—— 121 denn dort werde ich nicht zum Schulbeſuch gezwungen. Denn die Lehrjungen welche in Charlottenburg wohnen, aber eine Berliner Lehr⸗ ſtelle haben, brauchen hier nicht zur Schule zu gehen. Die Folge würde alſo wahrſcheinlich ſein, daß die Jungen ſich wegen einer Stellung lieber in Berlin umſehen, und daß dadurch hier möglicherweiſe ein Mangel an Lehrlingen eintreten würde. Ferner noch einen Punkt: wäre es denn in der Tat ſo leicht möglich, ſchon zum Oktober eine geeignete Perſönlichkeit zur Leitung einer ſolchen Schule zu finden? Was die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen betrifft, die von den Lehrern verlangt werden müſſen, ſo hege ich allerdings keinen Zweifel, daß wir hier unter unſern Lehrern eine ganze Anzahl Herren finden, die wiſſenſchaftlich die Sache be⸗ herrſchen und organiſieren können. Indeſſen es iſt doch eine ganz eigenartige Sache, zur Leitung eines ſolchen für uns ganz neuen Unternehmens einen Herren zu wählen, welcher bisher nur mit jüngeren Schülern zu tun gehabt hat, die an den Gehorſam gewöhnt geweſen ſind. Ferner ſtehen den Lehrern den Knaben gegenüber auch Disziplinarſtrafen zur Verfügung, die ſie gegenüber den Jungen von 16, 17, 18 Jahren nicht in gleicher Weiſe anwenden fönnen. Mit einem Wort: ich bin der Meinung, daß wir zum Dirigenten eines ſolchen Inſtitutes nicht einen Rektor von hier nehmen können, der noch nicht die genügenden Spezialerfahrungen darin hat, wie man ſolche Jungen zu behandeln hat, ſondern daß wir einen darin erfahrenen Pädagogen ſuchen müſſen. Es gibt ja ſchon eine ganze Reihe ſolcher Inſtitute in anderen Städten. Vielleicht läßt ſich von dort eine geeignete Perſönlichkeit finden. Wenn Sie nun aber endlich noch bedenken, daß wir dieſe Stelle doch jetzt erſt ausſchreiben können, wo wir nicht blos unmittelbar vor den Stadtverordneten⸗ ferien, ſondern auch vor den Schulferien ſtehen, ferner daß ſo und ſo viele dieſer Herren jetzt ver⸗ reiſen und vielleicht nicht davon Kenntnis erhalten, wenn ſie ſich irgendwo auswärts befinden, daß hier eine ſolche Stellung zu beſetzen iſt, mit einem Wort, daß mehrere Wochen vergehen, ehe eine Anzahl Meldungen hier eintreffen kann, und daß man weiter ſich doch auch informieren muß, wie ſich die Herren in ihren alten Stellungen bewährt haben, und daß endlich, wenn wir eine Auswahl getroffen haben, der Gewählte auch ſeine bisherige Stellung ſelbſt erſt kündigen muß, ſo ſcheint es mir kaum praktiſch durchführbar, daß wir am 1. Oktober bereits mit der Einführung der vollſtändig organiſierten Schule beginnen können. Vielleicht hat der Herr Stadtſchulrat die Güte, mir zu ſagen, ob dies Be⸗ denken, das zu äußern ich mich verpflichtet halte, dadurch abwendbar iſt, daß vielleicht ſchon eine ge⸗ eignete Perſönlichkeit in Ausſicht genommen iſt, die wir unter allen Umſtänden akzeptieren können. Das wäre dann freilich etwas anderes. Jedenfalls iſt dies aber mit ein wichtiges Moment bei der Vor⸗ beſprechung unter meinen näheren Freunden geweſen, daß wir uns ſagten: wo nehmen wir ſo raſch die geeignete erfahrene Perſönlichkeit her? Ich bin erſt geſtern in der Lage geweſen, einigen meiner Freunde, die ſich ſpeziell für die Sache intereſſteren, eine Broſchüre des Herrn Regierungs⸗ rats Duncker zuzuſenden, der früher die Lehrinſtitute der Alteſten der Kaufmannſchaft geleitet und ſich mit dieſer Frage ganz beſonders beſchäftigt hat. Ich bin ſehr gern bereit, noch mehrere Exemplare den⸗ jenigen Herren zur Verfügung zu ſtellen, welche ſich Lehrſtelle in Berlin, dafür intereſſieren. Sie werden, wenn Sie die Broſchüre durchleſen, finden, daß doch eine große Menge ganz beſonderer Erwägungen ſtattzufinden haben, und daß eine gute Organiſation nicht ſo raſch erreichbar iſt. Wenn wir alſo den Antrag ſtellen, die Sache einem Ausſchuß zu überweiſen, ſo bitte ich den Magiſtrat dringend, dieſen Antrag nicht etwa dahin zu deuten, daß wir nicht mit voller Sympathie und voller Freude der Fortbildungsſchule gegenüberſtehen, ſondern daß es nur die erwähnten formalen Bedenken ſind, und daß der Wunſch, uns noch eingehender mit der ganzen Sache zu befaſſen und darüber nachzudenken, uns veranlaßt, dieſes Er⸗ ſuchen zu ſtellen. Wir ſagen uns auch, daß auch im übrigen noch andre Hinderniſſe beſtehen, welche es ſchwer durchführbar erſcheinen laſſen, daß wir ſchon am 1. Oktober die Schule wirklich errichten, die Lehrer anſtellen und die nötigen Schüler haben. Aus dieſen Gründen würde ich Sie bitten, dem Antrag auf Ausſchußberatung zuzuſtimmen, und den Magiſtrat, wie geſagt, erſuche ich, darin eher einen Beweis unſeres außerordentlich lebhaften Intereſſes für die Sache zu ſehen als das Gegenteil. Oberbürgermeiſter Schuſtehrns: Ich erkenne ohne weiter⸗s an, daß die Sache ſo wichtig iſt, daß es an ſich völlig gerechtfertigt erſcheint, wenn hier der Wunſch geäußert wird, die Sache zunächſt in einem Aus⸗ ſchuß zu beraten. Aber, meine Herren, es iſt nicht zu verkennen, daß die Ausſchußberatung eine Ver⸗ zögerung von mindeſtens einem halben Jahre bedeutet, und für die Saiſonarbeiter, die im Sommer nicht zur Schule kommen ſollen, würde ſie ſogar eine Verzögerung um ein ganzes Jahr bedeuten. Da fragt es ſich doch, meine Herren, ob die jetzige Be⸗ ſchlußfaſſung das mindere albel iſt oder die Aus⸗ ſchußberatung und mit ihr das Hinausſchieben. Ich möchte die Herren doch bitten, mit mir noch einmal in eine Erwägung darüber einzutreten, ob das eine oder das andere angezcigt erſcheint. Meine Herren, wir können nicht verkennen, daß es ſich hier nicht um etwas Neues handelt. Die Sache iſt uns nur neu; aber für ſehr viele Städte im preußiſchen Staate iſt ſie ſchon ſehr alt. Wir können nicht leugnen, daß wir uns auf dieſem Ge⸗ biete ſeit Jahren im Rückſtande befunden haben. Kleinere Städte ſind uns weit vorangegangen, und mit mir werden auch die Herren Redner, die heute die Ausſchußberatung beantragen, einverſtanden ſein, wenn ich ſage: es iſt die höchſte Zeit, daß wir nun endlich dasjenige Mittel ergreifen, von dem wir überzeugt ſind, das es das einzige iſt, was dem daniederliegenden Handwerk aufhelfen kann. Nur die Fortbildungsſchule iſt im ſtande, das Handwerk wieder zu heben. (Stadtv. Holz: Sehr richtig!) Das zeigen die Fortbildungsſchulen in allen Städten, in denen ſie eingeführt ſind. Und wir ſollen nun vor lauter Bedenken, ob nicht noch Erwägungen nach dieſer oder jener Richtung hin anzuſtellen ſind, die Sache hinausſchieben, wenn wir einig ſind, daß der Grundgedanke gut iſt? Und darin ſind wir doch einig. (Sehr richtig! bei der Freien Vereinigung.) Andererſeits, meine Herren, werden Sie mir zugeben, daß der Magiſtrat Recht hat, wenn er an die Löſung dieſer Frage hier in Charlottenburg mit ganz beſonderer Vorſicht herantrütt und ſich die größten Beſchränkungen auferlegt inbezug auf die Ver⸗ pflichtung zum Beſuch der Schule, die wir ſtatuieren. Die Verhältniſſe liegen ja bei uns — und das mag