1932 / 158 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Jul 1932 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 158 vom 8. Juli 1932. S. 2

Bekanntmachung.

Dem Markscheider Diplomingeniur Wilhelm Löffler ist von uns unterm 14. Mai 1932 die Berechtigung zur selb⸗ ständigen Ausführung von Markscheiderarbeiten innerhalb des Preußischen Staatsgebiets erteilt worden. Sein Wohn⸗ sitz ist Bochum.

5 Dortmund den 6. Juli 1932 Preußisches Oberbergamt.

Deutsches Reich. 8

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Der Reichsrat hielt gestern eine Vollsitzung ab, deren Hauptberatungsgegenstand die Ausführungsbestim⸗ mungen zum Weingesetz waren.

Berichterstatter Ministerialdirektor Frhr. von Imhoff wies, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsver⸗ leger zufolge, darauf hin, daß das Weingesetz in seinen wesent⸗ lichen Bestimmungen bereits seit dem 1. September 1930 in Kraft sei. Als Durchführungsbestimmungen galten bis jetzt die des alten Weingesetzes, die, soweit unbedingt notwendig, dem neuen Weingesetz angepaßt worden waren. Außerdem seien bereits ergänzende Vorschriften für den Dessertwein erlassen worden. Die neuen Vorschriften, so erklärte der Berichterstatter, wollen dem Fortschritt in der Weinherstellung Rechnung tragen und die bisherigen Vorschriften der Rechtsprechung anpassen; sie verfolgen, entsprechend dem Gesetz, das Ziel, den Qualitäts⸗ wein zu schützen und dem Verbraucher Gewähr gegen Täuschungen zu bieten. Diesen Zielen dienen namentlich die schärfere Fassung der Vorschriften über Kellerbehandlung und die Einschränkung der Phantasie⸗ und Qualitätsbezeichnungen. Die Reichsrats⸗ ansschüsse haben hier nur wenige Aenderungen vorgenommen.

Nicht einigen konnte man sich über den sehr umstrittenen Begriff der „benachbarten“ und der „nahegelegenen“ Gemarkungen. Es gelang nicht, eine für die Praxis trogbare allgemeine Fassung zu inden. Der Vorschlag der Reichsregierung im Entwurf wurde daher gestrichen; die Abgrenzung soll vielmehr der Praxis über⸗ lassen bleiben. Des weiteren will der Entwurf in veefksef s des Gesetzes den inländischen Weinbau und den deutschen Wein⸗ handel gegen übermäßige Konkurrenz des Auslandes schützen; er ist weiter darauf bedacht, daß der deutsche Exporteur nicht un⸗ ünstiger gestellt wird als der ausländische. Auch hier haben die Ausschüsse nur wenige Aenderungen vorgenommen. Die Her⸗ ftellung von Wermutwein wird erstmals geregelt. Heiß um⸗ tritten, von den Interessenten und auch in den Reichsratsaus⸗ schüssen, war die Frage der Verwendung von aromatischen Aus⸗ zügen, sogenannten Typagen, zur Herstellung von Weinbrand und Weinbrandverschnitt, soweit die Auszüge nicht im eigenen Betrieb des Weinbrand⸗ und Weinbrandverschnitt⸗Herstellers gewonnen werden. Die Verwendung von solchen Typagen bei der Herstellung von Weinbrand ist schon seit 1914 verboten. Ihre Zulassung hätte einen Rückschritt bedeutet. Die Verwendung von solchen Typagen bei der Herstellung von Weinbrandverschnitt war bisher zweifelhaft. Auch hier erschien aber den Reichsrats⸗ ausschüssen nach eingehenden Beratungen das Verbot entsprechend dem Vorschlag der Reichsregierung gerechtfertigt, und zwar deshalb, weil die Kontrolle über die Herstellung und Verwendung von Typagen erheblich besser gesichert ist, wenn die Herstellung im eigenen Betrieb des Weinbrandverschnitt⸗Herstellers erfolgt, ferner aber auch, weil die Verwendung von Typagen im Inter⸗ esse der Erzeugung von Qualitätsware nach Möglichkeit ein⸗ geschränkt werden soll. Doch glaubte man, den Betrieben, die zur Zeit zum Weiterverkauf Typagen herstellen, durch eine ver⸗ längerte Uebergangszeit entgegenkommen zu sollen. Die Reichs⸗ ratsausschüsse haben eine Uebergangszeit bis zum 31. August 1935 vorgesehen Sehr umstritten war auch die Frage, ob und bejahendenfalls wie man zu § 5 des Weingesetzes eine Begriffs⸗ bestimmung der „vollendeten Gärung“ geben solle. In der zweiten Lesung wurde man sich dahin einig, von einer Begriffs⸗ bestimmung vorher abzusehen. Die Frage bleibt sonach zunächst der Rechtsprechung überlassen. Den Interessen Württembergs und Badens bezüglich des Schiller⸗Weins ist in Art. 1 Abs. 2 des Entwurfs Rechnung getragen. Die Reichsratsausschüsse haben diese Vorschrift erxrgänzt, um auch den Interessen derjenigen Weinbaubetriebe zu entsprechen, die, wie namentlich in der baye⸗ rischen Rheinpfalz, Portugiesertrauben erzeugen. Leider war es nicht möglich, den Wünschen Württembergs bezüglich des hei⸗ mischen Obstmostes entgegenzukommen. Die Ausschüsse waren in ihrer Mehrheit mit der Reichsregierung der Auffassung, daß die Vorlage besser geeignet sei, den Schutz der Qualitätserzeug⸗ nisse se sichern, als es nach den Vorschlägen Württembergs der Fall sein würde. Der Berichterstatter beantragte, den Aus⸗ führungsbestimmungen in der Fassung der Ausschußbeschlüsse zuzustimmen.

Der württembergische Gesandte Dr. Bosler gab darauf fol⸗ gende Erklärung ab: Die Ausschüsse haben in den Art. 4 Abs. 2 Nr. 4 des Entmurfs eine aus Traubensüßmost bezügliche Bestim⸗ mung eingefügt. Die württembergische Regierung hat in der Ausschußberatung eingehend dargelegt, weshalb sie der Aufnahme dieser Bestimmungen nicht zustimmen kann. Sie sieht von der Stellung eines Antrags auf Streichung dieser Bestimmung ange⸗ sichts seiner Aussichtslosigkeit zwar ab, erklärt aber ausdrücklich, daß nach ihrer Auffassung der Reichsregierung und dem Reichs⸗ rat eine bindende Auslegung der Begriffe Wein, Traubenmost und Traubensaft nicht zusteht und die betroffene Regelung nur im Rahmen des Weingesetzes Geltung beanspruchen kann. Nachdem die Anträge, die von der württembergischen Regierung zu Art. 8 des Entwurfs gestellt wurden, in der Ausschußberatung abgelehnt worden sind, erklärt die württembergische Regierung ausdrücklich, daß nach ihrer Rechtsalfffassung die Ausführungsbestimmungen zu § 10 des Weingesetzes nur auf die dem Wein ähnlichen Getränke aus den im Gesetz bezeichneten Ausgangsstoffen sich beziehen können, die Vorschriften bezüglich der Verwendung von Stoffen nur auf die Verwendung fremder Stoffe sich erstrecken, die Vor⸗ schriften über die Verwendung von Stoffen auf die gewerbs⸗ mäßige Herstellung sich beschränken, insbesondere auch der Abs. 3. des Art. 8 in diesen Schranken sich hält, und den Rahmen des § 10 Abs. 3 des Weingesetzes überschreitende Bezeichnungsvorschriften rechtlich unzulässig sind. 3

