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Reichs, und Staatsanzeiger Nr. 277 vom 27. November 1933. S. 2. “ 1. —
Nr. 1 gibt dem Gericht die Möglichkeit, auf den Stand der geistigen Entwicklung und der sittlichen Reife eines jugendlichen Zeugen Rücksicht zu nehmen, der nicht schon nach § 60 Nr. 1 eidesunfähig ist.
Nr. 2 bringt die bedeutungsvolle Neuerung, daß auch beim Verletzten, bei seinem Verlobten und Ehegatten und bei seinen Angehörigen die Vereidigung im Ermessen des Gerichts steht. Es wird damit der Tatsache Rechnung getragen, daß diese Personen naturgemäß gegen den Beschuldigten in ge⸗ wissem Sinne voreingenommen sind. Hier ist aber eine sorg⸗ same Anwendung des richterlichen Ermessens notwendig. Es darf nicht etwa der Eindruck entstehen, als halte das Gesetz den Verletzten für unglaubwürdig und daher für eides⸗ unwürdig. Die Vorschriften sollen das Gericht nur darauf hinweisen, daß nach den Erfahrungen des Lebens die Be⸗ eidigung solcher Aussagen zu einer Gefahr für den Zeugen werden kann. Damit sollen sie zu einer gewissenhaften Prüfung anleiten, ob die Vereidigung des Zeugen geboten ist. Das Gericht wird also im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens von der Beeidigung absehen, wenn es befürchtet, daß die Versuchung für den Zeugen, die Unwahrheit zu sagen, zu groß und daher auch die beeidigte Aussage wert⸗ los sein würde.
Nr. 3 entspricht dem geltenden Recht (§ 58 Abf. 1).
Nr. 4 trägt der Tatsache Rechnung, daß der Aussage eines Zeugen, der sich selbst oder ihm sehr nahe stehende Personen durch den Inhalt der Aussage der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzt, unter Umständen nur ein sehr beschränkter Wert beizumessen ist. Solche Zeugen sind häufig so befangen, daß sie, wenn auch nicht immer böswillig, dazu neigen, etwas Unwahres zu bekunden. Nach geltendem Recht müssen Aussagen dieser Art, wenn der Zeuge das Zeugnis nicht verweigert hat, im allgemeinen beeidigt werden. Es ist jedem Richter bekannt, zu was für bedenklichen Eiden dieser Zwang geführt hat.
Ein besonderes Recht der Eidesverweigerung soll, soweit sich nicht etwas anderes aus § 60 Nr. 3 oder aus § 63 ergibt, in diesen Fällen auch in kunft nicht gewährt werden, 1 ein Recht der Zeugnisverweigerung über § 55 inaus.
Aehnliches gilt für Zeugen, die in die Lage versetzt werden, etwas auszusagen, was ihnen oder einer ihnen nahe⸗ stehenden Person zwar nicht die Gefahr einer strafgericht⸗ lichen Verfolgung zuzieht, aber zur Unehre gereichen würde. Auch hier ist die Versuchung, von der Wahrheit abzuweichen, mitunter groß. Die Zivilprozeßordnung trägt dieser Tatsache dadurch Rechnung, daß sie solchen Zeugen ein Zeugnisver⸗ weigerungsrecht gibt. Man kann nicht daran denken, im Strafprozeß so weit zu gehen, man kann nur das Gericht darauf hinweisen, daß Fragen in solchen Fällen nur dann gestellt werden sollen, wenn es unerläßlich ist. Das geschieht durch die neue Vorschrift des § 68 a (Art. II Nr. 1). Auch ein Eidesverweigerungsrecht soll hier nicht geschaffen werden. Das Gericht soll aber auch hier in die Lage gesetzt werden, den Zeugen unbeeidigt zu lassen.
5. Die Vorschrift, daß unerhebliche und offenbar un⸗ glaubwürdige Aussagen unter besonderen Voraussetzungen unbeeidigt gelassen werden können, ist für den Strasprozeß neu. Ein Vorbild hat sie in § 299 Abs. 4 der Militärstraf⸗ gerichtsordnung von 1898.
Sicherungen dagegen, daß die Vorschrift zum Schaden der Staatsautorität und zum Nachteil der Wahrheitserfor⸗ schung mißbraucht werden könnte, find gegeben. Zunächst muß das Gericht einstimmig der Ueberzeugung sein, die Aus⸗
sage sei unerheblich oder ee unglaubhaft; ferner wird Einstimmigkeit darüber gefordert, daß auch unter dem Druck des Eides eine erhebliche oder eine wahre Aussage nicht zu erwarten ist. Damit wird der Sinn des Gesetzes klar gekenn⸗ “ Es ist keineswegs seine Absicht, auf Kosten der hrheitserforschung den Zeugen vor jedem Gewissenskonflikt
zu bewahren; noch weniger darf es geschehen, daß ein Zeuge sich dem Eide entzieht, indem er böswillig handgreifliche Un⸗ wahrheiten vorbringt. Das Gericht wird daher nur dann von der Vereidigung absehen, wenn die Ausfage keinerlei sachlichen Wert für die Verhandlung hat. Bei offenbar un⸗ glaubwürdigen Ausfagen wird es den Eid dann nicht ab⸗ nehmen, wenn der Zeuge sich ohne eigentliche. böse Absicht n seine Aussage so verrannt hat, daß er nicht mehr den Weg zur Wahrheit findet. Und in beiden Fällen muß das Gericht ich zuvor davon überzeugt haben, daß sein letztes Mittel, die Wahrheit durch den Mund des Zeugen zu nämlich e Vereidigung, zu keinem anderen Ergebnis führen würde.
