—— 137 — Wenn wir dieſen Antrag Ihrer Beſchlußfaſſung empfehlen, ſo leitet uns dabei auch dasjenige Moment, was auch der Herr Referent noch am Schluſſe hervor⸗ gehoben hat: die Möglichkeit der Durchführbarkeit muſr Vorſchläge, die Möglichkeit, daß der Magiſtrat auf Grund unſeres Beſchluſſes in die Lage verſetzt werde, ſich mit andern Kommunen in Verbindung ſetzen zu können. 1 Reformen, meine Herren, haben ſich im Laufe der Geſchichte niemals vollzogen unter der Deviſe: „Alles oder nichts!“, wie die Herren Sozialdemokraten ſie hier aufſtellen, ſondern nur auf dem Wege eines allmählichen und geſunden Fortſchritts. Einen ſolchen erſtreben wir ernſtlich, und darum empfehlen wir Ihnen unſern Antrag zur Annahme. (Bravo!) Vorſt.⸗Stellv. Kaufmann: Das Wort iſt nicht weiter verlangt; ich ſchließe die Beratung. (Stadtv. Hirſch: Ich bitte ums Wort!) — Wenn die Verſammlung noch die Wortmeldung des Herrn Kollegen Hirſch reſpektieren will? — Ich höre keinen Widerſpruch; dann erteile ich noch Herrn Stadtv. Hirſch das Wort. Stadtv. Hirſch: Meine Herren, ich hatte mich nicht zum Worte gemeldet, weil ich der Meinung war, daß erſt die Vertreter der anderen Fraktionen zu dem Antrag Stellung nehmen würden. —Ich glaube, daß ich nicht nötig habe, ſehr eingehend mich mit unſerem Antrag zu befaſſen. Der Ausſchuß hat ſich ja im weſentlichen auf denſelben Standpunkt geſtellt, auf dem wir geſtanden haben, und ich darf vielleicht aus dem Schweigen der Vertreter der beiden übrigen Fraktionen die Hoffnung ſchöpfen, daß auch dieſe Herren ſich jetzt zu unſerer Anſicht bekannt haben. (Heiterkeit.) Wundern muß ich mich, meine Herren, daß Herr Kollege Otto hier die Erklärung abgibt, daß ſeine Freunde mit nur einer Ausnahme für den von ihm verleſenen Antrag ſtimmen werden. Im Ausſchuß haben von den Vertretern der liberalen Fraktion zwei Herren für unſern Antrag geſtimmt und nur ein Herr dagegen. (Stadtv. Otto: Sind beide abweſend.) — Sie haben geſagt: Ihre Freunde mit nur einer Ausnahme. Ob ſie abweſend ſind oder nicht, hat damit nichts zu tun. Wenn Sie das aber zwiſchen⸗ rufen, ſo 71 ich anerkennen, daß wenigſtens noch zwei Herren der liberalen Fraktion für unſern An⸗ trag ſind, die allerdings beide am Erſcheinen ver⸗ hindert ſind, um ihrer gegenteiligen, von der Fraktion abweichenden Meinung hier Ausdruck zu geben. Ich möchte zunächſt betonen, daß wir uns durch⸗ aus nicht auf den Standpunkt ſtellen: „Alles oder nichts!“ Das haben wir bereits bei der Einbringung unſers Antrages nicht getan, und das tun wir heute in noch viel geringerem Maße. Wir verzichten heute darauf, unſeren Antrag von neuem einzubringen, und wir begnügen uns mit dem Antrag, den der Ausſchuß Ihnen vorſchlägt, und zwar einfach aus dem Grunde, weil wir der Meinung ſind, daß wir auch auf dieſem Wege zu einer Reform des Gemeindewahlrechts kommen. Herr Kollege Otto beſtreitet das aller⸗ dings; er meint, daß nur ſein Antrag die Möglich⸗ keit einer Durchführbarkeit hat, daß nur ſein Antrag den Magiſtrat veranlaſſen könnte, in geeigneter Weiſe mit den Vertretungen anderer Kommunen in Verbindung zu treten. Ich weiß nicht, woher Herr Kollege Otto dieſe Weisheit hat. Soviel ich weiß, hat der Magiſtrat bisher, wenigſtens hier im Ple⸗ num, das Beiſpiel der beiden großen Fraktionen nachgeahmt und ſich