Der Vertreter der Rheinprovinz gab folgende Er⸗ klärungen ab: Als Vertreter der Rheinprovinz gebe ich meinem Bedauern Ausdruck, daß der von der Preußischen Regierung zu Art. 1 Abs. 2 der Vorlage zugunsten des Rotweinbaus an der Ahr und am Mittelrhein gestellte Antrag in der Ausschußberatung keine Feeen gefunden hat und daß bei der Haltung der Mehr⸗ heit der Länder eine Wiederholung dieses Antrags in der Voll⸗ situng des Reichsrats ebenfalls keine Mehrheit finden würde. In der jetzt getroffenen Regelung sieht die Winzerschaft der Bur⸗ gunderrebe an der Ahr und am Mittelrhein eine starke Gefähr⸗ dung ihrer Existenz und eine Begünstigung des Anbaus der Portugieserrebe in Süddeutschland. An die Regierung des Reiches und Preußens richte ich die dringende Bitte, auch in Zukunft dieser für das Edelrotweingebiet außerordentlich wichtigen Frage ein besonderes Augenmerk zuzuwenden und bei erheblicher Gefährdung der Wirtschaftsinteressen der Rotweingebiete an der Ahr und am Mittelrhein rechtzeitig eine Aenderung der heute beschlossenen Regelung ins Auge zu fassen. Nach § 25 des Weingesetzes liegt zwar die Ausführung des Gesetzes bei den Landesregierungen. Für

den einheitlichen Vollzug des Gesetzes sind 87 für das Reichsgebiet einheitliche Richtlinien und Grundsätze vorgesehen, die von der Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats zu erlassen sind Mit Rücksicht darauf, daß der ganze Zweck und die Wirkung des Weingesetzes zum großen Teil verlorengehen, wenn die Weinkontrolle nicht einheitlich gehandhabt wird, und unter Hinweis darauf, daß solche einheitlichen Richtlinien im Interesse des deutschen Weinbaus und —2 und auch der Ver⸗ E liegen und auch von diesen Stellen gefordert werden, unterbreite ich der Reichsregierung die dringende Bitte, diese im Gesetz Richtlinien bald zur Beratung und Beschluß⸗ fassung vorzulegen.

Der Vertreter Hamburgs schloß sich dieser letzteren Erklärung der Rheinrovinz an.

Die Ausführungsbestimmungen wurden darauf in der Fassung der Ausschußvorschläge mit Mehrheit angenommen.

Der Reichsrat erledigte dann noch einige kleinere Vor⸗ lagen. Einem Antrag der Tabak⸗Berufsgenossenschaft, die Tabaknebenbetriebe dieser Berufsgenossenschaft ein⸗ ugliedern, wurde wegen des Widerspruchs der landwirtschaft⸗ sichen Berufsgenossenschaft nicht stattgegeben.

Zustimmung fanden mehrere Novellen zum Opiumgesetz und den dazu ergangenen Verordnungen. Es handelt sich dabei darum, auch die Stoffe den Bestim⸗ mungen des Opiumgesetzes zu unterstellen, aus denen Rausch⸗ gifte hergestellt werden können.

Annahme fand eine Verordnung, die die Einschleppung der San José⸗Schildlaus auch aus Oesterreich und Ungarn, wo sie neuerdings aufgetreten ist, verhindern will.

n wurde ferner einem Runderlaß über die Aen⸗ derung der Reisekostenverordnung für Reichs⸗ beamte. Wegen der gespannten Finanz⸗ und Wirtschafts⸗ lage werden nur dringende Aenderungen vorgenommen. Im Reichsrat wurde durch Mehrheitsbeschluß festgelegt, daß die Benutzung von Eilzügen nicht nur auf weiteren Strecken als 25 km zulässig ist, sondern auch, wenn es nach der Verkehrs⸗ lage zweckmäßig ist. Die Benutzung von Schnellzügen wird auf Strecken über 100, die von Fernschnellzügen auf Strecken über 500 km zugelassen.

Preußischer Staatsrat. Sitzung vom 7. Juli 1932. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Der Staatsrat beschäftigte sich heute nachmittag mit der Amnestievorlage.

Senatspräsident Dr. Caspari⸗Berlin (Arbeitsgemein⸗ schaft) berichtete über die Ausschußberatungen. Es lagen dem Ausschuß Anträge der Sozialdemokraten, der Kommunisten und der Fraktion Arbeitsgemeinschaft vor. Der Entwurf der Fraktion Arbeitsgemeinschaft ist im Ausschuß im wesentlichen angenommen worden; er wurde ergänzt durch die Anregung der Sozialdemokraten, Straffreiheit auch zu gewähren, wenn der Täter im Zusammenhang mit kollektiven Wirtschaftskämpfen straffällig geworden ist. Bei übler Nachrede soll Straffreiheit nicht eintreten, wenn eine im öffentlichen Leben stehende Person im Sinne der Notverordnung des Reichspräsidenten betroffen, worden ist. Die Höchstgrenze der Strafen, die der Amnestie unter⸗ liegen, ist auf 6 Monate Gefängnis festgesetzt worden.

Die vom Ausschuß angenommene Vorlage hat folgenden Wortlaut:

§ 1. Straffreiheit wird gewährt für die vor dem 15. Juni 1932 begangenen Straftaten, wenn die erkannte oder voraus⸗ sichtlich zu erwartende Stgese oder der noch nicht verbüßte Straf⸗ rest nur entweder in Gefängnis bis zu 6 Monaten oder in Festungshaft oder in Haft oder in Geldstrafe allein oder in einer dieser Freiheitsstrafen neben Geldstrafe besteht, und wenn der Täter straffällig geworden ist:

a) aus politischen Beweggründen, oder

b) infolge seiner oder seiner Angehörigen wirtschaftlichen

Not, insbesondere Arbeitslosigkeit, falls er bei Begehung der Tat nicht oder nur geringfügig vorbestraft war, oder

c) im Zusammenhang mit kollektiven Wirtschaftskämpfen.

Wegen solcher Straftaten rechtskräftig erkannte und noch nicht vollstreckte Strafen werden erlassen, schwebende Strafver⸗ fahren werden eingestellt, neue nicht eröffnet.

