an der Wahl nicht beteiligen, oder daß ſie gegen ihre eigene Uberzeugung ſtimmen; und das möchte ich gerade vermeiden. Stadtv. Stücklen: Meine Herren, ich will nur mit wenigen Worten die Stellung unſerer Fraktion zu dieſer Mitteilung des Magiſtrats darlegen. Als wir die Vorlage des Magiſtrats bekamen, haben wir ſie mit großer Befriedigung geleſen, mit Befriedigung darüber, daß der Magiſtrat ſich ent⸗ ſchloſſen hat, einen Arbeiterausſchuß einzuſetzen. Wir halten einen Arbeiterausſchuß für begründet und wünſchenswert für die Arbeiter, und ich glaube, nach der Begründung des Magiſtrats wird der Arbeiter⸗ ausſchuß ſehr gut funltionieren. Ich glaube auch, daß der Herr Kollege Hirſch ſich wohl, wenn der Ausſchuß erſt mal in die Praris eingetreten iſt, da⸗ mit zufrieden geben wird. Die Punkte b, und d in der Magiſtratsmit⸗ teilung billigen wir vollſtändig. Ebenſo halten wir die Beſtimmungen über die Lohnzahlung bei mili⸗ 21 4 Übungen nach der Magiſtratsvorlage für richtig. Sehr gefreut haben wir uns über den Entſchluß des Magiſtrats, den Arbeitern die Wohltat zuteil werden zu laſſen, daß ſie einen Erholungsurlaub er⸗ halten. Ich glaube, jeder Privatarbeitgeber kann dem Magiſtrat nur freudig darin zuſtimmen, daß es ihm möglich iſt, ſeinen Arbeitern eine ſolche Wohltat zuteil werden zu laſſen. Wir halten eine Ausſchußberatung für über⸗ flüſſig und glauben, einfach von der Mitteilung des Magiſtrats Kenntnis nehmen zu ſollen. Stadtu. Baake: Meine Herren, ich glaube, daß der Magiſtrat eigentlich mit den Ausführungen des Kollegen Hirſch außerordentlich zufrieden ſein könnte. Kollege Hirſch hat in einem ſo ruhigen und ſachlichen Ton geſprochen, er hat auch ohne jede Einſchränkung anerkannt, daß in der Tat inbezug auf den Er⸗ holungsurlaub ſeitens unſerer Verwaltung ein Schritt nach ve rwärts getan wird, ſodaß ſich der Herr Bürger⸗ meiſter durch den Schluß und das Zitat der „Voſſiſchen Zeitung“ nicht allzuſehr gekränkt zu fühlen brauchte. Ich habe mich ja ſehr darüber ge⸗ freut, daß er dieſem Gekränktſein Ausdruck verliehen hat, weil ich daraus ſchließe, daß er auch den Stand⸗ punkt verurteilt, der vor 10 Jahren der Standpunkt dieſes führenden liberalen Organs geweſen iſt, daß er auch der Anſicht iſt, daß die Stadtverwaltung höhere Pflichten eines Arbeitgebers zu erfüllen hat als die, die Angebot und Nachfrage ihm gerade abzwingen. Wenn ich alſo über dieſe Erklärung des Herrn Bürgermeiſters nur meine Befriedigung ausdrücken kann, ſo muß ich hinzufügen, daß ich noch zufriedener wäre, wenn dieſe Geſinnung ſich etwas mehr in Taten umſetzen ſollte. Da möchte ich vor allen Dingen den Herrn Bürgermeiſter bitten, ſich die An⸗ gelegenheit mit dem Neunſtundentag doch noch einige male durch den Sinn und das Gemüt gehen zu laſſen. Er hat ja mit großer Offenheit erklärt, daß er ſelber keine Gründe anführen kann, warum gerade 10 Stunden richtig ſind: er hat gemeint, das ſei ſo Sache des Gefühls, darüber könne man eigent⸗ lich nicht ſtreiten, das ſei Sitte. Leider iſt der Zehn⸗ ſtundentag nicht einmal überall in Deutſchland Sitte; es iſt noch Sitte, daß Frauen viel länger arbeiten müſſen, daß in großen Betrieben noch viel längere Arbeitszeit herrſcht. Aber es beginnt auch ſchon wieder hier und da die neue Sitte ſich zu regen, daß die Arbeiter nur § Stunden tätig zu ſein brauchen. Ich