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Reich
g, und Staatsanzeiger Nr. 58 vom 9. März 1936. E. 2
Aus dem Geiste dieses Vertrages kam bei seiner engen
Verbindung mit der Konstitnierung der Gemeinschaft der Nationen die Vorbelastung des Völkerbundes und damit auch dessen Ent⸗ wertung. Seitdem besteht die Diskrepanz zwischen der durch den Friedensvertrag eingeteilten Welt in Besiegte, d. h. Rechtlose, und Sieger, d. h. allein Berechtigte, und den allein denkbaren Grund⸗ sätzen des Völkerbundes als eine Gemeinschaft freier und gleicher Nationen. Aus der geistigen Atmosphäre dieses Vertrages heraus kam auch die kurzsichtige Behandlung zahlreicher politischer und ökonomischer Fragen der Welt. Völkergrenzen wurden gezogen, nicht nach den klaren Notwendigkeiten des Lebens und der Beruck⸗ sichtigung gegebener Traditionen, sondern beherrscht von dem Ge⸗ danken der Rachsucht und der Vergeltung und damit wieder begleitet von den Gefühlen der Angst und der Befürchtungen gegenüber der sich daraus möglicherweise erhebenden Revanche. Es gab einen Augenblick, da hätten es die Staatsmänner in der Hand gehabt, durch einen einzigen Appell an die Vernunft und auch an as Herz der Soldaten der kämpfenden Millionen⸗Armeen der Völker eine brüderliche Verständigung einzuleiten, die der Welt vielleicht auf Jahrhunderte für das Zusammenleben der Nationen und Staaten unendliche Erleichterungen geschenkt haben würde. Es geschah nur das Gegenteil. Das Schlimmste aber ist, daß der Geist des Hasses dieses Vertrages überging in die allgemeine Mentalität der Völker, daß er die öffentliche Meinung zu infizieren und damit zu beherrschen anfing, und daß nun aus diesem Geist des Hasses heraus die Unvernunft zu triumphieren begann, die die natürlichsten Probleme des Völkerlebens, ja selbst die eigensten Interessen, verkannte und mit Gift verblendeter Leidenschaften zerstörte. „Daß die Welt heute von sehr viel Unheil heimgesucht wird, ist weder zu übersehen, noch zu bestreiten. Das Schlimmste aber ist, daß aus dem Geist dieser Verbohrtheit heraus nicht nur die Ursachen dieses Unglücks nicht gesehen werden wollen, sondern daß man sich geradezu an diesem Unglück weidet und in der öffent⸗ lichen Diskussion mit mehr oder weniger großer Schadenfreude feststellt, wie bedroht oder gefährdet die Lebensmöglichkeiten des einen oder anderen Volkes sind. Daß die Welt zum Beispiel kein Verständnis aufbringen will für die Ursachen über die Schwere der Lebensbehauptung des deutschen Volkes ist bedauerlich. Geradezu erschütternd aber ist, jeden Tag in soundso viel Presse⸗ organen lesen zu können, mit welcher Befriedigung man die Sorgen wahrnimmt, die das Leben unseres Volkes zwangsläufig begleiten. Soweit es sich um belanglose Literaten handelt, mag dies noch hingehen. Böse aber ist es, wenn auch Staatsmänner beginnen, in den ersichtlichen oder vermeintlichen Anzeichen von Not und Elend eines Volkes erfreuliche Momente für die Be⸗ urteilung der allgemeinen Lage und ihrer Zukunft zu sehen. Dies begann aber im Jahre 1918. Damals setzte in besonders eindringlicher Weise jene „Staatskunst“ ein, die durch Unvernunft Probleme schafft, um dann an ihrer Lösung zu verzagen oder fortgesetzt angsterfüllt aufzukreischen. Jene Unvernunft, die gänzlich übersieht, daß ungeschichtliche staatliche Volkszerreißungen nicht den geschichtlichen tatsächlichen Faktor eines Volkes beseitigen, sondern nur die mögliche Wahrnehmung der Lebensinteressen, die Organisierung der Lebensbehauptung erschweren oder sogar un⸗ möglich machen. Das war jene Unvernunft, in der man z. B. im Falle Deutschland einer 65⸗Millionen⸗Nation mit wissenschaftlicher Methodik erst alle möglichen Lebensstränge nach außen abschnitt, alle wirtschaftlichen Verbindungen raubte, alle Auslandskapitalien konfiszierte, den Handel vernichtete, dann dieses Volk mit einer unvorstellbaren astronomischen Schuld belastete, ihm endlich, um diese Schuld abtragen zu können, ausländische Krediter 6 um die Kredite verzinsen zu können, einen Export um jeden Preis heranzüchtete, endlich die Absatzmärkte vermauerte, dieses Volk somit einer furchtbaren Verarmung und Verelendung entgegen⸗ trieb und nun über mangelnde Zahlkraft oder den bösen Willen klagte. Das aber bezeichnet man dann als „weise Staatskunst’
. Meine Abgeordneten des deutschen Reichstages! Wenn ich
diese G psychologischen Probleme immer so ausführlich behandle, so geschieht es, weil ich der Ueberzeugung bin, daß man ohne eine Um⸗ stellung in der geistigen Betrachtung der Ausgestaltung unserer internationalen Völkerbeziehungen niemals zu dem Resultat einer wirklichen Befriedung der Menschheit kommen wird. Auch die heutigen schicksalsschweren Spannungen, die wir in Europa er⸗ leben, verdanken ihre Entstehung dieser wahrhaft brüllenden Unvernunft, mit der man glaubt, mit den natürlichsten Belangen der Völker umspringen zu können. Es gibt heute Politiker, die sich nur dann sicher zu fühlen scheinen, wenn das innere Ver⸗ hältnis der angrenzenden Völker zu ihren Lebensmöglichkeiten ein möglichst ungünstiges ist. Und zwar: je ungünstiger, um so ““ scheint ihnen der Erfolg ihrer weitschauenden Politik Ich möchte, daß das deutsche Volk an dieser Unvernunft lernt und selbst nicht in ähnliche Fehler verfällt. Ich möchte, daß die deutsche Nation lernt, in Völkern geschichtliche Realitäten 8 sehen, die der Phantast wohl wegwünschen kann, die aber tat⸗ ächlich gar nicht wegzudenken sind. Daß es unvernünftig ist, diese geschichtlichen Realitäten in einen Gegensatz bringen zu wollen zu den Erfordernissen ihrer möglichen Lebensbehauptung und zu ihren verständlichen Lebensansprüchen. Ich