Die Straffreiheit erstreckt sich auf Nebenstrafen und Siche⸗ rungsmaßnahmen, soweit sie nicht vollstreckt sind, und auf rück⸗ ständige Gerichtskosten. Soweit auf Einziehung oder Unbrauch⸗ barmachung erkannt ist, behält es hierbei sein Bewenden.

§ 2. Ausgeschlossen von Straffreiheit sind:

A. Die Verbrechen des Landesverrats und des Verrats mili⸗ tärischer Geheimnisse; das Vevbrechen des Meineids; die Vergehen gegen die Religion; die Vergehen der üblen Nachrede, sofern auf die Tat die Voraussetzungen der Verordnung des Reichspräsi⸗ denten vom 8. Dezember 1931 8. Teil Kap. 3 zutreffen, und der Verleumdung 187 StB.); die Verbrechen gegen das Leben; die Verbrechen der schweren Körperverletzung; die Verbrechen des schweren Raubes; die Verbrechen der Brandstiftung; die Verbrechen der vorsätzlichen Gefährdung eines Eisenbahntrans⸗ portes; die Verbrechen und Vergehen im Amte; die Verbrechen und Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz vom 9. Juni 1884.

B. Alle Taten, deren Ausführung von Rohheit, Gewinnsucht oder Niedrigkeit der Gesinnung zeugt. § 3. Enthält eine Gesamtstrafe eine wegen einer im 1 ge⸗ nannten Zuwiderhandlung erkannte Einzelstrafe oder mehrere derartiger Einzelstrafen, so wird die Gesamtstrafe um den Teil des noch nicht verbüßten Strafrestes verkürzt, der auf diese Einzelstrafen nach ihrem Verhältnis zu den übrigen in der Ge⸗ samtstrafe enthaltenen Einzelstrafen entfällt, sofern dieser Teil des Strafrestes höchstens 6 Monate Gefängnis beträgt, oder in Festungshaft besteht.

Wird eine gerichtliche Entscheidung 458 StPO.) darüber notwendig, ob und inwieweit eine Gesamtstrafe nach den Vor⸗

schriften des Abs. 1 zu türzen ist, so wird sie von dem Gericht

erlassen, das die Einzelstrafe wegen einer im § 1 genannten Zu⸗ widerhandlung festgesetzt hat.

§ 4. Auf Dienststrafen und Dienststrafverfahren, die gegen Beamte des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts einschließlich der Lehrpersonen wegen politischen Verhaltens verhängt oder ein⸗ geleitet worden sind, finden die §§ 1 und 2 entsprechende An⸗ wendung.

Mit Dienstentlassung bestrafte besoldete Beamte sind vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes ab zu behandeln wie Be⸗ amte, die in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden sind. Haben sie inzwischen die Altersgrenze erreicht, so sind sie Ruhe⸗ standsbeamten gleichzustellen. Für besoldete Wahlbeamte der Gemeinden und sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt Entsprechendes mit der Maßgabe, daß sie nach Ablauf ihrer Wahlperiode im Falle der Nichtwiederwahl in den Ruhestand zu versetzen sind. Die Vorschriften über die Gewährung von Hinter⸗ bliebenenbezügen bleiben unberührt.

Von Straffreiheit ausgeschlossen zugleich ein Verbrechen oder Vergehen im Amte im Sinne Strasgesetzbuches enthalten, oder die Rohheit oder Ni⸗

sind Dienstvergehen, die des rig⸗

Bei den Provinzialverbänden drohe die

keit der Gesinnung oder Gewinnsucht zeugen, oder die Vorgesetzt verächtlich zu machen bestimmt und geeignet waren.

2 finden ferner keine Anwendung auf Dienstvergehen von Beamten, die geeignet waren, Bestrebungen

auf Abtrennung deutschen Gebiets vom Reiche oder von Preußen

zu fördern.

In der Aussprache lehnte Stadtrat Tor Beschlüsse des Verfassungsausschusses ab. Von der Amnestie bleibe herzlich wenig übrig. Alle Delikte, bei denen eine Strafe von über 6 Monaten Gefängnis verhängt worden sei, sollten nicht unter die Amnestie fallen. Auch die Bestimmung, daß alle Taten, deren Ausführungen von Roheit, Gewinnsucht oder Niedrigkeit der Gesinnung zeugten, nicht amnestiert werden sollen, stelle es in das Belieben der Behörde, die Amnestie so oder so anzuwenden. Bewußt habe man dieses Gesetz gegen das Proletariat geschaffen.

edenfalls solle eine wirkliche Amnestie kaputt gemacht werden. Der Redner empfiehlt den kommunistischen Gesetzentwurf. Bei Wirtschaftskämpfen dürften nicht nur „gewerkschaftlich sanktionierte Streiks“ der Amnestie teilhaftig werden.

ler (Komm.) die

gende ablehnende Erklärung der Zentrumsfraktion

kann dem Gedanken einer Amnestie nur unter

Landgerichtsdirektor Dr. Breitenstein (Zentr.) gab sate . 1 ab; Jedo Amnestie ist eine Unterbrechung der normalen Rechtspflege. Wenn 8— 8 das Rechtsbewußtsein eines Volkes nicht erschüttert werden soll, anz bestimmten

sachlichen Voraussetzungen nähergetreten werden. Nach Auffassung

der Zentrumsfraktion sind keine Voraussetzungen gegeben, die in diesem Augenblick ein rechtfertigen könnten. Die Zentrumsfraktion spricht sich deshalb gegen den vorliegenden Ent⸗ wurf aus und lehnt ihn ab. Sie ist fest davon überzeugt, daß eine Amnestie gegenwärtig nur die Elemente der Straße stärken würde, die durch ihre täglichen Ausschreitungen ohnehin schon die öffent⸗ liche Sicherheit stark gefährden und dem Ansehen des deutschen Volkes schweren Schaden zufügen. (Unruhe bei den Kontmunisten.)

Damit schloß die Aussprache. Unter Ablehnung der kom⸗

munistischen Aenderungsanträge wurde dann die Vorlage in der Ausschußfassung gegen Zentrum und Kommunisten an⸗ genommen.

