228 vom 28.
September 1932. S. 2
E EqE111q“ über den Schutz von Mustern Duüund Warenzeichen auf einer usstellung. — Vom 26. September 1932. 1 Der durch das Gesetz vom 18. März 1904 (RGBl. S. 141) vorgesehene Schutz von Erfindungen, Mustern und Warenzeichen tritt ein für die von der technisch⸗wissenschaft⸗ lichen Arbeitsgemeinschaft und Gesellschaft für Orgelbau vom 3. bis ungefähr 11. Oktober 1932 in Berlin veranstaltete Orgelfachausstellung. 8 den 26. September 1932. 8 Der Reichsminister der Justiz. J. V.: Dr. Schlegelberger.
Bekanntmachung
über den Londoner Goldpreis gemäß § 1 der Ver⸗ ordnung vom 10. Oktober 1931 zur Aenderung der Wertberechnung von Hypotheken und sonstigen Ansprüchen, die auf Feingold (Goldmark) lauten (7GBl. I S. 569). Der Londoner Goldpreis beträgt am 28. September 1932
für eine Unze Feingmoddldd = 119 sh 5 d, in deutsche Währung nach dem Berliner Mittel⸗ kurs für ein englisches Pfund vom 28. Sep- tember 1932 mit RM 14,54 umgerechnet = RM 86,8159, für ein Gramm Feingold demnach = pence 46,0720, in deutsche Währung umgerechhet = vessisessitshnn.
Staatsministerium.
Beim Preußischen Staatsministerium sind ernannt: der Ministerialdirektor beim Staatsministerium Wirkl. Geheime Oberregierungsrat Dr. Nobis zum Staatssekretär, der Ministerialrat im Finanzministerium Dr. Landfried zum Ministerialdirektor und der Regierungsrat bei der Reichszentrale für Heimatdienst Dr. Gritzbach zum Ministerialrat.
Verbot.
Auf Grund des § 6 Abs. 1 Ziffer 2 und Abs. 2 und 3 der Verordnung des Reichspräsidenten gegen politische Aus⸗ schreitungen vom 14. Juni 1932 (RGBl. I S. 297) habe ich durch Verfügung vom heutigen Tage die in Hindenburg, O. S., erscheinende Halbmonatsschrift „Glos Ludu Organ Polskiej Partji Socjalistycznej w Niemeczech“ für die Zeit vom 27. September 1932 bis einschließlich 31. Dezember 1932 verboten. Das Verbot um⸗ faßt auch die etwa in demselben Verlag erscheinenden Kopf⸗ blätter der Zeitung sowie jede angeblich neue Druckschrift, die sich sachlich als die alte darstellt oder als ihr 28 anzu⸗ sehen ist. Die Zeitung erscheint in polnischer Sprache und wird in Kattowitz gedruckt.
Oppeln, den 26. September 1932. ;8 Der Oberpräsident der Provinz Oberschlesien. Dr. Lukaschek.
8
Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 54 Preußischen Gesetzsammlung enthält unter Nr. 13 792 die Verordnung über Schuldverschreibungen der
—
Gemeinden und Gemeindeverbände, vom 27. September 1932.
Umfang ¼ Bogen. Verkaufspreis 0,20 RM, zuzüglich einer Versandgebühr von 4 Reichspfennig. 1 Zu beziehen durch R. von Decker’s Verlag (G. Schenck), Berlin W 9, Linkstraße 35, und durch vden Buchhandel. Berlin, den 28. September 1932. Schriftleitung der Preußischen Gesetzsammlung.
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Deutsches Reich.
Der tschechoslowakische Gesandte Dr. Mastny hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt Legationsrat Dr. Cermäk die Geschäfte der Gesandtschaft.
Der kubanische Gesandte Dr. de Agueroy Bethan⸗ court hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt Legationssekretär Dr. Montero die Geschäfte der Gesandtschaft. 11““
1 1“
C11“ Preußen. Am 26. September 1932 ist in Berlin der Ministerial⸗ direktor im Preußischen Justizministerium a. D., Wirklicher Geheimer Oberjustizrat Eugen Geißler im Alter von 71 Jahren verstorben. Der Heimgegangene trat im Jahre 1881 als Referendar in den preußischen Justizdienst, bestand 1888 das Assessor⸗ examen und wurde im Jahre 1894 zum Landrichter in Essen ga. Ruhr ernannt. 1903 als Hilfsarbeiter in das Preußische Justizministerium berufen, wurde er 1904 zum Geheimen Justizrat und Vortragenden Rat und 1919 zum Ministerial⸗ direktor ernannt. Im Jahre 1926 trat er in den Ruhestand. Mehr als 45 Jahre hat der Entschlafene die reichen Gaben seines Geistes dem Dienst des Rechts und der Rechts⸗ pflege gewidmet. Ueber 23 Jahre war er im Preußischen Justiz⸗ ninisterium in den verschiedensten Zweigen der Justizver⸗ waltung erfolgreich tätig und hat zuletzt als Leiter der Personalabteilung an besonders verantwortungsvoller Stelle dem Staate ausgezeichnete Dienste geleistet. Seine hervor⸗ ragenden Eigenschaften, seine strenge Sachlichkeit, seine hohe Gerechtigkeitsliebe und sein warmes Wohlwollen für die von ihm betreute denke
1b“ Parlamentarische Nachrichten.
