Stadtv. Dr. v. Liszt: Meine Herren, im Namen unſerer Fraktion möchte ich Sie bitten, die Vorlage abzulehnen. Wie Sie aus der Be ründung ent⸗ nehmen, handelt es ſich darum, da die Stadtge⸗ meinde das Eigentum dieſer beiden Wegetrennflächen, die dort in Frage ſind, an die Luiſengemeinde un⸗ entgeltlich abtritt, und zwar mit der Auflage, ſie dem Kaiſer Friedrich⸗Andenken zu den jetzt giltigen ſtatutariſchen Zwecken dauernd zu überlaſſen. Was uns deſtimmt, unſererſeits für die Ablehnung der Vorlage zu ſtimmen, das ſind ja nicht die ſtatutariſchen Iwecke des Vereins Kaiſer Friedrich⸗ Andenken, ſondern es iſt jener in einer unſerer letzten Sitzungen ſo eingehend beſprochene Paragraph der Satzungen, der zwar zuläßt, daß Nichtchriſten Mitglieder des Vereins werden, der aber das Stimm⸗ recht den Nichtchriſten nimmt. Meine Herren, ich glaube, daß alle meine Freunde einig ſein werden: wenn es ſich darum handeln ſollte, ſei es einen ſtreng evangeliſchen Verein, ſei es einen katholiſchen oder jüdiſchen Verein, der ſeine Liebestätigkeit auf alle Schichten der Bevölkerung ohne Unterſchied der Re⸗ ligion und Konfeſſion ausdehnt, zu unterſtützen, ſo würden wir ſehr gern dazu bereit ſein. Aber hier handelt es ſich darum, daß ſtatutengemäß — ich kann mich nicht anders ausdrücken — der nackteſte Antiſemitismus getrieben wird. Bereits als wir das letzte Mal über dieſen Verein ſprachen und mit ſchwacher Majorität ihm eine Unterſtützung bewilligten, bereits damals iſt aus dem Schoße unſerer Ver⸗ ſammlung heraus der dringende Wunſch ausgeſprochen worden, daß dieſer Parapraph geändert werde, und wäre eine ſolche Anderung inzwiſchen eingetreten, ſo würden wir ſicherlich nicht für die Ablehnung ſtimmen; und würde demnächſt eine ſolche Anderung eintreten, ſo werden wir auch unſererſeits gern be⸗ reit ſein, dem Verein auf jedem nur möglichen Wege entgegenzukommen. Da aber dieſe Anderung der Statuten nicht eingetreten iſt, da dieſer Paragraph fortbeſteht, ſo ſind wir nicht in der Lage, für die Magiſtratsvorlage zu ſtimmen. Sie ſehen, meine Herren, aus der Begründung, daß für unſern Beſchluß die Genehmigung des Be⸗ zirksausſchuſſes erforderlich iſt, und daß zu dieſem Zweck die Mehrheit angegeben werden muß, mit welcher unſer Beſchluß gefaßt wird. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß wir zu einer Ablehnung der Vorlage mit mäglichſter Einſtimmigkeit gelangen: aber zum mindeſten hoffe ich, daß die Mehrheit, die ſich etoa für die Magiſtratsvorlage ausſprechen ſollte, eine ſo geringe ſein wird, daß die Genehmigung des Bezirksausſchuſſes nicht erfolgt. Stadtv. Protze: Meine Herren, ich möchte Sie bitten, dem Antrage des Herrn Vorredners nicht nach⸗ zukommen. Ich gebe vollkommen zu, daß dieſer Paſſus, der die Debatte in der vorigen Verſammlung hervor⸗ gerufen hat, unberechtigt iſt; ich ſtehe auf demſelben Standpunkt. Aber, meine Herren, Sie wiſſen doch ſelber: ſolche Statuten laſſen ſich nicht über Nacht ändern; wenn die Herren auch wirklich den Wunſch haben, es läßt ſich nicht ſofort machen. Zur Anderung unſerer Geſchäftsordnung haben wir eine lange Zeit 44. ſo iſt es auch mit dieſen Statuten; im dandumdrehen geht es nicht. Ich würde doch bitten, diesmal die Sache noch zu genehmigen, zumal es ja direkt nicht den Verein Kaiſer Friedrich⸗Andenken, ondern die Luiſenkirche angeht. Ich glaube, es würde mrecht ſein, wenn wir die Vorlage ablehnten und damit die ganze Sache verzögerten. Die