ſich hier alſo um einen Erwerbszweig, der in keiner Weiſe geeignet erſcheint, den Beſitzer eines Grund⸗ ſtücks, den Beſitzer eines Hauſes zu einem beſſer geeigneten Vertreter der allgemeinen Intereſſen zu machen als Leute, die einen anderen Erwerb haben. Daß dem ſo iſt, geht ja auch aus dem Um⸗ ſtande hervor, daß gerade die Partei, die ich ver⸗ trete, die ſozialdemokratiſche Partei, es ſo außer⸗ ordentlich ſchwer hat, Grundbeſitzer in ihren Reihen zu finden. Die Partei, die die Volksmaſſe vertritt, hat im allgemeinen mit Leuten zu rechnen, die auch das eigene Intereſſe bei dem Intereſſe der All⸗ gemeinheit vertreten, weil dieſes eigene Intereſſe mit dem der Allgemeinheit zuſammenfällt. Wenn nun eine Klaſſe eriſtiert, deren geſondertes Intereſſe gegen das Intereſſe der Allgemeinheit gerichtet iſt, ſo iſt ganz klar, daß eine ſolche Volkspartei aus dieſer Klaſſe nur einen ſehr geringen Zuzug haben wird, eine ganz beſondere Schwierigkeit darin haben wird, ſolche Leute in ihren Reihen zu finden. Nun, glücklicherweiſe iſt ja der Satz, daß das deutſche Volk das Volk der Denker und Dichter iſt, nicht nur eine Fabel; glücklicherweiſe iſt ja in Deutſch⸗ land noch ſoviel Idealismus vorhanden, daß auch aus den Reihen der Bevorrechtigten und der Be⸗ ſitzenden ſich immer noch eine Anzahl Männer finden, die das eigene kleinliche perſönliche Intereſſe zurück⸗ ſetzen gegenüber dem Intereſſe der Allgemeinheit, und die infolgedeſſen für die Intereſſen der Ge⸗ ſamtheit eintreten und ſich mit der einzigen wirk⸗ lichen Volkspartei auch zuſammenfinden. Aber dieſe Bemerkung nur nebenbei. Keines⸗ wegs kann das den Grundbeſitzer irgendwie mehr berechtigen, eine größere Fähigkeit, eine größere Ge⸗ eignetheit ihm erwerben, die Intereſſen der Geſamtheit wahrzunehmen, an der ſtädtiſchen Verwaltung teil⸗ zunehmen. Es kommt hinzu, daß naturgemäß die Zahl der Grundbeſitzer ja recht beſchränkt iſt. Ich erwähnte vorhin, daß wir im Jahre 1901 3261 Grundſtücks⸗ beſitzer in Charlottenburg hatten. Aber, meine Herren, dieſe 3261 Grundſtücksbeſitzer ſind durchaus noch nicht wählbar im Sinne der Städteordnung. Wir haben unter dieſen Beſitzern eine Anzahl juriſtiſcher, gar nicht phyſiſcher Perſonen; wir haben unter dieſen Beſitzern eine Anzahl Frauen, eine Anzahl Minder⸗ jühriger; wir haben unter dieſen Beſitzern eine ganze Anzahl von Leuten, die überhaupt gar nicht Char⸗ lottenburger Bürger ſind; wir haben darunter Leute, die nebenbei auch andere Häuſer in Berlin, in Schöne⸗ berg beſitzen; wir haben ſchließlich darunter auch eine Anzahl von Leuten, die gemeinſam mit anderen ein Grundſtück beſitzen, gemeinſam mit anderen Ver⸗ wandten, und nach der ſehr ſeltſamen Auslegung, die das Oberverwaltungsgericht dem betreffenden Paragraphen der Städteordnung gegeben hat, ſind ja auch ſolche Leute zu Stadtverordneten nicht wähl⸗ bar. Der „Vorwärts“ hat in ſeiner Nummer vom 24. Dezember vorigen Jahres eine Statiſtik gerade über dieſe Verhältniſſe in Charlottenburg aufgeſtellt. Er hat natürlich nur eine obere Grenze derjenigen Leute feſtſtellen können, die als Hausbeſitzer für Charlottenburg wählbar ſind, und da hat ſich dann ergeben, daß bei 3261 Grundſtücksbeſitzern 1485 im Höchſtfalle wählbar ſind für die Charlottenburger Stadtverordnetenverſammlung. Da nun von unſern 72 Stadtverordneten wenigſtens 36 ſolche Hausbe⸗ ſitzer ſein müſſen, ſo folgt, daß immer unter je 41 Hausbeſitzern ein