7 7 —— 152 —— zugehen. Ich nehme auch von dem Zugeſtändnis Notiz, daß die Liberalen im Gegenſatz zu ihren früheren Anſchauungen und im Gegenſatz zu den Anſchauungen ihres Führers Eugen Richter nicht unbedingte Gegner des Privilegs der Hausbeſitzer ſind, ſondern daß ſie dieſes Privileg wenigſtens in kleinen Städten als berechtigt anerkennen. Meine Herren, es iſt uns, als wir unſern An⸗ trag einbrachten, in durchaus unberechtigter Weiſe von dem Redner der liberalen Fraktion der Vorwurf gemacht worden, daß wir lediglich damit agitatoriſche Zwecke verfolgen. Wir haben dieſen Vorwurf bereits zurückgewieſen, und ich glaube, die Verhandlungen in der Kommiſſion haben keinen Zweifel darüber gelaſſen, daß es uns nicht auf die Verfolgung irgend eines agitatoriſchen Zwecks, ſondern lediglich darauf ankommt, endlich einmal den Anſtoß zur Beſeitigung des Dreiklaſſenwahlſyſtems zu geben. Wir haben in der Kommiſſion durchaus ſachlich verhandelt und haben auch hier im Plenum durchaus ſachlich unſern Standpunkt dargelegt. Sollte unſer Antrag einmal zu agitatoriſchen Zwecken ausgenutzt werden können, ſo war das nicht die Abſicht der Antragſteller, ſondern ſo haben wir das dem Auftreten der liberalen Frak⸗ tion zu danken, deren Redner ſich offen gegen eine vernünftige Reform des Dreiklaſſenwahlſyſtems erklärt hat. Denn, meine Herren, das, was Sie beantragen, iſt überhaupt keine Reform. Das kann ich namens meiner ſämtlichen Freunde erklären, daß, wenn unſer Antrag abgelehnt wird, wir einſtimmig gegen dieſen ſogenannten liberalen Antrag ſtimmen werden. Ehe wir uns dazu herbeilaſſen, den Magiſtrat auf⸗ zufordern, mit andern Kommunen in Verbindung zu treten, um eine Reform des Gemeindewahlrechts auf dieſer Grundlage herbeizuführen — meine Herren, da können wir ebenſo gut das jetzige Wahlrecht bei⸗ behalten. Ich kann Sie nur bitten, auch Ihrerſeits genau ſo, wie wir es getan haben, Entgegenkommen zu zeigen. Wir haben unſre weiter gehenden Wünſche zurückgeſtellt und beſchränken uns auf das, was der Ausſchuß Ihnen vorſchlägt. Meine Herren, ich kann Sie auch nur dringend bitten, gleichfalls ein Loch zurückzuſtecken und ebenfalls mit uns für den Antrag des Ausſchuſſes zu ſtimmen. Wir ſind überzeugt, daß dann, wenn dieſer Antrag angenommen wird, und wenn der Magiſtrat ihm zuſtimmt, endlich ein⸗ mal Ausſicht vorhanden iſt, daß die geſetzgebenden Körperſchaften ſich eingehend mit einer Reform des jetzigen Wahlrechts beſchäftigen werden. (Bravo!) Stadtv. Dr. Penzig: Meine Herren, das Mißver⸗ ſtändnis, das den Worten meines Freundes Otto wider⸗ fahren iſt, ſah ich voraus. Er hatte davon geſprochen, daß er die Mehrheit ſeiner engeren politiſchen Freunde hier vertrete mit einer einzigen Ausnahme, indem er dabei offenbar nur die letzten Verhandlungen im Auge hatte, die ja aber, wie Sie wiſſen, weit über die Sommerferien hinausreichen. Es mußte alſo richtiger geſagt werden: gegen eine kleine Minder⸗ heit —, und Herr Kollege Hirſch hat uns ja nach⸗ 72 bereits nachgerechnet, daß wenigſtens zwei der ertreter unſerer Fraktion für den Ausſchußantrag ebenfalls eingetreten ſind. Ich entnehme daraus das Recht und die Pflicht, hier als Vertreter dieſer Minder⸗ heit der liberalen Fraktion zu ſprechen, werde aber keineswegs auf die Materie eingehen, die ja wirklich ganz gründlich für jeden 4774 Gebildeten geklärt iſt, und wo ich auch nicht die