Der Staatsrat trat am Abend erneut zusammen,

um sich mit dem Ergänzungshaushalt für 1932 zu beschäftigen. Dieser ist bekanntlich notwendig geworden,

weil mit dem Eingang der vorgesehenen Ausgleichszahlung

des Reiches in Höhe von 100 Millionen nicht gerechnet werden

kann und dementsprechend auch die Bereitstellung eines

Zuschusses von 5 950 000 RM für die ländliche Siedlung

wieder notwendig geworden ist. Außerdem war nach dem

bisherigen Ergebnis des Ende September ablaufenden Forst⸗

wirtschaftsjahres die Einnahme aus dem Holzverkauf um

15 Millionen geringer zu veranschlagen, und infolge der

Wirtschaftslage mußte das Aufkommen der Grundvermögen⸗ steuer um 30 Millionen niedriger angesetzt werden, so daß eine

Gesamtverschlechterung des Haushalts im Betrage von 150 950 000 RM eingetreten war. Der Ausgleich erfolgt

durch die Schlachtsteuer, die für den Rest des Haushaltsjahres

90 Millionen erbringen soll, durch Minderausgaben in Höhe

von 28 Millionen infolge Einbehaltung von Beamten⸗

bezügen, durch zwei Millionen Mehreinnahmen und ebenso⸗

viele Minderausgaben bei der Justizverwaltung sowie durch sonstige Einsparungen in Höhe von insgesamt 28,95 Millionen

Reichsmark. Der Haushalt befindet sich damit wieder im

Gleichgewicht.

Stadtrat Dr. Kaiser⸗Dortmund (Zentr.) erstattete den Bericht über die Ausschußverhandlungen und legte folgendes Gutachten des Ausschusses vor: Der Staatsrat nimmt davon Kenntnis, daß gegenüber dem Zeitpunkt der ersten Beratung des Staatshaushalts 1932 eine Verminderung der Einnahmen um rund 150 Millionen Reichsmark zu erwarten ist. Soweit der Ein⸗ nahmeausfall durch Ausgabeeinschränkung gedeckt werden soll, wird man sich im allgemeinen damit abfinden müssen. Nicht zu billigen ist die erneute Kürzung der Staatsbeihilfen an Ein⸗ richtungen, deren Träger oder Mitträger die Gemeinden sind, die dadurch weiter belastet werden, wie überhaupt auch diese Er⸗ gänzung zum Staatshaushaltsplan an der Notlage der Gemeinden und Gemeindeverbände achtlos vorübergeht. Die Einbehaltung von Gehaltsteilen der Beamten und Angestellten gemäß der Ver⸗ ordnung zur Sicherung des Haushalts vom 8. Juni 1932 in Höhe von 28 Millionen Reichsmark bedeutet zwar eine vorübergehende Entlastung der Kasse; der Betrag dürfte aber nach strengen Haus⸗ haltsgrundsätzen nicht im Staatshaushalt abgesetzt werden, müßte vielmehr am Schluß jedes Jahres auf das folgende übertragen und vom Jahre 1937 ab verausgabt werden. Der größte Teil des Einnahmeausfalls soll mit 90 Millionen Reichsmark aus dem Aufkommen der durch die Verordnung vom 8. Juni 1932 ein⸗ geführten Schlachtsteuer gedeckt werden. Der Staatsrat hält eine Schlachtsteuer auf die Dauer für untragbar, wenngleich er die Zwangslage der Preußischen Staatsregierung, die zu ihrer Ein⸗ ührung geführt hat, nicht verkennt. Auch der Staatsrat hält den

usgleich des Staatshaushalts für erforderlich. Nach den Er⸗ klärungen der Staatsregierung hat das Reich die Verpflichtung übernommen, den Betrag von 100 Millionen Reichsmark für die Ueberlassung der Staatsanteile an den Siedlungsbanken und „gesellschaften zu zahlen. Die Staatsregierung wird ersucht, diese Forderung gegen das Reich mit allem Nachdruck geltend zu machen. Das Reich würde zur Zahlung auch in der Lage sein, wenn es seine Ausgaben annähernd so stark einschränken würde, wie es im Haushalt Preußens und der Gemeinden in den letzten Jahren geschehen ist. Daher verlangt der Staatsrat, daß die Schlachtsteuer wieder aufgehoben wird, sobald der vom Reich zugesagte Betrag zu fließen beginnt. Der Staatsrat 8 die Preußische Staats⸗ regierung, falls die Einführung der Schlachtsteuer zu einer über die in der Höhe der Steuer begründete Belastung der Produ⸗ zenten oder Konsumenten führen sollte, mit allem Nachdruck unter Benutzung der in Genüge vorhandenen Preissenkungs⸗ und ⸗überwachungsbestimmungen vorzugehen.

Oberbürgermeister Dr. Rive⸗Halle (Arb.⸗Gem.) erklärte als Berichterstatter, daß die Schlachtsteuer grundsätzlich niemand wolle. In früheren Zeiten seien in den Gemeinden die heftigsten Kämpfe um die Schlachtsteuer geführt worden. Schließlich sei vor einem Menschenalter der kommunalen Schlachtsteuer ein gesetz⸗ liches Ende bereitet worden. Leider habe sich im Ausschuß keine Mehrheit für die sofortige Ablehnung der Schlachtsteuer gesunden. Geld für Ueberlassung der Staatsanteile an den Siedlungsbanken sei nicht da, zum Erwerb der Gelsenkirchen⸗Aktien sei aber Geld dagewesen. Es müsse alles geschehen, die Einführung der Schlacht⸗ steuer wieder entbehrlich zu machen. Besondere Bedenken müsse die Einführung der Zwangssparkasse für die preußischen Beamten auslösen; sie müsse bei den preußischen Beamten Erbitterung er⸗ regen, denn die Beamten des Reiches und anderer Länder seien ja der „Wohltat“ einer solchen Beamtenzwangssparkasse noch nicht teilhaftig geworden. Die neuen sachlichen Kürzungen ließen die Frage berechtigt erscheinen, ob in den einzelnen Ressorts mit gleichem Maß gemessen worden sei. Wohlfahrtsministerium und Justizministerium seien zweifellos besonders gut weggekommen. Sehr bedauert müsse auch werden, daß auch dieser Ergänzungs⸗ haushalt an der Not der Gemeinden vorübergegangen sei. Der Redner schildert das Anwachsen der Soziallasten der Gemeinden und das ständige Steigen der kommunalen Fehlbeträge. Nach Abzug der Erleichterungen aus der Notverordnung betrüge der Fehlbetrag bei den Gemeinden immer noch 350. Millionen. Aus den früheren Jahren stelle sich der Fehlbetrag auf 1 Milliarde. Einstellung der großen Anstalten. Der Staat aber 1 nicht, das Reich nur in un⸗ zureichendem Maße. Man überlasse die Gemeinden und Gemeinde⸗ erbände ihrem Schicksal.

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 158 vom 8. Juli 1932.

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Dr. Graf zu Rantzau⸗Rastorf (Arb.⸗Gem.) befürwortete Aenderungen zu dem vom Hauptausschuß vorgeschlagenen Gut⸗ achten. Es müsse zum Ausdruck kommen, daß eine Schlachtsteuer nicht nur auf die Dauer, sondern überhaupt untragbar sei. Der Hinweis, daß die Zwangslage der Preußischen Staatsregierung, die zur Einfuhrung der Schlachtsteuer geführt habe, nicht verkannt würde, soll in dem Gutachten gestrichen werden. Die Staats⸗ regierung müsse für Ersatzmittel für die untragbare Schlachtsteuer sorgen. Am meisten leide durch die Steuer die produzierende Landwirtschaft; sie bedeutet den schärfsten Hieb gegen die land⸗ wirtschaftliche Veredlungswirtschaft.