erinnere an das große optiſche Inſtitut von Zeiß, an dieſe Muſterwerkſtatt, die ſo Außerordent⸗ liches, möchte ich ſagen, für die deutſche Kultur durch die Unterſtützung der Jenaiſchen Univerſität geleiſtet hat, wo die Achtſtundenarbeit eingeführt iſt und nach dem Zeugnis der Leiter des Betriebes nur zum Vorteil des Betriebes. — Der Herr Oberbürger⸗ meiſter ruft mir zu, daß das gar nicht damit zu vergleichen iſt. Da muß ich aber doch behaupten, daß die Verhältniſſe, wie ſie in den ſtädtiſchen Be⸗ trieben Deutſchlands, wie ſie in den ſtädtiſchen Be⸗ trieben Englands und in den ſtädtiſchen Betrieben Frankreichs ſind, doch durchaus nicht ſo verſchieden ſind, daß man andere klimatiſche Bedingungen als Erklärung des Umſtandes anführen könnte, daß die engliſchen Arbeiter in der ſtädtiſchen Verwaltung nur 8 Stunden zu arbeiten haben. Die Sache liegt eben ſo: die Sitte und das Gefühl wechſeln ſehr nach den Klaſſen, die von dieſer Sitte und von dieſem Gefühl beherrſcht ſind. Die engliſche Bourgeviſie hatte zuerſt die Sitte, die Arbeiter bis ans un⸗ mäßigſte auszubeuten, ſie 14, 16, 18 Stunden arbeiten zu laſſen. Dann organiſierten ſich die Arbeiter und hämmerten der engliſchen Bourgeoiſie die Sitte ein, ſie nur kurze Zeit zu beſchäftigen. So iſt es auch in Deutſchland, nur mit dem Unter⸗ ſchied, daß hier der Staat ſich in gewiſſem Sinne durch ſeine Sozialreform eingemengt hat in das freie Spiel der Kräfte, dadurch andererſeits wieder den Arbeitern die Hände gebunden hat. Aber die Sitte wird beſtimmt zunächſt durch den Streit der Parteien ſelber, und dann kommt noch hinzu die öffentliche Meinung, die ja, ſoweit unparteiiſche Leute vorhanden ſind, auf dem Standpunkt ſteht, daß eine übermäßige Ausnutzung des Arbeiters unter allen Umſtänden zu verwerfen iſt. Nun ſind 10 Stunden in der Tat eine ganz lange Summe Arbeit. Unſere hochgeſtellten deutſchen Beamten haben im allgemeinen eine Arbeitszeit von 6 Stunden. (Heiterkeit.) — Wenn Sie länger arbeiten müſſen, Herr Oberbürger⸗ meiſter — und das wird ja gewiß manchmal der Fall ſein —, ſo klagen Sie gewiß auch in Ihrem Herzen über Uberlaſtung! — Die 9 Stunden, die wir hier für unſere ſtädtiſchen Arbeiter fordern, können nach meiner Uberzeugung aus den Gründen, die entwickelt worden ſind, gewährt werden, und es wird den Betrieben ſelber durchaus nicht zum Schaden gereichen, wenn in dieſer Weiſe dafür geſorgt wird, daß die ſtädtiſchen Arbeiter mehr freie Zeit haben, mehr ſich mit ſich ſelber beſchäftigen und die Bildungsquellen benutzen können, die ihnen die Stadt ja zu gebote ſtellt. Nun noch ein Wort über die Überſtunden. Ich hätte mich ſehr gefreut, wenn der Herr Kollege Stücklen aus ſeinen Erfahrungen heraus auch ein Wort über die Begründung, die der Magiſtrat hier gegeben hat, geſagt hätte. Ich ſage nicht, daß es in Charlottenburg einen Unternehmer gibt, der das Privilegium des Magiſtrats für ſich in Anſpruch nimmt, UÜberſtunden unbezahlt geleiſtet zu erhalten. Gründe ſind ſeitdem überhaupt nicht herangezogen. Als wir das erſte Mal die Angelegenheit zur Sprache brachten, wurde uns ungefähr daſſelbe erwidert, was heute der Herr Bürgermeiſter wiederholt hat. Er hat aber all ſeinen Gründen ſelber den Boden da⸗ durch weggeſchlagen, daß er hinzugefügt hat, die Be⸗ zahlung der erſten Überſtunde wäre praktiſch ohne