— Sie haben eben, als ich ſagte: Sie ſind dagegen — zugerufen: nein, wir ſind nicht dagegen! (Zuruf bei den Liberalen: Wir ſind gegen das allgemeine Wahlrecht!) Herr Dr. Cruger iſt auch auf die Ausführungen meines Freundes Dr. Borchardt über die Selbſtver⸗ waltung eingegangen. Er beſtritt, daß überhaupt zwiſchen Wahlrecht und Selbſtverwaltung ein Zu⸗ ſammenhang beſteht. (Zuruf bei den 8 8 ein loſer Zuſammen⸗ ang! Allerdings, Herr Dr. Erüger hat gar keinen Zweifel darüber gelaſſen, daß auch er Anhänger der Selbſt⸗ verwaltung iſt, aber der Selbſtverwaltung der Privilegierten. Nur dieſe Selbſtverwaltung will er; diejenige Selbſtverwaltung, an der das geſamte Volk teilnimmt, eriſtiert für den liberalen Herrn Ur. Crüger nicht! Herr Dr. Crüger hat weiter erklärt, daß auch er das paſſive Wahlrecht für reviſionsbedürftig halte. Er kann ſich aber der Kennzeichnung der Hausbeſtzer turch meinen Freund Dr. Borchardt nicht anſchließen. Nun hat Dr. Borchardt leider in ſeiner Rede die Hausbeſitzer noch nicht ſo ſcharf gekennzeichnet, wie ſie es eigentlich verdient hätten. Ich möchte mir deshalb erlauben, die Ausführungen des Herrn Dr. Borchardt nach dieſer Richtung hin durch Verleſung von zwei Zitaten zu ergänzen. Es handelt ſich um Ausſprüche von liberalen Männern über das Privileg der Hausbeſitzer. Zunächſt ein Ausſpruch des ſpäteren Finanz⸗ miniſters Dr. von Miquel, den er ſeinerzeit als Oberbürgermeiſter getan hat. (Stadtv. Otto: Den nennen Sie liberal?) — Damals war er liberaler, als die Liberalen Char⸗ lottenburgs heute ſind! (Stadtv. Otto: Damals! — Er war auch Sozial⸗ demokrat!) Sie ſinden das in dem einleitenden Referat zur Wohnungsenquete des Vereins für Sozialreform. Der Oberbürgermeiſter Dr. Miquel ſagte: „In vielen Städten gibt es eine Klaſſe von Hausbeſitzern, welche die ihnen in der Regel infolge hypothekariſcher Beleihung zugefallenen Häuſer für Arbeiterwohnungen einrichten und die Wohnungsnot in empörender Weiſe aus⸗ beuten, ſowohl durch die unerſchwingliche oder nur durch unſittlichen Erwerb erſchwing⸗ liche Höhe der Mietspreiſe, wie durch die gänzliche Verwahrloſung der Wohnungen, durch die auf alle Weiſe beförderte Überfüllung der⸗ ſelben, durch die geradezu wucheriſchen ſonſtigen Bedingungen des Mietsvertrages.“ Und, meine Herren, das Zeugnis eines anderen liberalen Mannes, der ja auch wohl in Ihren Augen als liberal gilt, er gehörte früher einmal Ihrer Fraktion an. Sein Zeugnis hat deswegen um ſo größeren Wert, weil er augenblicklich Mitglied des Charlottenburger Magiſtrats iſt. Der Aus⸗ ſpruch dieſes Herrn lautet: „Jedem Magiſtrat iſt das Schwergewicht einer Stadtverordnetenverſammlung angehängt, in welcher faſt in ganz Deutſchland den Haus⸗ befitzern die Mehrheit geſetzlich garantiert iſt. Von dieſen Verſammlungen eine ſelbſtändige ſtädtiſche Wohnungspolitik zugunſten der Mieter zu erwarten, heißt Übermenſchliches von Ihnen verlangen. Wie immer bei Intereſſengruppen in feſt geſichertem Beſitz, gewinnen hier die einſeitigſten Elemente die Oberhand.