den Ausführungen des Herrn Dr. Erüger ſehr genau gefolgt; er hat poſttiv nicht geſagt, was Sie eben ihm unterſtellen, er hat es nur konditional ge⸗ ſagt. Sie ſind daher nicht berechtigt, ihm derartige Vorwürfe zu machen. Stadtv. Hirſch (fortfahrend): Ich bemerke ferner, daß wir es wahrhaftig nicht nötig haben, Agitationsſtof auf Jahre hinaus uns zu ver⸗ ſchaffen; das machen die Herren Kollegen Dr. Crüger und ſeine Freunde ſchon ſo ſehr, daß wir mit Agitationsſtoff von dieſer Seite überaus reichlich geſegnet ſind. Ich begreife überhaupt nicht, wie gerade Herr Dr. Crüger als Anhänger der liberalen Fraktion dazu kommt, uns vorzuwerfen, daß wir hier irgend etwas aus Agitationsgründen tun. Herr Dr. Crüger hätte klüger getan, wenn er überhaupt das Wort Agitation in ſeiner Rede nicht gebraucht hätte; dann hätte er mir wenigſtens keinen Anlaß gegeben, mich einmal etwas näher mit der Agitationsweiſe der Freunde des Herrn Dr. Crüger zu beſchäftigen. Meine Herren, Sie alle erinnern ſich an die heftigen Kämpfe, die wir im Herbſt des vorigen ahres aus Anlaß des ſogenannten Falles Ströhler hier gehabt haben. Sie alle werden wiſſen, in wel⸗ cher Weiſe gerade damals die liberale Fraktion gegen Herrn Ströhler und ſeine Freunde losgezogen iſt, wie ſie ſie damals ſo ſchlecht gemacht hat, daß ſchließ⸗ lich kein Hund mehr ein Stückchen Brot von ihnen genommen hätte. (Heiterkeit.) Nun, meine Herren, wenn man das getan hat — ich habe nichts dagegen: mögen die Herren agitieren, wie ſie wollen! — wenn man das getan hat, dann ſoll man aber nicht heimlich bei den Freunden des Herrn Ströhler, die man eben ſo ſchlecht gemacht hat, zu derſelben Zeit betteln gehen um Stimmen gegen die Sozialdemokraten! (Unruhe bei den Liberalen.) Das haben die Freunde des Herrn Dr. Crüger getan! Sie wiſſen, daß ſich dieſe Vorgänge um die Zeit der Wahlen abſpielten, und Sie erinnern ſich, daß im ſiebenten Bezirk, in der 3. Wählerabteilung eine Stichwahl ſtattfand zwiſchen dem ſozialdemokratiſchen Kandidaten und dem Kandidaten der liberalen Fraktion, Herrn Kollegen Dr. Spiegel. Damals iſt an die Freunde des Herrn Ströhler folgendes Schreiben ergangen, das natürlich, da die Herren nicht ganz vorſichtig zu Werke gegangen ſind, auch einigen An⸗ hängern meiner Partei in die Hände gefallen iſt, ein Schreiben, das recht charakteriſtiſch iſt für die Agitationsweiſe derſelben Herren, die uns hier Agi⸗ tationsmanöver vorwerfen. Das Schreiben lautet: „Der 23. November hat eine Entſcheidung bei der Stadtverordnetenwahl in unſerem Be⸗ zirk nicht gebracht. Es hat deshalb am 12. De⸗ zember eine Stichwahl ſtattzufinden zwiſchen dem Sozialdemokraten und dem liberalen Kan⸗ didaten Herrn Privatdozenten Dr. L. Spiegel, der nunmehr der alleinige bürgerliche Kandidat dieſes Wahlbezirks iſt. Es handelt ſich bei der Stichwahl nur noch um die Frage, ob, nachdem die Sozialdemokratie im erſten Anlauf 6 Be⸗ zirke in unſerer Stadt erobert hat, auch unſer Bezirk in die Hände der Gegner fallen oder den bürgerlichen Parteien erhalten bleiben ſoll. Angeſichts dieſer Konſtellation müſſen alle Meinungsdifferenzen zwiſchen den bürgerlichen Parteien weichen“ — — alle Meinungsdifferenzen! (lebhafte Rufe: Sehr richtig!) alle Meinungsdifferenzen zu der Zeit, wo dieſe Kämpfe hier ſtattfanden! — (ſehr richtig!) „und deren Anhänger einmütig eintreten für den Sieg des Bürgertums über den Anſturm der Sozialdemokratie.