6. Es war bisher im Strafprozeß, anders wie im Zivil⸗ prozeß, nicht möglich, auf die Beeidigung eines Zeugen zu ver⸗ ichten. Diese Möglichkeit, die in hohem Maße zur Ein⸗ chränkung der Eide dienen kann, soll jetzt geschaffen werden. Das ist auch im Strasverfahren unbedenklich, wenn Staats⸗
nwaltschaft, Angeklagter und Verteidiger übereinstimmend uf die Beeidigung verzichten und wenn das Gericht den Eid nicht für erforderlich erachtet. Das wird immer dann ge⸗ chehen können, wenn die Aussage offenbar glaubhaft oder wenn sie ohne wesentliche Bedeutung für die Sache ist.
§ 62. Eine allgemeine Einschränkung der Eide wird vorgenom⸗ men für das Verfahren wegen einer Uebertretung und in Privatklagesachen. Es handelt sich hier sehr häufig um reine Bagatellsachen, bei denen die Abnahme eines Eides im Miß⸗ verhältnis zu der Bedeutung der Sache steht. Naturgemäß
muß das Druckmittel, das in der Möglichkeit der Vereidigung
liegt, auch für diese Verfahren erhalten bleiben. § 63. 8
8
ie Vorschrift entspricht dem geltenden § 58 § 64.
Die Vorschrift entspricht dem, was die Recht rechun
zum geltenden Recht als ausgebildet dac h An die Begründung eines Veschluffes, daß ein Zeuge un⸗ rreidigt zu bleiben habe, hat die Rechtsprechung verhältnis⸗ mäßig scharfe Anforderungen gestellt. So ist ein einfacher Hinweis auf § 57 Nr. 3 StP. als in der Regel nicht ge⸗ nügend angesehen worden. Das Gesetz will in diese Recht⸗ rechung nicht eingreifen. Es ist jedoch hervorzuheben, daß ei den Entscheidungen, die auf den §§ 61 und 62 beruhen, ine besondere Begründung dafür, weshalb das Gericht auf Grund der einen oder anderen Vorschrift von der Vereidi⸗ ung absieht, in der Regel nicht wird gefordert werden können. So wird also der Ausspruch genügen, daß die Aussage nach der Ansicht aller Mitglieder des Gerichts unerheblich oder offenbar unglaubhaft ist ohne daß dazu näher dargelegt wer⸗ den müßte, weshalb das Gericht die Aussage so ansieht. Es
1 Abs. 2.
durch die
gilt hier, was das Reichsgericht (Entsch. i. Strafs. Bd. 21 S. 226) zu dem jetzt geltenden § 58 ausgeführt hat: „Die Erwägungen, von welchen sich der Richter bei seinem Er⸗ messen leiten läßt, brauchen..in den Entscheidungs⸗ gründen nicht angegeben zu werden. Das Gesetz geht hier von der Erwartung aus, daß der Richter bei Entscheidung der Beeidigungsfrage nicht ängstlich nach etwa weiter noch vor⸗ handenen Aufklärungsmitteln forschen soll, und daß er da, wo eine Abwägung von Gründen und Gegengründen überhaupt nicht möglich sein sollte, sich vom richtigen Taktgefühl werde leiten laßfen.“ 8 “ 82
Im § 59 dieses Gesetzes ist ausgesprochen, daß die Be⸗ eidigung grundsätzlich in der Hauptverhandlung erfolgt. Die Ausnahmen von diesem schon für das geltende Recht bestehen⸗ den Grundsatz regeln die §§ 65, 66 im Anschluß an § 66 des geltenden Rechts. Eine weitere Ausnahme findet sich in § 223, der durch Artikel II Nr. 4 dieses Gesetzes geändert wird, eine weitere Ausnahme in § 286.
Im vorbereitenden Verfahren soll die Vereidigung zu⸗ lässig sein, wenn Gefahr im Verzuge ist oder wenn der Eid als Mittel zur vxg vwnen. einer wahren Aussage über einen für das weitere Verfahren erheblichen Punkt erforder⸗ lich erscheint. Hierin liegt eine gewisse Erweiterung des geltenden Rechts (§ 66 Abs. 3 StPO.). In Einschränkung des geltenden Rechts wird dagegen die Abnahme eines Eides im vorbereitenden Verfahren wegen einer Uebertretung verboten.
In der Voruntersuchung soll die Beeidigung zugelassen werden, wenn Gefahr im Verzuge ist (das entspricht zwar nicht dem Wortlaut, aber dem Sinne des jetzt geltenden Rechts), ferner wenn der Eid als Mittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage über einen erheblichen Punkt er⸗ forderlich erscheint; auch das gilt dem Sinne nach jetzt schon. Ebenso entspricht es dem geltenden Recht, daß die Ver⸗ eidigung zulässig sein soll, wenn der Zeuge voraussichtlich am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert sein wird. Ein weiterer Grund für die Beeidigung in der Vorunter⸗ suchung ist neu gestaltet. Die jetzt geltende Voraussetzung, daß das Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung besonders erschwert sein wird, hat sich als unzweckmäßig erwiesen. Einmal kommt in ihr nicht genügend klar zum Ausdruck, daß ein wichtiger Zeuge trotz großer Entfernung zur Hauptverhandlung geladen werden soll. Andererseits trifft sie die Fälle nicht, in denen nicht die große Entfernung, sondern schlechte Verkehrsverhältnisse oder ein besonders großer Zeitverlust dem Feugen das Er⸗ scheinen erschweren Die neue Fassung der Nr. 4 stellt
dies klar. § 66 a. 8
Die Vorschrift entspricht dem geltenden § 66 Abs. 4. §F 66 b.
Die Vermehrung der Fälle, in denen von einer Ver⸗ eidigung abgesehen werden kann oder muß, macht es nötig, eine Vorschrift darüber zu erlassen, wer über die Vereidigung zu entscheiden hat, wenn die G“ durch einen beauf⸗ tragten oder ersuchten Richter erfolgt. Auf Vernehmungen, um die die Staatsanwaltschaft ersucht, bezieht sich die Be⸗ stimmung nicht.