Die Dienstagsitzung des Ueberwachungsausschusses des Reichs⸗ tags in seiner Gestalt als Untersuchungsausschuß fand unter starkem Andrang der Oeffentlichkeit statt. Die sechzehn Zuhörec⸗ karten, die insgesamt ausgegeben waren, waren schon Tage vorher vergriffen. Besonders stark war die Presse des In⸗ und Auslandes vertreten. — Vorsitzender Löbe verliest, nach einem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger, zu Be⸗ ginn nochmals den Beschluß des Ausschusses über die Kon⸗ stituierung als Untersuchungsausschuß und teilt mit, daß als Zeugen der Reichskanzler, der Reichsinnenminister, der Reichs⸗ außenminister, der Staatssekretär der Reichskanzlei und eine Reihe von Zuschauern und Beobachtern geladen sind. Reichsaußen⸗ minister Freiherr von Neurath hat sich entschuldigt, da er zur Zeit nicht in Deutschland weilt. Der Vorsitzende bittet, sich während der Zeugenvernehmung auf Fragen zu beschränken, die den Komplex der zu erhebenden Tatsachen umschreiben. Die Beweis⸗ würdigung und etwaige politische Auseinandersetzung könne erst nach der Zeugenvernehmung erfolgen. — Abg. Torgler (Komm.) erklärt, daß seiner Partei daran liege, eine politische Auseinander⸗ setzung in Anwesenheit des Reichskanzlers zu führen. Nach der Tagesordnung soll außer den Zeugenvernehmungen die Be⸗ ratung der Ausschußanträge über die Aufhebung von Notver⸗ ordnunen stattfinden. Den Kommunisten gehe es nicht darum, festzustellen, wann der Reichskanzler den Finger erhoben habe, sondern darum, den Reichskanzler vor den Ausschuß zu zitieren, um in seiner Anwesenheit die Beratung der Notverordnungen und der übrigen gegen die Arbeiterschaft gerichteten Maßnahmen vor⸗ zunehmen. Der Redner beantragt Umstellung der Tagesordnung und zunächst in Anwesenheit des Reichskanzlers in die Beratung der Notverordnungsanträge einzutreten. — Vorsitzender Löbe erwidert, er werde darüber abstimmen lassen, er lasse aber keinen Zweifel, daß bei Annahme des Antrags die ursprüngliche Ab⸗ sicht des Ausschusses durchkreuzt und die Untersuchung nicht stattfinden würde. Nach den klaren Erklärungen der Reichsregierung werde sie vor dem Ausschuß nicht er⸗ scheinen, bevor der Streitpunkt nicht ausgeräumt ist. — Abg. Dr. Frank II (Nat. Soz.): Die nationalsozialistische Fraktion legt größtes Gewicht darauf, daß wir möglichst rasch ur Vernehmung der Zeugen kommen. Infolgedessen darf ich binten den Antrag abzulehnen. Wir haben kein Verständnis für die Aufregung der Kommunisten, die schon mehr ein Fieberzustand ist. (Abg. Torgler [Komm.]: Kümmern Sie sich nicht um unsere Aufregung, Sie haben ja schon das kalte Fieber!). Darauf wird der kommunistische Antrag auf Umstellung der Tagesordnung gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Der Ausschuß tritt in die Zeugenvernehmung ein, und ar wird zunächst Reichskanzler von Papen aufgerufen. Als dieser im Saale erscheint, rufen ihm die Kommunisten entgegen: Jetzt kommt der Lohnräuber vom Herrenklub! — Vorsitzender Löbe: Der Aus⸗ schuß hat Sie als Zeugen geladen; Ihre Vereidigung ist aus⸗ gesetzt. Es ist Ihnen bekannt, daß die Rechtsgültigkeit der Ab⸗ stimmung des Reichstags vom 12. September zu einer Streit⸗ frage geworden ist. Sie wird von Ihnen und dem Reichstags⸗ präsidenten in entgegengesetzter Weise beantwortet. Zur Ent⸗ scheidung dieser Streitfrage soll die Tatsache festgestellt werden, ob Sie vor Eintritt in die namentliche “ den Versuch gemacht haben, die Auflösungsurkunde dem Reichstag zur Kenntnis zu bringen, sei es durch Wortmeldung, sei es durch Uebergabe der Urkunde, oder ob beides so spät erfolgt ist, daß die Abstimmung rechtswirksam gewesen ist. — Reichskanzler v on Papen: In dem ersten Teil der Sitzung, als der Reichstags⸗ räsident den Antrag auf Aenderung der 1 zur Ab⸗ süamnang stellte, hat er nach meiner Auffassung nicht sestgestellt, baß durch das Unterbleiben des Einspruchs dieser Antrag auf Aenderung der Tagesordnung angenommen sei. Denn als Her: Frick sich meldete und den Antrag stellte, die Sitzung eine halbe Stunde auszusetzen, hat der Reichstagspräsident festgestellt, daß der Antrag Frick als der weitestgehende zuerst zur Abstimmung komme. Die Sitzung wurde auf eine halbe Stunde vertagt. Daraus geht zweifelsfrei hervor, daß der Reichstagspräsident in diesem Augenblick selber die Aussasfiag haben mußte, daß über den Antrag Torgler noch nicht entschieden sei. Als daher nach Ablauf der halben Stunde die Sitzung wieder eröffnet wurde, nahm ich ohne weiteres an, daß der Reichstagspräsident zunächst formell über den Antrag Torgler noch einmal abstimmen lassen würde. Das ist nicht erfolgt. Nach meiner Erinnerung hat der Reichstagspräsident, nachdem die Sitzung wieder eröffnet war und ich auf meinem Stuhl Platz genommen Hatte, nur gesagt: „Da sich Widerspruch nicht erhoben hat, kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag Torgler.“ Ich war mir einen Augenblick dar⸗ über im unklaren, ob es sich um den formellen Antrag Torgler handeln würde, den Antrag zur Tagesordnung, oder um den materiellen Antrag. Ich habe aber, da ich mit den parla⸗ mentarischen Gebräuchen nicht ganz unbekannt bin, aus der Rede⸗ wendung „da sich Widerspruch nicht erhoben hat“ ersehen, daß es sich bereits um den materiellen Antrag handele. Daraufhin habe ich mich sofort erhoben und habe um das Wort gebeten. Der Reichstagspräsident machte eine abwehrende Geste und sagte nach meiner Erinnerung: „Zu spät! Wir sind in der Abstimmung. Daraufhin habe ich mich noch einmal gemeldet. Zunächst ist in der Zwischenzeit Staatssekretär Planck, der vorn neben dem Rednerpult saß, zum Reichstagspräsidenten hingetreten, um ihn darauf aufmerksam zu machen, daß ich mich zum Wort gemeldet hatte. Als das keinen Erfolg hatte, habe ich mich ein zweites Mal zum Wort gemeldet, worauf der Herr Reichstagspräsident hesagt hat: „Wir sind in der Abstimmung!