Mitglied Dunder (Komm.) lehnte gleichfalls die Schlacht⸗ steuer sehr scharf ab, ebenso die Zwangssparkasse für die Be⸗ amten. Durch die Schlachtsteuer werde die Lebenshaltung der arbeitenden Massen unerhört verteuert. Die Beamten aber würden ihr Geld nie wiedersehen. Man solle die notwendigen Mittel durch Streichung der Ausgaben an Subventionen für Industrie und Großagrarier sowie für die Kirchen und durch Wegsteuerung der Einkommen über 12 000 Mark aufbringen.

Oberbürgermeister Dr. Adenauer (Zentr.) gab für die Zentrumsfraktion folgende Erklärung ab: Die Zentrumsfraktion ist grundsätzlich gegen die Schlachtsteuer und verlangt ihre bald⸗ möglichste Aufhebung. Sie ist aber nicht in der Lage, dem An⸗ trag Graf Rantzaus zuzustimmen, weil dieser der Verordnung des Reichspräsidenten vom 24. August 1931 widerspricht und daher rechtlich unzulässig ist. Wir glauben, in dem von uns sormulierten und im Hauptausschuß angenommenen Antrage den einzig mög⸗ lichen Weg zur baldigen Beseitigung der Schlachtsteuer gewiesen zu haben.

Dr. Graf von Keyserlingk (Arb.⸗Gem.) erklärte, aus den staatlichen Forsten könnten noch erhebliche Einnahmen erzielt werden. Die Forstbetriebe müßten wieder rentabel gemacht werden. Man solle nach dem Beispiel Frankreichs die Holzeinfuhr kontingentieren.

Nach einer Zurückweisung dieses Vorschlags durch den Kommunisten Torgler schloß die Aussprache.

In der Abstimmung wurden die Anträge der Kom⸗ munisten und die Abänderungsanträge der Arbeitsgemein⸗ schaft abgelehnt. Das Gutachten des Ausschusses fand hierauf gegen Arbeitsgemeinschaft und Kommunisten unveränderte Annahme.

Der Staatsrat vertagte sich auf Freitag nachmittag zur Erledigung weiterer Vorlagen.

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Preußischer Landtag. 8 15. Sitzung vom 7. Juli 1932. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Der Landtag erledigte in seiner heutigen Plenarsitzung zunächst kleine Vorlagen. Eine größere Anzahl von An⸗ trägen verschiedener Fraktionen wurde ohne Debatte in die Ausschußberatung verwiesen. 3 Die gestern abend gefaßten Beschlüsse des Geschäfts⸗ ordnungsausschusses über die Ein setzung neuer Au S⸗ en und die Aufhebung der Immunität es Abgeordneten Dr. h. c. Braun usw., die heute vom Plenum angenommen werden sollten, werden auf An⸗ trag Bugdahn (Soz.) von der Tagesordnung abgesetzt und sollen erst morgen verabschiedet werden, weil der Ge⸗ schäftsordnungsausschuß diese Arbeiten noch nicht beenden konnte. Der zur ersten Beratung vorgelegte Gesetzentwurf über die Ausdehnung überwachungsbedürftiger Anlagen und entsprechende Neurege lung der Prüfungskosten geht ohne Aussprache in die Ausschuß⸗ beratung, ebenso der zur ersten Beratung stehende Gesetz⸗ entwurf über den Austausch von Grundstücks⸗ parzellen zwischen Preußen und Anhalt. Auf Antrag Borck (D. Nat.) wird beschlossen, dem auf Verlangen der Nationalsozialisten uns Deutschnationalen eingesetzten Untersuchungsausschuß zur Nachprüfung der Amtstätigkeit des Finanzministers Klep⸗ per bei der Deutschen Pächterkreditbank (Domänenbank) und der Domänenbetriebs⸗ gesellschaft aus 29 Mitgliedern zu bilden. Dann wird die gemeinsame Beratung von Anträgen und Großen Anfragen über Bergwerksfragen fortgesetzt. Abg. Rütten (Zentr.): Das Zentrum wünscht unter allen Umständen Verhinderung einer Stillegung der Zeche Dichsche Heide sowie fernerer Zechenstillegungen überhaupt. Die Zahl der bereits

stillgelegten Zechen beträgt gegenüber dem Stande von 1913 fast.

400. Die Belegschaft im Bergbau, die 1913 noch 631 000 umfaßte, ist infolge der Stillegungen bis 1930 bereits auf 497 000 gesunken; für 1931 liegen die amtlichen Zahlen noch nicht vor. So kann die Entwicklung nicht weitergehen, auch weil die soziale Not in den Bergbaugebieten bereits ungeheuer groß ist. Wir sind auch gegen die Stillegung von „Ewald Fortsetzung“. Das Zentrum unter⸗ streicht, daß eine Aenderung der Stillegungsverordnung notwendig ist. Der Staat hat die Pflicht, besonders auch den westlichen In⸗ dustriegebieten zu helfen. Die falsch durchgeführte Rationali⸗ sierung hat nur der Großindustrie geholfen. Bei einer vernünf⸗ tigen Wirtschaftspolitik braucht die Zahl der Arbeitslosen nicht so groß zu sein. Das gilt auch im Bergbau, denn der Rohwert des deutschen Bergbaus, der 1913 1,92 Milliarden betrug, stellte sich im Krifenjahr 1930 noch auf 2,6 Milliarden, war also höher als im besten Vorkriegsjahr. Die gesunde Wirtschaft ist aber in den letzten Jahren durch das Verhalten der Schwerindustrie zum Teil in ihr Gegenteil verkehrt worden. Da ist es kein Wunder, wenn man befürworten möchte, daß der Bergbau in den Besitz der Volks⸗ gesamtheit übergeführt werde. Das Zentrum tritt für eine ehr⸗ liche Arbeitsgemeinschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein. Diese Forderung haben die christlich⸗naionalen Gewerkschaften immer wieder vertreten. Der Redner protestiert dagegen, daß der Industrielle Silverberg, der ähnliche Gedankengänge geäußert habe, von der westlichen Schwerindustrie immer wieder zur Ord⸗ nung gerufen worden sei. Darin liege eine schwere Schuld der Unternehmer. Es dient auch nicht der ehrlichen Gemeinschafts⸗ arbeit, wenn in Veröffentlichungen, die der Bergbau⸗Verein in Essen und der Zechenverband unterstützen, schwere und unberech⸗ tigte Vorwürfe gegen die Bergarbeiter im Ruhrgebiet erhoben werden, die ich von der Tribüne des Landtags herab entschieden Prrückweise. Die Bergarbeiterschaft hat ohne Unterschied der Partei ihre pationale Pflicht nicht nur im Kriege, sondern auch bei der Ruhrbesetzung wie immer getan. Die schwerindustriellen Unternehmer verursachen durch ihre Angriffe auf die Arbeiter selbst das Wachsen der Erkenntnis, daß die Schwerindustrie eine Gefahr für die Volksgesamtheit darstellt. Deshalb muß eine Aenderung der Wirtschaftsordnung in der Schwerindustrie an⸗ gebahnt werden. Der Redner erörtert noch das Grubenunglück auf Zeche Dorstfeld. Er wünscht Fortsetzung der Untersuchungen über die Ursachen des Unglücks und behält sich nach dem e idgültigen Abschluß weitere Stellungnahme vor. Das Zentrum habe drin⸗ gendes Interesse daran, daß die Sicherheit im Bergbau gesteigert

