Gemeindewahlrecht. In der erſten Frage geben wir ohne weiteres zu, daß das heutige Gemeindewahlrecht reformbedürftig iſt. Die Übertragung des Reichs⸗ wahlrechts m das Gemeindewahlrecht aber haben wir ſchon in jener Verhandlung abgelehnt und lehnen ſie auch heute ab. Meine Herren, die Reformbedürftigkeit des Ge⸗ meindewahlrechts nach ſeiner aktiven Seite hin iſt von dem Herrn Referenten erörtert worden an der Hand des direkten, des geheimen, des gleichen und des allgemeinen Wahlrechts. Das direkte Wahlrecht ſcheidet aus, da es bei den Stadtwerordnetenwahlen bereits Platz greift. Wir haben bezüglich der ge⸗ heimen Abſtimmung uns durchaus auf den Boden der Beſchlüſſe des Ausſchuſſes geſtellt, empfehlen alſo eine Abänderung des Wahlrechts bezüglich der öffent⸗ lichen Abſtimmung. Wir haben ſchon in der Sitzung am 20. April erklärt, daß wir nicht Anhänger des allgemeinen Wahlrechts für die Gemeinden ſind, und wir ſtehen auch heute auf dieſem Standpunkt. Es iſt damals ausgeführt worden, daß die Gemeinde⸗ verwaltung in erſter Linie eine Vermögensverwaltung ſei und daß deshalb dort nur mitzuraten habe, wer mittate, d. h. wer etwas zu den Gemeindelaſten beiträgt. Gerade bezüglich dieſes Punktes erſcheint mir der Hinweis auf das Reichswahlrecht durchaus unangebracht. Wenn wir im Reiche das allgemeine Wahlrecht haben, ſo dürfen wir nicht überſehen, daß das Reich eine Fülle von indirekten Steuern erhebt und daß es vor allem jeden Bürger zur Wehrpflicht heranzieht. Wenn Sie die Konſequenz des allgemeinen Wahlrechts, die der Herr Referent ganz richtig hervor⸗ gehoben hat, weiter betrachten, wenn Sie ſich aus⸗ führen, daß jeder, der eben zugezogen iſt nach Char⸗ lottenburg, auch ohne weiteres wahlberechtigt ſein ſoll, daß jeder, gleichgiltig, ob er Bayer oder Sachſe oder ſonſt Nichtpreuße ſei, mit dem erſten Tage ſeines Hierſeins nach dem Antrage des Herrn Dr. Borchardt und Genoſſen wahlberechtigt ſein ſoll, ſo werden Sie zugeben, daß dieſe Forderung des allgemeinen Wahl⸗ rechts nicht als gerechtfertigt bezeichnet werden kann. — Bezüglich des gleichen Wahlrechts, meine Herren, haben wir uns der Erkenntnis nicht verſchließen können, daß eine Reform notwendig iſt, und wir ſtellen uns auf den Standpunkt der Abſchaffung der Klaſſenwahl. Wir werden dieſen Standpunkt auch in dem Abänderungsantrage zu dem Ausſchußantrage, den ich Ihnen nachher zu unterbreiten gedenke, zum Ausdruck bringen. Der Herr Kollege Dr. Borchardt hat in ſeinen Ausführungen geſagt, daß die Vorſchläge nach der Richtung des gleichen Wahlrechtes hin im Ausſchuſſe durchaus vage geweſen ſeien, daß man nur geſprochen habe von einem Pluralwahlrecht, aber nicht weiter auf die Frage eingegangen wäre. Meine Herren, ich habe der erſten Sitzung des Ausſchuſſes, in der dieſe Frage verhandelt worden iſt, nicht beigewohnt, da ich damals noch nicht Mitglied des Ausſchuſſes war. Ich nehme an, daß ſich die Vorgänge genau in der Weiſe abgeſpielt haben, wie Herr Dr. Borchardt das ausgeführt hat. ch würde dieſen Standpunkt dann aber durchaus verſtehen. Wir ſind im allge⸗ meinen der Meinung, daß bei einer Reform des Ge⸗ meindewahlrechts das jetzt beſtehende Reichswahlrecht nicht etwa das einzige wäre, was zu erſtreben ſei, daß es nicht einmal das beſte iſt. Wenn wir an eine grundlegende Reform des Gemeindewahlrechts wie . .1 1. das 2 1. vollen wir uns auch