möchte daher, daß das deutsche Volk die inneren Beweggründe der national⸗ e Außenpolitik versteht, die es z. B. auch als sehr chmerzlich empfindet, daß der Zugang eines 33⸗Millionen⸗Volkes zum Meer über einstiges Reichsgebiet führt, die es aber als un⸗ vernünftig, weil unmöglich erkennt, einem so großen Staat den Zugang zum Meer einfach abstreiten zu wollen., Es kann nicht der Sinn und der Zweck einer überlegenen Außenpolitik sein, Zustände herbeizuführen, die dann zwangsläufig sofort nach ihrer Veränderung schreien würden. Es ist wohl möglich, daß, be⸗ sonders unter Berufung auf die „Macht“, Politiker solche Ver⸗ gewaltigungen natürlicher Lebensinteressen vornehmen können, allein je mehr und je häufiger und in je schwereren Fällen dies geschieht, um so größer wird der Druck nach einer Entladung der aufgespeicherten und vergewaltigten Kräfte und Energien sein. Dies führt dann zur Häufung immer neuer Mittel zur Abwehr und steigert damit wieder zwangsläufig den Gegendruck der zu⸗ sammengepreßt werden sollenden Lebensenergien des betroffenen Volkes. Und dann liegt die Welt in angstvoller Unruhe und Ahnung drohender Explosionen und will nicht erkennen, daß in Wirklichkeit nur die Unvernunft seiner sogenannten Staats⸗ männer an diesen bedrohlichen Entwicklungen schuld ist. Wieviel Sorgen würden der Menschheit und besonders den europäischen Völkern erspart geblieben sein, wenn man natürliche und selbst⸗ verständliche Lebensbedingungen respektiert und bei der politischen Gestaltung des europäischen Lebensraumes sowohl als auch bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit berücksichtigt haben würde. Dies aber scheint mir unbedingt erforderlich zu sein, wenn man in der Zukunft bessere und befriedigendere Resultate er⸗ reichen will als jetzt. Und dies gilt besonders für Europa. Die europäischen Völker stellen nun einmal eine Familie auf dieser Welt dar. Oft etwas streitsüchtig, aber trotz alledem miteinander verwandt, verschwistert und verschwägert, geistig und kulturell sowohl als wirtschaftlich voneinander nicht zu trennen, ja nicht einmal auseinander zu denken. Jeder Versuch, die europäischen
Probleme anders als nach den Gesetzen einer kühlen und über⸗
legenen Vernunft zu. sehen und zu behandeln, führt zu Reaktionen, die für alle unangenehm sein werden. Wir leben in einer Zeit des inneren sozialen und gesellschaftlichen Ausgleichs der Völker. Der Staatsmann, der den Sinn dieser Zeit nicht erkennt und in dieser Richtung nicht auf den Wegen von Konzessionen aus⸗ gleichend in seinem Volke die Spannungen zu mildern und wenn
möglich zu beseitigen versucht, wird eines Tages den Explosionen
erliegen, die dann zwangsläufig entweder den Ausgleich herbei⸗ führen werden oder, was noch wahrscheinlicher ist, zunächst yein chaotisches Trümmerfeld zurücklassen. Es ist weise von einer Staatsführung, der turbulenten Unvernunft die Zügel anzu⸗ legen, allein dann aber auch dem ersichtlichen Drange der Zeit zu gehorchen und überlegen zu jenem sozialen Ausgleich hinzu⸗ steuern, der das eine Extrem abbaut, ohne deshalb dem anderen Extrem zu erliegen. Es läßt sich heute für Europa die Prophezeiung aussprechen, daß dort, wo dieser Prozeß nicht in so uͤberlegener Weise geleitet wird oder gar mißlingt, die Spannungen zunehmen werden, um endlich, dem geistigen Zuge dieser Zeit gehorchend, von selbst zum Ausgleich zu drängen. Es gehört aber auch zur Weisheit des Aufbaues und der Erhaltung einer Völkerfamilie, wie diese in Europa gegeben ist, diese innerstaatlichen Gesetze auch überstaatli ch anzuwen⸗ den. Es ist wenig klug, sich einzubilden, auf die Dauer in einem o beschränkten Hause wie Europa eine Völkergemeinschaft ver⸗ chiedener Rechtsordnung und Rechtswertung aufrechterhalten zu können. Jeder solcher Versuch führt zu einer Aufladung der Willensenergien bei den von dem Unrecht Betroffenen und da⸗ mit natürlich wieder zu einer Aufladung der Angstpsychose bei den Schuldigen. Ich halte aber eine solche Entwicklung nicht. nur für nicht vernünftig, sondern im Gegenteil für sinnlos und außerdem für sehr gefährlich. Ich halte sie für besonders kritisch, wenn dazu noch eine geistige Verhetzung stattfindet, die, aus⸗ gehend von kurzsichtigen Literaten und international bekannten Unruhestiftern, hinter dieser Unvernunft auch noch die Leiden⸗ schaft aufgepeitschter und verwirrter Volksmassen mobilisiert. Wenn ich diese Befürchtungen ausspreche, dann drücke ich nur das aus, was Millionen Menschen ahnen, fühlen oder erleben, ohne sich vielleicht über die tieferen Ursachen Rechenschaft ab⸗ legen zu können. Ich habe aber ein Recht dazu, vor Ihnen, meine Herren Abgeordneten des Reichstages, diese meine Auf⸗ fassungen klarzulegen, weil sie zugleich die Erklärung sind für unser eigenes politisches Erleben, für unsere Arbeit im Innern des Volkes als auch für unsere Stellungnahme nach außen.
Wenn die übrige Welt oft von einer „deutschen Frage“ syricht, dann wird es zweckmäßig sein, sich zugleich eine objektive Klarheit über das Wesen dieser Frage zu verschaffen. Für gar manche be⸗ steht diese „Frage“ im deutschen Regime, in dem gar nicht be⸗ griffenen Unterschied des deutschen Regimes gegenüber dem anderen Regime, in der als bedrohend empfundenen sogenannten „Auf⸗ rüstung“ und in all dem, was man in der Folge dieser Aufrüstung als Fata Morgana zu sehen vermeint. Diese Frage besteht für viele in der behaupteten Kriegslust des deutschen Volkes, in den schlummernden Angriffsabsichten oder in der teuflischen Geschicklich⸗ keit der Ueberlistung seiner Gegner. “
Nein, meine Herren Politikaster! Die deutsche Frage besteht in etwas ganz anderem.
