zeigen, wie nötig es iſt, gerade hierin zuſtändig zu werden, hier ein Wort mitzuſprechen Wenn wir die Polizei in eigener Regie hätten, dann könnten wir darüber walten, wie es nötig iſt; ſo aber müſſen wir es uns gefallen laſſen, wie es der Polizeidirektion beliebt. Ich denke, daß gerade die Stadt, wenn ſie hier keine Rechte hat, ſich dieſe Rechte eventuell in Verbindung mit anderen Städten durch Petitionieren beim Landtag uſw. zu ſchaffen ſuchen müßte. Ferner möchte ich im Anſchluß hieran die Frage richten: wie kommt überhaupt die Polizei dazu, der⸗ artig einſeitig, mit ſo einſeitiger Parteinahme vor⸗ zugehen? Dann ſoll man ſich noch wundern, wenn die Sozialdemokratie immer davon ſpricht, daß wir in keinem Rechtsſtaat leben, ſondern in einem Klaſſenſtaate! Wie kommt die Polizei dazu, die Geſchäfte der reichen Firma Siemens « Halske zu beſorgen und gegen arme Arbeiterinnen, die nichts anderes wollen als ihr Recht, die nicht mal in einem Streik ſich befanden, durch welchen ſie beſſere Be⸗ dingungen zu erzielen ſuchten, ſondern in einem Abwehrſtreik — es handelte ſich darum, daß die Firma die ohnehin ſchon geringen Löhne kürzen wollte —: wie kommt die Polizei dazu, für die Firma Siemens « Halske ſich ins Zeug zu legen gegenüber den Anſprüchen der armen Mädchen? Da möchte man ſich beinahe zu der Frage veranlaßt fühlen, ob etwa die Polizei dafür bezahlt wird, ob etwa ein Techtelmechtel mit der Firma beſteht. Es liegt mir fern, dieſen Verdacht zu äußern. Aber ich möchte Sie bei dieſer Gelegenheit daran erinnern, daß ähnliche Dinge bereits vorgekommen ſind. Im Jahre 1890 hatte der Vorſitzende des Verbandes Berliner Metall⸗Induſtrieller, Kommerzienrat Kühne⸗ mann, an die Verbandsmitglieder ein Zirkular er⸗ laſſen, in welchem er unter anderm mitteilt, daß für die Hilfe, welche die Polizei am 1. Mai geleiſtet habe, 3000 ℳ zur Verteilung an die Beamten aus⸗ geſetzt worden ſind. Der Polizeipräſident von Berlin bedankt ſich ſehr demütig und ergebenſt für dieſe Gabe und teilt dem Kommerzienrat mit, in welcher Weiſe das Geld verwandt worden iſt. Es ſind da⸗ mals auch für Beamte, die in der Nähe von 6 Char⸗ lottenburger Fabriken ſtationiert worden waren, Preiſe ausgeſetzt worden. — Alſo es liegt mir fern zu ſagen, daß ſo etwas hier vorgekommen iſt; aber man möchte ſich veranlaßt fühlen, daran zu denken, da anderwärts ſo etwas vorgekommen iſt, und es möchte ſich fragen, ob nicht vielleicht die Polizei⸗ beamten in der goldenen Ausſicht auf klingenden Lohn oder ſonſt welche Vergünſtigungen ſo übereifrig zu Werke gehen. Auffällig iſt jedenfalls, wenn ich auch dieſen Verdacht nicht nähren will, daß die Polizei mit dem Moment zurückgezogen wurde, als die Firma in Verhandlungen mit den Mädchen eintrat. Nach den Beläſtigungen und Siſtierungen der Mäd⸗ chen erhalten dann die Betreffenden Strafmandate in zum Teil recht reſpektierlicher Höhe, und ſo ſcheint es faſt, als ob die Polizei ſich ein Geſchäft daraus machen würde —- — (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Roſenberg: Herr Stadtv. Dr. Zepler, auch dieſer Ausdruck iſt unzuläſſig. Sie können der Polizei nicht vorwerfen, daß ſie ein Geſchäft daraus mache, mit Strafmandaten vorzugehen. Stabw. Dr. Zepler (fortfahrend): Ich habe nur geſagt: es ſcheint faſt, als ob- ich nehme das zurück. — Trotz der gerichtlichen Infechtungen, 161 die meiſt zu