Aber, meine Herren, in der Sache ſelbſt halte ich es durchaus nicht für notwendig, das Verfahren einzuſchlagen, daß wir jetzt noch einmal dieſen Antrag überreichen und von vorn anfangen. Klarer kann ſich die Geſchäftsordnung nicht ausdrücken, als es im § 19 geſchehen iſt. Ich lann mir wohl den Fall denken, daß es bei beſonders wichtigen grundlegenden Fragen, die zum erſten mal auftreten, zweckmäßig iſt, den Antrag ſchriftlich einzureichen. Es ſteht doch aber in der Geſchäftsordnung mit klaren Worten, daß nur auf Verlangen des Vorſtehers ein Abänderungsantrag, der im unmittelbaren Zuſammenhang mit der Sache ſteht, ſchriftlich überreicht werden muß. Wenn nun der Vorſteber davon keinen Gebrauch gemacht hat, ſo kann man doch nicht jetzt ſagen: weil der Vor⸗ ſteher ſich ſtreng an den Wortlaut des § 19 gehalten hat, deshalb verlangen wir, weil hier einmal das Wort „ſchriftlich“ vorkommt, daß der Antrag ſchrift⸗ lich übergeben und das Schriftſtück vom Vorſteher verleſen wird. Hierzu kommt. daß Herr Kollege Otto den Antrag ſelbſt verleſen hat, daß er von anderen Herren wiederholt in der Diskuſſion verleſen worden iſt. Ich bin der Meinung, es genügt vollſtändig, wenn wir jetzt über den Antrag abſtimmen. Nach meinem Dafüchalten wäre es vielleicht richtiger ge⸗ weſen, und zwar aus geſchäftsordnungsmäßigen Gründen, über den Antrag zuerſt abzuſtimmen. Ich erinnere mich auch, mit Kollegen darüber geſprochen zu haben; da es aber vom Bureau ſo angeordnet war, habe ich nicht remonſtriert. Ich bitte nunmehr, über die Sache zur Tages⸗ ordnung überzugehen und über den Antrag abzu⸗ ſtimmen. Stadtv. Dr. Borchardt (zur Geſchäftsordnung): Herr Kollege Holz iſt ja ſo loyal geweſen, nicht zu bitten, zur Tagesordnung überzugehen, ehe ich auch geſprochen habe. Es klang ja beinahe ſo aus, als ob ſeine Loyalität ſo weit gehen ſollte: nach ihm iſt die Sache zu Ende. Roma locuta est — nun wir zur Tagesordnung übergegangen und abgeſtimmt! Wenn ich in der Tonart des Herrn Kollegen Holz und auch in der Tonart, die zu meinen Überraſchung von Seiten des Herrn Vorſtehers angeſchlagen wurde, ebenfalls antworten wollte, ſo würde ich vielleicht ſagen: ich finde es nicht ganz loyal, oder ich kann mir nichts Illoyaleres denken, als daß meine Meldun zur Geſchäftsordnung überhört worden iſt; denn i hatte mich ſchon vor einer ganzen Weile, ſchon lange vor Herrn Holz gemeldet. Aber, meine Herren, ich nehme derartige Dinge nicht ſo tragiſch, ich nehme da einfach ein Verhören, ein Verſehen an und glaube nicht, daß eine Illoyalität irgendwie vorliegt. Was nun die Sache ſelbſt betrifft, ſo richtet ſich ja der Vorwurf gegen meine Perſon; denn von mir war dieſes Bedenken hier erhoben worden, und zwar aus meiner eigenen ſchwarzen Seele heraus. Meine Herren, meine näheren Freunde machen mir zuweilen den Vorwurf, daß ich bei verſchiedenen Gelegenheiten talmudiſtiſche Bedenken erhebe und dadurch Ver⸗ handlungen hinzögere. (Stadtv. Hirſch: Sehr richtig!) Vielleicht iſt der Vorwurf nicht ganz unberechtigt. 7. 