Hier leben auf einem sehr begrenzten und nicht überall frucht⸗ baren Boden 67 Millionen Menschen. Das sind rund 136 auf einen Quadratkilometer. Diese Menschen sind nicht weniger fleißig als die anderer europäischer Völker, aber auch nicht weniger anspruchs⸗ voll. Sie sind nicht weniger intelligent, aber auch nicht weniger lebenswillig. Sie haben genau so wenig Sehnsucht, sich für eine Phantastik um jeden Preis heroisch totschießen zu lassen als etwa
der Franzose oder der Engländer. Sie sind aber auch nicht feiger,
und auf keinen Fall sind sie etwa ehrloser als die Angehörigen anderer europäischer Völker. Sie sind einst in einen Krieg hinein⸗ gerissen worden, an den sie so wenig glaubten wie andere Europäer und für den sie auch genau so wenig verantwortlich waren. Der heutige junge Deutsche von 25 Jahren war zur Zeit der Vor⸗ geschichte und des Beginn des Krieges gerade ein Jahr alt. Also wohl kaum verantwortlich zu machen für diese Völkerkatastrophe. Ja, selbst der jüngste Deutsche, der dafür verantwortlich hätte sein können, war bei der damaligen Festsetzung des deutschen Wahlalters 25 Jahre alt. Er zählt somit heute zumindest 50 Jahre. Daß heißt, die überwältigende Mehrzahl der Männer des deutschen Volkes hat den Krieg einfach zwangsläufig mitgemacht, wie die Masse des über⸗ lebenden französischen oder englischen Volkes auch. Wenn sie an⸗ ständig waren, dann haben sie damals genau so ihre Pflicht erfüllt, sofern sie schon das Alter dazu besaßen, wie dies jeder anständige Franzose und Engländer tat. Wenn sie unanständig waren, haben sie dies unterlassen und vielleicht verdient oder für die Revolution gearbeitet. Diese sind aber heute gar nicht mehr in unseren Reihen, sondern sie leben zum größten Teil als Emigranten bei irgend⸗ welchen internationalen Gastgebern. Dieses deutsche Volk hat genau soviel Vorzüge als andere Völker und natürlich auch genau so viele Nachteile und Gebrechen. Die deutsche Frage lag nun darin, daß diefes Volk z. B. noch im Jahre 1935 für eine Schuld, die es nie begangen hat, eine Minderberechtigung tragen soll, die für ein ehr⸗ liebendes Volk unerträglich, für ein fleißiges Volk leidvoll und für ein intelligentes Volk empörend ist. Die deutsche Frage besteht weiter darin, daß man durch ein System unvernünftiger Hand⸗ lungen, Maßnahmen, haßerfüllter Verhetzungen sich bemüht, den an sich schon sehr schweren Kampf um die Lebensbehauptung noch mehr zu erschweren. Und nicht nur künstlich, sondern widernatür⸗ lich und unsinnig zu erschweren. Denn es hat von dieser Er⸗ schwerung der deutschen Lebenshaltung die übrige Welt nicht den gerinosten Vorteil. . 1
Auf den deutschen Menschen trifft pro Kopf der Bevölkerung 18 mal weniger Grund als z. B. auf einen Russen. Es ist verständlich, wie schwer allein dadurch der Lebenskampf um das tägliche Brot sein kann und es auch ist, ohne die Tüchtigkeit und den Fleiß des deutschen Bauern und die organisatorische Fähigkeit des deutschen Volkes wäre eine Lebensführung für diese 67 Mil⸗ lionen kaum denkbar. Was aber soll man nun von der geistigen Einfalt jener halten, die diese Schwierigkeiten vielleicht sogar erkennen und sich dennoch kindlich in Presseartikeln, Publikationen und Vorträgen über unser Elend freuen, ja geradezu trium⸗ phierend jedem Anzeichen dieser unserer inneren Not nachspüren, um sie der anderen Welte⸗mitteilen zu können! Sie würden anscheinend glücklich sein, wenn diese Not bei uns noch viel größer wäre, wenn es uns nicht gelänge, durch Fleiß und In⸗ telligenz sie immer wieder erträglich zu machen.ü Sie haben keine Ahnung davon, daß die deutsche Frage ein ganz anderes Gesicht bekommen würde, wenn erst einmal die Fähigkeit und der Fleiß dieser Millionen erlahmen und damit nicht nur das Elend, sondern auch die politische Unvernunft ihren Einzug halten würden. Und dies ist eine der deutschen Fragen, und die Welt kann nur interessiert sein daran, daß diese Frage der Sicherung der deutschen Lebenshaltung von Jahr zu Jahr erfolgreich ge⸗ löst werden kann, genau so wie ich wünsche, daß auch das deutsche Volk die in seinem eigensten Interesse liegende glückliche Lösung dieser Lebensfragen bei anderen Völkern begreift und würdigt.
Die Meisterung dieser Frage in Deutschland ist aber zunächst eine Angelegenheit des deutschen Volkes selbst und brauchte die übrige Welt überhaupt nicht zu interessieren. Sie berührt die Interessen anderer Völker nur insofern, als das deutsche Volk bei der Lösung dieser Frage gezwungen ist, wirtschaftlich als Käufer und Verkäufer auch mit den anderen Völkern Verbin⸗ dungen aufzunehmen. Und hier würde es wieder nur im Interesse dieser anderen Welt liegen, diese Frage zu verstehen, d. h. zu be⸗ greifen, daß der Schrei nach Brot bei einem 40⸗, 50⸗oder 60⸗Mil⸗ lionen⸗Volk nicht eine ausgekochte Boshaftigkeit des Regimes oder bestimmter Regierungen ist, sondern eine natürliche Aeußerung des Dranges zur Lebensbehauptung. Und das satte Völker ver⸗ nünftiger sind als hungrige und daß nicht nur die eigenen Regierungen interessiert sein follen an einer ausreichenden Er⸗ nährung ihrer Bürger, sondern ebenso auch die umliegenden Staaten und Völker. Und daß daher die Ermöglichung einer solchen Lebensbehauptung im höchsten Sinne, des Wortes im Interesse aller liegt. Es blieb der Vorkriegszeit vorbehalten, die gegenteilige Auffassung zu finden und selbst als Kriegsgrund zu vroklamieren, nämlich die Meinung. daß ein Teil der europäi⸗ schen Völkerfamilie um so besser fahren würde, je schlechter es dem
anderen ginge.
Das deutsche Volk braucht keine besonderen Beihilfen
zu seiner Fbergsbehanptun. Es will nur leine schlech⸗
keren Chancen besitzen, als sie auch anderen Völkern gegeben sind. Dies aber ist die eine deutsche Frage.
Und die zweite deutsche Frage ist folgende: Weil der außerordentlich unglücklichen allgemeinen Verhältnisse und Voraussetzungen der wirtschaftliche Lebenskampf des deutschen Volkes sehr schwer ist, die Intelligenz, der Fleiß und damit der natürliche Lebensstandard aber sehr hoch sind, ist eine außer⸗ ordentliche Anspannung aller Kräfte notwendig, um diese deutsche erste Frage zu meistern. Es kann dies aber überhaupt nur dann gelingen, wenn dieses Volk auch nach außen hin das Gefühl. der politischen Gleichberechtigung und damit der politischen Sicher⸗ heit besitzt. Es ist unmöglich, ein Volk von Ehrgefühl und von Tapferkeit in der Welt auf die Dauer als Heloten halten oder gar leiten zu können. Es gibt keine bessere Bestätigung für die angeborene Friedensliebe des deutschen Volkes, als die Tatsache, daß es sich trotz seiner Fähigkeit und trotz seiner Tapferkeit, die wohl auch von den Gegnern nicht bestritten werden können, sowie trotz seiner großen Volkszahl nur einen so bescheidenen Anteil am Lebensraum und an den Lebensgütern der Welt gesichert hat. Allein gerade diese immer mehr nach innen gewandte Art des deutschen Wesens verträgt es nicht, in unwürdiger Weise entrechtet oder mißhandelt zu werden.
