— 22 — Vor Eintritt in die Tagesordnung erteile ich Herrn Stadtv. Becker das Wort. Stadtu. Becker: Meine Herren, ich habe das Wort erbeten, um Einſpruch zu erheben gegen das Protokoll der vorigen Sitzung. Das Protokoll der Sitzung ſoll die Beſchlüſſe der Sitzung enthalten und, wenn auch in kurzen Worten abgefaßt, über den Hergang der Sitzung ein Bild geben. Der Grund, der mich veranlaßt, den Einſpruch zu erheben, liegt in einem Vorgange, der ſich ereignete bei der Er⸗ öffnung des nicht öffentlichen Teils der vorigen Sitzung. Eingangs der Sitzung nahm der Stadtv. Dr. Borchardt das Wort, um einen Einſpruch zu be⸗ gründen, der von der ſozialdemokratiſchen Fraktion erhoben war gegen den Wahlvorſchlag betreffend ein Mitglied der Deputation für die Gaswerke. Herr Dr. Borchardt ſchloß mit dem Antrage, dieſe Ange⸗ legenheit an den Wahlausſchuß zurückzuweiſen. Der Antrag wurde abgelehnt. Darauf nahm der Stadtv. Hirſch das Wort, ſchlug nun eine andere Per⸗ ſönlichkeit als die vom Wahlausſchuß vorgeſchlagene vor und beantragte Abſtimmung. Dann erhob ſich der Stadtv. Baake, und nachdem er wenige Worte geſprochen, um den Antrag der ſozialdemokratiſchen Fraktion zu befürworten, ſchloß er damit, daß er die Beſchlußfähigkeit der Verſammlung anzweifelte. Dieſe Anzweiflung war höchſt — wenigſtens ſchien ſie einer großen Anzahl von Mitgliedern, auch des Magiſtrats, als höchſt inopportun; denn es war noch eine Angelegenheit für die Bismarck Straße zu er⸗ ledigen, und ſelbſt die Fraktionsgenoſſen ſprachen auf Herrn Baake ein. Herr Baake aber blieb dabei: es muß feſtgeſtellt werden, daß die Verſammlung beſchlußunfähig iſt, — und verließ den Saal. Von draußen beobachtete er mit einigen ſeiner Genoſſen die Vorgänge hier im Saal, und die Herren Bei⸗ ſitzer begannen, das Haus auszuzählen. Verſchiedene Perſonen, ſelbſt die Herren vom Magiſtrat, ſtürzten nach dem Vorraum, um noch die Stadtverordneten, welche draußen luſtwandelten, in den Saal zu brin⸗ gen. Das Abzählungsgeſchäft ging weiter. Der tadtv. Baake ſchien die Abzählung für erledigt zu halten und trat wieder in den Saal. Ehe nun die Beiſitzer die Zahl der Anweſenden feſtgeſtellt hatten, richtete der Herr Vorſitzende an den Stadtv. Baake die Bitte, er möge doch ſeinen Zweifel an der Be⸗ ſchlußfähigkeit zurückſtellen, dafür wolle man die Wahlangelegenheit an den Wahlausſchuß wieder zu⸗ rückſenden. Nun, meine Herren, dieſen Handel: gib mir das, dann gebe ich das — den halte ich für unzuläſſig, und als nun der Herr Vorfſitzende weiter fortfuhr: „Alſo Herr Baake, Sie ziehen den Widerſpruch zurück, und wir werden die Angelegen⸗ heit an den Wahlausſchuß zurückweiſen, — wenn ſich kein Widerſpruch erhebt, werde ich in der Ver⸗ handlung fortfahren“ — erhob ich mich und erklärte meinen Widerſpruch. Der Herr Vorſitzende ſchien anzunehmen, daß ich die Sache nicht richtig erfaßt hätte, und erklärte mir: der Herr Stadtv. Baake hat die Beſchlußfähigkeit angezweifelt, er iſt aber bereit, ſeinen Widerſpruch zurückzuziehen, wenn wir die Wahlangelegenheit an den Wahlausſchuß zurück⸗ weiſen, und wenn kein Widerſpruch erhoben wird, dann können wir weiter verhandeln. Darauf habe ich meinen Widerſpruch aufrechterhalten. Trotzdem wurde von dem Herrn Vorſitzenden in der Ver⸗ handlung fortgefahren und dem Stadtv. Mittag das Wort 3. 