§ 66 c. Die Fassung von Eidesnorm und Eidesformel ist der Zivilprozeßordnung angeglichen. § 66 d. Die Vorschrift entspricht dem geltenden § 64 Abs. 2, 3. § 66 e. Die Vorschrift entspricht dem geltenden § 65. Eine Fassungsänderung regelt auch den Fall, in dem der Zeuge in Wahrheit nicht Mitglied einer der erwähnten Religions⸗ gefellschaften ist.
Zu Artikel II.
1. § 68 a bringt neben der schon oben bei § 61 Nr. 4 besprochenen Einschränkung der Fragen nach Tatsachen, die
dem Zeugen zur Unehre gereichen können, die Vorschrift, daß
der Zeuge nach Vorstrafen nur gefragt werden soll, wenn
dies wirklich notwendig ist. Auf diese .⸗ soll dem Übel⸗
stand vorgebeugt werden, daß der Zeuge, der in Erfüllung
einer staatsbürgerlichen Pflicht vor Gericht erscheint, dort
durch die nicht zur Sache gehörige Erörterung seiner Vor⸗ strafen vor der Offentlichkeit unnötig bloßgestellt und so zur Verletzung der Wahrheitspflicht verleitet wird.
2. Im Zusammenhang mit der Neuregelung des Zeugen⸗ eides erschien es zweckmäßig, auch für den Sachverständigen den Nacheid einzuführen und den Zwang zur Eidesleistung einzuschränken. Die Vereidigung wird allgemein in das Er⸗ messen des Gerichts gestellt. Angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für die Beteiligten haben kann, erschien es aber zum Ausgleich angemessen, ihnen das Recht auf die Ver⸗ eidigung zu geben.
3. Die Vorschrift enthält eine schon bei § 66 Nr. 4 erläutert ist.
4. Hier gilt das gleiche wie bei Nr. 3.
Fassungsänderung, die
Begründung 1 Öu dem Gesetz gegen 11. Gewohn⸗ eitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November (Geröffentlicht vom Reichsjustizministerium.)
Die Reform des Strafrechts auf der Grundlage der nationale Bewegung zum Siege geführten Staatsauffassung gehört zu den wichtigsten Aufgaben, die der Neugestaltung des deutschen Rechts gestellt sind. Um das Ziel zu erreichen, ein Strafgesetz⸗ buch von Dauer zu schaffen, das auf viele Jahre hinaus auf möglichst vollkommene Weise dem deutschen Volke dienen soll, bedarf es einer gewissen Zeit, auch wenn die vor⸗ handenen Vorarbeiten weitestgehend nutzbar gemacht werden. Die Bedürfnisse des Rechtslebens erfordern es aber, daß besonders dringlichen Resormwünschen alsbald entsprochen wird. Daher hat schon das Gesetz zur Abänderung straf⸗ rechtlicher Vorschriften vom 26. Mai 1933 (RGBl. 1 S. 295) einige wichtige und für die Strafrechtsreform gesicherte Vor⸗ schriften in das geltende Recht übergeführt. Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheits⸗ verbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Hassrung ist gleichfalls dazu bestimmt, fühlbare Lücken des geltenden Rechts zu schließen und vordringlichen Forderungen auf
—
Schaffung gesetzlicher Grundlagen für eine wirksame Ver⸗ brechensbekämpfung nachzukommen, deren Erfüllung bis zum Inkrafttreten des neuen deutschen Strafgesetzbuchs nicht mehr hinausgeschoben werden kann. Der Entwurf soll zugleich den bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Verhütung erhb⸗ kranken Nachwuchses gefaßten Beschluß des Reichskabinetts ausführen, im Rahmen allgemeiner Sicherungsmaßnahmen gegen das gemeingefährliche Verbrechertum durch ein Sonder⸗ gesetz, das gleichzeitig mit dem Sterilisationsgesetz am 1. Ja⸗ nuar 1934 in Kraft treten soll, die zwangsweise Entmannung gemeingefährlicher Sittlichkeitsverbrecher zu regeln.
Der leitende Gedanke des Entwurfs ist der, die Autorität des Staates gegenüber dem Rechtsbrecher zu steigern und der Strafrechtspflege stärkere und wirksamere Waffen als bisher gegen das gemeinschädliche Verbrechertum zur Ver⸗ fügung zu stellen. Schon die früheren Entwürfe für ein All⸗ gemeines deutsches Strafgesetzbuch (ADStGB.) hatten Maß⸗ nahmen gegen Gewohnheits⸗ und Berufsverbrecher vor⸗ gesehen. Bei den Beratungen in den Ausschüsfsen der gesetz⸗ ebenden Körperschaften fanden indessen unter Einwirkung sberaktstischer Ideen diejenigen Bestimmungen des Reform⸗ programms besondere Betonung, die sich fugunsten des ein⸗ zelnen Rechtsbrechers auswirkten, während diejenigen Maß⸗ nahmen, die auf die Sicherung der Volksgemeinschaft gegen den Rechtsbrecher gerichtet waren, eine erhebliche Ab⸗ schwächung erlitten. Der vorliegende Entwurf stellt den wirksamen Schutz der Volksgemeinschaft gegen verbrecherische
Schädlinge in den Vordergrund; er baut zwar auf der bis
herigen Reformarbeit auf, geht aber mit dem Ziel einer wirksamen Verbrechensbekämpfung wesentlich über sie hinaus.
Die folgende Begründung behandelt diejenigen Vor⸗ schriften, die in den früheren Entwürfen eines ADStGB. noch nicht enthalten sind, ausführlicher als die anderen. Soweit Bestimmungen aus früheren Entwürfen ganz oder teilweise übernommen worden find, findet fie ihre Erxgänzung in der Begründung zu den amtlichen Entwürfen eines ADStGB. vom Jahre 1925 und 1927. “
Zu den einzelnen Vorschriften ist folgendes zu bemerken:
Artikel 1.