1. und Heiterkeit.) Wenigſtens muß ich geſtehen, daß ich ſachlich durch⸗ aus für meine Perſon nichts dagegen habe, daß hier abgeſtimmt wird, und daß ich, wenn der Herr Vor⸗ ſteher die Frage geſtellt hätte, ob die Abſtimmung zuläſſig iſt, meinerſeits dafür geſtimmt hätte, weil ich dem Geſchäftsordnungsparagraphen gern eine —— 144 weitere Ausdehnung geben möchte, ſchon in Hinſicht darauf, daß derartige Fälle auch bei Anträgen, die von unſerer Seite kommen, ſich wiederholen können. Aber ich hielt mich für verpflichtet, auf dieſen Paragraphen der Geſchäftsordnung, der mir gerade vor Augen kam, aufmerkſam zu machen, und glaube noch immer, daß bisher ſo verfahren worden iſt, wie ich ſagte. Wenn die Abſtimmung aber für zuläſſig gelten ſoll — ich bin dafür, daß ſie zuläſſig iſt —, ſo ſtelt dem nichts im Wege. Ich wollte nur das Bureau darauf aufmerkſam machen, falls das Bureau der Meinung iſt, auf Grund dieſes Paragraphen dürfe nicht ab⸗ geſtimmt werden. Stadtu. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Der Herr Kollege Holz hat, ohne daß der Vorſteher ſich veranlaßt ſah, dagegen einzuſchreiten, einer Fraktion dieſes Hauſes den Vorwurf der Illoyalität gemacht. Ich möchte darauf nur erwidern, daß ich mir nichts Illoyaleres denken kann und keinen parlamentariſchen Ausdruck dafür finde, wenn Herr Kollege Holz, nach⸗ dem ich vorhin ausdrücklich erklärt habe, daß Herr Kollege Borchardt nur für ſeine Perſon geſprochen habe, und daß ich auf einem entgegengeſetzten Stand⸗ punkt ſtehe, den Mut hat, der ſozialdemokratiſchen Fraktion den Vorwurf der Illoyalität zu machen. Ich glaube, daß das Auftreten des Herrn Kollegen Holz in den Augen aller unparteiiſch Denkenden ſich von ſelbſt richtet. Stadtu. Holz (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, Herr Kollege Hirſch hat ungefähr mit den⸗ ſelben Worten operiert, mit denen ich operiert habe; (Stadtv. Hirſch: Abſichtlich!) er hat, glaube ich, 3⸗ oder 4mal das Wort illoyal angewandt. Wenn ich mich zum Wort gemeldet habe, ſo geſchah es nur aus einem Gefühl der ſicht⸗ lichen Erregung darüber, wie ich bereits vorhin aus⸗ geführt habe, daß, nachdem wir ſoweit über die Sache debattiert haben, und uns verbotenus an die Geſchäfts⸗ ordnung halten, ein Mitglied der ſozialdemokratiſchen Fraktion ſich erhebt und mit uns gewiſſermaßen Blindekuh ſpielt — anders kann ich das nicht aus⸗ drücken. Deshalb hatte ich von meinem Standpunkt aus mich dagegen gewandt, nicht gegen die Fraktion — davon habe ich nicht geredet, (Stadtv. Hirſch: Doch!) ſondern gegen die Perſon desjenigen, der namens der Fraktion oder in ſeinem Namen den Antrag geſtellt hat. Jetzt ſagt Herr Kollege Borchardt ſelbſt: ich habe keinen Antrag geſtellt. Wozu debattieren wir denn? Verſtanden habe ich ſo, daß ein Antrag geſtellt worden iſt: von wem iſt gleichgültig. Oder heißt es bei den Herren nicht: Alle für Einen und Einer für Alle? Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Es iſt richtig, daß ich 3⸗ oder 4mal den Ausdruck „illoyal“ gegen Herrn Kollegen Holz gebraucht habe. Ich habe das aber erſt getan, nachdem dieſer Ausdruck von Herrn Kollegen Holz angewandt und als parla⸗ mentariſch zuläſſig erklärt worden iſt. Ich glaube, wenn ſolch Ausdruck einmal in den Redeſchatz des Charlottenburger Stadtparlaments eingeführt iſt, daß man dann dem Vater dieſes Wortes gegenüber recht ausgiebigen Gebrauch davon machen ſoll. Stadtu. Dr. Borchardt (zur Geſchäftsordnung): Herr Kollege Holz fragt: worüber debattieren wir denn ſo lange, wenn ich hier keinen Antrag geſtellt