———— 71. —— wir die einzige Stadt ſind, die in Krankheitsfällen den halben Lohn 26 Wochen lang neben der Kran⸗ kenunterſtützung gewährt. Meine Herren, nach einer Zuſammenſtellung, die mir vorliegt, die ſich in dem Buch von Mombert findet, zahlt Straßburg für alle ſtändigen Arbeiter nach einjähriger ununterbrochener Dienſtzeit, wenn ſie verheiratet ſind oder Angehörige zu ernähren haben, volle 6 Monate hindurch ſogar den vollen Lohn abzüglich des Krankengeldes. Aber ſelbſt wenn es keine andere Stadt gäbe, die dieſe Forderung bisher erfüllt hätte, würde dadurch unſere Forderung an innerer Berechtigung noch nicht ver⸗ lieren. Was meine Ausführungen bezüglich der Fort⸗ zahlung des Lohnes bei militäriſchen Ubungen betrifft, meine Herren, ſo kann ich nur beſtätigen, daß ich auch nach nochmaliger Durchleſung der Be⸗ gründung des Magiſtrats denſelben Eindruck ge⸗ wonnen habe, den ich vorhin Ihnen ſchilderte. In der Tat hat der Magiſtrat obenan den Geſichtspunkt der Einfachheit geſtellt. Es iſt ja möglich, daß es vielleicht nur eine ſchlechte Faſſung iſt, daß es ſich hier nur um eine ſtiliſtiſche Unebenheit handelt. Aber nach der Motivierung, die der Magiſtrat uns gegeben hat, mußte ich zu dem Eindruck kommen, daß dieſer Grund für den Magiſtrat in erſter Linie maßgebend war. Der Herr Bürgermeiſter meinte wieder, daß die Arbeiter ſich zu Ubungszeiten, wenn man alle Kompetenzen, die ſie beziehen, und den halben Lohn und die Unterſtützung aus Reichsmitteln zuſammenrechnet, beſſer ſtehen. Nun, meine Herren, das kann man eigentlich nur aus der Praris beur⸗ teilen. Ich weiß nicht, ob der Herr Bürgermeiſter auch in Verkehr mit Reſerviſten und Landwehrleuten geweſen iſt. Wenn er es geweſen iſt, glaube ich, würde er zu ganz anderen Anſchauungen kommen: in Wirklichkeit haben die Leute, wenn ſie von den Übungen zurückkommen, gewöhnlich Schulden, ſelbſt wenn ſie den halben Lohn von uns weiter beziehen. Auf das, was der Herr Bürgermeiſter über die Überſtunden geſagt hat, erlaube ich mir noch kurz zu erwidern. Der Herr Bürgermeiſter hat auf die Nachweiſung bezug genommen, die uns im Etat⸗ ausſchuß vor zwei Jahren oder vor einem Jahre über⸗ reicht worden iſt. Ja, meine Herren, gerade dieſe Nachweiſung hat mich darin beſtärkt, daß unſer An⸗ trag berechtigt iſt. Aus dieſer Nachweiſung geht hervor, daß das Überſtundenweſen bei uns nicht ge⸗ regelt iſt. Ob in der Praris augenblicklich viele Überſtunden gemacht werden oder nicht, das kommt erſt in zweiter Linie; in erſter Linie handelt es ſich für mich darum, überhaupt das Uberſtundenweſen zu regeln. Wir können nicht wiſſen, welche Faktoren gerade in der Verwaltung maßgebend ſind. Selbſt wenn augenblicklich alles in beſter Ordnung wäre, würde ich doch auf dem Antrag beharren, daß grund⸗ ſätzliche Beſtimmungen über das Überſtundenweſen getroffen werden müſſen. Außerdem iſt es aber auch nicht ſo bei uns beſtellt, daß etwa l berſtunden ſo gut wie gar nicht vorkommen. Meine Herren, ich unterlaſſe es, hier alles das anzuführen, was in der Nachweiſung ſteht. Ich will nur darauf hin⸗ weiſen, daß beiſpielsweiſe ausdrücklich betont iſt. daß in der Hochbauverwaltung in den großen Ferien, in den Schulferien, gewöhnlich alle 17 Arbeiter Iber⸗ ſtunden machen müſſen, was leicht erklärlich iſt. Dann weiſe ich ferner darauf hin, daß — auch wieder nach den uns gewordenen Mitteilungen — das Perſonal der Badeanſtalt infolge der Eigenart des Betriebes keine zehnſtündige Arbeitszeit hat, ſondern daß die tägliche Arbeitszeit durch einen Arbeitsplan feſtgeſtellt, iſt: „ſie beträgt höchſtens 11½ bis 12 Stunden; Uber⸗ ſtunden über dieſe Zeit hinaus und die in die ſpäteren Abend⸗ oder Nachtſtunden fallenden werden beſonders vergütet“. In einer anderen Verwaltung, in der Schulverwaltung, heißt es wieder: „Überſtunden werden nicht vergütet, da infolge der Art der Be⸗ ſchäftigung eine beſtimmte tägliche Arbeitszeit nicht feſtgelegt iſt.