9. — 19 —— Gleichheit unter unſeren Mitbürgern ſorgen. Wir ſollten daher aus Prinzip die 3000 Mk. mit dieſer Motivierung ablehnen, um einen Hinweis zu geben auf die Unduldſamkeit, die dort hervortritt. Liebes⸗ werke wollen wir, wie ich ſchon ſagte, immer unter⸗ ſtützen; aber ſie können auch ohne religiöſes Beiwerk beſchaffen ſein. Es ſind oft nicht die ſchlechteſten, die auf religiöſe Fragen nicht ſehen. einen ſolchen Paragraphen mit in Kauf neymen ſollen — und ich mache darauf aufmerkſam, daß im Namen der Geſellſchaft in keiner Weiſe darauf hingewieſen iſt, daß es ein rein chriſtliches Inſtitut ſein ſoll; das müßte wenigſtens der Fall ſein, ſonſt fällt man tatſächlich darauf hinein, man zeichnet Beiträge, ohne ſich das Statut genau anzuſehen; das iſt meiner Anſicht nach überhaupt kein zu billigendes Verfahren — alſo ich ſage: wo ein ſolcher Paragraph beſteht, riecht es doch ſehr danach, daß es ſich hier weniger um ein Liebeswerk, als um eine Tätigkeit zur größeren Ehre des Pfaffentums handelt. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir die 3000 Mek. ſchon aus Prinzip mit der Motivierung, wie ich ſagte, ab⸗ lehnen ſollten. Stadtv. Baake: Meine Herren, wir ſind, wie mein Herr Vorredner geſagt hat, aus Prinzip gegen die Bewilligung der 3000 Mk. und müſſen es dem Verein durchaus überlaſſen, für den Fall, daß die Mehrheit unſerem Antrage beitritt, ob er ſich veran⸗ laßt ſieht, ſeine Statuten ſich noch einmal darauf hin anzuſehen, ob in ihnen dieſer Ausfluß kindiſcher Ge⸗ häſſigkeit gegen die Juden, der in dem verleſenen Paragraphen offenbar enthalten iſt, beſeitigt wird. Wenn wir dieſen Antrag ſtellen, ſo tun wir das nicht aus Freundſchaft für die Juden oder aus beſonders hervorragendem Philoſemitismus, ſondern aus dem ein⸗ fachen Gerechtigkeitsgefühl. Wenn ein jüdiſcher Verein vorhanden wäre, der eine ähnliche Beſtimmung in ſeinen Statuten zu ungunſten der Chriſten hatte, nämlich die beleidigende Vorſchrift, daß die Chriſten in den Vollverſammlungen des Vereins nicht ſtimm⸗ berechtigt ſind, ſo würden wir gleichfalls gegen die Bewilligung einer Summe für dieſen jüdiſchen Verein ſtimmen. Es kommt dabei garnicht auf die Frage an, die hier in den Vordergrund geſchoben worden iſt, ob der Verein Kaiſer Friedrich⸗Andenken ſegens⸗ reich wirkt oder nicht; das iſt nicht entſcheidend für uns. Die Stadt aber hat nach meiner Meinun nur das Recht, ihre Mittel, die von der All⸗ gemeinheit aufgebracht werden, für ein Inſtitut zu verwenden, daß keinen beſtimmt ausgeprägten Charak⸗ ter — ſogar unter Ausſchluß einer beſtimmter Reli⸗ gionsgemeinſchaft — hat. Das ſind die Gründe, die uns veranlaſſen, den Antrag zu ſtellen, die Summe von 3000 Mk. in dieſem Falle abzulehnen. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, ich möchte meinen, daß dieſer Paſſus in dem Statut, der nicht gerade geſchmackvoll iſt — das iſt auch meine Auffaſſung —, doch jedenfalls nicht ſo gedentet werden kann, daß er eine beleidigende Abſicht enthält gegen⸗ über den jüdiſchen Mitbürgern. Er hat vielmehr nur die eine Abficht, feſtzuſtellen, daß die Verwaltung auf konfeſſioneller Grundlage erfolgen ſoll. Meine Herren, ich kann mir ſehr wohl denken, daß ſich ein rein konfeſſioneller Verein gründet, der lediglich An⸗ gehörige ſeiner Konfeſſion unterſtützt, alſo ein katho⸗ liſcher Wohltätigkeitsverein, oder ein evangeliſcher Wohltätigkeitsverein, der nur katholiſche oder evange⸗ liſche Müglieder unterſtützt, oder ein jüdiſcher Wohl⸗ tätigkeitsverein, der nur jüdiſche