Indem der unselige Friedensvertrag von Versailles die ge⸗ schichtlich geradezu einzige Verewigung eines Kriegsausganges nach der moralischen Seite hin festlegen wollte, hat er jene deutsche Frage geschaffen, die ungelöst eine kritische Belastung Europas und gelöst eine Befreiung Europas darstellt.
Und ich habe mir nach der Unterzeichnung des Friedensver⸗ trages im Jahre 1919 vorgenommen, diese Frage einmal zu lösen. Nicht, weil ich Frankreich oder irgend einem anderen Staat etwas uleide tun will, sondern weil das deutsche Volk auf die Dauer
as ihm zugefügte Leid nicht tragen kann, nicht tragen soll und nicht tragen will!
Im Jahre 1932 stand Deutschland am Rande des bolschewi⸗ stischen Zusammenbruchs. Was dieses Chaos in einem so großen Staat für Europa bedeutet haben würde, werden ja vielleicht einzelne europäische Staatsmänner in der Zukunft an anderen Orten noch Gelegenheit erhalten, zu studieren. Ich habe aber jedenfalls die Ueberwindung dieser äußerlich gerade eüechase n am sichtbarsten in Erscheinung tretenden Krise des deutschen Volkes nur erreicht, durch die Mobilisierung der allgemeinen sitt⸗ lichen und moralischen Werte der deutschen Nation. Der Mann, der Deutschland vom Bolschewismus retten wollte, der mußte die Frage der deutschen Gleichberechtigung zur Entscheidung und damit zur Lösung bringen. Nicht, um anderen Völkern ein Leid zuzu⸗ fügen, sondern im Gegenteil, um ihnen durch die Verhinderung des Hereinbrechens eines im letzten Ausmaße für Europa gar nicht vorstellbaren Ruins, vielleicht sogar noch ein großes Leid zu ersparen. Denn die Wiedergewinnung der deutschen Gleichberech⸗ tigung hat dem französischen Volk nichts Schmerzliches zugefügt. Allein der rote Aufruhr und der Zusammenbruch des Deutschen Reiches hätten der europäischen Ordnung und der europäischen Wirtschaft einen Schlag versetzt, von dessen Folgen die meisten europäischen Staatsmänner leider keine richtige Vorstellung be⸗ sitzen. Dieser Kampf um die deutsche Gleichberechtigung, den ich nun 3 Jahre lang führte, ist nicht die Aufrichtung einer europä⸗ ischen Frage, sondern ihre Lösung.
Es ist ein wahrhaft tragisches Unglück, daß gerade durch den Versailler Friedensvertrag ein Buftan geschaffen wurde, an dessen Beibehaltung das französische olk glaubte besonders u sein. So wenig reale Vorteile dieser Zustand für den einzelnen Franzosen in sich bergen konnte, so groß war die unreale Ver⸗ klammerung, die “ der Versailler Diskriminierung des deutschen Volkes und den französischen Interessen zu bestehen schien. Vielleicht war es auch die Schuld der charakterlichen Schwäche der deutschen Nachkriegsjahre und unserer 11“ insbesonders aber unserer Parteien, daß dem französi chen Voll und den ernsten französischen Staatsmännern die Unrichtigkeit dieser Auffassung nicht genügend zum Bewußtsein gebracht werden konnte. Denn je schlechter die einzelnen Regierungen der vor uns liegenden Zeit waren, um so mehr hatten sie das nationale Erwachen des deutschen Volkes selbst zu scheuen. Um so größer war daher auch die Angst vor jeder nationalen Selbstbesinnung und damit um so einverstandener ihre Haltung gegenüber der allgemeinen internationalen Difa⸗ mierung des deutschen Volkes. Ja sie benötigten geradezu diese schändliche Fesselung, um ihr trauriges eigenes Regime auf diese Weise zu stützen. Wohin dieses Regime Deutsch⸗
land geführt hat, zeigte eindringlich der drohende Zusammenbruch.
Nun war es natürlich schwer, die Wiederherstellung der deutschen Gleichberechtigung 8
gegenüber einer so eingewurzelten Gewöhnung unserer Nachbarn an die Nichtgleichberechtigung, als für diese nicht nur nicht schädlich, sondern im Gegenteil im letzten Grunde sogar als inter⸗ national nützlich nachzuweisen. Sie, meine Abgeordneten, Männer des Reichstags, kennen den schweren Weg, den ich gehen mußte, seit jenem 30. Januar 1933, um das deutsche Volk aus seiner unwürdigen Stellung zu erlösen, um ihm Schritt für Schritt die Gleichberechtigung zu sichern, 8b es dabei aus der politischen und wirtschaftlichen Gemeinschaft der europäischen Nationen zu entfernen und besonders ohne aus der Abwicklung der Folgen einer alten Feindschaft wieder eine neue zu erzeugen! Ich werde einmal von der Geschichte die Bestätigung beanspruchen können, daß ich in keiner Stunde meines Handelns für das deutsche Volk die Pflichten vergessen habe, die ich und die wir alle der Auf⸗ rechterhaltung der europäischen Kultur und Zivilisation gegen⸗ über zu tragen schuldig sind. Es ist aber eine Voraussetzung für den Bestand dieses am Ende gerade in der Vielgestaltigkeit seiner Kulturen so eigenartigen Kontinentes, daß er nicht denkbar ist ohne das Vorhandensein freier und unabhängiger Nationalstaaten. Es mag jedes europäische Volk überzeugt sein, daß es den größten Beitrag zu unserer abendländischen Kultur ge⸗ tiftet hat. Im ganzen aber wollen wir uns nichts wegwünschen von dem, was die einzelnen Völker gegeben haben und wollen daher auch nicht streiten über das Gewicht dieser ihrer einzelnen Beiträge, sondern müssen nur erkennen, daß aus der Rivalität der europäischen Einzelleistungen ohne Zweifel die Spitzenleistungen stammen auf den verschiedensten Gebieten der menschlichen Kultur. So sehr wir daher bereit sind, in dieser europäischen Kulturwelt mitzuarbeiten als freies und gleichberechtigtes Glied, so hartnäckig und eigen⸗ sinnig möchten wir aber das bleiben, was wir sind. Ich habe in diesen 3 Jahren — leider nur zu oft vergeblich — immer wieder versucht, eine Brücke zur Verständigung zum französischen Volk
zu schlagen. Je mehr wir uns aus der Bitternis des Weltkrieges und seiner Nachjahre entfernen, um so mehr versinkt in den menschlichen Erinnerungen das Böse, und das Schönere des Lebens, der Erkenntnis und Erfahrungen, tritt in den Vorder⸗ grund. Was sich einst als erbitterter Gegner gegenüberstand, würdigt sich heute als tapferer Kämpfer eines vergangenen großen Ringens und sieht sich wieder als Träger und Folterhalter eines großen allgemeinen menschlichen Kulturgutes.