Stra ärfun ür gefährliche Gewohn⸗ E“ esitz von Diebeswerkzeug.
Zu § 20a. Strasschärfung für gefährliche Gewohnheitsverbrecher.
Zur Bekämpfung des gefährlichen Gewohnheits⸗ verbrechers stellt der Entwurf der Strafrechtspflege zwei Mittel zur Verfügung: im § 20 a eine Verschärfung der Strafe und im § 42 e die Sicherungsverwahrung. Beide zusammen dienen dem Zweck der Abschreckung und Unschäd⸗ lichmachung. Der Begriff des gefährlichen Gewohnheits⸗ verbrechers ist zunächst negativ durch den Gegensatz zu den sogenannten Zufalls⸗ und Gelegenheitsverbrechern bestimmt, die, bisher unbescholten, im Affekt oder durch Notlage zu einer strafbaren Handlung hingerissen werden, die ihrer Eigenart fremd bleibt und eine bitter bereute Episode ihres Lebens bildet. Positiv ist der gefährliche Gewohnheits⸗ verbrecher, durch einen Hang zum Verbrechen gekennzeichnet, gegen den die Allgemeinheit sich in schwereren Fällen nur durch eine Verwahrung des Verbrechers sichern kann, die so lange dauert, als der Verbrecher eine Gefahr sfr die öffent⸗ liche Sicherheit bildet. Die Merkmale, die die Rechtsprechung für den Begriff der Gewohnheitsmäßigkeit aufgestellt hat und die die gewohnheitsmäßige Begehung einer Tat von der ge⸗ werbsmäßigen unterscheiden, sind hiernach für die Abgrenzung des Gewohnheitsverbrechers von anderen Verbrechertypen zu eng. Den Gewohnheitsverbrechern sind auch die Berufs⸗ verbrecher zuzuzählen. Der Schluß, daß der Täter ein gefähr⸗ licher Gewohnheitsverbrecher ist, muß sich aus der Gesamt⸗
würdigung einer gewissen Mindestzahl von Taten ergeben.
Die Eigenschaften eines gefährlichen Gewohnheits⸗ verbrechers glaubten frühere Entwürfe ohne die Stütze früherer Verurteilungen nicht verläßlich feststellen zu können. Sie setzten daher für die Strafschärfung für gefährliche Ge⸗ wohnheitsverbrecher eine zweimalige Verurteilung wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens zum Tode oder zu einer Freiheitsstrafe von wenigstens sechs Monaten voraus und stellten auch unter diesen Voraussetzungen die Strafschärfung in das Ermessen des Richters. Wie zahlreiche Beispiele der Praxis zeigen, kann es indessen Gewohnheits⸗ verbrechern gelingen, auf Jahre hinaus ihre Untaten der Verfolgung zu entziehen. it der Sicherheit des Staates wäre es unvereinbar, wenn von den Mitteln der Unschädlich⸗ machung solcher Verbrecher um deswillen abgesehen werden müßte, weil sie nicht durch frühere Verurteilungen verwarnt worden sind. Der Entwurf sieht die auch für solche Verbrecher im § 20 a Abs. 2 vor. Außerdem geht er über die Regelung früherer Entwürfe dadurch hinaus, daß er es gefährliche Gewohnheitsverbrecher, die vor der Begehung
er abzuurteilenden Tat schon zweimal in besonders schwerer
Weise verurteilt worden sind, die Strafschärfung bindend vor⸗ schreibt. Für die Anwendung des Abs. 1 ist es gleichgültig, ob die Verurteilung jeweils wegen einer oder mehrerer Taten erfolgt ist. Werden Freiheitsstrafen, auf die in verschiedenen Urteilen erkannt worden ist, durch Urteil oder Beschluß zu einer Gesamtstrafe vereinigt, so ist nur die auf die Gesamt⸗ strafe erkennende Entscheidung als Verurteilung im Sinne des § 20 a Abs. 1 anzusehen.
Die Strafschärfung nach § 20 a Abs. 2 steht im Er⸗ messen des Gerichts. Sie setzt voraus, daß jemand mindestens drei vorfätzliche, strafrechtlich verfolgbare Taten begangen hat und aus der einzelnen Tat in Verbindung mit den übrigen Taten hervorgeht, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsver⸗ brecher ist. Die übrigen im Abs. 1 des § 20 a genannten Vor⸗ aussetzungen brauchen dann nicht erfüllt zu sein. Die Ab⸗ weichung von § 20 a Abs. 1 kann darin bestehen, daß keine von diesen Taten früher abgeurteilt wurde oder daß der Täter früher nur wegen einer dieser Taten abgeurteilt wurde, während er die anderen Taten nach der Berurteilung be⸗ gangen hat. Sie kann auch darin liegen, daß der Täter zwar schon zweimal verurteilt worden ist, daß aber auf mildere als die im Abs. 1 genannten Strafen erkannt wurde oder daß er die zur Aburteilung stehende Tat vor einer der früheren Ver⸗ urteilungen begangen hat. Unter den im § 20 a Abs. 2 ge⸗ nannten Voraussetzungen kann das Gericht bei jeder abzu⸗ urteilenden Einzeltat nach Maßgabe des § 20 a Abs. 1 auf Zuchthaus erkennen. Hiernach ist jede Einzeltat, auf die die erwähnten Voraussetzungen zutreffen, ein Verbrechen.
§ 20 a Abs. 3 regelt die sogenannte Rückfallsverjährung. Der Täter soll dann nicht mehr als ein gefährlicher Gewohn⸗ heitsverbrecher verurteilt werden können, wenn zwischen den
einzelnen Taten, aus denen auf einen Hang zum Verbrechen
Reichs, und Staatsanzeiger Nr. 277 vom 27. Nobember 193
geschlossen werden könnte, mehr als fünf in der Freiheit ver⸗ brachte Jahre liegen. Ist der Täter wegen einer solchen Tat verurteilt worden, 19 wird diese Frist von der Rechtskraft des Urteils an gerechnet. Nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken vom 9. April 1920 (RGBl. S. 507) scheidet eine Verurteilung auch dann als Verurteilung im Sinne des § 20 a Abs. 1 aus, wenn der Vermerk über sie im Strafregister getilgt worden ist. Durch die Vorschrift des Abs. 4 soll der internationale Verbrecher getroffen werden, der im Ausland wiederholt verurteilt worden ist und darauf seine verbrecherische Tätigkeit ins Inland verlegt.