Vorarbeiten 624 —— — ſind geſchehen; man hat nicht daran gedacht, daß hier ſolche Hinderniſſe kommen. Wodurch iſt es überhaupt gekommen, daß wir in dieſer Verlegenheit ſind? Dadurch, daß der Bebauungsplan geändert, daß eine Baumaske vorgelegt worden iſt. Und, meine Herren, wem hat früher die Baumaske gehört? Der Luiſen⸗ gemeinde jedenfalls; denn die Stadt war nicht grund⸗ buchlich eingetragener Beſitzer. Alſo früher hat dieſe Maske der Aagencenebe gehört, und ſie hat ſie dann wohl an die Stadt gegeben, wie es ſo üblich iſt. Und jetzt wollen Sie der Gemeinde das vor⸗ enthalten?! Die Luiſenkirche will gar keinen Streit haben, wem das Recht zukommt oder nicht, ſie will alle Bedingungen erfüllen. Deshalb möchte ich Sie bitten, diesmal noch ein Auge zuzudrücken. Herr Kollege v Liszt, Sie können ja beim nächſten Etat die Angelegenheit wieder zur Sprache bringen; in der Zwiſchenzeit wird jedenfalls manches geändert ſein, und ſollte das nicht geſchehen, dann haben Sie dort eine Handhabe. Ich möchte Sie aber bitten, nicht gerade hier dieſer Sache ein Hindernis zu bereiten, ſondern nachzugeben. Ich bitte Sie darum! Stadtv. Dr. Zepler: Als ich damals wegen der 3000 ℳ den Antrag ſtellte, die Magiſtratsvorlage abzulehnen, wurde ſie trotzdem mit einer Stimmen⸗ majorität angenommen. Es war mehr ein Zufall. Ich habe das Reſultat außerordentlich bedauert. Ich habe damals ſchon gebeten, man ſolle doch dieſen Inſtanzen, welche derartig inhuman und intolerant und infolgedeſſen auch unchriſtlich vorgehen, mal einen gründlichen Denkzettel geben. Das iſt damals nicht gelungen; ich glaube, wir können das dafür heute einmal tun. Wenn auch inzwiſchen die Statuten noch nicht geändert ſein konnten — das gebe ich gern zu —, ſo ſollte man doch heute die betreffenden Herrſchaften mal etwas rüffeln. Denn daß wir hier dagegen geſprochen haben, wird nichts nützen. Ich bin überzeugt, die Statuten werden nicht geändert werden, wenn den Herren nicht am Geldpunkt einmal gezeigt wird, daß wir doch ein Wort mitzuſprechen haben. Ich bin nicht intolerant, ich bin kein wütender Kirchenfeind in dem Sinne, daß ich nicht die eventuell guten Werke der Kirche unterſtützen würde; aber ich bin jedenfalls — und meine, jeder aufgeklärte Menſch ſollte es ſein — ein Feind der Kirche, ſobald ſie ſich unkirchlich und unduldſam zeigt. Alſo, meine Herren, ich bitte Sie, die Sache abzulehnen. Gerade heutzutage, wo an anderen, leider ſehr maßgebenden Stellen ein ſo reaktionärer Wind weht, wo Intoleranz und beſchränkteſte Auf⸗ faſſung in ſolchen Dingen maßgebend ſind, da ſollte doch wieder einmal der alte liberale Geiſt der Städte ſich regen und gegen derartige Auffaſſungen energiſch proteſtieren. Ich bitte Sie, die Vorlage abzulehnen. Wenn der Verein in ſich gehen wird, dann werden wir dies und anderes eventuell noch bewilligen; andernfalls aber bitte ich, es ſtrikt abzulehnen. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, ich kann dieſen angefochtenen Paragraphen nicht ſo außer⸗ ordentlich tragiſch anſehen. Wenn zahlende Mit⸗ glieder dieſes Vereins kein Stimmrecht haben ſollen, dann ſcheint mir das im weſentlichen Sache dieſer Mitglieder zu ſein. Wenn jemand ſich dem Verein anſchließen will, obwohl der Verein ihm ſagt: dein Geld nehmen wir, das iſt uns ſehr willkommen für unſere Zwecke, aber das Stimmrecht geben wir dir nicht, weil du Jude biſt, — und wenn dann trotz⸗ dem Juden dem Verein beitreten — ich weiß nicht, ob