Gunſten der Arbeiter ausfallen, wimmelt es von ſolchen Mandaten in der ganzen Arbeiter⸗ bewegung. Der Rechtsſchutzverein des Deutſchen Metallarbeiter⸗Verbandes hat im Jahre 1903 gegen 35 000 ℳ für ſeine Zwecke ausgegeben, und in dieſem Jahre ſind es bereits gegen 40 500 ℳ; davon ent⸗ fällt ein großer Teil auf ſolche Strafmandate. Sie ſehen, meine Herren, es handelt ſich um einen metho⸗ diſchen Kampf der Polizei, einen Kampf des Unrechts und der Vergewaltigung, der in unſerm Falle umſo ſchlimmer iſt — ich will nicht ſagen „verwerflicher“, um nicht zur Ordnung gerufen zu werden —, der in unſerm Fall um ſo ſchlimmer iſt, als er ſich gegen arme Mädchen richtet, die in ſchwerer, ehrlicher Arbeit ihren dürftigen Unterhalt erringen. Meine Herren, ich mache Sie auf den koloſſalen Widerſpruch aufmerkſam, der überhaupt in dieſer Frage in unſern Regierungskreiſen, den höheren Geſellſchaftsſchichten uſw. herrſcht. Auf der einen Seite ſind allerhand Beſtrebungen im Gange zur Bekämpfung der Unſittlichkeit, ſpeziell zur Bekämpfung der Proſtitution und der Geſchlechtskrantheiten, gewiß ſehr lobenswerte Beſtrebungen. Aber einſichtsvolle Sozialpolitiker, auch aus dem bürgerlichen Lager, durchaus nicht blos Sozialdemokraten, ſind der Meinung, daß in dieſer Hinſicht nur ein Mittel wirkſam iſt: eine beſſere Lebenslage gerade der Ar⸗ beiterinnen. Und nun, wo es ſich um einen Fall handelt, wo arme Arbeiterinnen dafür ſorgen wollen, daß ihr ohnehin ſchon kläglicher Verdienſt nicht noch mehr beſchnitten, nicht noch mehr heruntergedrückt, nicht noch elender wird, ſodaß ſie tatſächlich ſchließ⸗ lich dahin getrieben werden, ſich zu proſtituieren — das iſt oft das Ende vom Liede —, hier nimmt die Polizei, die doch auch ein Organ zur Hebung der Sittlichkeit ſein ſollte, gegen die armen Mädchen Partei für die große protzige Firma. Meine Herren, wenn es ſich um ſolche Vorgänge handelt, Vorgänge, die doch wirklich, wie ich an mehreren Puntten gezeigt zu haben glaube, das Ge⸗ meinwohl betreffen, ſo möchte ich fragen, ob wir da nicht zuſtändig find, gleichgiltig ob wir bei der Polizei etwas erreichen. Wir haben das Recht und die Pflicht, uns mit dieſen Dingen, die eben eine öffentliche Angelegenheit ſind, zu befaſſen; wir haben das Recht, dazu Stellung zu nehmen und unſer Mißfallen über das Vorgehen der Polizei, wie es in unſeren Manern geſchehen iſt, auszuſprechen. Wer von Ihnen wirklich Gerechtigkeitsſinn hat und noch einen Funken wahren Liberalismus, der kann ſich dem nicht verſchließen, der muß ſich auf unſere Seite ſtellen, der muß das Unrecht, das ſich tatſächlich als eine Krankheit kund⸗ gegeben hat, beſeitigen helfen und mit uns öffentlich gegen dieſe Vorkommniſſe proteſtieren. Ich bitte Sie, die Diskuſſion über den Gegen⸗ ſtand zuzulaſſen und damit auszuſprechen, daß Sie ſich nicht auf den Standpunkt der Polizei ſtellen. Geben Sie durch Ihren Proteſt zu erkennen, daß Sie etwas derartiges mißbilligen und für ſoziale Dinge, auch wenn ſie nicht blos materieller Natur ſind, ſondern geiſtigen Gehalt in ſich tragen, gleich⸗ falls zu haben ſind. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Vorſteher Roſenberg: Meine Herren, wir ſind in einer Geſchäftsordnungsdebatte darüber begriffen, ob es richtig war, den Antrag des Herrn Stadt⸗ verordneten Dr. Zepler und ſeiner Freunde nicht auf die Tagesordnung zu ſetzen.