Zu § 245 a. Besitz veon Diebeswerkzeug.
Der berufsmäßige Eigentumsverbrecher braucht zur
Ausübung seines Handwerks gewisse Hilfsmittel, deren Besitz chon dartut, daß er für die offentliche Sicherheit gefährlich ist. Bei Razzien und der sonstigen polizeilichen Fahndungs⸗ tätigkeit werden Einbrecher, die nach Verbüßung längerer Freiheitsstrafen wieder in die Freiheit gekommen sind, nicht g im Besitz von Einbruchswerkzeug betroffen, ohne daß ie Polizei mit den Waffen des Strafrechts gegen den als gefährlich erkannten Verbrecher vorgehen könnte. Nach dem geltenden Recht muß die Polizei vielmehr abwarten, bis dem Einbrecher neue Diebstähle nachgewiesen werden. Um diese Lücke des geltenden Rechts zu schließen und den Einbrecher schon in einem früheren Stadium seiner verbrecherischen Tätigkeit fassen zu können, schlägt der Entwurf vor, schon den Besitz von Diebeswerkzeug in der Hand von Verbrechern und ihrem Anhang mit Strafe zu bedrohen. Eine ähnliche Strafvorschrift ist auch dem englischen Recht bekannt.
Mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bedroht, wer Diebeswerkzeug in Besitz oder Gewahrsam hat oder von einem anderen für sich verwahren läßt, nachdem er wegen schwerer Eigentumsverbrechen wenigstens einmal verurteilt worden ist und wenn sich nicht aus den Umständen ergibt, daß das Werkzeug nicht zur Verwendung bei strafbaren Handlungen bestimmt ist. An sich kann jedes ehrliche Hand⸗ werkszeug als Hilfsmittel zu Verbrechen dienen, und es gibt kaum Werkzeuge, die nur zur Begehung von Verbrechen be⸗ stimmt sind. Daher ergibt sich in der Regel für derartige Hilfsmittel die Eigenschaft als Diebeswerkzeug nicht aus ihrer Beschaffenheit, sondern aus den Umständen, etwa daraus, daß der Verbrecher eine bestimmte Sammlung von Werkzeugen mit sich führt, die in ihrer charakteristischen Zu⸗ sammensetzung auf die verbrecherische Zweckbestimmung hin⸗ weisen, oder daraus, daß sie sich in der Hand eines der Polizei bekannten Verbrechers befinden, der keinerlei redliche Tätigkeit ausübt, für die das Werkzeug verwendet werden könnte. Demgegenüber bleibt der Entlastungsbeweis möglich, daß das Werkzeug nicht zur Verwendung bei strafbaren Hand⸗ lungen bestimmt ist; es wird meist Sache des Beschuldigten sein, die Umstände namhaft zu machen, die einen solchen Ent⸗ lastungsbeweis darstellen. Ueberzeugt sich das Gericht nicht von der Harmlosigkeit des Werkzeugs, so muß der vorbestrafte Besitzer des Diebeswerkzeugs verurteilt werden. Die Aus⸗ drücke Besitz und Gewahrsam verwendet der Entwurf in dem Sinne, der ihnen in der Vorschrift über die Unterschlagung (§ 246) zukommt. Um auch den mittelbaren Besitz zu treffen, soll strafbar auch derjenige sein, der das Diebeswerkzeug von einem anderen für sich verwahren läßt.
Der Abs. 2 sieht eine ähnliche Strafvorschrift gegen die⸗ jenigen vor, die dem Einbrecher Hilfsdienste leisten, sei es, daß sie Diebeswerkzeug für ihn in Verwahrung nehmen oder es ihm entgeltlich oder unentgeltlich überlassen. Diese Vor⸗ schrift richtet sich vor allem gegen die Kaschemmenwirte und ähnliche Personen, die dem Verbrecher durch Verwahrung des Diebeswerkzeugs Unterstützung gewähren, und gegen die⸗ jenigen Angehörigen der Verbrecherwelt, die die Berufsdiebe mit ihrem Handwerkszeug ausstatten. Bei ihnen ist das Er⸗ ordernis einer früheren Verurteilung nicht vorgesehen, da 8 die Einbrüche in der Regel nicht selbst begehen, sondern es vorziehen, sich im Hintergrund zu halten, und da ihre Verfolgung wegen Teilnahme oder Begünstigung hinsichtlich der begangenen Eigentumsverbrechen meist auf Beweis⸗ schwierigkeiten stößt. Diese Personen sind strafbar, wenn sie wissen oder den Umständen nach annehmen müssen, daß das Werkzeug zur Verwendung bei strafbaren Handlungen be⸗ stimmt ist. Ihr Vorsatz muß sich hiernach auf diesen Ver⸗ wendungszweck erstrecken, und dieser Vorsatz wird widerleg⸗ bar vermutet, wenn sich der genannte Verwendungszweck aus den Umständen ergibt. Das Verwahren oder Ueberlassen von Diebeswerkzeug kann den Tatbestand einer mit schwererer Strafe bedrohten strafbaren Handlung erfüllen, etwa als Beihilfe zum Diebstahl, Begünstigung oder Hehlerei strafbar 8. In diesem Fall gehen die Vorschriften vor, die die chwerere Strafe androhen. “
Die Einziehung des Diebeswerkzeugs ist ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse bindend vorgeschrieben.