Warum soll es dann nicht möglich sein, den zwecklosen jahr⸗ hundertelangen Streit, der keinem der beiden Völker einen end⸗ gültigen Entscheid gebracht hat und bringen konnte, abzubrechen und durch die Rücksichtnahme einer höheren Vernunft zu ersetzen? Das deutsche Volk ist nicht interessiert daran, daß das französische leidet und umgekehrt: Wo läge der Vorteil für Frankreich darin, wenn Deutschland in Not verkommt? Welchen Nutzen hat der französische Bauer, wenn es dem deutschen schlecht geht oder um⸗ gekehrt? Oder welch ein Vorteil bietet sich für den französischen
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Veil infolge
Arbeiter euwa aus der Not des deutschen? Welchen Segen könnte es aber auch für Deutschland bringen, für den deutschen Arbeiter den deutschen Mittelstand und das deutsche Volk überhaupt wenn Frankreich von Unglück heimgesucht würde?
Ich habe versucht, die Fragen einer haßerfüllten Klassen⸗ kampftheorie im Inneren Deutschlands im Sinne einer höheren Vernunft 5 lösen und es ist mir dies gelungen. Warum soll es nicht möglich sein, das Problem der allgemeinen europäischen Volks⸗ und Staatengegensätze aus der Sphäre des Unvernünftigen, Leidenschaftlichen herauszuheben und unter das ruhige Licht einer höheren Einsicht zu stellen?
Ich habe mir jedenfalls einst geschworen, ebenso zäh und tapfer für die deutsche Gleich⸗ berechtigung zu kämpfen und diese so oder so durchzusetzen, wie umgekehrt aber auch das Ver⸗ antwortungsgefühl zu stärken für die Not⸗ wendigkeit einer europäischen gegenfeitigen Rück⸗ sichtnahme und Zusammenarbeit.
Wenn mir aber heute von Seiten meiner internationalen Gegner aus vorgehalten wird, daß ich doch diese Zusammenarbeit mit Rußland ablehne, so muß ich demgegenüber folgendes erklären: Ich lehne und lehnte sie nicht ab mit Rußland, sondern mit dem auf die Herrschaft der Welt Anspruch erhebenden Bolschewismus. Ich bin Deutscher. Ich liebe mein Volk und hänge an ihm. Ich weiß, daß es nur dann glücklich sein kann, wenn ihm das Leben nach seinem Wesen und seiner Art möglich ist. Ich will nicht, daß über das deutsche Volk, das nicht nur weinen, sondern auch durch sein ganzes Leben hindurch immer herzlich lachen konnte, das Grauen der kommunistischen internationalen Haßdiktatur
gesenkt wird. Ich zittere für Europa bei dem Gedanken, was
aus unserem alten menschüberfüllten Kontinent werden soll, wenn durch das Hereinbrechen dieser destruktiven und alle bisherigen Werte umstürzenden asiatischen Weltauffassung das Chaos der bolschewistischen Revolution erfolgreich sein würde. Ich bin viel⸗ leicht für viele europäische Staatsmänner ein phantastischer, jeden⸗ falls aber unbequemer Warner. Daß ich aber in den Augen der bolschewiftischen internationalen Weltunterdrücker als einer der rößten Feinde gelte, ist für mich nur eine roße Ehre, und eine Rechtfertigung meines Handelns vor der Rachwelt, Ich kann nicht verhindern, daß andere Staaten ihren Weg gehen, den sie nun einmal glauben gehen zu müssen oder wenigstens gehen zu können, aber ich werde es verhindern, daß auch Deutschland diesen Weg in das Verderben antritt. Und ich glaube, daß dieses Verderben in dem Augenblick seinen Einzug halten würde, in dem die Staats⸗ führung sich selbst zum Verbündeten einer solchen destruktiven Lehre hergeben wollte. Ich sehe keine Möglichkeit, dem deutschen Arbeiter die mich so tief bewegende Gefahr des Unglücks eines bolschewistischen Chaos in Deutschland klarzumachen, wenn ich selbst als Führer der Nation mich in enge Beziehungen zu dieser Gefahr bringen wollte. Ich will auch hier als Staatsmann und Führer des
Volkes alles das tun, was ich vom einzelnen Volksgenossen erwarte
und verlange. Ich glaube nicht, daß die engere Berührung mit einer Weltanschauung, die für ein Volk verderblich ist, für Stoats⸗ männer nützlich sein kann. Wir haben in der deutschen Geschichte der letzten 20 Jahre ja Gelegenheit gehabt, Erfahrungen auf diesem Gebiete zu sammeln. Die erste Fühlung mit dem Bolschewismus im Jahre 1917 brachte ein Jahr später uns selbst die Revolution. Die zweite Berührung mit ihm genügte, um in wenigen Jahren Deutschland knapp an den Rand des kommunistischen Zusammen⸗ bruchs zu bringen. Ich habe diese Beziehungen gelöst und damit Deutschland vor diesem Verderben zurückgerissen. Nichts wird mich bewegen können, einen anderen Weg zu gehen als den, den mir Er⸗ fahrung, Einsicht und Voraussicht vorschreiben. Und ich weiß, daß diese Ueberzeugung tiefstes edanken⸗ und Ideengut der ganzen nationalsozialistischen Bewegung geworden ist. Mit zäher Beharr⸗ lichkeit werden wir die sozialen Probleme und Spannungen in unserem Volk auf dem Weg einer fortgesetzten Evolution lösen und damit uns des Segens einer ruhigen Entwicklung versichern, die allen unseren Volksgenossen zugute kommt. Und was dabei an immer neuen Aufgaben an uns herantritt, erfüllt uns mit der Freude desjenigen, der ohne Arbeit und damit ohne Aufgaben nicht zu leben vermag.
Wenn ich diese grundsätzliche Einstellung auf die europäische allgemeine Politik übertrage, dann ergibt sich daraus für mich die Unterscheidung Europas in 2 Hälften: In jene Hälfte, die sich aus selbständigen und unabhängigen Nationalstaaten aufbaut, aus
Völkern, mit denen wir tausendsältig durch Geschichte und Kultur
verbunden sind und mit denen wir in alle Zukunft geau so wie mit den freien und selbständigen Nationen der außereuropäischen Kon⸗ tinente verbunden bleiben wollen. Und in eine andere Hälfte: die von jener unduldsamen und einen allgemeinen internationalen Herr⸗ schaftsanspruch erhebende bolschewistische Lehre regiert wird, die selbst den ewigsten und uns heiligen Dies⸗ und Jenseitswerten die Vernichtung predigt, um eine andere, uns in Kultur, Aussehen und Inhalt abscheulich vorkommende Welt aufzubauen.