nicht gleich feſtlegen auf irgen ein Wahlrecht, ſondern 43 ale mas 0 ichkeiten offen] —— 136 — laſſen. Ich darf nur darauf verweiſen, daß das Proportionalwahlrecht eine große Anzahl von An⸗ hängern hat und in Zukunft noch mehr gewinnen wird. Warum wollen wir durch Feſtlegung auf das Reichswahlrecht einen derartigen Weg für die Zukunft ausſchließen? (Sehr richtig!) Derartige allgemeine Erwägungen veranlaſſen uns, in dieſer Frage nur zunächſt eine negierende Forderung aufzuſtellen, indem wir ſagen: Abſchaffung der Klaſſenwahlen! Es bleibt mir nur noch übrig, des Privilegs der Hausbeſitzer zu gedenken. Meine Herren, die Zahlen, die Herr Dr. Borchardt hier angeführt hat und die uns in der Magiſtratszuſammenſtellung zugäng⸗ lich gemacht worden ſind, haben gezeigt, daß für Char⸗ lottenburg die Verhältniſſe bezüglich des Grundbeſitzes nicht ſo ſehr arge ſind, wie Herr Dr. Borchardt in der Beratung am 20. April es durch ſeine Aus⸗ führungen uns klar machen wollte. Trotzdem, meine Herren, verſchließen ſich meine Freunde auch hier nicht der Erkenntnis, daß das Privileg der Haus⸗ beſitzer in ſeiner jetzigen Ausdehnung reformbedürftig iſt. Ich darf darauf hinweiſen, daß es gerade unſer Redner, Herr Dr. Crüger. geweſen iſt, der bei der erſten Beratung dieſes Antrages an der Hand einzelner Entſcheidungen der Geſetzgebung nachgewieſen hat, daß der jetzige Zuſtand zu allerlei Spitzfindigkeiten und Lächerlichkeiten führe, und daß es deshalb nötig ſei, hier eine Reform eintreten zu laſſen. Aber, meine Herren, wenn wir uns nicht auf den Standpunkt des Ausſchuſſes ſtellen können, der nur von einer Beſeitigung des Privilegs der Haus⸗ beſitzer etwas wiſſen will, ſo veranlaßt uns dazu noch eine andere Erwägung. Das Vorgehen bezüglich des Gemeindewahlrechts ſoll doch einen allgemeinen Charakter haben, es ſoll, wie ſeiner Zeit, wenn ich nicht irre, von den Herren Antragſtellern ausdrücklich ausgeführt worden iſt, der erſte Anſtoß ſein zu einer großen Bewegung durch ganz Preußen. Meine Herren, wenn das der Fall ſein ſoll, dann dürfen wir nicht vergeſſen, daß das Hausbeſitzerprivileg in kleineren Gemeinden eine ganz andere Bedentung hat als in großen Gemeinden, (ſehr richtig) und wenn wir allgemein giltige Geſichtspunkte auf⸗ ſtellen wollen, dann dürfen wir nicht, auch wenn wir für Charlottenburg zu der Erkenntnis gekommen wären — was meine Freunde nicht ſind —, das Hausbeſitzerprivileg muß beſeitigt werden, — dann dürfen wir das nicht für die Allgemeinheit verlangen. Es iſt ſo, daß in kleineren Gemeinden das Grund⸗ beſitzer⸗ und Hausbeſitzertum allerdings ein beſonderes Element in der ſtädtiſchen Wählerſchaft bedeuten, und wir haben nicht das Recht, dieſe Verhältniſſe ohne weiteres beiſeite zu ſchieben. Wir erkennen alſo die Reformbedürftigkeit des Hausbeſitzerprivilegs in ſeiner jetzigen Ausdehnung an, können aber der Abſchaffung des Privilegs nicht zuſtimmen. Meine Herren, wenn wir dieſe Ausführungen zuſammenfaſſen, ſo kommen wir zu folgendem Ab⸗ änderungsantrag: Der Magiſtrat wird erſucht, mit den Ver⸗ tretungen anderer Kommunen in Verbindung zu treten, um gemeinſam geeignete Schritte bei den geſetzgebenden Faktoren zu unternehmen behufs Abänderung des Gemeindewahlrechts bezüglich der öffentlichen Abſtimmung, des Drei⸗ klaſſenwahlſyſtems, ſowie des Privilegs der Hausbeſitzer in ſeiner jetzigen Ausdehnung.