“ Darauf bin ich auf 588 Platz zugeschritten und habe das Auflösungsdekret auf seinen Tisch gelegt, weil ich keine Möglichkeit hatte, zu Worte zu kommen und selbst das Auflösungsdekret zur Kenntnis des Reichstags zu bringen. — Vorsitzender Löbe: Haben Sie sich nur ausdrücklich zum Wort gemeldet oder nachher auch durch Auf⸗ stehen, durch Handaufheben? — Reichskanzler von Papen: Ich bin nicht nur aufgestanden, sondern habe auch gesagt: „Ich bitte ums Wort.“ Aber ich nehme an, daß das in der Unvuhe des Hauses am Stenographentisch nicht verstanden worden ist. — Abg. Torgler (Komm.): Ist dem Zeugen von Papen nicht be⸗ kannt, daß über einen Antrag auf Umstellung der Tagesordnung nach der Geschäftsordnung gar nicht abgestimmt zu werden braucht, sondern daß der Widerspruch eines einzigen Abgeordneten genügt, eine solche Aenderung der Tagesordnung zu verhindern? Ist ihm nicht bekannt, daß mit der Feststellung des Widerspruchs eine Abstimmung überflüssig geworden ist? Daran wird nichts geändert durch den Vertagungsantrag. — Reichstagspräsident Göring unterstreicht die Richtigkeit der Aeußerungen Torglers und fährt fort: Nach dem Stenogramm und nach der Schallplatte ergibt sich, daß ich — ohne Unterbrechung des Wortlautes — gesagt habe: „Nachdem sich vorhin kein Widerspruch gegen die neue Tagesordnung geltend gemacht hat, kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Anträge Torgler. Wir stimmen ab.“ Es war also hier für den Reichskanzler gar keine Möglichkeit, auf⸗ zustehen, sondern Ihr Aufstehen, Herr Reichskanzler, erfolgte, nachdem ich sagte: „Wir stimmen ab.“ Ich darf — einmal bitten, ausdrücklich zu sagen, mit welchem Wortlaut Sie, Herr Reichskanzler, das erstemal um das Wort gebeten haben. Für mich liegt der Vorgang so: Nachdem Sie sich erhoben hatten, als wir schon längst bei der Abstimmung waren, saegen Sie, ich machte eine ablehnende Geste. Das erstemal, als ich mich äußerte, es sei zu spät, war, als Staatssekretär Planck zu mir kam und sagte: Der Herr Reichskanzler bittet um das Wort. Darauf sagte ich: Jawohl, nach der Abstimmung. Aus den Photographien geht hervor, daß der Reichskanzler steht und Staatssekretär Planck überhaupt noch sitzt. Für mich ist das wichtigste: Haben Sie nicht als erstes das Wort „Amtlich“ gebraucht? Das Wort
ich nicht verstanden. — Reichskanzler von Papen: Ich habe das Wort „Amtlich“ überhaupt nicht gebraucht. (Reichsta präsident Göring widerspricht.) Nach meiner Auffassung hat Reichstagspräsident Göring, als er zum erstenmal sagte: „Da Widerspruch nicht erfolgt“ den Satz nicht zu Ende gesprochen. Vors. Löbe: In dem amtlichen Stenogramm findet sich nach den Worten, daß Widerspruch nicht erhoben wird, ein Gedanken⸗ strich. Das bedeutet also eine kleine Pause. Ich nehme an, daß die Unterbrechung in der allgemeinen Unruhe nicht gehört worden ist. — Reichskanzler von Papen betont nochmals, daß er das Wort „Amtlich“ nicht gerufen hat. — Reichstagspräsident Göring: § 118 der Geschäftsordnung stellt fest, daß in Zweifelsfällen in der Auslegung der Geschäftsordnung der Präsident entscheidet. — Abg. Pfleger (Bayer. Vp.) fragt den Reichskanzler, ob er während der Pause den Versuch gemacht habe, seine Wortmeldung einzureichen. — Reichskanzler von Papen: Nein! Aus dem 5 Grunde, weil ich annahm, daß der Antrag Torgler abgelehnt würde. Der Reichstagspräsident hatte mir zwei Tage vor der Sitzung gesagt, er würde dafür sorgen, daß die Regierungserklärung vom Hause entgegengenommen würde. Ich hatte keinen Zweifel, daß alles programmäßig verlaufen würde und war selbst völlig überrascht. — Abg. Dr. Frank (Nat. Soz.): Haben Sie selbst die Auffassung, daß die Abstimmung im Reichstag nicht rechtswirksam ist? — Reichskanzler: Die Abstimmung ist nicht rechtsgültig, denn sie erfolgte, nachdem das Auflösungsdekret dem Hause zugestellt war. — Dr. Frank: Ist Ihnen bekannt, daß während der Ab⸗ stimmung Wortmeldungen nicht angenommen werden? — Reichskanzler: Nach meiner Auffassung hatte die Abstim⸗ mung noch nicht begonnen. — Dr. Frank zitiert noch einmal nach dem Stenogramm die Eröffnungsworte des Reichstags⸗ präsidenten und erklärt: Haben Sie sich denn gar keine Gedanken darüber gemacht? Sie stützen sich in öffentlichen Erklärungen immer auf die Reichsverfassung; sie sagt aber nichts darüber, daß Sie während der Abstimmung das Wort erhalten können. — Reichskanzler: Mir ist wohl bekannt, daß während der Ab⸗ stimmung das Wort nicht erteilt wird. Ich behaupte ja, daß ich mich zum Wort gemeldet habe und auch das Dekret niedergelegt habe, bevor die Abstimmung tatsächlich begonnen hatte. — Dr. Frank: Sie meinen, daß der Reichstag im Augenblick der Zustellung der Urkunde aufgelöst war. Warum sind Sie dann nicht vor dem Ueberwachungsausschuß erschienen? Sie forderten vorher eine Erklärung des Reichstagspräsidenten. Machen Sie denn die Rechtswirksamkeit Ihres eigenen von Ihnen zugestellten Auflösungsdekrets davon abhängig, daß der Reichstagspräsident Göring noch besondere Erklärungen abgibt? Das widerspricht doch dem, was Sie jetzt sagten. — Reichskanzler: Ich bin nicht vor dem Ueberwachungsausschuß erschienen, weil nach Ihrer (nach rechts) Auffassung die Regierung nicht mehr zu Recht besteht. Ich hätte mich der Tatsache ausgesetzt, daß Sie gesagt hätten: Was wollen Sie denn hier, Sie sind nicht mehr im Amt. — Abg. Dr. Hoegner (Soz.): Der Reichstagspräsident hat hier erklärt, dem Reichskanzler sei es nach seinem Eindruck darauf angekommen unter allen Umständen eine Abstimmung zu verhindern, und er sel verpflichtet gewesen, die Abstimmung durchzuführen. Es wäre also festzustellen, auf Grund welchen Verhaltens des Reichskanzlers der Reichstagspräsident zu einer solchen Mutmaßung gekommen ist. Bestand die Absicht, die Auflösung schon vor der Aussprache über die Regierungserklärung vorzunehmen oder bestand die Absicht, den Reichstag nach der Aussprache aufzulösen. — Reichs⸗ kanzler: Von vornherein bestand überhaupt nicht die Absicht der Auflösung. Das ergibt sich ja schon aus der Vereinbarung mit dem Reichstagspräsidenten Außerdem hatten wir die Hoffnung, daß