—. — 10 mehr Sozialdemokraten in die Kommunen eindringen könnten, und daß dann der preußiſche Staat ver⸗ loren iſt. Meine Herren, daß Sie für unſeren Antrag ohne weiteres nicht ſtimmen würden, das war uns ſelbſtverſtändlich klar. Sie werden den Aſt, auf dem Sie ſitzen, nicht abſägen. Wir hatten auch gar nicht darauf gerechnet, daß Sie den Antrag ohne weiteres annehmen würden. (Aha!) Wir hatten beſtimmt von Ihnen erwartet, daß Sie ſelbſt einen Antrag auf Kommiſſionsberatung ſtellen würden, und wir waren uns dahin übereingekommen, daß, wenn das von Ihrer Seite nicht geſchieht, wir alsdann einen ſolchen Antrag ſtellen, wie wir es ja jetzt getan haben, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, nun wirklich ernſtlich an die Beſeitigung des jetzigen Wahlſyſtems heranzutreten. Meine Herren, es iſt geſagt worden — aller⸗ dings nicht hier im Hauſe, aber in einem Artikel des Organs der liberalen Fraktion, der heute erſchienen iſt und mir doch der Erwähnung wert erſcheint : „Nach unſerer Auffaſſung wäre es durchaus unzweckmäßig, wenn die Stadtverordneten⸗ verſammlung dem ſozialdemokratiſchen Antrage eine eingehende Erörterung widmen wollte.“ Nun, das hat ja auch die Stadtverordneten⸗ verſammlung nicht getan. „Unſere Stadtverordnetenverſammlung“ — heißt es weiter „braucht ihre Zeit für Beratungen, die zu einem praktiſchen Ergebnis führen.“ (Sehr richtig!) Meine Herren, zu einem praktiſchen Ergebnis kann bei einigem guten Willen auch dieſer Antrag führen. Eine Bewegung gegen das Dreiklaſſenwahlſyſtem muß natürlich von unten heraufkommen. Die Bürger in der Stadt, die ſtädtiſche Bevölterung müſſen ſich aufraffen und ihre Vertreter veranlaſſen, daß ſie die Beſeitigung dieſes elenden Wahlſyſtems in den Gemeindevertretungen beantragen, und die Gemeindevertretungen müſſen dann unter ſich dahin übereinkommen, bei der Geſetzgebung, die Beſeitigung dieſes Wahlſyſtems zu beantragen. Wenn wir aber ſtill ſind, wenn niemand von uns den Finger rührt, um dies Unrecht aus der Welt zu ſchaffen, nun, meine Herren, dann wird das Dreiklaſſen⸗ wahlſyſtem eben verewigt, und das wollen wir doch verhindern. Wir werden unſererſeits alles tun und wir ſind gern bereit, mit Ihnen daran zu arbeiten —, dieſes Wahlſyſtem zu beſeitigen, dieſes Wahlſyſtem, das die Herrſchaft in den Kommunen auf Gnade und Ungnade einer Handvoll Beſitzenden ausliefert. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Crüger (perſönliche Bemerkung): Herr Kollege Hirſch hat die Behauptung auf⸗ geſtellt, die „Neue Zeit“ wäre ein Organ der liberalen Fraktion. Ich erkläre dieſe Behauptung für un⸗ richtig. Die „Neue Zeit“ iſt vollſtändig unabhängig, iſt kein Organ der liberalen Fraktion. Herr Kollege Hirſch hat dann in längeren Aus⸗ führungen, die gegen mich gerichtet waren, den Nach⸗ weis zu führen verſucht, daß das Privileg der Hausbeſitzer, das ſie heute in dem paſſiven Wahl⸗ 44 haben, abgeändert werden müſſe. Er hat dieſem Teil ſeiner Rede die angeblich meinerſeits aufgeſtellte Behauptung zugrunde gelegt, daß an dem Priuileg der Hausbeſitzer feſtgehalten werden ſolle. Ich erkäre demgegenüber, daß ich ausdrücklich hervorgehoben habe, daß insbeſondere