Artikel 2. “ Maßregeln der Sicherung und Besserung.
Zu § 42 a. ÜUbersicht über die Maßregeln der Sicherung und Besserung.
Als Maßregeln der Sicherung und Besserung schlug der dem Reichstag vogelegte Entwurf eines ADStGB. die Unter⸗ bringung in einer Heil⸗ oder Pflegeanstalt, die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt, die Unterbringung in einem Arbeitshaus, die Sicherungs⸗ verwahrung, die Schutzaufsicht und die Reichsverweisung vor. Die Schutzaufsicht war keine selbständige Maßregel der Sicherung und Seeng. sondern sollte angeordnet werden können, wenn die Unterbringung in einer Heil⸗ oder Pflege⸗ anstalt, einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt oder einem Arbeitshaus bedingt ausgesetzt wird. Da die bedingte Aussetzung einer Maßregel der Sicherung und Besserung im vorliegenden Entwurf nur zum Teil behandelt wird, ist die Schutzaufsicht im § 42 a nicht genannt. Als neue Sicherungs⸗ maßnahmen sind die Entmannung gefährlicher Sittlichkeits⸗ 8 er und die Untersagung der Berufsausübung vor⸗ gesehen.
Die im geltenden Recht zugelassene Polizeiaufsicht über bestrafte Verbrecher, die ihrem Inhalt nach eine polizeiliche Sicherungsmaßregel ist, ist in die Entwürfe eines ADStGB. nicht übernommen, sondern v durch die Einrichtung der Schutzaufsicht ersetzt worden. Der vorliegende Entwurf läßt hingegen die Polizeiaufsicht bestehen, da ihre Beibehal⸗ tung für den durch den Entwurf verfolgten Zweck unschädlich erscheint und dadurch vermieden werden kann, zahlreiche Be⸗ stimmungen des geltenden Rechts zu ändern, in denen die Zulassung der Polizeiaufsicht düe- Se den ist. Einer Entschei⸗
8 “ 8 1
dung darüber, wie die gesetzbuch zu behandeln gegriffen werden.
Die Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen dem Schutz der Allgemeinheit gegen den Rechtsbrecher. Ein großer Teil der Personen, auf die sie angewandt werden, stellt eine Gefahr für die Volksgemeinschaft nicht nur durch ihr ver⸗ brecherisches Handeln, sondern auch durch die Belastung des Volkes mit einer minderwertigen Nachkommenschaft dar. Die Aufgabe, das Volksganze vor der minderwertigen Nach⸗ kommenschaft erbkranker Verbrecher zu chützen, liegt auf dem Gebiet der Eugenik, nicht des Strafrechts. Sie wird, wenn diese Frage für eine gesetzliche Regelung reif geworden sein wird, nicht im Se E een sondern in einer Novelle zu dem Gesetz über die Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 529) zu behandeln sein. Soweit aber jetzt schon Gewohnheitsverbrecher als erbkrank im Sinne dieses Gesetzes unfruchtbar gemacht werden können, wird es Aufgabe der Justizbehörden sein, das Eingreifen des zustän⸗ digen Erbgesundheitsgerichts zu veranlassen.
Polizeiaufsicht im kommenden Straf⸗ sein wird, soll dadurch nicht vor⸗
Zu § 42 b. Unterbringung ineiner Heil⸗oder Pflegeanstalt.
EGegen den verbrecherischen Geisteskranken versagte das Strafrecht bisher. Ergibt sich die Zurechnungsunfähigkeit oder verminderte Zurechnungsfähigkeit des Täters, so beschränkt sich nach serigem Recht das Gericht darauf, den Zurech⸗ nungsunfähigen freizusprechen, den vermindert Zurechnungs⸗ fähigen zu Strafe zu verurteilen. Was weiter mit dem Frei⸗ gesprochenen oder Verurteilten geschieht, ist dem Einfluß des Strafrichters entzogen. Der Entwurf weist die Aufgabe, die Volksgemeinschaft vor gefährlichen Zurechnungsunfähigen und vermindert Zurechnungsfähigen zu schützen, dem Strafrichter zu, wenn sie objektiv gegen die Strafgesetze verstoßende Hand⸗ lungen begangen haben. Das Einschreiten gegen Geisteskranke, deren Gefährlichkeit sich nicht aus der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, sondern aus sonstigen Umständen ergibt, bleibt nach wie vor Aufgabe der Verwaltungsbehörde, deren konkurxierende Zuständigkeit neben der des Straf⸗ richters auch für die übrigen Fälle unberührt bleibt.
Die Anordnung der Unterbringung in einer Heil⸗ oder Pflegeanstalt durch den Strafrichter setzt bei einem Zu⸗ rechnungsunfähigen voraus, 2 dieser eine mit Strafe be⸗ drohte Handlung begangen hat, d. i. eine Handlung, die straf⸗ bar wäre, wenn nicht infolge der Zurechnungsunfähigkeit dem Täter die Schuld im strafrechtlichen Sinne fehlen würde. Die Zurechnungsunfähigkeit muß sich dabei aus den in den § 51 Abs. 1, § 58 Abs. 1 genannten Gründen ergeben. Die Maß⸗ nahme scheidet daher aus für die als zurechnungsunfähig geltenden Personen unter 14 Jahren und für solche Jugend⸗ liche, die nur deshalb nicht strafbar sind, weil sie zur Zeit der Tat nach ihrer geistigen oder sittlichen Entwicklung unfähig waren, das Ungesetzliche der Tat einzusehen oder ihren Willen dieser Einsicht gemäß zu bestimmen. Bei vermindert Zurechnungsfähigen ist die Anordnung nur zulässig, wenn zugleich auf Strafe erkannt wird. Die Anordnung der Unterbringung setzt weiter voraus, daß die öffentliche Sicher⸗ heit sie erfordert, daß also von dem Täter weitere Angriffe auf strafrechtlich geschützte Güter irgendwelcher Art zu be⸗ sorgen sind und diese Gefahr auf andere Weise nicht gebannt werden kann. Uebertretungen scheiden mit Rücksicht auf ihre Geringfügigkeit als Grundlage für die Anordnung der Unterbringung in einer Heil⸗ oder Pflegeanstalt aus.