trotz der scharfen Gegensätze doch noch ein modus vivendi zwischen Reichstag und Regierung zustandekommen würde. — Dr. Hoegner: Die Auflösungsurkunde haben Sie sich erst während der Sitzungsunterbrechung verschafft? — Reichs⸗ kanzler: Jawohl! — Dr. Hoegner: Es bestand also die Ab⸗ sicht, den Reichstag auf jeden Fall bei Wiederbeginn der Sitzung aufzulösen? — Reichskanzler: Nein! Ich habe angenommen, daß der Reichstagspräsident dem Chef der Regierung die Möglich⸗ keit geben würde, wenigstens die Regierungserklärung zu verlesen. In keinem Parlament der Welt passiert das, daß eine Opposition nicht einmal die Regierung zu Worte kommen läßt. — — Abg. Dr. Hoegner (Soz.): Herr Reichskanzler, ist Ihnen die Aeußerung der „Germania“ bekannt, wonach der Reichstags⸗ präsident Göring während der Unterbrechung der Sitzung plötzlich mit der Behauptung zum Zentrum gekommen sei, daß der Reichs⸗ tag jetzt auf jeden Fall sofort aufgelöst würde? Ist eine der⸗ artige Absicht irgendwie nach außen hervorgetreten? — Reichs⸗ kanzler: Diese Auffassung des Reichstagspräsidenten war völlig unbegründet. Wir hatten nicht die Absicht, aufzulösen. — Dr. Hoegner: Ist es richtig, daß Sie beim Betreten des Saales mit der roten Mappe herausfordernd, wie gesagt worden ist, nach den Herren von der deutschnationalen Partei und dann auch zur Tribüne gewinkt haben? — Reichskanzler: Ich erkläre, daß das eine absolut falsche Feststellung ist. — Abg. Torgler (Komm.): War ein Bestandteil der Abmachungen zwischen dem Reichskanzler und dem Reichstagspräsidenten etwa auch die Einbringung eines Antrages wegen einer halben Stunde Pause, falls etwas Unvorhergesehenes eintritt? (GHeiterkeit.) Und wie hat der Reichskanzler selbst die halbe Pause empfunden, vielleicht als eine Rettungsaktion? Und ist der Reichskanzler endlich bereit, sich vor dem Ueberwachungsausschuß für seine Politik der Notverordnungen zu verantworten und den Ver⸗ fassungsbestimmungen Genüge zu tun, die ja nicht abgestellt werden können auf Ihre liebenswürdige Kontroverse mit Herrn Göring? — Vors. Löbe: Das überschreitet aber den Rahmen der heutigen Vernehmung. — Reichstagspräsident Göring: Zwischen unserer Unterredung und dem Reichstagszusammentritt lagen über acht Tage, nicht drei Tage. Wir sprachen über den Modus der Regierungserklärung und der Debatte, die sich daran knüpfen würde. Selbstverständlich wird der Reichstagspräsident dem Regierungschef das Wort zur Regierungserklärung erteilen, wenn er es gemäß der Geschäftsordnung und der Verfassung kann. Wenn aber ein Antrag vom ganzen Hause angenommen wird, ist der Reichstagspräsident nicht in der Lage, hiergegen zu ver⸗ stoßen. Ich war auch während der Abstimmung wiederum nicht in der Lage, Ihnen das Wort zu erteilen. Ich habe in der Unter⸗ redung nicht gesagt, ich würde Ihnen unter allen Umständen das Wort erteilen, denn ich konnte nicht wissen, was für Anträge kommen, ich bin ja gebunden an die Geschäftsordnung und an die Verfassung. Ich habe Ihnen allerdings versprochen, daß ich alles tun würde, damit Sie und die anderen Regiernngsmitglieder keinerlei ungehörigen Angriffen ausgesetzt wären. Aber ich kann nicht das andere Versprechen abgegeben haben. Auf die Frage des Herrn Hoegner, ob das Dekret erst in dieser Pause unterschrieben worden sei, sagten Sie „Jawohl!“ — Reichs⸗ kanzler: Nein! Auf die Frage, ob es herangeholt worden sei. — Abg. Hoegner (Sop): Ich hatte gefragt, ob die Auflosungs⸗ verfügung 87 während der Pause beschafft worden sei. Das be⸗ deutet sowohl die Heranholung wie den Akt der Unterschrift. — Reichskanzler: Ich hatte es nur auf die Heranholung be⸗ ogen. — Reichstagspräsident Göring: Herr vesckanter Sie — mir in der Unterredung keinen Zweifel gelassen, daß Sie eine Abstimmung über ein Mißtrauensvotum nicht zulassen, sondern vorher den Reichstag auflösen würden. (Der Reichskanzler nickt mit dem Kopfe.) Der . Grund, weshalb ich der Auf⸗ assung war, daß der Reichskanzler auflösen würde, war das in der New Yorker Staatszeitung veröffentlichte Interview des Reichskanzlers mit der New Yorker Staatszeitung, wo es hieß, der Reichstag würde sofort aufgelöst werden, damit die neue Regierung sich nicht einem Mißtrauensvotum auszusetzen brauche. Bei der Aufnahme der Sitzung auf Schallplatten stand eines der Mikrophone direkt vor Ihnen, Herr Reichskanzler. Das Mikro⸗
ist sogar auf der Tribüne gehört worden. Ich hatte „namentlich“
verstanden, aber die Aeußerung: „Ich bitte um das Wort“ habe
phon, das bei mir oben stand, war das einzige, das ausgeschaltet
daß er die Abstimmung habe vornehmen müssen, um die Regie⸗ rung zu Fall zu bringen, bevor sie in der Lage gewesen wäre,
kündet. Hiernach erst begann die Abstimmungshandlung selbst. Die
Namen versehen gewesen sei, vorzulegen; er habe nichts anderes dieses Schriftstück beiseite legte. — Reichskanzler von Papen
dem präsident Göring der Parteiführer beim Reichspräsidenten gehandelt habe. — Abg. Wolkersdöfer (Nat. Soz.); Es bei dem Erscheinen im Saal die gesamte deutsche Reichsregierung sich verbindlich lächelnd vor der Fremdenloge verneigt hat. Wir
Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 228 vom 28. September 1932. S. 3