“ Es würde zu weit führen, Ihnen alles das zu verleſen. Ich glaube aber, daß das hereits Ihnen beweiſt, daß tatſächlich bei uns das Überſtundenweſen nicht geregelt iſt. Das iſt es, worauf es mir ankam. Nun noch ein Wort über die Arbeiterausſchüſſe. Daß ein Arbeiterausſchuß keine demagogiſchen Be⸗ ſtrebungen verfolgen ſoll, darin ſtimme ich dem Herrn Bürgermeiſter durchaus zu. Auch nach unſerer Meinung hat ein Arbeiterausſchuß etwas anderes zu tun, als demagogiſche Beſtrebungen zu verfolgen, und wir wären die Erſten, die, wenn etwa das in einem Arbeiterausſchuß vorkäme, das auf das allerentſchie⸗ denſte mißbilligten. Wir wollen, daß die Arbeiter⸗ ausſchüſſe den Zweck erfüllen, den ſich die Befür⸗ worter dieſer Ausſchüſſe gedacht haben: nämlich den Zweck, den ſozialen Frieden zu fördern und etwaigen Streiks vorzubeugen. Das iſt aber nur dann mög⸗ lich, wenn wir tatſächlich ganz freie, unabhängige Arbeiterausſchüſſe haben Meine Herren, in dem Statut des Arbeiterausſchuſſes der Gasanſtalt findet ſich beiſpielsweiſe der Paſſus: Beſchwerden über Vorgeſetzte gehören nicht vor den Arbeiterausſchuß. eun mag ja das auf den erſten Blick etwas recht Beſtechendes haben. Aber wer hier länger in der Stadtverordnetenverſammlung tätig iſt, der wird ſich erinnern, daß der Ausſtand, der vor einigen Jahren auf der Gasanſtalt eintrat, leicht vermieden worden wäre, wenn die berechtigten Beſchwerden, die damals über Vorgeſetzte erhoben wurden, in einem Arbeiter⸗ ausſchuß zur Sprache gekommen wären. Das war einer der Gründe mit, aus denen wir gerade in der Gasanſtalt einen Arbeiterausſchuß verlangt haben. Bei der Beſprechung der Interpellation über den Ausſtand auf der Gasanſtalt habe ich ausdrücklich den Oberbürgermeiſter erſucht, dafür zu ſorgen, daß auf der ſtädtiſchen Gasanſtalt ein Arbeiterausſchuß eingeſetzt wird, und er hat auch gleich in der Sitzung erklärt, daß er dieſem Wunſche nachkommen würde. Aber, meine Herren, ſo, wie wir es uns gedacht 4 iſt dieſer Arbeiterausſchuß nicht zuſammen⸗ geſetzt. Nun meinte der Herr Bürgermeiſter — damit komme ich zum Schluß —, wir hätten ja auch keine Selbſtverwaltung, auch wir könnten aufgelöſt werden, auch die Parlamente, der Reichstag, der Landtag könnten aufgelöſt werden. Gewiß; aber, meine Herren, es iſt doch ein ganz gewaltiger Unterſchied. Wenn heute das Parlament, wenn wir aufgelöſt werden, — ja, wer hat dann eine Neuwahl der Stadtverordnetenverſammlung oder eine Neuwahl eines Parlamentes vorzunehmen? Doch die Wähler, vollkommen unabhängige Leute! Aber wenn hier der Arbeiterausſchuß aufgelöſt wird, dann hat die Neuwahl zu erfolgen von den im Dienſte der Stadt ſtehenden Arbeitern, von abhängigen Eriſtenzen, von Leuten, die ſich vielleicht ſagen: der Arbeiterausſchuß iſt aufgelöſt, weil er irgend etwas getan hat, das wir freilich durchaus billigen, das aber der Ver⸗ waltung nicht genehm iſt, — und die Folge wird dann ſein, daß die Arbeiter entweder ſich überhaupt