Mit ihr wollen wir außer den gegebenen politischen und wirt⸗ schaftlichen internationalen Beziehungen in keine sonstige innigere Berührung kommen.
Es liegt nun eine unendliche Tragik darin, daß als Abschluß unserer langjährigen aufrichtigen Bemühungen um das Vertrauen, die Sympathien und die Zuneigung des französischen Volkes ein Militärbündnis abgeschlossen wurde, dessen Anfang wir heute kennen, dessen Ende aber, wenn die Vorsehung nicht wieder einmal näbiger ist als es die Menschen verdienen, vielleicht von unabseh⸗ baren Folgen sein wird.“
Ich habe mich in den letzten drei Jahren bemüht, langsam aber stetig die Voraussetzungen für eine deutsch⸗französische Ver⸗ ständigung zu schaffen. Ich habe dabei nie einen Zweifel darüber gelassen, daß zu den Voraussetzungen dieser Verständigung die
absolute Gleichberechtigung und damit die gleiche Rechtswertung
der beiden Völker und Staaten gehört. Ich habe aber bewußt in dieser Verständigung nicht nur ein Problem gesehen, das auf den Wegen von Pakten gelöst wird, sondern ein Problem, das zunächst den beiden Völkern psychologisch nahegebracht werden muß, da es nicht nur verstandes⸗, sondern auch gefühlzmäßig vorbereitet werden soll. Ich habe daher auch oft den Vorwurf bekommen, daß meine Freundschaftsangebote keine
konkreten Vorschläge enthalten hätten. .“ 11“
Dies ist nicht richtig. Was konkret zur Entspannung der deutsch⸗französischen Be⸗ ziehungen überhaupt vorgeschlagen werden konnte, habe ich auch mutig konkret vorgeschlagen. Ich habe einst nicht gezögert, mich dem konkreten Vorschlag einer Rüstungsbegrenzung von 200 000 Mann anzuschließen. Ich habe mich, als dieser Vorschlag dann von den verantwortlichen Verfassern selbst preisgegeben wurde, mit einem ganz konkreten neuen Vorschlag an das französische Volk und an die europäischen Regierungen gewendet. Auch der 300 000 Mann⸗Vorschlag erfuhr Ablehnung.
Ich habe eine ganze Reihe weiterer konkreter Vorschläge zur Entgiftung der öffentlichen Meinungen in den einzelnen Staaten und zur Reinigung der Kriegsführung und damit letzten Endes
8 einer wenn auch langsamen so aber sicheren Abrüstung gebracht.
Es ist ein einziger dieser deutschen Vorschläge wirklich berücksichtigt
worden. Der realistische Sinn einer englischen Regierung hat
meinen Vorschlag der
Herstellung einer dauernden Relation zwischen der
1 b deutschen und englischen Flotte,
ie ebenso den Bedürfnissen der deutschen Sicher eit entspricht wie umgekehrt Bedacht nimmt auf üse “ Reit seeischen Interessen eines großen Weltreiches, angenommen. Und ich darf wohl darauf hinweisen, daß bis heute noch dieses Ab⸗ kommen der praktisch einzig existierende wirkliche verständnisvolle und daher gelungene Versuch einer Rüstungsbegrenzung ge⸗ blieben ist. Die Reichsregierung ist, wie Sie wissen, bereit, diesen Vertrag durch eine weitere qualitative Abmachung mit England zu ergänzen.
. Ich habe den sehr konkreten Grundsatz ausgesprochen, daß die Sammelprogramme einer internationalen Paktomanie ebenso⸗ wenig Aussicht auf Verwirklichung besitzen wie die Generalvor⸗ schläge einer unter solchen Umständen von vornherein schon als undurchführbar erwiesenen Weltabrüstung.
Ich habe demgegenüber betont, daß nur schrittweise an diese
Fragen herangetreten werden kann, und zwar nach der Richtung
des vermutlich geringsten Widerstandes hin. Ich habe aus dieser Ueberzeugung heraus den konkreten Vorschlag auch für einen Luftpakt entwickelt, unter der Zugrundelegung gleicher Stärke für Frankreich, England und Deutschland. Das Ergebnis war zunächst eine Mißachtung dieses Vorschlages und dann die ET“ fines nenen in ö“ Ausmaß un⸗ berechenbaren osteuropäisch⸗asiatischen Faktors in das europäische Gleichgewichtsfeld. üisch afiattlchen 8.
Ich habe mich jahrelang also mit konkreten Vorschlägen ab⸗ gegeben, allein ich stehe nicht an, zu erklären, daß mir mindest ebenso wichtig als die sogenannten konkreten Vorschläge die psycho⸗ logische Vorbereitung für die Verständigung erschienen ist, und ich
habe auf dem Gebiete mehr getan als ein aufrichtiger fremder
Staatsmann jemals überhaupt auch nur erhoffen durfte. Ich habe die Frage der europäischen Grenzrevisionen aus der Atmosphäre der öffentlichen Diskussion in Deutschland genommen. Man steht leider nur zu oft auf dem Standpunkt, und dies gilt besonders für ausländische Staatsmänner, daß dieser Einstellung und ihren Handlungen keine besondere Bedeutung zukommt. Ich darf darauf himveisen, daß es mir genau so möglich gewesen wäre, als Deutscher die Wiederherstellung der Grenzen vom Jahre 1914 moralisch als mein Programm aufzustellen und publizistisch und oratorisch zu vertreten, so wie das etwa französische Minister und Volksführer nach dem Jahre 1871 getan haben. Meine Herren Kritiker sollen mir auch auf diesem Gebiet nicht jede Fähigkeit absprechen. Es ist viel schwerer für einen Natio⸗ nalisten, einem Volk zur Verständigung zuzureden, als das Um⸗ gekehrte zu tun. Und es würde für mich wahrscheinlich leichter gewesen sein, die Instinkte nach einer Revanche aufzupeitschen, als das Gefühl für die Notwendigkeit einer europäischen Ver⸗ ständigung zu erwecken und dauernd zu vertiefen. Und dieses habe ich getan. Ich habe die deutsche öffentliche Meinung von An⸗ griffen solcher Art gegen unsere Nachbarvölker befreit.
„Ich habe aus der deutschen Presse jeden Haß gegen das fran⸗ zösische Volk entfernt. Ich bemühte mich, 1R g geäcens, das Verständnis für das Ideal einer solchen Verständigung hinein⸗ zubringen, und zwar sicher nicht erfolglos. Als vor wenigen Wochen die französischen Gäste in das olympische Stadion in Garmisch⸗Partenkirchen einzogen, da hatten sie vielleicht Gelegen⸗ heit festzustellen, ob und inwieweit mir eine solche innere Um⸗ stellung des deutschen Volkes gelungen ist.