war. Trotzdem wurde meine Stimme noch bis zu den anderen Mikrophonen gehört und auf der Platte festgehalten. Wenn Sie auch nur einigermaßen deutlich gesagt haben „ich bitte ums Wort“, dann müßte dafür wenigstens irgendeine Andeutung auf der Platte sein. Und weiter: ist es Ihnen nicht aufgefallen, daß ich nach Eröffnung der Sitzung eine ganze Zeit gewartet habe bis die Regierung Platz genommen hatte? Ich hätte ja nach der Geschäftsordnung gar nicht auf das Erscheinen der Regierung zu warten brauchen. Es ist nämlich behauptet worden, daß an der Eingangstür zur Regierungsbank jemand in Ihrem Auftrag auf mich gewartet habe, um mir zu sagen, daß sich der Reichs⸗ kanzler zum Wort melde, und daß ich aus diesem Grunde den Weg durch das Plenum genommen hätte. Das stimmt nicht, es war von mir nicht beabsichtigt, dieser Mitteilung aus dem Wege zu gehen. Und welche Mitteilung soll ich nun einem Zentrums⸗ abgeordneten gemacht haben? — Abg. Hoegner (Soz.): Ihnen sei soeben die Mitteilung zugegangen, der Reichstag werde unter allen Umständen aufgelöst werden. Daraufhin seien unmittelbar vor Beginn der Sitzung vom Zentrum und der Bayrischen Volks⸗ partei die überstürzten Beschlüsse gefaßt worden. — Reichstags⸗ präsident Göring: Nein, es ist nur besprochen worden, ob die Abstimmung jetzt oder nach Schluß der Debatte durchgeführt werden sollte, und ich habe erst, als ich allein zu meinem Platz ging, und als das Dekret schon dalag, gesagt: Ich habe den be⸗ stimmten Eindruck, daß der Reichskanzler den Reichstag auflösen will. (Abg. Torgler [Komm.]: Woher hatten Sie denn den Ein⸗ druck?) Ich brauche Ihnen ja den Herrn nicht zu nennen. (Abg. Torgler: Also doch eine Mitteilung!) — Abg. Hoegner (Soz.): Wenn Sie eine derartige Mitteilung erhalten haben, dann besteht 28 ein Widerspruch zwischen Ihrer Aussage und der des Reichs⸗ anzlers. — Reichstagspräsident Göring: Der Reichskanzler hat sich doch das Dekret beschafft. Da der Abg. Hoegner wieder unterbrechen will, so fährt der Redner mit erhobener Srimme fort: Wenn Sie auch noch soviel Entlastungsversuche für den Reichskanzler unternehmen, ich habe nur festgestellt: Der Reichs⸗ kanzler war unter allen Umständen entschlossen, aufzulösen, falls es zur Abstimmung kommen sollte. Was den Vorgang mit der roten Mappe anlangt, so bitte ich, darüber so viel Zeugen aus dem Plenum und von den Tribünen zu hören, wie Sie wollen! — Reichskanzler von Papen: In unserem Gespräch habe ich Sie wiederholt gebeten, doch nach einem Wege zu suchen, der uns eine Art von Zusammenarbeit ermöglichte. Ich habe Ihnen keinen Zweifel darüber gelassen — das stimmt durchaus —, daß die Regierung entschlossen war, falls über die Aufhebung der Not⸗ verordnungen oder über einen Mißtrauensantrag abgestimmt würde, den Reichstag aufzulösen. Aber ich habe Sie ebenso ein⸗ dringlich gebeten, einen Weg zu suchen, um das zu verhindern, und wir waren übereingekommen, daß zunächst einmal die Regie⸗ rungserklärung vor sich gehen solle und dann die Debatte. gcch habe also nicht im entferntesten daran denken können, daß es der Regierung unmöglich gemacht werden würde, ihre Erklärung zu verlesen. Nun hat der Reichstagspräsident gesagt, er habe sich in einer Zwangslage befunden, nachdem der formelle Antrag Torgler angenommen worden sei. Mir ist aber nachträglich be⸗ kannt geworden, daß Prälat Leicht nach Verabredung mit anderen Parteien entschlossen gewesen sei, den Antrag einzubringen, die alte Tagesordnung wieder herzustellen. Ich beziehe mich auch auf die Mitteilungen, die der Reichstagspräsident der Presse hat zugehen lassen. Dort hat er eindeutig erklärt, daß er entschlossen gewesen sei, die Regierung nicht zu Worte kommen zu lassen, und
ihre Erklärung abzugeben. — Abg. Schmidt⸗Hannover (D. Nat.): Daß der Reichstagspräsident sich auf ein Interview in der Auslandspresse stützt, entbehrt nicht des Reizes der Neuheit. (Unruhe bei den Nationalsozialisten.) Manchmal kommt es mir so vor, als ob ein Teil der Ausschußmitglieder das Stenogramm nicht gelesen hat. Nach dem Wortlaut des Stenogramms ist der Reichstagspräsident auch nach den Worten „wir stimmen ab!“ und „die Abstimmung hat begonnen!“, wonach dann erst die Niederlegung des Dekrets und der Auszug der Regierung erfolgte, nochmals zur Fragestellung zur Abstimmung zurückgekehrt und hat jetzt erst die gemeinsame Abstimmung über die beiden An⸗ träge 118 und 119 und danach in Verbindung hiermit die Ab⸗ stimmung über das jetzt erst erwähnte Mißtrauensvotum ver⸗
Schallplatte hat das gleiche ergeben. Und ich verstehe diesen ganzen Streit um des Kaisers Bart nicht. — Vors. Löbe: Das ist eine Beweiswürdigung, ich bitte, das für später aufzunehmen. (Heiterkeit.) Auf weitere Ausführungen des Abg. Sch midt⸗Hannover (D. Nat.) erklärt Vorsitzender Löbe: Es ist vorhin festgelegt worden, daß nach der Zeugenvernehmung der Ausschuß in die Beweiswürdigung eintritt. Dann werden auch Ihre Argumente gewürdigt werden. — Abg. Schmidt⸗Hannover (D. Nat.): Hatte der Herr Reichskanzler den Eindruck, daß der Reichstags⸗ präsident absichtlich und geflissentlich keinen Einblick in das Auf⸗ lösungsdekret nahm? Ich bin zu dieser Fragestellung veranlaßt durch eine Aeußerung des Reichstbagspräsidenten Göring, die er vor zwei Tagen in Schleswig⸗Holstein gemacht hat, es sei eine Zumutung gewesen, ihm ein Schriftstück, das mit dreierlei ver⸗ chiedener Tinte geschrieben, durchstrichen und mit unleserlichen
tun können, als die Ehre des Volkes dadurch zu wahren, daß er
eellt fest, daß er am 8. September und am 10. September mit Reichstagspräsidenten verhandelt habe. — Reichstags⸗ erwidert, daß es sich dabei um den Empfang
Es steht einwandfrei fest, daß
ben damals schon ihr Verhalten als eine Beleidigung des ge⸗ samten deutschen Volkes empfunden. — Abg. Frank II Nat. Soz.) macht darauf aufmerksam, daß der Zeuge Harnisch ausdrücklich gehört haben will, wie der Reichskanzler sagte: „Amtlich, Herr Reichstagspräsident!“ Er fragt den Reichskanzler, mit welchem Recht er dem Reichstagspräsidenten den Vorwurf des Verfassungsbruchs gemacht habe. — Reichskanzler von Papen: Gehört das zum Beweisthema? — Vorsitzender Löbe: Ja, insofern, als sie sich auf die Tatsache der Wort⸗ gestattung bezieht. — Reichskanzler von Papen: Ich weise darauf hin, daß der Reichstagspräsident entsprechend den geltenden Bestimmungen der Verfassung und der Geschäftsordnung mir das Wort geben mußte. — Abg. Frank II (Nat. Soz.): Wann wurde denn eigentlich die Auflösungsorder unterzeichnet. Diese Frage wird das deutsche Volk sehr interessieren. Erfolgte sie in der halb⸗ stündigen Pause oder war sie bereits unterzeichnet bei Beginn der Sitzung? — Reichskanzler von Papen: Ich bedaure, die Neugierde des Abgeordneten nicht befriedigen zu können. Das Reichskabinett ist lediglich ermächtigt, über die Dinge auszusagen, die hier zur Debatte stehen. — Abg. Frank 1I (Nat. Soz.). Diese Aussage genügt mir vollkommen. — Abg. Torgler (Komm.): Ich möchte die Frage an den Ausschuß stellen: Ist der Zeuge berechtigt, nur auf Fragen ihm genehmer Ausschußmitglieder zu antworten und die Beantwortung von Fragen ihm politisch nicht genehmer Ausschußmitglieder zu verweigern? Der Reichs⸗ kanzler hat auf eine konkret gestellte Frage nicht geantwortet. Ich möchte, selbst auf die Gegahr hin, keine Antwort zu be⸗ kommen, den Reichskanzler fragen: 1. Wie hat der Reichskanzler die Pause, die von dem Abg. Frick beantragt wurde, aufgefaßt? Hat er die Pause als im Rahmen der Verständigung mit dem Reichstagspräsidenten gelegen aufgefaßt? 