—— i —— Meine Herren, wir erblicken einen Fortſchritt in der Ausdehnung der Einrichtung eines Arbeiter⸗ ausſchuſſes, wie er jetzt bei der Gasanſtalt beſteht, auf die Straßenreinigung; wir erblicken einen Fort⸗ ſchritt darin, daß den nichtſtändigen Arbeitern für Überſtunden ein Lohnzuſchlag gewährt werden ſoll: und wir erblicken einen weiteren Fortſchritt in der Gewährung des Sommerurlaubs an unſere Arbeiter. Ich glaube, gerade die Erledigung dieſer letzten Frage wird in den Kreiſen der Arbeiter eine viel freudigere und wärmere Beurteilung finden, als ſie hier durch Herrn Kollegen Hirſch erfahren hat. Ich habe auch Fühlung mit Arbeiterkreiſen, und ich weiß aus meiner Erfahrung, daß dieſe Frage ſie mehr als andere bewegt; und wenn unſere Arbeiter erfahren, daß im Gegenſatz zu faſt allen anderen Städten dieſer Urlaub ſchon nach zweijähriger Beſchäftigung gewährt werden ſoll und mit der Dauer des Arbeitsverhältniſſes ſich ſteigert, ſo wird das in den Kreiſen der ſtädtiſchen Arbeiter rückhaltloſe Anerkennung finden. Wir nehmen die Mitteilung deshalb gern entgegen und erkennen an, daß wir es mit einem recht erfreulichen ſozialen Fortſchritt zu tun haben. Das ſchließt nicht aus, daß auch wir glauben, daß noch nicht alle Fragen in dieſer Beziehung ge⸗ regelt ſind. Wir befinden uns da im Fluſſe, in ſtetiger Entwicklung. Wir meinen z. B., meine Herren, daß durch die Mitteilung des Magiſtrats noch nicht das letzte Wort in der Frage der Arbeiter⸗ ausſchüſſe geſprochen iſt. Nicht in der Weiſe, daß wir an den Grundlagen rütteln wollen, auf denen der Arbeiterausſchuß bei der Gasanſtalt aufgebaut iſt, ſondern in der Weiſe, daß wir die Arbeiter⸗ ausſchüſſe auch auf andere Verwaltungszweige aus⸗ dehnen möchten. Wir halten die Gründe, die der Magiſtrat nach dieſer Richtung anführt, nicht für durchaus durchſchlagend. 5 Was die Frage der Dauer des Arbeitstages angeht, ſo werden mir die Herren von der ſozial⸗ demotratiſchen Fraktion zugeben, daß dieſe Frage volkswirtſchaftlich zu den ſchwierigſten gehört, die üterhaupt zu regeln ſind. Wir billigen, daß der Magiſtrat vorläufig eine abwartende Stellung ein⸗ nimmt, woraus nicht zu entnehmen iſt, daß nicht eine anderweitige Regelung einmal ſtattfinden ſoll. Meine Herren, die Erledigung der Frage des Arbeitslohnes mit dem Hinweis auf die bevorſtehende Reviſion des Normaletats hat unſeren vollen Beifall. Wir treten dem Magiſtrat bei, wenn er die Grenze von fünf Jahren nicht durchbrechen laſſen will zu gunſten einer einzelnen Schicht. Wir ſtehen alſo im großen und ganzen der Mitteilung des Magiſtrats, wie bereits geſagt, freundlich gegenüber, würden aber gegen eine Aus⸗ ſchußberatung, wie ſie von Herrn Kollegen Hirſch vorgeſchlagen iſt, unſererſeits nichts einzuwenden haben. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt die Einſetzung eines Ausſchuſſes von 11 Mitgliedern). Vorſt.⸗Stellv. Kaufmann: Ich bitte um Vor⸗ ſchläge für den Ausſchuß. Wir gehen inzwiſchen in der Tagesordnung weiter. Punkt 16 der Tagesordnung: Bericht des Ansſchuſſes über die Vorlage betr. die Errichtung eines Aſyls für Obdachloſe — Druckſache 88, 240. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Roſe: Die Sache, die uns jetzt beſchäftigen ſoll, meine Herren, ſpielt ſchon ſeit vier Jahren in unſeren Kreiſen. Sie wiffen, daß damals — in der erſten Sitzung vom Jahre 1901 — Herr Kollege Buka und Gen. den Antrag auf Errichtung eines Aſyls für Obdachloſe geſtellt haben, und daß am Ende des Jahres (4. Dezember) der Autrag auch angenommen worden iſt. Er baſierte damals auf dem allgemeinen Zeitungsgeſchrei von der großen Wohnunge⸗ not, welche hier beſonders in Charlottenburg herrſchen ſollte. Ich habe damals bereits privatim darauf auf⸗ merkſam gemacht, daß eine Wohnungsnot im wahren Sinne des Wortes nicht mehr criſtiert; ſie hat ſeit dem Anfang der ſiebziger Jahre, wo ſie wirklich arg war, aufgehört. Damals ging ja ſelbſt durch das Aus⸗ land die Schilderung von dem großen Lager auf den Schlächterwieſen, welche jetzt bebaut find, vor dem Halleſchen und Kottbuſer Tor, wo die Bevölkerung draußen in Möbelwagen den ganzen Sommer wohnte. Seit der Zeit habe ich nichts mehr von einer eigent⸗ lichen Wohnungsnot gehört. Sie wiſſen ja, wie koloſſal ſich alle Jahre in Berlin und ſeinen Vororten die Bauten vermehrt haben. Ich habe Ihnen dafür ſchon gleich damals Beweiſe geliefert, indem ich Ihnen ein Publikationsmittel über lecre Wohnungen, die Berliniſche Wohnungsze tung“, übermittelt habe, wo Sie ja Zehntauſende von lecren Wohnungen aus⸗ geboten finden. Es handelt ſich in der Tat nicht um Wohnungs⸗ not; es handelt ſich um gan; etwas anderes, nämlich darum, daß die Leute für das Geld, das ſie haben, nicht die Wohnung finden, die ſie ſuchen Daß das heute eben ſo iſt, dafür laſſen ſich weitere Beweiſe an⸗ führen. Ich habe in den Ausſchuß die zweite Ait. wie man leere Wohnungen publiziert, mitgebracht; ſie beſteht darin, daß das große „Berliner Wohnnngs⸗ reaiſter benutzt wird, das nach jedem Quartalswechhel, in jeder Woche auf 20 bis 25 großen Folioſeiten, auf jeder drei Spalten, die Wohnungen ausbietet. Jeder Zeile entſpricht darin eine Wohnung. Dabei muß man bedenken, daß viele Wohnungen überhaupt nicht ausgeboten werden. Meine Anſicht findet eine Beſtätigung darin, daß jetzt zu Oſtern die Alteſten der Berliner Kauf⸗ mannſchaft eine Enqucte veranſtaltet haben, um zn ſehen, wie es mit der Wohnungsnot heutzutage ſteht. Sie haben ermittelt, daß durch Neubanten in Berlin und Vororten für 125000 Perſonen leere Wohnungen zur Dispoſition ſtehen. Alſo von Wohnungsnot iſt nicht die Rede, ſon⸗ dern es handelt ſich meines Erachtens darum, daß es wünſchenswert iſt, die Wohltätigkeitsanſtalten in entſprechender Weiſe zu vergrößern. Spitäler für Kranke haben wir ja hier zwei und auch, was wegen der Bezeichnung zu Irrtümern oft Veranlaſſung ge⸗ geben hat, ein Siechenhaus unter dem Namen des Bürgerhauſes für Unheilbare und gebrechliche alte Leute, die es nötig haben. Daneben exiſtieren die Familienhäuſer, die anderwärts im wahren Sinne des Worts Armenhäuſer genannt werden, in denen die Familien untergebracht werden können, deren Ernährer plötzlich auf Zeit oder auf Dauer, durch Trunkſucht, durch Unfälle oder ſonſtwie, nicht mehr exiſtiert, die ſich ſelber nicht mehr weiter durchzuhelfen im ſtande ſind, in denen Leute untergebracht werden können, auch einzelne, die eben plötzlich in Not ge⸗ raten ſind. Dieſe Armenhäuſer, die unter dem Namen Familienhäuſer eriſtieren, zu vermehren und auszu⸗ bauen, hat nun die Magiſtratsvorlage, die uns ſchon