1

und der Schutz für Leben und Gesundheit der Bergarbeiter immer

mehr verbessert wird. Nach amtlichen Ermittlungen seien bisher bei der Seilfahrt 81 Personen verunglückt, davon 18 tödlich. Dies zeige die Notwendigkeit verschärfter Kontrolle der Seilfahrt, wie ein Zentrumsantrag sie verlange. Nach unserer Ansicht waren auf Zeche Dorstfeld Mängel vorhanden, die zum Teil auch schon vorher bekannt gewesen sind, wie es in der „Tremonia“ zum Aus⸗ druck gekommen ist. Allgemein verrät die Ünfallstatistik die trau⸗ rige Tatsache, daß wir im Bergbau fast arbeitstäglich ein schweres Massenunglück haben. Hier zeigt sich eine Folge der überstürzten Mechanisierung unter Tage. Die hohen Unfallziffern im Bergbau veranlassen die Bergleute immer wieder zu der Erklärung: Es hat keinen Zweck, die Toten zu beklagen, wenn man für die Lebenden nichts tun will. Diesen Satz unterstreichen wir. Gerade gegen⸗ wärtig sind die Bergleute besonders erbittert, weil die Unfall⸗ renten durch die Notverordnung der neuen Reichsregierung um 7 bis 15 vH gekürzt sind, abgesehen von den sonstigen sozialen Abstrichen. Die geltenden Bergpolizeiverordnungen sind veraltet und genügen nicht mehr den modernen Anforderungen der Grubensicherheit. Deshalb sind Bestrebungen im Gange, die Bergpolizeiverordnungen zu erneuern und zu verbessern. Die „Bergwerks⸗Zeitung“ aber protestiert gegen diese Pläne und will selbst die kleinsten Verbesserungen verhindern, ie die Groh⸗ industriellen im Bergbau schon vor dem Kriege Richts für die sozialen Zwecke der Bergarbeiter übrig hatten. * Wir haben den dringenden Wunsch, daß Handelsministerium und Bergbehörde sich durch solche Machenschaften nicht vom rechten Wege abbringen lassen. Der Redner verlangt u. a. noch bessere Ausbildungsmöglich⸗ keiten für den Bergbau. Die ehrenamtliche Gemeinschaftsarbeit zur Verhütung von Unfällen im Bergbau sei zu begrüßen. Die beste Unfallverhütung sei aber mit eine gute Entlohnung der Berg⸗ arbeiter. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Hausladen (Komm.): Auch im Darniederliegen des deutschen Bergbaus zeigt sich, daß die kapitalistische Wirtschaft bankerott ist. (Sehr wahr! bei den Kommunisten.) Der National⸗ sozialist Frhr. v. Gregory hat gestern „planvolle Wirtschaft“ als Ausweg aus der Not der Arbeitnehmerschaft gefordert. Das klang so, als wenn er seine Argumente aus dem „Vorwärts“ oder aus dem Programm der reformistischen Gewerkschaften abgeschrieben hätte. Es ist aber ein Betrug an der Arbeiterschaft, so zu tun als ob es innerhalb des kapitalistischen Systems überhaupt möglich wäre, zu einer planvollen, organischen Wirtschaft zu kommen. (Sehr wahr! bei den Kommunisten.) Das kapitalistische System ist grundsätzlich und immer auf die Ausbeutung und Unter⸗ drückung der Werktätigen eingestellt. Dennoch wollen die National⸗ ozialisten am kapitalistischen System festhalten. (Hört, hört! und hr wahr! bei den Kommunisten.) Die Bergarbeiter müssen ein⸗ ehen, daß sie ihr Los nur im außerparlamentarischen Kampfe zusammen mit allen Werktätigen verbessern können. Darüber täuschen auch die starken Worte nicht hinweg, die der Zentrums⸗ redner hier gesprochen hat. Draußen im Lande sind bei Zechen, die die Unternehmer stillegen wollten, die christlich⸗nationalen Ge⸗ werkschaftsvertreter mit Vorschlägen auf Lohnkürzung hervor⸗ getreten. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Im Ruhrbergbau sind allein in den letzten Jahren 164 Gruben stillgelegt worden. Wenn jetzt z. B. die Zeche Dicksche Heide stillgelegt wird, dann wird die ganze Gemeinde arbeitslos. Der Redner begründet den kommunistischen Antrag gegen Stillegungen und bezeichnet dabei die Zentrumsforderung als ungenügend, die der Nationalsozialisten aber als Demogogie. Die Kommunisten verlangten Beschlagnahme der Zeche „Dicksche Heide“ und Ueberlassung dieser Zeche an die Arbeiterschaft zur eigenen Bewirtschaftung. (Sehr gut! bei den Kommunisten.) Der Nationalsozialist Frhr. v. Gregory habe aber im Ausschuß erklärt, diese Forderung widerspreche ja der geltenden Verfassung. (Lachen und hört, hört! bei den Kommunisten. Un⸗ ruhe bei den Nationalsozialisten.) Draußen in den Versamm⸗ lungen aber täten die Nationalsozialisten so, als ob sie für Ent⸗ eignungen zugunsten der Werktätigen seien. (Rufe bei den Natio⸗ nalsozialisten: „Da teilen wir mit, was kommen wird!“) Die jetzige Reichsregierung habe im gleichen Augenblick, in dem die Renten und sozialen Leistungen abgebaut wurden, wieder hohe Millionensubventionen für die Schwerindustrie übrig gehabt. Die Sozialdemokraten sagren, daß mit diesen Subventionen die Ver⸗ staatlic2hung der Industrie immer weiter gefördert werde. Die Arbeiter hätten aber längst erkannt, daß im kapitalistischen System auch die Staatsbetriebe nach kapitalistischen Prinzipien Aus⸗ beutungspoltik trieben. Karl Marx habe die unbedingt not⸗ wendige Voraussetzung für die Vergesellschaftung der Wirtschaft mit Recht darin erblickt, daß erst die Proletarier sich zur herr⸗ schenden Klasse konstituiert haben müssen. (Beifall bei den Kom⸗ munisten.) Der Redner schließt mit einer Polemik gegen die Nationalfozialisten, denen es nicht gelungen sei, die Bergarbeiter einzufangen. In der gleichen Zeit, wo im kapitalistischen Deutsch⸗ land der Niedergang sich auch bei den Stillegungen zeige, mache der Aufbau in Sowjetrußland große Fortschritte. So seien dort allein 1931 67 neue Schachtanlagen in Betrieb genommen; 163 weitere befänden sich im Bau. (Beifall bei den Kommunisten.) In Deutschland habe man den Bergarbeitern 25 vH ihres Lohns gestohlen in der gleichen Zeit, in der diese Löhne in Sowjet⸗ rußland um 30 vH gestiegen gr. Die Bergarbeiter seien mit die aktivste Gruppe im Kampfe gegen das kapitalistische System. (Beifall bei den Kommunisten.)