Stadtverordneter ausgeſucht werden muß. Mit Recht, ſcheint „Vorwärts“ dazu: Wenn einmal Beſchränkungen für die Wähl⸗ barkeit auferlegt werden ſollen, wäre es viel beſſer, wenn etwa vorgeſchrieben wäre, nur ſolche ſeien wählbar, in deren Familiennamen be⸗ ſtimmte Buchſtaben vorkommen. Denn erſtens würden dadurch alle Parteien gleichmäßig be⸗ troffen, zweitens aber würde dadurch nicht ein Gewerbe bevorzugt, deſſen Intereſſe unter den heutigen Verhältniſſen dem Intereſſe der weit überwiegenden Mehrzahl der ſtädtiſchen Bevöl⸗ kerung, dem Intereſſe der Stadt ſelbſt diametral entgegengeſetzt iſt. Alſo, meine Herren, wer Intereſſe an der Selbſt⸗ verwaltung hat, wer Intereſſe daran hat, daß die Volksmaſſen zu einer geeigneten Wahrung ihrer eigenen Angelegenheiten kommen, der, ſcheint es mir, muß unſerm Antrag zuſtimmen. Es kommt dazu noch eine Erwägung allgemeinerer Art. Sie alle wiſſen ja, daß wir in Preußen unter einer geradezu namenloſen Junker⸗ und Pfaffenherr⸗ ſchaft leiden, daß die junkerliche und pfäffiſche Reaktion in Preußen eine Höhe erreicht hat, die kaum noch überſchritten werden kann. Ja, meine Herren, die Grundlage, die Stütze, dieſes junkerlich⸗pfäffiſchen Ülbermuts, der ſich in Preußen breit macht, liegt freilich nicht in den großen Städten; aber ſie hat dieſe Höhe doch nur erreichen können, weil die Ver⸗ treter in den großen Städten nicht energiſch genug dagegen Front gemacht haben. Meine Herren, wer dieſe junkerliche Herrſchaft in Preußen brechen will, der muß damit beginnen, die großen Städte aufzu⸗ rufen, die großen Städte mobil zu machen für die Wahrnehmung wirklicher Volksintereſſen. Und weil ich mich der Hoffnung hingebe, daß hier in Char⸗ lottenburg eine ſehr große Zahl von Männern itt, die mit dieſen allgemeinen Zuſtänden äußerſt unzu⸗ frieden iſt, deswegen fordere ich Sie auf — und gebe mich der Hoffnung hin, daß Sie dieſer Auffor⸗ derung Folge leiſten werden —: nehmen Sie unſeren Antrag einſtimmig an! (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtu. Dr. Crüger: Herr Kollege Dr. Borchardt hat es bei ſeiner Begründung des Antrages für notwendig gehalten, von vornherein dagegen Verwahrung einzu⸗ legen, daß dieſer Antrag etwa Propaganda⸗ oder Agita⸗ tionszwecken dienen könnte. Er hat vielleicht Recht gehabt, dagegen Verwahrung einzulegen, denn die Annahme, daß der Antrag ſolchen Zwecken dient, liegt doch nur zu nahe, wenn man einen Antrag einbringt, von dem man ganz genau weiß, daß er auf unabſehbare Zeit hinaus keine Ausſicht auf Verwirklichung hat. Welche andere Bedeutung hat ein ſolcher Antrag denn, als Agitations⸗, Propagandazwecken zu dienen? Und wenn Herr Kollege Dr. Borchardt hinzugeſetzt hat, ſeine Partei brauche derartige Agitationsmittel nicht, denn die Zugehörigen zur ſozialdemokratiſchen Partei wären alle davon feſt überzeugt, daß die hieſigen Vertreter der ſpzialdemokratiſchen Partei auf dem Boden ſtänden, den er hier mit dieſem Antrage zum Ausdruck bringt, ſo hat Herr Kollege Dr. Borchardt eines dabei überſehen. Man braucht freilich dieſen Antrag nicht zu Agitations⸗ und Propagandazwecken, um den eigenen Wählermaſſen klar zu machen, was die eigenen Vertreter wollen; aber es macht doch immer einen ganz hübſchen Eindruck, einen derartigen Antrag in der Stadtverordnetenverſammlung einzu⸗ bringen und dann, wenn er nicht angenommen wird, mir, bemerkt der draußen zu ſagen: Seht, was die anderen für ſchlechte