Nach den früheren Entwürfen sollte der Strafrichter die Unterbringung in einer Heil⸗ oder Pflegeanstalt nur an⸗ ordnen können, wenn der Täter nach Maßgabe der Straf⸗ prozeßordnung vor Gericht gestellt wird. Dies aber ist nach dem geltenden Recht bei Zurechnungsunfähigen nur möglich, wenn sich die Zurechnungsunfähigkeit erst nach der Er⸗ hebung der Klage herausstellt. Diese Einschränkung wird durch die Einführung eines Sicherungsverfahrens im Ent⸗ wurf eines Ausführungsgesetzes beseitigt.
Zu § 42 c. Unterbringung in einer Trinker⸗ heilanstalt oder Entziehungsanstalt. Als Maßregel der und Besserung gegen den
Mißbrauch von “ sieht der Entwurf die Unter⸗
bringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer ntziehungs⸗
anstalt vor. Die Bestimmung steht im Zusammenhang mit § 330 a, der für den Fall, daß das begangene Delikt dem
Täter wegen Volltrunkenheit nicht zugerechnet werden kann,
den selbst verschuldeten Rausch mit Strafe bedroht. In
beiden Bestimmungen sind den geistigen Getränken andere be⸗ rauschende Mittel gleichgestellt. Darunter versteht der Ent⸗ wurf solche Mittel, die ähnlich berauschend oder betäubend wirken wie geistige Getränke, beispielsweise Aether, Kokain,
Haschisch, Opium und Morphin.
Die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt kann stets nur neben einer Strafe ange⸗ ordnet werden. Sie setzt voraus, daß andere Vorkehrungen nicht genügen, um den Täter an ein gesetzmäßiges und ge⸗ ordnetes Leben zu gewöhnen.
Zu § 42 d. Unterbringung in einem
Arbeitshaus. “
Das geltende Recht kennt die Einweisung in ein Arbeits⸗ haus außer bei den Uebertretungen des § 361 Nr. 3 bis 8. des Strafgesetzbuchs (Landstreichen, Betteln, Gewerbsunzucht, Arbeitsscheu usw.) auch für Zuhälter (§ 181 a) und Spieler (§ 285 a). Es gestattet dem Gericht in diesen Fällen, den Ver⸗ urteilten der Landespolizeibehörde zu überweisen. Auf Grund dieser Anordnung erhält die Landespolizeibehörde die Be⸗ fugnis, den Verurteilten bis zu zwei Jahren in einem Ar⸗ beitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden. Der vorliegende Entwurf sieht die Unter⸗ bringung in einem Arbeitshaus nur bei den Uebertretungen des § 361 Nr. 3 bis 8 des Strafgesetzbuchs vor. Die Maß⸗ regel verfolgt den Zweck, Menschen zur Arbeit und ge⸗ ordneten Lebensführung anzuhalten, die infolge widriger Lebensschicksale oder ihrer Anlage haltlos und unfähig ge⸗ worden sind, 12 durch eigene Kraft aus geistiger, sittlicher oder körperlicher Verwahrlosung herauszureißen, in der sie zu versinken drohen. Mit Rücksicht auf diese Zweckbestimmung setzt die Anordnung bei Bettlern voraus, daß sie infolge Arbeitsscheu, Liederlichkeit oder haben. Dadurch werden diejenigen Fälle ausgeschieden, wo jemand in einer schweren Notlage oder wegen seiner Arbeits⸗ unfähigkeit die Mildtätigkeit seiner Mitmenschen anruft. Aus dem gleichen Grund ist für die Anordnung bei Ver⸗ urteilungen auf Grund des § 361 Nr. 6 (Belästigung anderer durch Auffordern oder Anbieten zur Unzucht) Voraussetzung, daß der Täter gewohnheitsmäßig zum Erwerbe Unzucht
gewerbsmäßig gebettelt
treibt. Für Zuhälter und Spieler hingegen ist die Unter⸗ bringung in einem Arbeitshaus nicht mehr vorgesehen, da sich ergeben hat, daß sie zu den übrigen Elementen, die der Behandlung im Arbeitshaus unterworfen werden, in allet Regel nicht passen. Der Zuhälter ist meistens eine Ver⸗ brechernatur und ein strenger Strafvollzug für ihn ange⸗ messener als die Unterbringung in einem Arbeitshaus. Der Entwurf ersetzt für ihn das Arbeitshaus durch eine Ver⸗ schärfung des Strafrahmens (§ 181 a). Der Spieler wird 2r ö besser in der Strafanstalt als im Arbeitshaus an⸗ gehalten.
Die in einem Arbeitshaus ersetzt hier⸗ nach die im geltenden Recht vorgesehene Ueberweisung an die Landespolizeibehörde. Die Vorschrift des § 362 Abs. 4, nach der Ausländer, gegen die auf Ueberweisung an die Landespolizeibehörde erkannt ist, aus dem Reichsgebiet ver⸗ wiesen werden können, ist durch § 42 m Abs. 2 ersetzt.
Gegen Arbeitsunfähige darf auf Unterbringung im Arbeitshaus nicht erkannt werden, da sie nicht zur Arbeit an⸗ gehalten werden können. Ergibt sich ihre Arbeitsunfähigkeit aber erst im Laufe der Unterbringung, so gestattet der Ent⸗ wurf, sie in einem Asyl unterzubringen, sofern der weitere Zweck der Unterbringung, nämlich die Gewöhnung an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben, dies erfordert.
Zu § 42 e. Sicherungsverwahrung.