auch das paſſive Wahlrecht reformbedürftig iſt. (Sehr richtig!) Der Herr Kollege Hirſch hat im erſten Teil der Rede ſich gegen mich gewandt mit der Be⸗ hauptung, es ſtände mir nicht zu, Dinge dem Herrn Antragſteller zu unterſchieben, die er nicht aus⸗ drücklich ausgeſprochen hat, ja ſogar gegen die er Verwahrung eingelegt hat. Gleichzeitig aber hat Herr Kollege Hirſch mir gegenüber die Behauptung aufgeſtellt, daß ich und meine politiſchen Freunde gegen den Antrag wären aus Furcht vor der Sozial⸗ demokratie, obgleich ich mich bemüht habe, in ſchlichten Auseinanderſetzungen unſere ablehnende Haltung darzulegen. Der Herr Kollege Hirſch hat alſo ſeiner⸗ ſeits gerade das getan, was er mir vorgeworfen hat. Stadtv. Hirſch (perſönliche Bemerkung): Meine Herren, ich habe Herrn Dr. Crüger nicht vorge⸗ worfen, daß ſeinem Widerſtand gegen unſeren Antrag andere Motive unterlägen, als er ſie hier angeführt hat, ſondern ich habe lediglich geſagt: das Motiv, das in ſeiner Rede zum Durchbruch kam, beſtand da⸗ und darin. Ich bitte Herrn Dr. Erüger, das Stenogramm durchzuleſen. Was die Ausführungen des Herrn Dr. Crüger über das Privileg der Hausbeftzer betrifft, ſo habe ich ihn volltkommen richtig verſtanden. Herr Dr. Crüger hat auch jetzt nur erklärt, daß das paſſive Wahlrecht reformbedürftig ſei. Er hat aber nicht geſagt, daß das Privileg der Hausbeſitzer zu beſeitigen ſei. Und das iſt es, worauf es ankommt. Darin, daß die „Neue Zeit“ ein Organ der liberalen Fraktion ſein ſoll, mag ich mich geirrt haben. Ich kenne die Verhältniſſe nicht ſo genau. Ich wollte ſagen: ein Organ, das die Anſchauungen der liberalen Fraktion zum Ausdruck bringt Stadtv. Dr. Spyiegel (perſönliche Bemerkung): Herr Kollege Hirſch hat ſich hier mit den Vorgängen bei meiner Wahl beſchäftigt. Ich will nur feſtſtellen, daß Herr Kollege Hirſch zu ſeinen Angriffen das Schlußwort gelegentlich eines Antrags, der mit dieſer Sache gar nichts zu tun hat, benutzte und es mir dadurch unmöglich machte, ſachlich darauf zu erwidern und unter anderm feſtzulegen, in welcher vornehmen Art die Herren von der Sozialdemokratie gerade dieſen Wahlkampf geführt haben. Vielleicht findet ſich dazu ein andermal Gelegenheit. Stadtv. Hirſch (perſönliche Bemerkung): Meine Herren, Herr Dr. Spiegel ſtellt es ſo dar, als ob ich abſichtlich das Schlußwort benutzt habe, um ihm und ſeinen Freunden eine Erwiderung auf meine Ausführungen unmöglich zu machen. Das iſt nicht der Fall. Ich war ſelbſt überraſcht, daß ich plötzlich das Schlußwort bekam. Außerdem mag ſich Herr Dr. Spiegel die Geſchäftsordnung durchleſen er findet dort ein Mittel, auch jetzt noch durchaus ſachlich und ausführlich zu erwidern. Er braucht nur eine zweite Leſung ſofort zu beantragen. Ich geſtehe im übrigen gern zu, daß Herr Dr. Spiegel an dem von mir verleſenen Schreiben unbeteiligt iſt. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage Hirſch die Einſetzung eines Aus⸗ ſchuſſes von 11 Mitgliedern. Zu Mitgliedern dieſes Ausſchuſſes werden gewählt die Stadtverord⸗ neten: Dr. Hubatſch, Stücklen, Döbler, Loh⸗ mann, Seibertz, Dr. Erüger, Dr. von Liszt, Otto, Dr. Borchardt, Hirſch und Roſenberg.) 40.