Abg. Dr. von Waldthausen (D. Nat.): Die Rede des Zentrumsabgeordneten Rütten war nur unter dem Gesichtspunkt verständlich, daß Herr Rütten bisher dem Landtag noch nicht angehört hatte. Denn, was Herr Rütten vorbrachte über Ratio⸗ nalisierung, übertriebene Mechanisierung und willkürliche Ent⸗ lassungen, das ist hier im Hause von verschiedener Seite schon hundertmal gesagt worden. Ebenso oft wurden die Vorwürfe als unbegründet zurückgewiesen. Die Rationalisierungen der Be⸗ triebe seien gerade das Werk von Kreisen, die dem Redner nahe⸗ tänden. Die Entlassungen bedauerten auch die Deutschnationalen ehr; von Willkür könne aber dabei keine Rede sein. Gegenüber der Forderung einer Verstaatlichung des Bergbaues betont der Redner, die bestehenden Verhältnisse würden dadurch in keiner Weise geändert werden. Die Deutschnationalen hätten auch stets anerkannt, daß die Bergarbeiter des Westens ihre volle vater⸗ ländische Pflicht während des Krieges und auch nachher in der Besatzungszeit erfüllt haben. Für die Grubensicherheit sei stets das Mögliche getan werden, etwaige Verbesserungsmöglichkeiten sollten auch in Zukunft ausgenutzt werden. Der Reduer wendet sich dann den Verhältnissen im Waldenburger Bergland und den wirtschaftspolitischen Ausführungen des nationalsozialistischen Redners in der Mittwochsitzung zu und erklärt, die Ausführungen wiesen viele Unklarheiten und Widersprüche auf. Der entwickelte großartige wirtschaftspolitische Plan des Abgeordneten Dr. Frei⸗ herr von Gregory habe nichts von der Autarkie gesagt, für die die Nationalsozialisten sonst einträten. Bei zollpolitischen Ver⸗ handlungen würden sie damit schlechte Erfahrungen machen. Auf verschiedenen Gebieten sei die Autarkie jedenfalls nicht aufrecht⸗ zuerhalten. (Abg. Dr. Frhr. von Gregorz Nat. Soz.] wider⸗ spricht lebhabt.) Gegen einen Zinkzoll hätten die Deutsch⸗ nationalen Stellung genommen. Gegen phantastisch hohe Gehälter seien die Deutschnationalen stets gewesen; heute seien aber auch die hohen Gehälter stark gekürzt. Hohe Einkommen bezögen heute in erster Linie gesuchte Rechtsanwälte und anerkannte Aerzte. Autarkie im wahren Sinne des Wortes sei für Deutschland, das, zumal bei seiner Lage im Herzen Europas, sowohl auf Import wie Export angewiesen sei, eine vollkommene Umöglichkeit. Der Redner appelliert auch jetzt noch an die Regierung, nochmals Unterhandlungen mit der Leitung der Borsigwerke anzuknüpfen, um eine Aufrechterhaltung der Betriebe in Oberschlesien zu erzielen. Wie die Nationalsozialisten eine „planvoll gebundene Wirtschaft“ noch in eine freie Wirtschaft einordnen könnten, sei ihm unklar. Die Konsequenz wäre die, daß jede größere Wirtschaft aupt nur noch im Staatsbetrieb möglich wäre

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man aber zur absoluten staatskapitalistischen Wirtschaft, wie in Rußland. Das würde zu einer absoluten Verbürokratisierung und Verknöcherung der Wirtschaft führen. Beim Bestehen des Kohlen⸗ syndikats sieht der Redner nur noch eine Möglichkeit zur Aufrecht⸗ erhaltung der Niederrheinischen Bergwerksgesellschaft, nämlich darin, daß die übrigen Mitglieder des Syndikats auf einen ent⸗ sprechenden Anteil ihres Kontingents zugunsten dieser Gesellschaft verzichten. Die Sache sei zum Teil eine Sortenangelegenheit. Subventionen seien an sich vorübergehende Unterstützungen; man müsse auf den Kern der Sache gehen. Im vorliegenden Falle komme man aber um eine Unterstützung des Harzbergbaues nicht herum, die Deutschnationalen stimmten daher den entsprechenden Anträgen zu. Die beantragte und im Ausschuß angenommene Verschärfung der ——öx— von 1920 könnten die Deutschnationalen wegen der möglichen Auswirkungen auf keinen Fall mitmachen. Technische Arbeiten, die Bergleuten zukomme, könnten auf keinen Fall von kaufmännischen Angestellten aus⸗ geführt werden. Zur Frage der Wenzeslausgrube hält sich, so betont der Redner, die deutschnationale Fraktion an die frühere Ertlärung. Es bestehe keine Möglichkeit, einer n neuer Mittel für diese Unglückszeche zuzustimmen. Denn die Kohlen⸗ säureeinbrüche seien als der Feind bezeichnet worden, dem man nicht zu Leibe gehen könne. Zu Anträgen im Falle Dorstfeld könne man erst Stellung nehmen, wenn die Untersuchung zu Ende geführt sei. 1