“ (Sehr richtig!) Sie rufen: ſehr richtig! — (Zuruf) — Pardon; unterzeichnet: „im Auftrage des Wahl⸗ ausſchuſſes“. (Stadtv. Stücklen: Und an wen gerichtet?!) (Zuruf bei den Liberalen: An jeden Wähler! — Unruhe.) (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Roſenberg (unterbrechend): Herr Stadtv. Hirſch, ich glaube, Sie haben genug über die Agi⸗ tation der liberalen Fraktion geſprochen; ich bitte Sie, jetzt zur Sache zu kommen. (Sehr richtig!) Stadtv. Hirſch (fortfahrend): Meine Herren, gerade der „Sehr richtig!“⸗Ruf, der von Ihrer Seite (zu den Liberalen gewendet) erſchallt, beweiſt, wie tief der Unterſchied iſt zwiſchen dem Gerechtig⸗ keitsgefühl, das auf Ihrer Seite herrſcht, und dem Gerechtigkeitsgefühl, das auf unſerer Seite herrſcht: (Unruhe und Oho! bei den Liberalen.) er beweiſt gleichzeitig aber auch, wie ſonderbare An⸗ ſchauungen Sie über Agitation haben, die Sie uns jetzt Agitationsgelüſte vorwerfen! Wenn man in dieſer Weiſe, wie es hier die Liberalen getan haben — ich laſſe es dahingeſtellt, ob in gerechter oder in ungerechter Weiſe —, wenn man in dieſer Weiſe gegen eine Partei vorgegangen iſt, ſo würde ich wenigſtens mich ſchämen, noch bei den Anhängern derſelben Partei um Stimmen zu buhlen. Die Liberalen haben tatſächlich, lediglich um ein Mandat zu ergattern, den letzten Reſt ihrer politiſchen Ehre darangegeben. (Große Unruhe. Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Roſenberg (den Redner unterbrechend): Herr Stadtv. Hirſch, der Ausdruck iſt unzuläſſig; ich rufe Sie zur Ordnung! „ Stadtv. Hirſch (fortfahrend): Meine Herren, dieſe Furcht vor dem Anſturm der Sozialdemokratie, die in dem eben verleſenen Schreiben zum Ausdruck kommt, kam auch in der Rede des Herrn Dr. Crüger zum Ausdruck. Seine ganze Rede war nichts weiter als ein Geſtändnis der Furcht, daß, wenn das Drei⸗ klaſſenwahlſyſtem beſeitigt und dafür das allgemeine Wahlrecht eingeführt wird, dann die liberale Fraktion aus dieſem Saale verſchwinden mürde. (Sehr richtig! bei den Sozialdemotraten.) Das iſt der Grund, aus dem Sie, meine Herren gegen das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht ſind. (Zurufe bei den Liberalen.) 2 Sie ſind gegen die öffentliche Wahl, Sie würden alſo eventuell für eine geheime Abſtimmung zu haben ſein; Sie ſind auch Gegner des Dreiklaſſenwahlſyſtems; aber Sie ſind niemals bereit wenigſtens ſind das die Worte des Herrn Dr. Crüger — das Reichstags⸗ wahlrecht den Kommunalwahlen zugrunde zu legen. (Sehr richtig!) Sie ſind alſo gegen die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für die Kommunalwahlen. (Sehr richtig!) Meine Herren, wenn Sie das nach der Rede des Herrn Dr. Crüger noch beſtreiten (Wiederholte Rufe: Nein, nein!)