Durch die im § 20 a vorgesehene Strafschärfung sind de
Gefahren, die der öffentlichen Sicherheit von Gewohnheits⸗ verbrechern drohen, nicht hinreichend beseitigt. Da auch di geschärfte Strafe eine zeitige Freiheitsstrafe bleibt, müßte der Verbrecher nach ihrer Verbüßung wieder auf freien Fuß ge setzt werden, und zwar auch dann, wenn kein Zweifel dar über besteht, daß der Strafvollzug ihn nicht gebessert hat und er die Freiheit zu neuen Verbrechen “ wird Diesem Übelstand könnte durch die Verhängung lebensläng⸗ licher Freiheitsstrafen gesteuert werden. Allein es würde dann der Grundsatz, daß jede Strafe Sühne für die begangene Tat sein soll, in denjenigen Fällen verlassen werden, in denen die lebenslängliche Freiheitsstrafe in keinem Verhältnis zu der begangenen Tat steht. Die Verwahrung eines Verbrechers über eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe hinaus ist aber nicht erforderlich, um die begangene Tat zu sühnen, sondern um die Allgemeinheit vor weiteren Verbrechen zu sichern. Dieser Zweck wird durch die Sicherungsverwahrung erreicht, die den Behörden das Recht gibt, den Verurteilten auch nach verbüßter Strafe so lange in Verwahrung zu halten, als er eine Gefahr für die Allgemeinheit bildet.
Die Verschiedenheit der Zwecke der Strafe und der Sicherungsverwahrung muß sich auch beim Vollzug aus⸗ wirken. Bei dem Vollzug der Sicherungsverwahrung ist zu beachten, daß der Gefangene seine Straftat durch die Ver⸗ büßung der Freiheitsstrafe gesühnt hat und daß der Zweck der Sicherungsverwahrung sich darin erschöpft, die All⸗ gemeinheit vor künftigen Straftaten des Verwahrten zu sichern. Bei dem Vollzug der Sicherungsverwahrung muß daher der Gesichtspunkt der Sühne und der Vergeltung aus⸗ scheiden. Die Verwahrung beschränkt sich unbeschadet der Gewöhnung des Verwahrten an Zucht und Ordnung auf eine mit Arbeitszwang verbundene Freiheitsentziehung, bei der die Verhütung des Entweichens und die unbedingte Sicherheit der Verwahrung im Vordergrund steht. Soweit es mit diesem Ziel vereinbar ist, können dem Verwahrten Vergünstigungen gewährt werden, die bei dem Vollzug der Zuchthausstrafe um der Sühne und Vergeltung willen aus⸗ geschlossen sind.
sach den Entwürfen eines ADStGB. sollte das Gericht nur ermächtigt, nicht aber verpflichtet sein, die Sicherungs⸗ verwahrung gegen denjenigen anzuordnen, der als ein ge⸗ ährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt wird. Durch die
eschlüsse der Reichstagsausschüsse war die Sicherungsver⸗ wahrung in früheren Entwürfen ferner an die weitere Vor⸗ aussetzung gebunden worden, daß der Täter früher schon ein⸗ mal zum Tode oder zu Zuchthaus verurteilt worden war. Der vorliegende Entwurf sieht von diesen Einschränkungen ab und schreibt die Anordnung der Sicherungsverwahrung bindend vor, wenn der Täter als ein gefährlicher Gewohn⸗ heitsverbrecher verurteilt wird und die öffentliche Sicherheit seine Sicherungsverwahrung erfordert. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung scheidet hiernach aus, wenn andere “ einen ausreichenden Schutz der Allgemeinheit verbürgen. Sie wird z. B. nicht erforderlich sein, wenn ihr Zweck schon durch die Strafe erreicht wird, etwa bei Ver⸗ urteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe oder zu einer Strafe von solcher Dauer, daß der Verbrecher bei seiner Ent⸗ lassung wegen seines Alters nicht mehr gefährlich sein wird.
Zu § 42 f. Dauer der Unterbringung.
In den §§ 42 f bis 421 stellt der Entwurf einige Grund⸗ sätze auf, die für die mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung von grund⸗ legender Bedeutung sind. Im übrigen ist es den von den Landesregierungen zu vereinbarenden Grundsätzen über⸗ lassen, entsprechend den Grundsätzen über den Vollzug von Freiheitsstrafen die näheren Vorschriften über den Vollzug der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung zu treffen.
Von der Freiheitsstrafe ist die Unterbringung in einer Heil⸗ oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder Ent⸗ ziehungsanstalt, einem Arbeitshaus und die Sicherungsver⸗ wahrung durch ihre unbestimmte Dauer unterschieden. Die Dauer der Freiheitsstrafe wird von vornherein festgesetzt und kann nur in engen Grenzen durch die bedingte Strafaus⸗ setzung abgekürzt, niemals aber verlängert werden. Für die mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Siche⸗ rung und Besserung gilt hingegen der wichtige Grundsatz, daß die Unterbringung solange dauert, als ihr Zweck es er⸗ fordert. Diese Maßregeln werden hiernach nicht länger voll⸗ zogen, als sie zum Schutze der Allgemeinheit erforderlich sind. Der Untergebrachte wird aber andererseits solange nicht frei⸗ gelassen, als er der öffentlichen Sicherheit noch gefährlich ist. Nur für die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt und die erstmalige Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl ist eine Höchstdauer von zwei Jahren vorgesehen. Für die Rauschgiftsüchtigen dürfte nach den bisherigen Erfahrungen, wenn überhaupt Aussicht auf Heilung besteht, ein Zeitraum von zwei Jahren genügen, um den gewünschten Erfolg herbeizuführen. Beim Arbeitshaus soll der Untergebrachte zum erstenmal nur be⸗ fristet verwahrt werden.
Da die Unterbringung solange dauern soll, als ihr Zweck es erfordert, muß die Notwendigkeit der weiteren Unter⸗ bringung von Zeit zu Zeit nachgeprüft werden. Der Ent⸗