Diese innere Bereitwilligkeit aber, eine solche Verständigung zu suchen und zu finden, ist wichtiger als ausgeklügelte Versuche von Staatsmännern, die Welt in ein Netz juristisch und sachlich undurchsichtiger Pakte zu verspinnen.
1 Dieses Bestreben von mir war aber doppelt schwer, weil ich in derselben Zeit Deutschland aus der weyperlta chn eines Ver⸗ trages lösen mußte, der ihm seine Gleichberechtigung raubte, an dessen Aufrechterhaltung aber — ob mit Recht oder Unrecht, ist nebensächlich — das ftanzösische Volk: geglaubt hat, interessiert sein zu müssen.
Ich habe dabei gerade als deutscher Nationglist für das deutsch Volk noch ein weiteres besonders schweres Opfer bringen müssen.
Es ist bisher wenigstens in der neueren Zeit noch nie versucht worden, nach einem Krieg dem Verlierer souveräne Hoheitsrechte über große und alte Teile seines Reiches einfach abzusprechen. Ich habe nur im Interesse dieser Verständigung dieses schwerste Opfer, das man uns politisch und moralisch aufbürden konnte, ge⸗ tragen und wollte es weiter tragen, nur weil ich glaubte, einen Vertrag aufrechterhalten zu sollen, der vielleicht mithelfen konnte, die politische Atmosphäre zwischen Frankreich und Deutschland und England und Deutschland zu entgiften und das Gefühl einer Sicherheit auf allen Seiten zu verbreiten.
Ja, darüber hinaus habe ich oft und auch hier in diesem Hause die Auffassung vertreten, daß wir nicht nur bereit sind, diesen schwersten Beitrag für die europäische Friedenssicherung zu tragen, solange auch die anderen Partner ihre Verpflichtungen erfüllen, sondern daß wir in diesem Vertrage überhaupt den einzig möglichen weil konkreten Versuch einer europäischen Siche⸗ rung erblicken.
Ihnen, meine Abgeordneten, ist der Inhalt und Sinn dieses Vertrages bekannt. Er sollte zwischen Belgien und Frankreich einerseits und Deutschland andererseits für alle Zukunft die An⸗ wendung von Gewalt verhindern. Durch die schon vorher ab⸗ geschlossenen Bündnisverträge Frankreichs ergab sich leider die erste wenn auch den Sinn dieses Paktes noch nicht aufhebende Belastung. Deutschland leistete zu diesem Pakt den schwersten Beitrag, denn während Frankreich seine Grenze in Erz, Beton und Waffen armierte und mit zahlreichen Garnisonen versah, wurde uns die fortdauernde Aufrechterhaltung einer voll⸗ kommenen Wehrlosigkeit im Westen aufgebürdert. Dennoch haben wir auch dieses erfüllt in der Hoffnung, durch einen solchen Bei⸗ trag dem europäischen Frieden zu dienen und der Verständigung der Völker zu nützen.
„Es steht mit diesem Pakt nun in Widerspruch die Abmachung, die Frankreich im vergangenen Jahre mit Rußland eingegangen und bereits unterzeichnet hat, und deren Bestätigung durch die
Kammer soeben erfolgt ist. Denn durch dieses neue französisch⸗
sowjetische Abkommen wird über den Umweg der Tschechoslowakei, die ein gleiches Abkommen mit Rußland getroffen hat, die be⸗ drohliche militärische Macht eines Riesenreiches nach Mittel⸗ europa hereingeführt. Es ist dabei das Unmögliche, daß diese beiden Staaten in ihrer Abmachung sich verpflichten, ohne Rück⸗ sicht auf eine entweder bereits vorliegende oder zu erwartende Entscheidung des Völkerbundsrates im Falle einer europäischen östlichen Verwicklung die Schuldfrage nach eigenem Ermessen zu klären und dementsprechend die gegenseitige Beistandsverpflichtung als gegeben zu betrachten oder nicht.
Die Behauptung, daß in diesem Pakt durch eine angefügte Einschränkung die erste Verpflichtung wieder aufgehoben würde, ist unverständlich. Denn ich kann nicht in einem Punkt ein be⸗ stimmtes Verfahren als ausdrücklichen Bruch mit einer sonst geltenden Verpflichtung festlegen und damit als bindend an⸗ nehmen, um in einem weiteren Punkt festzustellen, daß gegen diese anderen Verpflichtungen nicht gehandelt werden soll. In diesem Falle würde die erste Bindung unvernünftig und damit eben unverständlich sein.
Dieses Problem ist aber zunächst ein politisches Problem und als solches in seiner schwerwiegenden Bedeutung zu werten.
Frankreich hat diesen Vertrag nicht abgeschlossen mit einer rbeliebigen europäischen Macht. Frankreich hatte schon vor dem Rheinpakt Beistandsverträge sowohl mit der Tschechoslowakei, als auch mit Polen. Deutschland nahm daran keinen Anstoß, nicht nur weil diese Pakte zum Unterschied des französisch⸗sowjetischen
Paktes sich den Völkerbundsfeststellungen unterwarfen, sondern weil sowohl die damalige SFE“ wie besonders Polen primär stets eine Politik der Vertretung der nationalen eigenen Interessen dieser Staaten führen werden. Deutschland hat nicht den Wunsch, diese Staaten anzugreifen und glaubt auch nicht, daß es im Interesse dieser Staaten liegen wird, einen Angriff gegen Deutschland vorzunehmen. Vor allem aber: Polen wird Polen bleiben und Frankreich Frankreich. Sowjetrußland aber ist der staatlich organisierte Exponent einer revolutionären Welt⸗ anschauung. Seine Staatsauffassung ist das Glaubensbekenntnis zur Weltrevolution. Es ist nicht feststellbar. ob nicht morgen oder übermorgen auch in Frankreich diese Weltanschauung er⸗ folgreich sein wird, sollte aber dieser Fall eintreten — und als deutscher Staatsmann muß ich auch damit rechnen —, dann ist es sicher, daß dieser neue bolschewistische Staat eine Sektion der bolschewistischen Internationale sein würde, das heißt, die Ent⸗ scheidung über Angriff oder Nichtangriff wird dann nicht von zwei verschiedenen Staaten nach deren objektivem eigenen Er⸗ messen getroffen, sondern von einer Stelle aus direktiv erteilt. Diese Stelle aber würde im Falle dieser Entwicklung nicht mehr Paris, sondern Moskau sein.
So wenig Deutschland in der Lage ist, schon aus rein territo⸗ rialen Gründen Rußland anzugreifen, so sehr wäre Rußland jederzeit in der Lage, über den Umweg seiner vorgeschobenen Posi⸗ tionen einen Konflikt mit Deutschland herbeizuführen. Die Fest⸗ stellung des Angreifers wäre dann, weil unabhängig von der Be⸗ stimmung des Völkerbundsrates, wohl von vornherein gewiß. Die Behauptung oder der Einwand, daß Frankreich und Rußland nichis tun würden, was sie evtl. Sanktionen aussetzen könnte — und zwar von seiten Englands oder Italiens —, ist elanglos, weil es nicht zu ermessen ist, welcher Art wirksame Sanktionen gegen eine so überwältigende, weltanschaulich und militärisch einige Konstruk⸗ tion überhaupt sein könnten.