“ 192 Sie ſehen alſo, daß auch liberale Männer ſich der Kritik der Sozialdemokraten über das Privileg der Hausbeſitzer nicht nur anſchließen, ſondern daß ſie weit ſchärfer urteilen, als es von unſerer Seite geſchehen iſt. Nun, meine Herren, könnte man ja ſagen, daß die preußiſche Regierung das Privileg der Haus⸗ beſitzer nicht beſeitigen will, daß alſo gar keine Aus⸗ ſicht vorhanden iſt, daß wir einmal dieſem un⸗ begründeten Vorrecht ein Ende machen. Da mochte ich doch daran erinnern, daß die preußiſche Re⸗ gierung früher auf einem anderen Standtpunkte ge⸗ ſtanden hat. Sie legte im Jahre 1876 dem Land⸗ tage den Entwurf einer Städteordnung vor, der allerdings nicht zur Verabſchiedung gekommen iſt, und dieſer Entwurf ſah von der Einfügung der Beſtimmung des § 16 des geltenden Geſetzes, wo⸗ nach die Hälfte der Stadtverordneten aus Haus⸗ beſitzern beſtehen ſoll, ab, weil, wie es in den Mo⸗ tiven heißt, „das Bedürfnis, ja die Nützlichteit, einer derartigen, eine beſondere Klaſſe der Einwohnerſchaft hervorhebenden Beſtimmung vielfach und anſcheinend nicht ohne Grund in Frage geſtellt ſei.“ Alſo, meine Herren, im Jahre 1876 ſtand ſelbſt die preußiſche Regierung — und der werden ſie doch wahrhaftig keine ſozialdemokratiſche Tendenz unter⸗ ſchieben — inbezug auf das Privileg der Haus⸗ beſitzer auf demſelben Standtpunkt, auf dem wir heute ſtehen. Allerdings muß ich der Wahrheit die Ehre geben und ſagen, daß die ſozialpolitiſche Ein⸗ ſicht der preußiſchen Regierung ſeitdem erheblich ge⸗ ſunken iſt. (Heiterkeit.) Sie will heute das Privileg der Hausbeſitzer nicht nur nicht beſeitigen, ſondern ſie tut alles, um dieſes Privileg zu ſtärken. Vor ganz kurzer Zeit hat der Miniſter von Rheinbaben im Abgeordnetenhaus zwar zugegeben, daß in den kleineren Städten bei dem überwiegenden Einfluß der Haus⸗ und Grundbeſitzer ſich die Wohnungsreform nicht in dem Maße wird durchſetzen laſſen, wie es wünſchenswert iſt; aber auf die Anfrage eines liberalen Herrn, eines Herrn, den vielleicht Herr Dr. Crüger auch anerkennen wird — es iſt Ihr Papſt, der Abgeordnete Eugen Richter! (Heiterkeit) auf die Anfrage dieſes Herrn, warum denn die Re⸗ gierung, wenn ſie ſo urteile, das Privileg der Haus⸗ beſitzer nicht beſeitigen wolle, antwortete der Miniſter von Rheinbaben: „das hieße das Kind mit dem Bade ausſchütten; wir können die Haus⸗ und Grund⸗ beſitzer in den ſtädtiſchen Behörden nicht entbehren, weil ſie das ſtabile und erhaltende Element ſind:“ (ſehr richtig!) da hören Sie, was Sie für tüchtige Leute ſind! — „aber trotzdem iſt es doch vorgekommen, daß Sie auf verſchiedenen Gebieten, namentlich auf dem Gebiet des Wohnungsweſens, nicht ſo weitſichtig ſind, wie es vom allgemeinen Geſichtspunkte aus er⸗ wünſcht iſt.“ Alſo, meine Herren, die preußiſche Regierung hat vor noch nicht dreißig Jahren auf dem Stand⸗ punkte geſtanden, daß das Privileg der Hausbeſitzer überflüſſig iſt. Sie hat inzwiſchen ihre Anſchauung geändert; ſie will heute an dieſem Privileg feſthalten, und der Grund iſt leicht einzuſehen. Es iſt derſelbe Grund, aus dem Sie ſich gegen das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für die Kommune erklären: die Furcht vor der Sozial⸗ demokratie. Die Preußiſche Regierung fürchtet, daß, wenn dieſes Privileg beſeitigt wird⸗ dann noch