85 des Magiſtrats, an die Luiſenkirchengemeinde dieſe Wegelandſtrecken, um die es ſich handelt, unentgelt⸗ lich abzutreten, algelehnt worden iſt, iſt die Luiſen⸗ kirchengemeinde an den Magiſtrat herangetreten mit der Bitte, dieſes betreffende Stückchen Land nunmehr käuflich an die Gemeinde zu überlaſſen und der Ge⸗ meinde in dem Kaufpreis möglichſt entgegenzukommen. Der Magiſtrat hat gemeint, der käuflichen IIberlaſſung dieſes Stückes ſetzen ſich in keiner Weiſe andere Schwierigkeiten entgegen, als wenn es ſich um irgend einen andern Anlieger handelt. Aber in Bezug auf das Entgegenkommen in dem Preiſe an die Gemeinde war der Magiſtrat, wie es ſcheint, der Meinung, daß dazu kein Anlaß geboten iſt. Bauland wird in jener Gegend mit 1000 ℳ pro Quadratrute bezahlt, und der Magiſtrat meinte nun, daß, da dieſes Jand für den Magiſtrat als Bauland garnicht in Betracht fommen kann, ſondern nur für den Beſitzer des Hinterlandes, dieſer aber nicht unbedingt gezwungen iſt, ſo weit zu bauen, wie die Straßenfluchtlinie reicht, infolgedeſſen ein Beſitzer 1000 ℳ für eine ſolche Baumaske dort nicht zahlen würde, daß in Berück⸗ ſichtigung dieſer Umſtände 500 ℳ. für die Quadrat⸗ rute ein durchaus angemeſſener Preis ſei. Daher beantragt der Magiſtrat, der Luiſenkirchengemeinde dieſes Landſtückchen mit 500 ℳ pro Quadratrute, alſo im ganzen ſür ungefähr 3000 ℳ käuflich zu überlaſſen, und es iſt gar keine Frage, daß. wenn etwa der Beſitzer des daneben liegenden Grundſtücks, bei dem ebenfalls noch ein kleines Stückchen Land davor liegt, das der Stadtgemeinde gehört, an die Stadtgemeinde mit dem Wunſche nach Abtretung dieſes Landſtückchens her antreten würde, der Magiſtrat auch dieſem zu genau de nſelben Bedingungen dieſes Landſtück übereignen würde. Es ſcheint daher, daß jeder, der auch nur ſonſt in Anſehung der Zwecke, denen dieſes Stück Land dienen ſollte, ſeinerzeit die unentgeltliche Ubertragung abgelehnt hat, ohne jedes Bedenken der Vorlage des Magiſtrats auf Abtretung dieſes Stückchens Land gegen 500 ℳ für die Quadrat⸗ rute beitreten könnte. Nun iſt Ihnen aber bekannt, daß die Vorlage in der vorigen Sitzung abgelehnt wurde in Hinſicht auf die Statuten des Vereins „Kaiſer⸗Friedrich⸗An⸗ denken“, aus denen der Mehrzahl der Verſammlung hervorzugehen ſchien, daß eine Förderung der Zwecke dieſes Vereins ſeitens der Stadt deswegen nicht an⸗ gängig ſei, weil dieſer Verein, wie aus dem Statut hervorgehe, antiſemitiſchen Tendenzen huldige. Es fällt dieſes Bedenken natürlich der gegenwärtigen Vorlage gegenüber vollkommen weg, und es wüide für mich kein Anlaß ſein, auf dieſen Punkt noch einmal zurückzukommen, wenn nicht der Verein ſelbſt ſich gegen dieſe Vorwürfe oder gegen dieſe Anſchau⸗ ungen, die über ſeine Tätigkeit in der vorigen Sitzung hier geäußert worden ſind, ſehr lebhaft wehren würde. Der Verein hat an den Magiſtrat ein Schreiben ge⸗ langen laſſen und hat gebeten, dieſes Schreiben auch der Stadtverordnetenverſammlung zur Kenntnis zu bringen — deswegen möchte ich es bei dieſer Ge⸗ legenheit verleſen —, ein Schreiben eben, in welchem er dagegen Verwahrung einlegt, daß in dem Schoße dieſes Vereins antiſemitiſchen Tendenzen gehuldigt wird. Das Schreiben lautet: Dem Magiſtrat hieſiger Reſidenzſtadt