2. Der Reichskanzlec hat ausgesagt, daß die Regierung keineswegs die Absicht hatte, unbedingt vor der Debatte den Reichstag aufzulösen. Wie ist es dann zu erklären, daß der Reichskanzler die halbstündige Pause
daß er nach Wiedecbeginn sofort das Wort wünschte, sondern statt dessen sofort jemanden losschickte, der das Auflösungsdekret heran⸗ holte? — Reichskanzler von Papen: Ich bin der Auffassung gewesen, .— der Reichstagspräsident und seine politischen Freunde versuchen würden, in der Pause jemanden zu finden, der Einspruch erheben würde. Ich habe nicht annehmen können, daß die Herren entschlossen waren, unter allen Umständen die Regierungserklärung nicht zu hören. — Abg. Torgler (Komm.) bittet um Beantwortung seiner weiteren Frage, warum der Reichskanzler nicht in der Pause dem Reichstagspräsidenten die Wortmeldung übermittelte. — Vors. Löbe stellt fest, daß der Reichskanzler diese Frage bereits vorher beant⸗ wortet habe, daß er nämlich der Meinung gewesen sei, der Antrag auf Aenderung der Tagesordnung würde abgelehnt werden. — Abg. Goebbels (Nat. Soz.): Haben Sie einige Tage nach dem 13. August eine Unterredung mit dem jüdischen Bankier Jakob Goldschmidt gebabt? Haben Sie in dieser Unterredung erklärt, Sie würden den Reichstag nicht zu einem Mißtrauensvotum kommen lassen, Sie würden zwar die Regierungserklärung ver⸗ lesen, aber eine Debatte nicht zulassen? Haben Sie auf den Hin⸗ weis, daß die Gewerkschaften gegen die Notverordnung mit Streik vorgehen könnten, erwidert, daß Sie notfalls auch zur Auflösung der Gewerkschaften schreiten würden? — Vorsitzender Löbe stellt dem Reichskanzler anheim, die Fragen zu beantworten, da sie nicht restlos zum Beweisthema gehören. — R. eichskanzler: Ich werde mich lediglich zur zweiten Frage äußern. Es ist ausge⸗ schlossen, daß ich gesagt hatte, die Reichsregierung würde zur Auf⸗ lösung schrelten, bevor die Debatte erfolgt ist. Das hat gar nicht im Sinne der Regierung gelegen. — Dr. Goebbels: Ich stelle fest, daß die beiden nicht beantworteten Fragen damit auch be⸗ antwortet sind. — Abg. Ersing (Zentr.) schildert kurz die Vor⸗ gänge in der Sitzungspause. Auf Grund einer Vereinbarung zwischen Zentrum, Bayerischer Volkspartei und Nationalsozialisten wollte Abg. Leicht den Antrag stellen, die Abstimmung erst am Schluß der Debatte herbeizuführen. Ta sei kurz vor Beginn der Sitzung nicht der Reichstagspraäsident, sondern der Abg. Dr. Frick gekommen und habe gesagt, die Nationalsozialisten hätten ganz positive bestimmte Nachrichten bekommen, daß es überhaupt nicht zur Abstimmung kommen, sondern der Reichstag sofort aufgelöst würde. Die Nationalsozialisten würden sich deshalb an dem Antrag Leicht nicht mehr beteiligen. Unter diesen Umständen habe es keinen Zweck mehr gehabt, den Antrag noch zu stellen. — Vor⸗ sitzender Löbe erklärt dazu, daß der Abg. Leicht in der Pause su⸗ ihm gekommen sei und ihm ebenfalls davon Mitteilung gemacht habe, daß die vom Abg. Torgler durchgesetzte Umstellung der Tagesordnung wieder rückgängig gemacht werde. — Auf eine Be⸗ merkung des Reichstagspräsidenten über den Beginn der Aeütim⸗ mung erklärt Vorsitzender Löbe, es könne gar kein Zweifel dar⸗ über bestehen, daß der Abstimmungsakt in dem Augenblick be⸗ gann, als die Worte gesprochen wurden: Wir stimmen ab! — Als Abg. Dr. Hoegner (Soz.) Fragen stellt, ob der Reichs⸗ kanzler wisse, wer den Nationalsozia — diese positiven bestimm⸗ ten Nachrichten überbracht habe, ruft Abg. Dr. Frank (Nat. Soz.): Entlastungsoffensive der Sozialdemokraten für Herrn v. Papen! Dr. seenen erwidert: Wir haben hier nicht zu belasten und zu entlasten, sondern die Wahrheit zu erforschen. Von den Nat. Soz. ertönt der Ruf: Sozi⸗Barone! Vorsitzender Löbe erteilt dafür einen Ordnungsruf. — Abg. Dreher (Nat. Soz.): Der Abg. Torgler hatte schon im Aeltestenrat seinen Antrag angekündigt, und dort hatte auch Herr Dr. 2b erklärt, daß er Wider⸗ spruch erheben würde. Durch diesen Wortbruch des Abg. Ober⸗ fohren (Heiterkeit) und der Deutschnationalen ist der Reichskanzler verhindert worden, die Regierungserklärung abzugeben. — Abg. Torgler (Komm.) fragt, wie es der Reichskanzler mit der Ver⸗ fassung vereinbaren wolle, daß er einen Reichstag auflöst, bevor dieser von seinem verfassungsmäßigen Recht der Aufhebung von Notverordnungen Gebrauch gemacht habe. — Der Reichs⸗ 1. antwortet lediglich auf eine andere Frage des Abg. Torgler, die Tatsache, daß er ohne das Aufloösungsdekret zunächst in den Reichstag gekommen sei, beweise den guten Glauben daran, daß der Reichstag die Regierung zum Wort kommen lassen würde. — Präsident Göring: Ich muß schärfsten Protest gegenüber dem Reichskanzler erheben, wenn er glaubt, die Entwicklung sei allein in mein Belieben gestellt gewesen. Wenn die Tagesordnung geändert wird, vermag ich dagegen nichts zu machen. Sie haben in der Oeffentlichkeit wiederholt behauptet, daß der Vertreter der Regierung jederzeit das Recht habe, das Wort zu ergreifen. Ist Ihnen bekannt, daß das Wort „jederzei:“ in der früheren Ver⸗ fassung bestanden und daß man es in der neuen Verfassung im Jahre 1920 ausdrücklich mit verfassungsändernder Mehrheit ge⸗ strichen hat? Stattdessen hat man gesetzt „außerhalb der Tages⸗ ordnung“. Im übrigen heißt es, daß auch die Vertreter der Re⸗ gierung der Ordnungsgewalt des Präsidenten unterstehen. Es steht danach durchaus nicht fest, daß der Reichskanzler unter allen Umständen jederzeit das Wort erhalten muß, sondern nur im Rahmen der Debatte, und im Gegensatz zu den Abgeordneten das Recht besitzt, auch zu anderen Gegenstanden als zu denen der Tagesordnung zu sprechen. — Vorsitzender Löbe erklärt, in der damaligen Beratung sei eingewandt worden, daß „jederzeit“ ein falscher Ausdruck sei, da sonst die Regierung mitten in der Ab⸗ stimmung oder mitten in einer Rede eines Abgeordneten das Wort verlangen könnte. Es entspinnt sich dann zwischen dem Reichstags⸗ präsidenten und dem Reichskanzler nochmals eine lange Ausein⸗ andersetzung über die Frage, in welchem Zeitpunkt der Kanzler den Arm zur Wortmeldung erhob. Der Kanzler erklärt, daß er das noch vor den Worten: „Wir stimmen ab!“ getan habe. Ich war allerdings der Auffassung, so betont der Reichskanzler, daß, wenn Sie den Willen gehabt hätten, die Regierung zum Wort kommen zu lassen, Sie hätten anders verfahren müssen. Nach allgemeiner Auffassung war durchaus die Möglichkeit gegeben, zu Beginn der Sitzung nochmals die Frage zu stellen, ob ein Wider⸗ spruch gegen den kommunistischen Antrag erhoben werde. Und dann wäre der Antrag Leicht gekommen, und die Dinge hätten ihren normalen Lauf genommen. — Präsident Görin g er⸗ widert, daß ihm inzwischen mitgeteilt worden sei, die Regierung würde unter keinen Umständen die Abstimmung zulassen. Er habe die Aufgabe, die Volksvertretung gegenüber der Regierung zu be⸗ haupten. Der Reichstag sei nicht der Exponent der Regierung, sondern im Gegenteil dazu da, Uebergriffe der Regierung abzu⸗ wehren. — Reichskanzler: Die Verlefung einer Regierungs⸗ erklärung ist kein Uebergriff. — Präsident Göring erklärt weiter, daß seine Aufgabe gewesen sei, dafür zu sorgen, daß das Parlament zum Wort kam. — Vorsitzender Löbe: Das ist keine reine Tatsachenfeststellung mehr. — Abg. Dr. Oberfohren (D. Nat.): Erstens werden im Aeltestenrat überhaupt keine Beschlüsse gefaßt und hochpolitische Abmachungen nicht getroffen. Und im übrigen habe ich einen Widerspruch nur dagegen angekündigt, daß eine Aenderung der Tagesordnung im Sinne einer Neuaufsetzung erfolge, und zwar auf die Erklärung des Reichstagspräsidenten hin, man könne doch nicht eine Regierungserklärung unwidersprochen in die Welt gehen lassen. Ich habe es auch gar nicht nötig, derartigen Abmachungen Folge zu leisten. In der Zielsetzung meiner Partei und meiner Person lag die Auflösung des Reichstages. Die habe ich er⸗ reicht, und wenn die Herren Nationalsozialisten mir dabei dien⸗ lich gewesen sind, ist das ihre Sache. (Hört, hört! und Be⸗ wegung.) — Abg. Dr. 191. (Bayer. Vp.): Es ist behauptet worden, Sie, Herr Reichskanzler, hätten das Auflösungsdekret mit dem Text nach unten, also mit dem Rücken nach oben, auf den Präsidententisch gelegt. — Reichskanzler: Tribünenbesucher haben mir mitgeteilt, sie hätten sogar die Unterschrift des Reichs⸗ räsidenten, die ja bekanntlich sehr groß ist, lesen können. (Abg. orgler [Komm.]: Das waren Hellseher! — Große Heiterkeit.) — Reichstagspräsident Göring: Im Aeltestenrat hat Dr. Ober⸗ fohren keine so schwungvollen Reden gehalten, sondern nur gesagt:
nicht dazu benutzt hat, dem Reichstagspräsidenten mitzuteilen,
übrigen habe nicht ich gesagt, man könnte die Regierungserklärung nicht in die Welt gehen lassen, sondern Dr. Frick hat das gesagt. Und ferner hat Dr. Oberfohren zum Schluß erklärt: Ich jeden⸗ falls werde den Anträgen Torgler widersprechen! (Widerspruch des Abg. Dr. Oberfohren.) Das Dekret ist vom Herrn Reichs⸗ kanzler vielleicht in der Meinung, er lege es nach oben, tatsächlich aber mit der Schrift nach unten hingelegt worden. In der Presse hat sogar gestanden, man habe das Dekret liegen sehen, der Reichs⸗ adler habe ordentlich darauf geleuchtet. Ich glaube, Herr Reichs⸗ kanzler, Sie wissen selbst, was für ein Schriftstück das war. Vom Reichsadler war gar keine Rede. — Abg. Torgler (Komm.): Hat der Reichskanzler den Antrag Frick als eine Hilfe aus der Verlegenheit empfunden? Was hätte der Reichskanzler getan, wenn der Antrag nicht gekommen, sondern die kommunistischen Anträge sofort zur Abstimmung gestellt worden wären? Hätte dann der Reichskanzler auch erklärt, die Notverordnung sei nicht aufgehoben, die Regierung nicht gestürzt? — Der Reichs⸗ kanzler erklärt, er könne diese Fragen nicht beantworten. — Abg. Schmidt⸗Hannover (D. Nat.): In der vorhin zitierten Rede hat Göring erklärt, er habe sogar gesehen, daß das Dekret mit dreierlei Tinte geschrieben gewesen sei. (. räsident Göring: Hinterher! — Heiterkeit.) — Abg. Dr. Frank II (Nat. Soz.):
ist gar nicht gefragt worden, angeordnet nachdem die Rechtslage jetzt für Sie klar ist, vor dem Zwischen⸗ ausschuß br . oder wird Ihre bedingte Weigerung aufrecht⸗ erhalten? Die Antwort des Reichskanzlers bleibt unverständlich. — Abg. RNeinhardt (Nat. Soz.): Wie will der Reichskanzler
in Einklang bringen mit den Rechten des Reichstages? In der Reichskanzlei, im Reichsinnenministerium und im Reichsfinanz⸗ ministerium liegt ein Gutachten von Prof. Gerhardt Anschütz vom 12. März 1932 vor, an dessen Schluß es wörtlich heißt: „Im Ein⸗
lierten und unkontrollierbaren Macht des Reichspräsidenten und der Reichsregierung das Wort geredet wird. Art. 48 Abs. II ist keine souveräne, sondern eine verfassungsrechtlich geregelte und beschränkte Gewalt, der gegenüber das Uebergewicht des Reichstages unbedingt und zuverlässig gesichert ist durch Art. 48 Abs. III, 54, 59 und schließlich 43 Abs. II. Die außerordentlichen Gewalten des Reichspräsidenten stehen nicht über, sondern unter der Gewalt des Reichstages, der es jederzeit in der Hand hat, ihm