1 um folgenden Punkte der Tagesordnung. eine Herren, ein Antrag auf Feſtſtellung der Beſchlußfähigkeit iſt überhaupt nicht zu ſtellen. enn jemand einen Zweifel an der Beſchlußfähigkeit aus⸗ ſpricht, ſo iſt es Sache des Vorſitzenden, dieſe Be⸗ ſchlußfähigkeit feſtzuſtellen, und es iſt Sache des Vorſitzenden, zu erklären entweder: die Beſchlußfähig⸗ keit iſt da und es wird in der Verhandlung fortge⸗ fahren — oder: die Beſchlußunfähigkeit iſt konſtatiert und die Verhandlungen hören auf, gleichgiltig ob eine folgende Sache noch iſt oder nicht. Ich muß dagegen Verwahrung einlegen, daß das hier in der Stadtverordnetenverſammlung Gewohnheit wird, daß man ſagt: wenn ihr das und das tut, dann zweifle ich die Beſchlußfähigkeit an, und wenn ihr das und das nicht tut, zweifle ich die Beſchlußfähigkeit nicht an. Ich ſtelle den Antrag, daß das Protokoll, das dieſen ganzen Vorgang nicht enthält, dahin berichtigt wird, daß dieſer Vorgang in dem Protokoll Auf⸗ nahme findet. Das Protokoll lautet: „Der Einſpruch gegen den Vorſchlag des Wahlausſchuſſes zur Tages⸗ ordnung 18a wird begründet“. Weiter: „Der Vor⸗ ſchlag wird dem Wahlausſchuß zugewieſen“. Meine Herren, dieſes Protokoll widerſpricht den Tatſachen. Der Antrag iſt abgelehnt worden; es iſt ein neuer Antrag vom Stadtv. Hirſch geſtellt worden, der zur Abſtimmung geſtellt werden ſollte. Die Ab⸗ ſtimmung hat nicht ſtattgefunden. Darauf hat Herr Kollege Baake die Beſchlußfähigkeit bezweifelt. Die Beſchlußunfähigkeit iſt nicht feſtgeſtellt worden, und in den Verhandlungen iſt fortgefahren worden. Stadtv. Kaufmann: Meine Herren, die Dar⸗ ſtellung, die der Herr Kollege Becker gibt, iſt bis auf einen Punkt richtig. Da ich den Vorſitz in dieſer geheimen Sitzung geführt habe, will ich dieſen einen Punkt hier gleich vorweg nehmen, der weſentlich von dem, was hier vorgebracht iſt, abweicht. Die Ver⸗ handlung hat ſich ſo abgeſpielt, wie Herr Kollege Becker es Ihnen mitteilte, mit dem Unterſchiede nur, daß ich, als Herr Kollege Becker ſeinen Widerſpruch erhob, ausdrücklich die Frage an ihn richtete: halten Sie Ihren Widerſpruch aufrecht, zweifeln Sie die Be⸗ ſchlußfähigkeit an? dann würden wir nicht verhandeln, und Herr Kollege Becker hat darauf ſeinen Wider⸗ ſpruch zurückgezogen. Ich berufe mich in dieſer Be⸗ ziehung auf die Herren Beiſitzer, die in jener Sitzung fungierten, und auf diejenigen Herren, die noch in der Verſammlung anweſend waren. Es iſt ſelbſt⸗ verſtändlich, daß ich nicht weiter verhandelt hätte, wenn die Beſchlußfähigkeit weiter angezweifelt worden wäre. Die Beſchlußunfähigkeit als ſolche war nicht feſtgeſtellt worden. Die Herren Beiſitzer haben mir keine Ziffern angegeben. Inzwiſchen kam Herr Kollege Baake wieder herein, und es war die Mög⸗ lichkeit vorhanden, daß wir doch beſchlußfähig waren. Daß ich in der 1 Sitzung in dieſem Falle wegen der Wichtigkeit der Vorlagen, die ihrer Er⸗ ledigung bedurften, gern den Weg beſchritten habe, um, nachdem die Beſchlußunfähigkeit nicht feſtgeſtellt war, die Gegenſtände weiter verhandeln zu laſſen, das gebe ich zu im Intereſſe der Wichtigkeit der Gegenſtände, die zur Erledigung kommen mußten, weil ſie an eine Friſt gebunden waren. Aber voll⸗ kommen legal iſt verfahren worden, nachdem der Herr Kollege Becker ſeinen Zweifel nicht auf⸗ rechterhalten hat. Ich habe direkt die Frage an ihn gerichtet — ob er ſie richtig verſtanden hat, kann ich nicht beurteilen —; Herr Kollege Becker hat aber geſagt: ich halte meinen Widerſpruch nicht aufrecht. In dieſer Beziehung appelliere ich an diejenigen Herren, die in der Verſammlung anweſend waren, insbeſon⸗ dere die Herren Beiſitzer.