28 Der Kollege Becker hat namentlich bei ſeiner zweiten Rede meines Erachtens das ganz präzis hervorge⸗ hoben. (Sehr richtig!) Ich halte das nicht für richtig. Ich will nur beiſpiels⸗ weiſe als Gegenargumentation geltend machen: es kann ja ſein, daß in dem Moment, wo der betreffende Herr den Zweifel geäußert hat, noch verſchiedene Herren eintreten; (Rufe: Gewiß!) daß er dann auf die Feſtſtellung verzichtet, iſt doch eigentlich ganz ſelbſtverſtändlich Und ſowie der Zweifel zurückgezogen iſt, hat, glaube ich, der Vor⸗ ſteher keine Veranlaſſung mehr, die Auszählung des Hauſes anzuordnen. (Sehr richtig!) Wenn ich das zu grunde lege, dann komme ich zu folgender ganz einfachen Auffaſſung der Sachlage. Es war ein Zweifel geäußert; der Zweifel war an eine Bedingung geknüpft; an eine ſolche Bedingung ihn zu knüpfen, iſt ein Unding, das geht nicht; (ſehr richtig!) ich halte in dieſem Falle aber nicht den Zweifel für ungiltig, ſondern die Bedingung. Ich glaube alſo, daß Herr Baake wirklich einen Zweifel an der Be⸗ ſchlußfähigkeit des Hauſes erhoben hat. Ich bin ſelbſt ja in der vorigen Sitzung nicht anweſend geweſen; habe alſo keine eigene Kenntnis von den Verhand⸗ lungen. Ebenſo zweifellos iſt es mir aber, daß Herr Baake ſeinen Zweifel zurückgezogen hat. Nun fragt es ſich: hat Herr Kollege Becker ſeinerſeits dieſen Zweifel wieder aufgenommen, oder hat er hernach nur deduziert: weil einmal Zweifel erhoben iſt, muß unter allen Umſtänden ausgezählt werden? Darüber bin ich mir nicht vollſtändig klar; ich habe das aus der Darſtellung des Herrn Kollegen Becker nicht mit aller Beſtimmtheit entnehmen können; aber es ſcheint mir ſo, als hätte Herr Kollege Becker nicht ſeiner⸗ ſeits einen eigentlichen Zweifel erhoben, ſondern nur deduziert, daß mit Rückſicht auf den Zweifel des Herrn Baake Auszählung hätte erfolgen müſſen. Wenn die Sache ſo iſt, dann müſſen wir allerdings zu einer Giltigkeit der Beſchlüſſe kommen. Denn wenn eben die Anſicht nicht richtig iſt, daß ein Zweifel nicht zurückgenommen werden könne, dann beſtand der Zweifel nicht mehr, war alſo keine Veranlaſſung mehr, das Haus auszuzählen, und dann ſehe ich allerdings auch keine Veranlaſſung, die Beſchlüſſe für ungiltig zu erklären. Stadtv. Becker: Meine Herren, ich möchte mich uerſt gegen den Herrn Bürgermeiſter wenden. Herr Bugermeiſter behauptet: die Beſchlüſſe ſind ſo lange legal gefaßt, als die Beſchlußfähigkeit nicht feſtgeſtellt iſt. Meine Herren, es iſt mir wohl bekannt, daß im parlamentariſchen Leben der Gebrauch eriſtiert, daß der Präſident, der Vorſitzende die Augen ſchließt und nicht ſieht, ob Beſchlußfähigkeit vorhanden iſt oder nicht. Aber, meine Herren, ſobald die Beſchlußfähig⸗ keit angezweifelt wird, iſt es Pflicht des Vorſitzenden, die Beſchlußfähigkeit feſtzuſtellen. Ob er das durch Auszählung des Hauſes macht, oder ob er das durch die Beiſitzer konſtatieren läßt, oder ob er es ferner aus eigner Machtvollkommenheit durch ſein eigenes Urteil feſtſtellt, iſt ganz gleichgiltig; aber der Vor⸗ ſitzende hat, ſobald gueiſel ausgeſprochen iſt, feſtzu⸗ ſtellen: iſt Beſchlußfähigkeit da oder nicht? Und wenn die Feſtſtellung unterbleibt, dann tritt der Punkt ein, von dem ich geſagt habe: er iſt