zu erſuchen, bei der Polizeidirektion wegen dieſer Vorkommniſſe vorſtellig zu werden und ihr den Proteſt der Stadtverordnetenverſammlung zu übermittelln. 0 Charlottenburg, den 21. September 1904. Es folgen dann die Namen, die ich vorhin an⸗ gegeben habe Bei Eingang dieſes Antrages lag es nahe, die Zuſtändigkeitsfrage einer erneuten objektiven und ruhigen Prüfung zu unterziehen, da ja dieſe Frage bereits bei Gelegenheit der Debatte über die Inter⸗ pellation des Herrn Stadtv. Dr. Zepler in der vorigen Sitzung eine Rolle geſpielt hatte. Ich bin nun bei der Prüfung der Frage zu der Anſicht gekommen, daß wir für dieſen Antrag nicht zuſtändig ſeien, und habe es infolgedeſſen abgelehnt, den Antrag auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu ſetzen. Dem Herrn Stadtv. Dr. Zepler bin ich zu Dank ver⸗ bunden, daß er mir durch ſeine heutige Anfrage Ge⸗ legenheit gibt, dieſe meine Uberzeugung hier zu be⸗ gründen. — Ich werde mich, wenn nachher eine weitere Debatte ſich an die Anfrage des Herrn Dr. Zepler ſchließen ſollte, an der Beratung nicht beteiligen und mich lediglich auf die Leitung der Verſammlung beſchränken. Meine Herren, meine Meinung iſt folgende. Was will der Antrag des Herrn Stadtv. Dr. Zepler? Er will, daß wir Stellung nehmen gegenüber Maß⸗ nahmen der Polizei. Das können wir nur tun, indem wir prüfen, ob Polizeiorgane bei einer beſtimmten Gelegenheit oder bei mehreren beſtimmten Gelegen⸗ heiten in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes ſich befunden haben, und auch dieſe Frage wiederum hängt ab von einer anderen Frage, nämlich von der Frage, ob gewiſſe Privatperſonen, Arbeiterinnen, als Streikpoſten eine ſtrafbare Handlung begangen haben auf die Tagesordnung zu ſetzen, ablehnend verhalten gelder zu erſtatten! oder nicht begangen haben. Eine derartige Frage, meine Herren, iſt aber lediglich eine reine Privatange⸗ legenheit, und in eine ſolche reine Privatangelegenheit uns zu miſchen, haben wir meiner Anſicht nach nicht das Recht. Wir haben nur das Recht, uns über Ge⸗ meindeangelegenheiten zu unterhalten, zu beraten und zu beſchließen; niemals aber kann eine reine Privat⸗ angelegenheit — und das iſt eben dieſe Frage, ob eine Privatperſon eine ſtrafbare Handlung begangen hat oder nicht niemals kann, ſage ich, eine der⸗ artige reine Privatangelegenheit eine Gemeindeange⸗ legenheit werden, und das in dieſem Falle umſo weniger, als ja den Arbeiterinnen der volle ſtaatliche Rechtsſchutz zur Seite ſteht. Es ſind zuſtändig die ordentlichen Gerichte, und zwar drei Inſtanzen, das 4844 das Landgericht und das Kammer⸗ gericht. 5 Ich glaube daher recht gehandelt zu haben, wenn ich mich dem Erſuchen des Herrn Stadtv. Dr. Zepler gegenüber, dieſen Antrag, den ich eben verleſen habe, habe. (Bravo! bei der Freien Vereinigung,) Stadtv. Dr. Zepler: Meine Herren, ich kann es wohl verſtehen, daß dieſe Angelegenheit, die wir hier zur Debatte bringen wollten, einige 1berraſchungen verordnetenvorſteher hervorgerufen und daß ſich die Frage der Zuſtändig⸗ keit dieſes Hauſes erhoben hat. A priori iſt es ja allerdings nicht recht einleuchtend. Der Herr Stadt⸗ hat ſeine Bedenken in dem Simne hier geltend gemacht, daß es ſich lediglich um eine Privatangelegenheit handelt, nicht um eine Gemeinde⸗ 3 angelegenheit, und daß die Arbeiterinnen ja einen 159 — ſtaatlichen Rechtsſchutz zur Verfolgung ihrer Rechte hätten. Ich kann mich dieſen