Oberberghauptmann Flemming: Der Ausschuß für Handel und Gewerbe hat einen Beschluß gefaßt, der von der Staatsregierung die Bereitstellung der notwendigen Mittel zur Fortführung der Notstandsarbeiten auf der Wenzeslausgrube sordert. Von den Vertretern der Staatsregierung ist im Aus⸗ schuß eingehend dargelegt worden, daß gegen die Fortführung der Grube drei wichtige Gründe sprechen: 1. der hohe Aufwand, der für den Betrieb erforderlich wäre und der auf eine Reihe von Millionen zu beziffern ist, 2. der Gefahrencharakter der Grube, der jederzeit eine Wiederholung des furchtbaren Unglücks vom Juli 1930 befürchten läßt, und 3. keine Verminderung, 12„ lediglich eine Verschiebung der Arbeitslosigkeit auf andere Gruben. Das ist das Ergebnis zweijähriger eingehender Prüfungen durch private Sachverständige und Staatskommissare. Die Reichsregie⸗ rung hat sich daher nach eingehenden Prüfungen im Reichstag und in den zuständigen Reichsministerien entschlossen, keine weiteren Mittel zur Unterhaltung der Grube zur Verfügung zu stellen. Die Finanzlage Preußens läßt es nicht zu, Hilfe zu leisten. Die Staatsregierung steht seit nunmehr 1 ½ Jahren vielmehr auf dem Standpunkt, daß alle irgend verfügbaren Geldmittel dafür ein⸗ gesetzt werden müssen, um der Belegschaft der stillgelegten Grube eine neue und erheblich weniger gefährliche Lebensmöglichkeit zu schaffen. Die diesem hohen Hause vorliegenden Anträge erwecken neue Hoffnungen bei der schwergeprüften Belegschaft, Hoffnungen, die aus den dargelegten Gründen nicht erfüllt werden können. Es liegt im Interesse der Belegschaft, daß nach den langjährigen Ver⸗ handlungen endlich einmal Klarheit darüber geschaffen wird, daß mit einer Wiederaufnahme des Betriebes mit Hilfe öffentlicher Mittel nicht zu rechnen ist. Hierbei weise ich nochmals insbesondere darauf hin, daß im Falle der Fortführung der Grube mindestens dieselbe Zahl von Arbeitern im niederschlesischen Steinkohlengebiet arbeitslos werden würde, davon ein erheblicher Teil im Kreise Neurode. Eine Beschaffung neuer Arbeit würde hierdurch also nicht stattfinden, wohl aber die Beunruhigung in den betroffenen Bevölkerungskreisen noch erhöht werden. Nachdem die Reichs⸗ regierung den Beschluß gefaßt hat, die Notstandsarbeiten nicht weiter zu unterstützen und Aussicht auf Fortführung des Betriebes nicht mehr besteht, bitte ich daher namens der Staatsregierung, den Antrag des Handelsausschusses auf Fortführung der Not⸗ standsarbeiten abzulehnen und die Staatsregierung aus mensch⸗ lichen, wirtschaftlichen und grenzpolitischen Gründen bei ihren Bestrebungen auf Ansiedlung der durch Stillegung der Grube arbeitslos gewordenen Arbeiter durch Annahme des Ausschuß⸗ antrages zu unterstützen, der das Staatsministerium ersucht, in Verbindung mit der Reichsregierung die Bemühungen auf An⸗ siedlung mit aller Energie fortzusetzen.

Abg. Biester (Dt. Hann.) erklärt, die Zeiten, in denen im Harzbergbau der Wahlspruch Geltung haben konnte: „Es grüne die Tanne, es wachse das Erz Gott schenke uns allen ein fröh⸗- liches Herz“, seien leider vorüber. Der Redner wirft einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Harzbergbaues, der bei Goslar seinen Anfang genommen habe, und für den die einheimischen Landesbehörden sehr viel getan hätten. Der Getreidebau sei dafür immer mehr eingeschränkt worden. Der Harzbergbau habe manche Krise zu bestehen gehabt. Trotzdem sei es ein gefährliches Ope⸗ rieren mit der Mentalität der Bevölkerung, wenn man nur alles auf die Rentabilität abstellen wolle. Ein Rückgang der Harz⸗ bevölkerung sei bereits festzustellen. Hoffentlich werde es gelingen einen Teil der Bevölkerung der Landwirtschaft zuzuführen. Abe auch die Erhaltung und Stärkung der heimischen Industrie se von großer Bedeutung. Der Redner schildert weiter die Ver schlechterung der Wirtschaftslage im Oberharz. Von besonderer Bedeutung sei auch die Unterstützung der Kurindustrie. Hoffent lich gelinge es, die Krise im Harz zu überwinden. 1

Abg. Stangier (Not. Soz.) stellt gleichfalls fest, daß die Not und das Elend im Bergbau sehr groß seien. Aber nicht nur der Arbeiter der Faust, sondern auch der Arbeiter der Stirn werde von dem liberalistisch⸗kavitalistischen System ausgebeutet. Es sei geradezu eine Schamlosigkeit, wenn der Vertreter der SPD hie mit dem Brustton der Ueberzeugung erkläre: Wir haben mit dem liberalistisch⸗kapitalistischen System nichts zu tun. Die SPD wie das Zentrum hätten sich in diesem System häuslich niedergelassen (Zuruf des Abg. Leinert [Soz.] Gegenrufe bei den National⸗ sozialisten: Oberbürgermeister! Pensionär!) Im gesamten Kohlen⸗ bergbau würden noch immer mehr Arbeiter entlassen werden. Mit den vorliegenden Anträgen werde dieser Entwicklung nicht auf

ehalten werden. Die Systemparteien seien schuld daran. Nach sem Systemwechsel im Reich wende man sich jetzt mit einem Mal

gegen die Notverordnungen, mit denen man bisher gearbeitet habe. Der Vorwurf des Abg. von Waldthausen bezüglich des wirtschaft⸗ lichen Programms der Nationalsozialisten sei unberechtigt. Die Nationalsozialisten würden es nicht zulassen, daß der Bergarbeiter, ein wertvolles Glied unseres Volkskörpers, ein Opfer von Aus⸗ beutung und Not werde. Die gesamte Sozialversicherung sei elend zusammengebrochen. Dafür sei Herr Brüning verantwortlich; das Zentrum suche jetzt aber einen Sündenbock. Der Redner wendet sich dann der Frage der Werkswohnungen zu und fordert weitere Herabsetzung der Mieten. Die Nationalsozialisten seien für Zölle, wenn sie dem deutschen Bergarbeiter Hilfe brächten. In einem entsprechenden Antrag, den der Redner verliest, wird das Staatsministerium zum Eingreifen nach dieser Richtung auf⸗ gefordert. Nicht nur mit parlamentarischen, sondern auch mit anderen Mitteln, so erklärt der Redner zum Schluß, werde man die Lage der deutschen Bergarbeiter zu bessern suchen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Kube (Nat. Soz.) erklärt: Ich habe hier festgestellt: Wenn ein deutscher Arbeiter, wie der Vorredner, der ehrlich als Bergmann sein Brot erwirbt, hier in diesem Hause spricht, dann haben es die vollgefressenen Bonzen der SPD für geschmackvoll gehalten, diesen deutschen Arbeiter durch dämliche Bemerkungen zu unterbrechen. Namens meiner Fraktion erkläre ich hier: Wir werden in Zukunft ein derartiges Verhalten nicht dulden, sondern es mit Brachialgewalt zu brechen wissen! (Stürmischer Beifall bei den Nationalsozialisten.)

Abg. Osterroth (Soz.) wird von den Nationalsozialisten mit dem Zuruf „Vollgefressener Gewerkschaftsbonze!“ empfangen. Er verwahrt sich entschieden gegen die in diesem Zuruf liegende E Er habe seit mehr als 40 Jahren im privaten und staatlichen Bergbau seine Pflicht getan und es gebe niemanden

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