ungeſetzlich. Der ungeſetzliche Zuſtand beginnt mit dem Augenblick, wo 3Zweifel ausgeſprochen ſind, und die Zweifel werden nicht beſeitigt. Zurückziehen der Zweifel gibts nicht. Dann möchte ich noch weiter Herrn Kollegen Gleim gegenüber erwidern: eine bedingte Anzweiflung der Beſchlußfähigkeit gibts überhaupt gar nicht. Ent⸗ weder es wird die Beſchlußfähigkeit angezweifelt, oder ſie wird nicht angezweifelt. Daß ſie hier ordnungs⸗ mäßig angezweifelt iſt, geht daraus hervor, daß das Bureau die Auszählung des Hauſes begonnen hatte, und das Bureau war mit der Auszählung des Hauſes fertig, hatte noch Zweifel, ſchien in einer gewiſſen Unklarheit zu ſein. Und, meine Herren, der Punkt, worauf es mir allein ankommt, iſt der: daß der Herr Vorſitzende nun dem Herrn Stadtverordneten Baake ſagte: „Nehmen Sie Ihren Widerſpruch zu⸗ rück“ — er forderte ihn auf, den Widerſpruch zurück⸗ zunehmen; — „wir werden die Wahlangelegenheit an den Wahlausſchuß zurückweiſen.“ Alſo, meine Herren, es wird hier ctwas geboten, das wird ange⸗ nommen, und dafür als Gegendienſt wird die Be⸗ ſchlußfähigkeit nicht angezweifelt! Meine Herren, darauf kommt es mir an. Ein derartiges — ich habe vorhin geſagt: Handelsgeſchäft; ich will den Handel weglaſſen — ein derartiges Geſchäft, ein der⸗ artiges Abkommen, ein derartiger Kompromiß iſt unzuläſſig. Wohin ſoll das führen, wenn jemand kommt und ſagt: wenn ihr jetzt das nicht tut, was ich will, dann bezweifle ich die Beſchlußfähigkeit! Meine Herren, ſtellen Sie ſich vor: was wird das dann für eine Geſchäftsführung?! Darauf kommt es mir an, daß ordentlich die Geſchäfte geführt werden! Stadtu. Schwarz: Meine Herren, ich möchte den Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Gleim zuſtimmen. Mir ſcheint es auch ganz richtig zu ſein, daß ein Zweifel nicht bedingt erhoben werden kann. Im übrigen meine ich. haben wir von b. rufener juriſtiſcher Seite auf allen Seiten des Hauſes ſo lichtvolle Ausführungen gehört, daß ich nicht einſehen kann, warum wir uns an einen andern als an einen Juriſten wenden ſollen; das iſt, meine ich, die be⸗ rufene Stelle, und mir ſcheint, daß im Hauſe zum größten Teil Einigkeit darüber herrſcht, daß die Be⸗ ſchlüſſe giltig ſind. Vorſteher Roſenberg: Es hat niemand weiter das Wort verlangt. Nach § 11 der Geſchäftsordnung hat, wenn Widerſpruch erhoben wird, über die Faſſung des Protokolls die Verſammlung zu entſcheiden. Ich nehme nun an, daß der Herr Stadtv. Becker wünſcht, das hinter „Nicht öffentliche Sitzung“ folgender Paſſus eingeſetzt wird: Es wird ein Zweifel an der Beſchlußfähigkeit erhoben und dieſer Zweifel demnächſt zurück⸗ gezogen. Wollen Sie ſo den Antrag ſtellen, Herr Stadtv Becker? (Stadtv. Becker: Nein!) Dann bitte ich Sie, ſchriftlich zu formulieren, wie Sie das Protokoll gefaßt haben wollen. (Stadtv. Becker: Ich . 4254 den Antrag über⸗ reichen. Nun darf ich dieſen Gegenſtand zunächſt verlaſſen. Wir kommen zur Tagesordnung. Stadtv. Dr. v. Liezt (zur Geſchäftsordnung): Herr Vorſteher, Sie ſagten vorhin, daß Sie die Be⸗ ſchlüſſe, die gefaßt worden wären, für ungiltig anſehen, und daß Sie die Gegenſtände auf die Sordnung der nächſten Sitzung ſetzen wollten. Taler werden wir 111 Beſchluß faſſen müſſen.