Ausführungen des Herrn Stadtverordnetenvorſtehers nicht anſchließen. Gerade weil dieſer Apparat des ſtaatlichen Rechts⸗ ſchutzes ſehr wenig funkioniert, bin ich der Meinung, daß dieſe Frage auf eine andere Weiſe gelöſt werden muß. Auch bin ich der Meinung, daß es ſich nicht legiglich um eine Privatangelegenheit handelt, wenn eine Art Rechtsbruch ſich nicht gegen einen Einzelnen, ſondern gegen eine ganze Kategorie von Menſchen richtet, die in der Ausübung ihrer ſtaatlichen Rechte ſich befindet. Ich glaube doch, daß dieſe Verſamm⸗ lung ein Recht und ſogar die Pflicht hat, ſich um dieſe Dinge zu kümmern. Formell mag ja das zu⸗ nächſt nicht ſo ſcheinen; aber wenn wir die Sache genauer unterſuchen, ſo müſſen wir ſagen: dem Geiſte nach ſind wir dazu berechtigt und auch verpflichtet. Wer freilich unſre Aufgabe lediglich als eine Vermögensverwaltung betrachtet, wie es von liberaler Seite in dieſem Hauſe jüngſt ausgeſprochen wurde, wo dem zufolge auch das Hausbeſitzer⸗Prioileg hier verteidigt wurde, für den mag a priori die Sache von der Hand zu weiſen ſein. Wer aber von unſerer Verſammlung und von unſerm Wirken mehr ver⸗ langt, wer uns auch andere Intereſſen zuerkennt, der wird es doch wenigſtens billigen, daß man an dieſe Frage herangeht. Wir treiben ja nicht bloß Ver⸗ mögensverwaltung, ſondern wir haben doch neben einer ganzen Anzahl von anderen kommunalen Auf⸗ g ben, die das öffentliche Wohl betreffen, Schule, Straßenbau uſw., anch eine Reihe von Wohlfahrts⸗ anſtalten in Angriff genommen, wozu wir doch ge⸗ ſetzlich eigentlich nicht verpflichtet ſind. Wir bauen Heimſtätten, wir haben ſogar eine Waldſchule er⸗ richtet, wir kümmern uns um Ferienkolonien und dergleichen Wohlfahrtsbeſtrebungen auf geſundheit⸗ lichem Gebiete. Da möchte ich fragen, warum wir nicht auch einen Schritt weiter gehen und auch ge⸗ meinnützige Beſtrebungen gewiſſermaßen auf einem geiſtigen Geſundheitsgebiete ebenfalls für unſere Auf⸗ gabe in Anſpruch nehmen ſollten. Ich meine, daß eine geſunde Beſchaffenheit der Rechtsverhältniſſe doch durchaus zu den öffentlichen Angelegenheiten gehört, daß das durchaus nicht lediglich Privatſache iſt. Wenn es ſich um einen einzelnen beſtimmten Fall handelt, ſo iſt es etwas anderes; wenn es ſich aber wie hier um eine Maſſenfrage handelt, ſo iſt das öffentliche Wohl in höchſtem Grade davon abhängig. Außerdem möchte ich für diejenigen, welche in unſerm Wirken nichts anderes als eine Vermögens⸗ verwaltung der Hauptſache nach ſehen wollen, zu bedenken geben, daß wir hier möglicherweiſe auch zu einer Vermögensangelegenheit kommen können. Sie wiſſen ja gar nicht, ob wir nicht vielleicht den An⸗ trag ſtellen, den von der Polizei in ſo ungehöriger Weiſe beläſtigten und nachher mit Strafmandaten beglückten Perſonen aus dem Stadtſäckel die Straf⸗ Sollten die Juriſten in dieſer Verſammlung das für unzuläſſig erklären, ſo bliebe es uns immerhin noch vorbehalten, für die drang⸗ ſalierten armen Arbeiterinnen eine Entſchädigung auf anderm Wege zu beſchließen. Alſo auch hier könnte unter Umſtänden der Stadtſäckel mit in Betracht gezogen werden. Es handelt ſich demnach auch um eine Frage der Vermögensverwaltung, und auch von dieſem Standpunkt aus haben wir das Recht, über dieſe Angelegenheit zu ſprechen. . Unter allen Umſtänden handelt es ſich jedoch bei dieſer von uns angeregten Frage um eine Wohl⸗ fahrtsſache in geiſtigem Sinne, die von ganz eminenter