Wir haben jahrelang vor dieser Entwicklung besorgt gewarnt. Nicht, weil wir sie mehr zu fürchten haben als andere, sondern weil sie eines Tages von furchtbaren Folgen für ganz Europa begleitet sein kann. Man hat diese unsere ernstesten Bedenken abzutun ver⸗ sucht mit dem Hinweis auf die Unfertigkeit des russischen Kriegs⸗ instrumentes, ja auf seine Schwerfälligkeit und Unverwendbarkeit in einem europäischen Kampf. Wir haben diese Auffassung immer bekämpft, nicht weil wir irgendwie der Ueberzeugung sind, daß der Deutsche an sich unterlegen wäre, sondern weil wir alle wissen, daß auch der Zahl ihr besonderes Gewicht zukommt. Wir sind aber um so mehr dankbar über die Aufklärung, die gerade in der französi⸗ schen Kammer von Herrn Herriot über die aggressiv militärische Bedeutung Rußlands gegeben worden ist. Wir wissen, daß diese Dar 1 Herri Sowjetregierung selbst gege⸗
— nd sind überzeugt, daß diese nicht den geistigen In spirator des neuen Bündnisses mit falschen Aufklärungen bedient haben kann, ebenso wie wir nicht zweifeln an der wahren Wieder⸗ gabe dieser Informationen des Herrn Herriot. Nach diesen Infor⸗ mationen aber steht erstens fest, daß die russische Armee eine Frie⸗ densstärke von 1 350 000 besitzt, daß sie zweitens 17 ½ Millionen Mann Kriegsstärken und Reserven umfaßt, daß sie drittens mit der größten Tankwaffe ausgestattet ist und viertens über die größte Luftwaffe der Welt verfügt. “
Die Heranziehung dieses gewaltigsten militiärischen Faktors, der auch in seiner Beweglichkeit und in seiner Führung als aus⸗ gezeichnet und jederzeit einsatzbereit geschildert wurde, in das mittel⸗ europäische Spielfeld zerstört jedes wirkliche europäische Gleich⸗
gewicht. Es verhindert außerdem jede mögliche Abschätzung der
erforderlichen Verteidigungsmittel zu Lande und in der Luft für die davon betroffenen europäischen Staaten und insonderheit für das allein als Gegner in Aussicht genommene Deutschland. —
Diese Riesenmobilisierung des Ostens gegen Mitteleuro steht aber nicht nur buchstabenmäßig, sondern vor allem auch de Sinne nach im Gegensatz zu dem Geiste des Locarnopaktes.
wir als Betroffene allein haben diese Empfindung, sondern sie lebt
in unzähligen einsichtsvollen Männern in allen Völkern und ist auch — publizistisch und politisch belegt — überall offen vertreten worden. — “
Am 21. Februar wendete sich an mich ein französischer Journa⸗ list mit der Bitte, ihm ein Interview zu gewähren. Da mir mit⸗ geteilt wurde, daß es sich um einen jener Franzosen handelte, die sich genau so wie wir bemühen, Wege zur Verständigung zwischen den beiden Völkern zu finden, wollte ich um so weniger eine Ablehnung aussprechen, als ja auch eine solche v als Zeichen meiner Mißachtung der französischen Jour⸗ nalistik gewertet worden wäre. Ich habe die gewünschten Aufklärungen gegeben, so wie ich sie in Deutschland selbst hundert und tausendmal offen ausspreche, und ich habe noch einmal ver⸗ sucht, mich an das französische Volk zu wenden mit der Bitte um eine Verständigung, an der wir mit ganzem Herzen hängen und die wir so gerne verwirklicht sehen möchten, ich habe aber weiter mein tiefes Bedauern ausgesprochen über die drohende Entwick⸗ lung in Frankreich durch den Abschluß eines Paktes, für den unserer Ueberzeugung nach keine zu begreifende Notwendigkeit vorlag, der aber im Falle seiner Realisierung eine neue Sachlage schaffen müßte und würde. Dieses Interview ist, wie Sie wissen, aus Gründen, die uns unbekannt sind, zurückgehalten worden und erschien erst am Tage nach der Ratifizierung in der französischen Kammer. “
So sehr ich entsprechend meiner Ankündigung in diesem Interview auch in der Zukunft bereit sein werde und aufrichtig gewillt bin, dieser deuts französischen Verständigung zu dienen, weil ich in ihr ein notwendiges Element der Sicherung Europas vor unübersehbaren Gefahren erblicke, und weil ich mir für beide Völker aus keinem anderen Verhalten irgendeinen möglichen Vor⸗ teil versprechen kann, oder auch nur zu sehen vermag, wohl aber schwerste allgemeine und internationale Gefahren erblicke, so sehr zwang mich die Kenntnis von der endgültigen Abmachung dieses Paktes nunmehr, in eine Ueberprüfung der dadurch entstandenen neuen Lage einzutreten und die daraus
notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
Diese Konsequenzen sind sehr schwere, und sie tun uns und mir persönlich bitter leid. Allein ich bin verpflichtet, nicht nur der europäischen Verständigung Opfer zu bringen, sondern auch den Interessen meines eigenen Volkes zu gehorchen. Solange ein Opfer bei der Gegenseite auf Würdigung und Verständnis stößt, will ich mich gern auch zum Opfer bekennen und werde dem Deut⸗ schen Volke das gleiche anempfehlen. Im Augenblick, in dem aber feststeht, daß ein Partner diese Opfer entweder nicht mehr bewertet oder würdigt, muß sich daraus eine einseitige Belastung Deutsch⸗ lands ergeben und damit eine Diskriminierung, die für uns uner⸗ träglich ist. Ich möchte aber in dieser geschichtlichen Stunde und an diesem Platze noch einmal das wiederholen, was ich in meiner ersten großen Reichstagsrede im Mai 1933 ausgesprochen habe:
Das deutsche Volk wird lieber jede Not und Drangsal auf sich nehmen als von dem Gebot der Ehre und dem Willen zur Frei⸗ heit und der Gleichberechtigung abzustehen.
Wenn das deutsche Volk für die europäische Zusammenarbeit etwas wert sein soll, dann kann es diesen Wert nur haben als ein ehrliebender und damit gleichberechtigter Partner. Im Augenblick, in dem es aufhört, diesen charakterlichen Wert zu besitzen, verliert es auch jeden fachlichen. Ich möchte weder uns noch die übrige Welt betrügen mit einem Volk, das dann nichts mehr wert sein würde, weil ihm das natürlichste Ehrgefühl mangelt!
Ich glaube aber auch, daß man selbst in der Stunde so bitterer
Erkenntnisse und schwerer Entscheidungen nicht versäumen darf,