Mitglieder der Ge⸗ Wenn wir hier] I meinde unterſtützt. Ich glaube. Sie würden nichts dagegen haben, wenn wir drei ſolcher Vereine hätten, und dieſe drei Vereine kämen an uns mit dem Er⸗ ſuchen, wir möchten ſie unterſtützen, daß wir jedem Verein etwas geben. Dieſe Vereine würden aber ſehr viel weiter gehen in der Betonung des konftſ⸗ ſionellen Charakters, als es dieſer Verein Kaiſer riedrich⸗Andenken tut. Der Verein Kaiſer Friedrich⸗ Andenken iſt in ſeiner Tätigkeit in ter konfeſſionell; er ſteht nicht auf konfeſſtoneller Grundlage; er unter⸗ ſtützt ohne Unterſchied Katholiken, Evangeliſche und Juden. Nur ſeine Verwaltung iſt in evangeliſchen Händen, und das allein will er ſagen, und wenn er das tut, meine Herren, ſo tut er nichts anderes, als was die katholiſchen Schweſtern tun, die lediglich auch eine konfeſſionelle, eine katholiſche Verwaltung haben, ihre Tätigkeit aber ebenfalls ausdehnen auf Angehörige aller Konfeſſionen. Dieſe katholiſchen Schweſtern unterſtützen wir auch mit einem Jahres⸗ beitrag von 500 ℳ. Es iſt nur die etwas geſchmackloſe Faſſung, die in dem Statut vorhanden iſt, die den Stadv. Dr. Zepler mit Recht etwas erregt. Das gebe ich zu. Aber wenn Sie die Sache in der von mir angegebenen Richtung näher prüfen, ſo, glaube ich, können Sie doch dem guten Zweck entſprechend die Unterſtützung hier ebenſo bewilligen, wie es bei den katholiſchen Schweſtern geſchehen iſt. Ich glaube wirklich, daß kein Anlaß vorliegt, annehmen zu ſollen, daß hier eine abſichtliche Beleidigung unſerer jüdiſchen Mit⸗ bürger durch den Paſſus in dem Statut enthalten iſt. Stadtv. Dr. Zepler: Ja, meine Herren, ich muß doch auf meiner Anſicht beſtehen, ſo ſehr ich auch den von dem Herrn Oberbürgermeiſter eingenomme⸗ nen ſchönen und chriſtlich vermittelnden Standpunkt anerkenne. Wenn es hier wirklich ehrlich gemeint iſt, ſo würde ich kein Wort geſagt haben. Aber wir haben in unſerer Zeit doch recht vielen Grund, immer mißtrauiſch zu ſein, ſollten immer die Augen offen halten und ſehen, was vorgeht. Ich glaube nicht daran, daß es ſo iſt, wie der Herr Oberbürger⸗ meiſter es dargeſtellt hat. Dann müßte es vor allen Dingen heißen: jeder Evangeliſche hat das Stimm⸗ recht in den Generalverſammlungen. Es handelt ſich alſo nicht um ein rein evangeliſches Juſtitut: es heißt: jeder „Chriſt“. Das kann es auch gar nicht ſein, obwohl es meiner Anſicht nach ſich hier um die evangeliſche Kirche handelt. Es ſcheint doch ſo, als ob eine Spitze gegen Diſſidenten und Juden vorhanden ſein ſoll. Ich traue das dem größten Teil unſerer Geiſtlichen zu. Wenn, wie der Herr Ober⸗ bürgermeiſter geſagt hat, es ſich handeln würde um jüdiſche, katholiſche oder evangeliſche Inſtitutionen, welche nur den betreffenden Religionsangehörigen die Wohltaten zugute kommen laſſen, ſo würde ich das immer noch weit richtiger finden. Die handeln wenigſtens ehrlich; man weiß, woran man iſt; und wenn ein unduldſamer Jude einem evangeliſchen Verein nichts zukommen laſſen will, dann weiß er wenigſtens, daß es ein chriſtlicher Verein iſt, dem er nichts zukommen läßt. Aber wenn es hier heißt: Mitglied kann jeder werden, und dann ſteht in dem Staiut — das man ſich gewöhnlich nicht anſieht, wenn man Beiträge zeichnet —, daß nur Chriſten das Stimmrecht haben, dann halte ich das geradezu für eine perfide Handlungsweiſe; und für ſo naiv halte ich die geiſtlichen Vertreter nicht, daß ſie da nicht gewußt haben, was ſie tun. Alſo ſo wohltätig das Werk auch ſein mag wohltätig zu ſein, haden wir immer noch Gelegenheit