ausgeſchwiegen, und das, was vielleicht privatim Mitglieder des Magiſtrats Herrn Kollegen Otto geſagt haben, geht uns abſolut nichts an. (Stadtv. Otto: Ich bitte ums Wort!) Nun, meine Herren, noch einige Worte über den Antrag der Kommiſſion. Ich faſſe den Antrag der Kommiſſion auch ſo auf, wie es der Herr Be⸗ richterſtatter ausgeführt hat, daß alle Einwohner der Gemeinde, ſoweit ſie ein Jahr am Orte wohnen, das Wahlrecht haben ſollen. Wir wollen den Unter⸗ ſchied, der heute zwiſchen den Stadt⸗ und Land⸗ emeindeordnungen beſteht, wonach in Städten nur Preußen wahlberechtigt ſind, in den Landgemeinden aber nicht nur Preußen, ſondern überhaupt alle Reichsangehörigen, beſeitigen. Ich glaube, ſelbſt Herr Kollege Otto wird zugeben, daß es ein unhaltbarer Zuſtand iſt, wenn jemand, der vielleicht zufällig ſächſiſcher oder bayeriſcher Staatsangehöriger iſt, hier in Charlottenburg nicht wählen darf, obwohl er alle übrigen Vorausſetzungen der Städteordnung erfüllt, während derſelbe Mann, wenn er ein paar Häuſer weiter nach Wilmersdorf zieht, nun vollberechtigter Bürger iſt und das Stimmrecht hat. In den Land⸗ emeindeordnungen iſt die Beſtimmung, daß nur Treuhen wahlberechtigt ſind, längſt beſeitigt, und ich glaube, es iſt nur eine gerechte Forderung, dieſe Be⸗ ſtimmung auch aus der Städteordnung zu ſtreichen. Auf die anderen Anträge des Ausſchuſſes iſt der Herr Berichterſtatter ſchon ausführlich einge⸗ gangen. Ich möchte nur noch ein Wort über das Privileg der Hausbeſitzer ſagen, das ja der liberale Antrag beibehalten will. Meine Herren, wir haben bereits in der Generaldebatte darauf hingewieſen, wie gemeingefährlich dies Privileg der Hausbeſitzer iſt und wie es in jeder Beziehung unberechtigt iſt. Speziell hier in Charlottenburg haben wir ja die Erfahrung gemacht — ich glaube, das wird auch Herr Kollege Otto zugeben —, daß überhaupt auf ſozialpolitiſchem Gebiet ein jeder Fortſchritt durch die Hausbeſitzer hintangehalten wird. Es hat einſt eine Zeit gegeben — allerdings war es eine Zeit, wo die liberale Fraktion noch die Minderheit in der Verſammlung bildete, wo ſie kleiner an Zahl war, als wir heute ſind — es hat eine Zeit gegeben, in der die Liberalen mit uns Schulter an Schulter gegen das Überwuchern hausagrariſcher Beſtrebungen hier im Stadtparlament gekämpft haben. Heute ſtehen die Liberalen leider auf einem andern Standpunkt; heute ſtehen ſie auf dem Standpunkt, daß man den Hausbeſitzern Konzeſſionen machen muß. Ich weiß nicht, aus welchem Grunde ſie ihre Meinung plötzlich geändert haben, aber ſie ſind nicht mehr wie früher für die Beſeiti⸗ gung des Privilegs der Hausbeſitzer überhaupt, ſondern ſie erklären, daß dies Privileg wenigſtens in kleinen Städten berechtigt iſt. Wir dagegen halten das Hausbeſitzerprivileg auch in kleinen Städten für gänzlich unberechtigt. Es gibt in der ganzen Welt keinen Stand, der in der Stadtvertretung irgend welches Vorrecht beanſprucht. Auch die Hahabeſther können keinen Grund für ſich geltend machen, der ihnen mehr Rechte in die Hand gibt als der Maſſe der übrigen Bürger. Wenn Herr Kollege Dr. Crüger als Vorkämpfer für die Reform des Privilegs der Hausbeſitzer hier eben gerühmt iſt, ſo möchte ich darauf hinweiſen, daß Herr Dr. Crüger ſich nur beſchäftigt hat mit den Inierpretationen von Uiteilen des Oberverwal⸗