er⸗ lauben wir uns hinſichtlich der Angriffe, welche unſer Verein in der Stadtrerordnetenverſamm⸗ lung erfahren hat, folgendes ſehr ergebenſt vor⸗ zutragen: Wenn man uns des Antiſemitismus ge⸗ ziehen, und wenn ein Stadtverordneter nach einem Zeitungsberichte in der Sitzung, in welcher es ſich um die unentgeltliche Abtretung eines Streifens Wegeland an den Verein reſp. an die Luiſenkirche zur Schenkung an den Ver⸗ ein handelte, ausdrücklich davor gewarnt hat, man ſolle nicht von Stadt wegen direkt anti⸗ ſemitiſche Beſtrebungen unterſtützen, ſo iſt damit dem Vereine und deſſen Vorſtande ein bitteres Unrecht geſchehen. Der Verein weiß ſich von jeder Hinneigung zum Antiſemitismus abſolut frei. Gleich § 1 ſeines Statuts vom 24. September 1891 be⸗ ginnt mit den Worten: „Zu Charlottenburg hat ſich im Jahre 1885 ein Verein gebildet, welcher den Zweck verfolgt, der leiblichen und geiſtigen Not innerhalb der Stadt ohne Unter⸗ ſchied des religiöſen Bekenntniſſes zu ſteuern, durch chriſtliche Liebestätigkeit ein kräf⸗ tiges Gemeindeleben zu pflegen und zu fördern“. Ebenſo beginnen die „Beſtimmungen für die häusliche Krankenpflege“, welche jeder Diakoniſſe eingehändigt werden: „Die Pflege wird von den Diakoniſſen . . ohne Unterſchied der Konfeſſion geübt. Nach dieſen Grundſätzen iſt jetzt faſt 20 Jahre lang gewiſſenhaft gehandelt, und der Verein hat ſich allgemeiner Sympathie bis in die höchſten Kreiſe hinein zu erfreuen gehabt, ſodaß auch Ihre Majeſtät die Kaiſerin Auguſta Vikroria ebenſo wie weiland Ihre Majeſtät die Kaiſerin Friedrich das Protektorat über dieſen Verein über⸗ nommen haben. Nach dieſen Grundſätzen wird auch weiter gehandelt; wie denn augenblicklich vier israelitiſche Kinder in einem unſerer Kinderhorte ſind, auf welche ſogar bei Feſtſtellung des täglichen Küchenzettels Rückſicht genommen wird, ſodaß ihnen keine Speiſen gereicht werden, deren Genuß ihnen die Vorſchriften ihrer Religion verbietet. Mehr kann doch wohl nicht verlangt werden! Wenn nun in ſcheinbarem Widerſpruche zu den erwähnten Beſtimmungen und der ganzen Arbeitspraxis des Vereins der beſonders angegriffene § 9 des Statuts feſtſetzt: „Stimm⸗ berechtigt in der Generalverſammlung ſind alle großfährigen chriſtlichen Mitglieder, wel he ſich im Beſitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden“, ſo erklärt ſich dieſe Faſſung ganz natürlich aus der Tatſache, daß der Verein als eine Gemeinde⸗ einrichtung der chriſtlichen Luiſenkirchengemeinde entſtanden iſt und ſeine Tätigkeit übt. Ubrigens bürgt auch die dem Magiſtrate aus unſeren Jahresberichten bekannte Zuſam⸗ menſetzung unſeres Vorſtandes dafür, daß der Verein von allen antiſemitiſchen Tendenzen frei iſt. Die bezüglichen ebenſo unerwarteten wie unberechtigten Angriffe haben bei den Ver⸗ eins⸗ und Vorſtandsmitgliedern nur Kopf⸗ ſchütteln erregen können. Wir bitten daher den Magiftrat ſehr er⸗ gebenſt, uns ſein uns ſo wertvolles Wohlwollen gütigſt erhalten und der Stadwerordnetenver⸗ ſammlung dieſes unſer Schreiben mit dem Er⸗ ſuchen vorlegen zu wollen, man möchte uns glauben, daß unſer Verein, wenn auch eine kirchliche Einrichtung der Luiſenkirchengemeinde, doch frei iſt von aller Einſeitigkeit und erſt recht von einer ſo unchriſtlichen Tendenz wie ne