kraftsetzung oder durch ein von ihm beschlossenes Gesetz zu be⸗ seitigen oder zu noch schärferen Kampfmitteln, nämlich Ver⸗ trauensentziehung, Anklageerhebung vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Antrag auf Absetzung des Reichspräsi⸗ denten zu greifen.“ — Reichskanzler: Das gehört nicht zum Beweisthema. (Bewegung.) Damit ist die Vernehmung des Reichskanzlers beendet. Als Herr v. Papen sich erhebt, um den
Abg. Dr. Ver⸗ weil
aufstehen! — Große Heiterkeit. — (Nat. Soz.) beantragt nunmehr die neulich vernommenen Zeugen Harnisch, sich ganz außergewöhnliche Widersprüche zwischen dessen Aussage und der des Reichskanzlers herausgestellt hätten. Es folgt die Vernehmung des Reichsinnenministers Freiherrn. von Gayl. Der Vorsitzende legt ihm die gleichen Fragen vor wie dem Reichskanzler. — Reichsinnenminister Frhr. von Gayl: Meine persönlichen Wahrnehmungen gingen dahin, daß in dem Augenblick, wo seitens des Reichstagspräsidenten die Worte fielen: „Wir kommen nun zur Abstimmung“, der Reichskanzler sich erhob und sich zum Wort meldete. Als daraufhin der Präsident sich nach links drehte und von der Wortmeldung anscheinend keine Notiz nahm, sah ich, daß der Staatssekretär Planck sich erhob und in der Richtung zum Präsidententisch etwas sagte. Dann meldete sich der Reichskanzler sofort noch einmal zum Wort und sagte dabei, soweit ich es von meinem Platz hören konnte, dem Sinne nach: „Ich bitte ums Wort“. Das vollzog sich alles in wenigen Sekunden. Jedenfalls habe ich aus der Verhandlung den Eindruck gewonnen, daß der Reichskanzler sich persönlich zweimal zum Wort meldete und außerdem Staatssekretär Planck den Präsidenten darauf aufmerksam machte. Als dem Reichskanzler daraufhin das Wort nicht erteilt wurde, entfernte er sich zwei Schritte von seinem Platz, nahm das Blatt aus der Mappe und legte es dem Reichs⸗ tagspräsidenten auf den Tisch. Auf meine Frage: „Wollen Sie sich nochmal zum Wort melden?“ — als der Reichskanzler nach der Mappe griff — sagte er: „Sie sehen, das geht nicht, ich bekomme das Wort nicht.“ Dann legte er das Blatt dem Präsidenten hin. — Reichstagspräsident Göring: Herr Minister, Sie haben genau gehört, daß ich sagte: „Wir kommen zur Abstimmung“. Haben Sie auch gehört, daß ich in demfelben Atemzug, wie es das Protokoll festlegt, gesagt habe: „Wir stimmen ab“. — Keichsinnen⸗ minister von Gayl: Darauf möchte ich erwidern, daß ich nur die Worte des Reichstagspräsidenten: „Wir kommen nung zur Ab⸗ stimmung“ gehört habe, und daß dann die ganzen Dinge sich so abspielten. — Reichstagspräsident Göring: Haben Sie beob⸗ achtet, daß in dem Augenblick, wo ich das Wort „Abstimmung“ ge⸗ prochen habe, der Reichsaußenminister den Reichskanzler ange⸗ stoßen hat? — Minister von Gayl: Das habe ich nicht bemerkt. Ich wollte aufspringen, bin aber an einem Schlüssel hängen ge⸗ blieben. — Abg. Torgler (Komm.): Der Herr Reichsinnen⸗ minister ist sozusagen Verfassungsminister. Der Herr Reichs⸗ kanzler hat sich nun vorhin wiederholt auf die verfassungsrecht⸗ lichen Bestimmungen berufen. Ich möchte die schon an den Reichs⸗ kanzler gestellte Frage auch an den Verfassungsminister richten: Ist der Herr Reichsinnenminister und Reichsverfassungsminister der Meinung, daß die Tatsache, daß die Reichsregierung den Reichstag auflösen wollte, bevor der Reichstag von seinem ihm nach der Verfassung zustehenden Rechte, der Regierung das Miß⸗ trauen auszusprechen und eine Notverordnung aufzuheben, mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen irgendwie in Einklang zu bringen ist. — Minister von Gayl: Jawohl! (Seiterkeit.) — Der nächste Zeuge, Staatssekretär der Reichskanzlei Dr. Planck, sagt aus: Als der Reichstagspräsident nach Wieder⸗ eröffnung der Sitzung erklärte: „Nachdem sich vorhin kein Wider⸗ spruch gegen die neue Tagesordnung geltend gemacht hat, kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Anträge Torgler“, war ich zu⸗ nächst überrascht, daß nicht Aenderung der Tagesordnung aus⸗ drücklich festgestellt wurde. Während ich mir das noch überlegte, sah ich, wie der Reichskanzler sich durch Erheben des Armes und Aufstehen und durch die Worte: „Ich bitte ums Wort“ zum Wort meldete. 899 meiner bestimmten Erinnerung machte darauf der Reichstagspräsident eine abwehrende Handbewegung und wendete sich nach der linken Seite des Hauses, von wo vom Abgeordneten Torgler gesagt wurde: „Namentlich“. Ich bin daraufhin auf⸗ gesprungen, an den Reichstagspräsidenten herangetreten und habe gesagt: Der Herr Reichskanzler hat sich zum Wort gemeldet. Darauf hat der Reichstagspräsident meiner Erinnerung nach ge⸗ sagt: „Wir stimmen ab“ oder „Wir sind in der Abstimmung“. Der Reichskanzler hat sich dann nochmals von seinem Platze aus zum Wort gemeldet, ohne daß der Reichstagspräsident ihn beachtet at und hat sich meiner Erinnerung nach gleich darauf mit der Auflösungsurkunde zum Sitz des Präsidenten begeben und die Auslösungsurtunde niedergelegt. Darauf verließen die Mitglieder der Regierung den Saal. — Reichstagspräsident Göring: Ich bitte Sie, sich klar zu machen, wie bei Ihnen der Gedankengang war. Glauben Sie, daß ich eine Pause gemacht 9g zwischen den Worten „Wir kommen zur Abstimmung über die⸗ nträge Torgler“ und „Wir stimmen ab?“ Ist Ihnen da die Ueberlegung ge⸗ kommen: Der Reichskanzler ist aufgestanden, hat 58 zum Wort gemeldet? Glauben Sie, daß 5 erst nach dieser Wortmeldung gesagt habe: „Wir stimmen ab’“ — Zeuge Planck: Ja, das
nationalen Frank II eidigung des
In Ihrem Interesse rate ich Ihnen von diesem Antrage ab. Im
glaube ich — Göring: Glauben Sie das auch, wenn sich aus
klang mit Thoma und Karl Schmidt glaube ich, den Vorwurf nicht erwarten zu sollen, daß hier einer schrankenlosen unkontrol⸗
Saal zu verlassen, kommandiert ein Nationalsozialist: Die Deutsch⸗ .
Es war also Oberfohrens Absicht, den Reichstag aufzulösen, Papen fragt worden, sondern Herr Oberfohren hat es (Heiterkeit.) Herr Reichskanzler, werden Sie künftig,
seine Absicht, die Aufhebung einer Notverordnung zu vereiteln,
Die Diktatur des 8
nicht genehme Diktaturmaßnahmen durch Verlangen ihrer Außer⸗
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