pessimismus gesprochen, aber ich habe auch keinen Augenblick gesprochen aus Angst oder aus Sorge, daß Deutschland diesen Kampf nicht durchhalten könnte, weil es, wirtschaftlich, finanziell und politisch isoliert, wiederum wie in früheren Jahren in Schwierigkeiten kommen würde. Das ist der grundlegende Unterschied zu dem, was uns in früheren Jahren bedrückt und gezwurigen: daß dieses Mal die Lösung nicht so sein kann, daß durch ein wirtschaftlich widersinniges Entgegenkommen Deutschlands in einem Sinn, wie es früher gewaltsam erzwungen wurde, die Situation in der Welt sich ändern würde. Die Situation in der Welt kann sich nur ändern, wenn Klarheit in der Reparationsfrage in dem Sinn geschaffen wird, wie ich es hier angedeutet habe. Die Situation in der Welt kann sich nur ändern, wenn ebenso Klar⸗ heit in der Abrüstungsfrage geschaffen wird und wenn anschließend die Welt von dem Wahnsinn einer übermäßigen Absperrung und Zerstörung des internationalen Handels wieder abkommt. Denn davon hängt eine wirkliche und dauerhafte Prosperität ab. Ohne diese Maßnahmen, die keineswegs ein Schlag gegen die Land⸗ wirtschaft zu sein brauchen, wie vielleicht Mißdeutende meinen können, sondern die nur den Zweck haben, die künstliche Schrump⸗ fung der Wirtschaft aller Vülker von außen her zu beseitigen, ist ein durchgreifender Erfolg nicht möglich. Werden diese Maß⸗ nahmen aber rechtzeitig ergriffen und durchgeführt — und die Not wird die Welt meines Erachtens dazu zwingen, das im letzten und richtigen Augenblick zu tun —, dann kann man allerdings zum erstenmal vielleicht seit dem Ende des Krieges von etwas wie Frieden in der Welt sprechen. (Sehr gut!) Dann kommt auch zum erstenmal das innere Gefüht aus der Welt heraus, daß der Sieger, weil die Ausnutzung des Sieges eine unmögliche Situa⸗- tion geschaffen hat, ängstlich immer wieder vor einem neuen Kriege bangt. Die Sicherheit, meine Damen und Herren, ist am besten garantiert, wenn alle Völker für sich nach eigenen Gesetzen, aber in freien internationalen Handelsvereinbarungen und in Handelsaustausch leben können. Wenn es gelingt, an die Stelle der Scheinprosperität nach dem Weltkrieg eine wirkliche, langsam aber dauernd aufsteigende Prosperität zu setzen, dann erst wird das Gefühl des Friedens in die Welt einziehen, dann erst wird auch das Gefühl der dauernden politischen Unruhe schwinden, die so vernichtend auf die Kreditwirtschaft aller Völker gewirkt hat (Zurufe von den Deutschnationalen.) — Meine Damen Wund Herren, diese Dinge sind wirklich zu ernst, um sie mit ein paar lächerlichen Zwischenrufen zu erledigen. (Laute Zustimmung.) Ich wenigstens fasse sie in diesem Ernst auf und halte es für meine Pflicht, das, was ich hier erklärt habe, der ganzer Welt und besonders den Staatsmännern zu sagen, so wie ich es seit zwei Jahren unter vier Augen getan habe. Ich bin damit weitergekommen, nicht weil ich scharfe Worte gesprochen habe, sondern weil ich aus meinem innersten Empfinden heraus das gesagt habe, was meine Ueberzeugung gewesen ist, weil ich au meiner Ueberzeugung heraus das gesagt habe, was an Kon sequenzen des Zögerns in gewissen internationalen Verhand lungen eingetreten ist. Und weil ich das gesagt habe nicht mit starken Fanfarentönen, sondern mit ruhigen Worten, deshalb habe ich mir vielleicht etwas in der Welt erworben, was ich fü Deutschland einsetzen kann. Deshalb konnte ich vielleicht gewisse Dienste, die Sie (zu den Nationalsozialisten) bestreiten, leisten. Aber das eine will ich Ihnen zum Schluß noch sagen: Wenn Sie Kritik und Agitation üben und wenn Sie gleichzeitig daran
denken, die Macht in Deutschland in einer so kritischen Zeit zu
erobern, dann rate ich Ihnen dringend, sich in Ihren Ausdrücken, in der Form und im Inhalt Ihrer Agitation rechtzeitig Mäßigung aufzuerlegen; denn die Hoffnungen, die Sie geweckt haben, werden Sie nie erfüllen können. (Lebhafte Zustimmung bei der Mehrheit.) Die Hoffnungen, meine Damen und Herren, die man so weckt, sie gehen sehr leicht über in einen Rückschlag
SA.⸗Abteilungen und bei jede jation, die eine Gefahr bildet,
nach der anderen Seite hin. Ich persönlich habe es vermieden,
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