Ausſicht ſehe, Herren, die ja ebenfalls ihren Standpunkt reiflich überlegt haben, hier durch eine ſolche Rede zu überzeugen. Ich will nur dem Ausdruck geben, daß es jedenfalls auch in der liberalen grnen eine Minderheit noch immer gibt, die das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht aus ſehr verſchiedenen opportuniſtiſch⸗ praktiſchen Gründen für nötig halten, vor allen Dingen aber es für nötig halten als die einzige Erziehung unſeres Volkes zum politiſchen Ideal. Ich halte dieſes Wahlrecht zwar keineswegs für das außerordentlich beſte, das idealſte; ich halte es aber für die unumgängliche Etappe auf dem Weg des Weiterkommens, und aus dieſem Grunde werde ich — und würden die Freunde, die heute hier abweſend ſind — für den Ausſchußantrag ſtimmen. Stadtu. Otto: Meine Herren, ich habe vorhin, was dieſen eben von Herrn Dr. Penzig berührten Punkt angeht, nur vergeſſen, das Wort hinzuzufügen: von meinen anweſenden Freunden. Hätte ich dieſes Wort nicht vergeſſen, ſo war die Sache klar⸗ geſtellt. Der Herr Kollege Hirſch meint, ich hätte aus⸗ geführt: nur auf dem Boden meines Antrages würde eine Reform möglich und der Magiſtrat in der Lage ſein, Verhandlungen einzuleiten. Ich habe das nicht geſagt, wie der Herr Kollege ſich aus dem Stenogramm überzeugen wird. Ich habe geſagt, daß es auf Grund unſeres Antrages weitaus eher möglich ſein wird, vorwärts zu kommen, und ich habe gemeint, daß auch der Magiſtrat weitaus eher auf den Boden unſeres Antrages treten kann. Ich bemerke ausdrücklich, daß ich mit keinem Mitgliede des Magiſtrats über dieſen Antrag auch nur ein Wort geſprochen habe. Alle Folgerungen alſo, die der Herr Kollege Hirſch nach dieſer Richtung hin gezogen hat, ſind durchaus unrichtig. Herr Kollege Hirſch hat überhaupt heute mich nach mehrfacher Seite hin beſonders intereſſiert. Ein⸗ mal hat er gemeint, der Verdacht ſei in ſeiner Seele aufgeſtiegen, als ob wir durch die Faſſung bezüglich des Privilegs der Hausbeſitzer ſagen wollten: wir wollen jedesmal ſoviel Hausbeſitzer in die Stadtver⸗ ordnetenverſammlung wählen, als die liberale Fraktion Kandidaten zur Verfügung hat. Dieſer Verdacht kann nur aus einer ſehr ſchwarzen Seele kommen. (Heiterkeit und Bravo!) Ich kann es ja nicht ändern, wenn Herr Kollege Hirſch eine ſolche ſchwarze Seele beſitzt, ich kann ihn deswegen nur bedauern. Nun könnte man ja meinen, daß ſeine geiſtigen Qualitäten dafür einen Erſatz böten. Aber wenn der Herr Kollege Hirſch hier ſagt, daß der liberale Antrag etwas ſo Unklares und Ver⸗ ſchwommenes bedeute, wie es ihm noch niemals vor⸗ gekommmen wäre, ſo ſehe ich für meine Perſon auch in den geiſtigen Kräften des Herrn Hirſch keinen Er⸗ ſatz für das Manko nach der gemütvollen Seite hin. Und damit, meine Herren, dürften ſich all die weiteren Ausführungen des Herrn Kollegen Hirſch, die er an unſern Antrag dann unter beſonders eingehender Be⸗ leuchtung der Hausbeſitzer geknüpft hat, von ſelbſt als überflüſſig erweiſen. Ich habe aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Hirſch heute den Eindruck gewonnen, daß er zwei Begriffe vollſtändig mit einander verwechſelt, nämlich den Begriff Hausbefitzer und Hausagrarier; für ihn ſind alle Hausbeſitzer Hausagrarier vom erſten bis zum letzten. (Zuruf des Stadtv. Hirſch.) Er hat uns hier eine Fülle von Material, nach ſeiner Meinung wenigſtens eine Fülle, vorbringen wollen,