Ich erteile nunmehr das Wort dem Herrn Stadtverordneten Dr. Borchardt. Stadtv. Dr. Borchardt: Verehrte Anweſende! Mein Freund und Kollege Dr Zepler hat hier eine ganze Reihe ſehr beherzigenswerter Sätze ausge⸗ ſprochen. Aber zwei Sätze ſind ihm doch mit unter⸗ laufen, die eigentlich gegen das zu ſprechen ſcheinen, was er zu erreichen wünſchte. Mein Freund Dr. Zepler ſagte nämlich u. A., wir ſollten ver⸗ ſuchen, unſere Befugniſſe zu erweitern, und es könne ſo ſcheinen, als ob formell der Antrag auf die Tagesordnung nicht geſetzt werden durfte. Ja, ver⸗ ehrte Anweſende, wenn das richtig wäre, dann würde die Handlungsweiſe des Herrn Stadtverordneten⸗ vorſtehers vollkommen korrekt ſein. Denn durch ſolche Anträge können wir unſere Befugniſſe nicht erweitern. Es liegt nicht im Rahmen unſerer Be⸗ fugniſſe, ſie in dieſer Weiſe zu erweitern, und vor allen Dingen: wenn formell die Beratung des An⸗ trages nicht zuläſſig iſt, dann kann ſie in keiner Weiſe zuläſſig werden durch ein unformelles Ver⸗ fahren. In dieſen beiden Sätzen möchte ich aber meinen verehrten Vorredner, dem ich im übrigen beiſtimme, bekämpfen. Formell iſt der Antrag eben durchaus voll kommen zuläſſig, und nach meiner Auf⸗ faſſung und Empfindung hat allerdings der Herr Stadtverordnetenvorſteher formell nicht ganz richtig gehandelt, als er den Antrag auf die Tagesordnung zu ſetzen verweigerte. Der Herr Stadtverordnetenvorſteher hat uns ſeine Gründe mitgeteilt, die darauf hinauslaufen: Erſtens, es iſt eine private Angelegenheit, ob eine Perſon ſich einer ſtrafbaren Handlung ſchuldig ge⸗ macht hat oder nicht; dies zu prüfen liegt nicht im Rahmen unſerer Zuſtändigkeit, dies zu prüfen hätten wir auch gar nicht die Möglichkeit. Da wir uns mit öffentlichen Angelegenheiten Charlottenburgs und nicht mit privaten Angelegenheiten einzelner Perſonen zu beſchäftigen hätten, ſei der Antrag nicht zuläſſig. Zweitens meinte der Herr Vorſteher, auch die Prüfung, ob Polizeiorgane in rechtmäßiger Ausübung ihres Amts gewaltet haben, ſei eine Prüfung, in die wir im Rahmen unſerer Befugniſſe nicht eintreten könnten. Verehrte Anweſende, ich bin in beiden Punkten direkt entgegengeſetzter Meinung. Ich halte es durch⸗ aus nicht für eine Privatangelegenheit, wenn in genereller Weiſe Leute von der Straße fortgewieſen werden. Wenn Leute, die ſich in rechtmäßiger Aus⸗ übung ihrer bürgerlichen Freiheiten befinden, fort⸗ gewieſen und beläſtigt und behindert werden, nicht in einem einzelnen Falle, ſondern in ganz genereller Art, dann handelt es ſich nicht um private Verhält⸗ niſſe dieſer Perſonen, ſondern um öffentliche Inter⸗ eſſen; denn öffentliche Intereſſen ſind doch die Intereſſen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Wie ſollen wir denn private und öffentliche Inter⸗ eſſen unterſcheiden! Die Intereſſen eines großen Kreiſes unſerer Bevölkerung werden geſchädigt, wenn die Leute in genereller Weiſe durch die Polizei ge⸗ hindert werden, ihre bürgerlichen Rechte auszuüben. 2. 11 etwas, was durchaus öffentlichen Charak⸗ er hat. Ich möchte Sie daran erinnern, meine Herren, daß Sie bei anderen Gelegenheiten einen derartigen Unterſchied zwiſchen öffentlichen und privaten Inter⸗ eſſen nicht gemacht haben. Als es ſich Ende vorigen Jahres darum handelte, daß von Polizeiwegen eine Verordnung erlaſſen ſein ſollte, welche die Bebauung gewiſſer Stadtteile einſchränkte, da wurde dieſe An⸗ 162 gelegenheit hier in der Stadtverordnetenverſammlung mehrfach und eingehend erörtert, und es wurde nicht der Einwand von Ihnen erhoben, es handle ſich um private Intereſſen einzelner Perſonen, deren privates Intereſſe durch das Vorgehen der Polizei geſchädigt werde. Es wurde von Ihnen allen anerkannt, daß es durchaus ein öffentliches Intereſſe Charlotten⸗ burgs ſei, wenn durch Maßnahmen der Polizei in die Vermögensverhältniſſe eines gewiſſen Teiles der Bevölkerung eingegriffen werde, und es wurde infolge⸗ deſſen über dieſe Angelegenheit hier einghend ver⸗ handelt. Nun, meine Herren, das Vermögensintereſſe der Gruppe von Grundbeſitzern, das ev. durch das damalige Vorgehen der Polizei geſchädigt werden konnte, war denn doch wohl in weit höherem Maße ein privates Intereſſe einzelner Perſonen, als das Intereſſe einer großen Klaſſe der Bevölkerung, die in der Ausübung ihrer Rechte gehindert wird. Es ſcheint mir alſo nicht zutreffend zu ſein, was der Herr Stadtverordnetenvorſteher ausführte, daß es ſich hier um Privatangelegenheiten handelt Zweitens führte der Herr Stadtverordneten⸗ vorſteher aus, daß wir auch nicht prüfen könnten, ob die Polizeiorgane in rechtmäßiger Ausübung ihres Amtes gewaltet haben. Ganz gewiß nicht, meine Herren. Wir haben nicht das Recht der Vernehmung der Polizeiorgane und können daher nicht in eine unmittelbare Prüfung eintreten. Nichtsdeſtoweniger ſind wir aber verpflichtet, wenn, ich will mal ſagen, der dringende Verdacht beſteht, daß in genereller Weiſe Geſetzesverletzungen ſeitens der Polizei gegen Bürger Charlottenburgs unternommen werden, — nichsdeſtoweniger ſind wir dann verpflichtet, auch ohne daß wir in der Lage ſind, die Polizeiorgane zu vernehmen, bei den vorgeſetzten Behörden dieſer Polizeiorgane unter Umſtänden vorſtellig zu werden. Das wird von uns durch unſeren Antrag verlangt, und das iſt durchaus innerhalb der Befugniſſe der Stadtverordnetenverſammlung. Der Anſchein kann leicht erweckt werden, daß das Vorgehen der Polizeiorgane auf einer generellen Polizeiverordnung beruht. Ich bin ſonſt in juri⸗ ſtiſchen Dingen nicht ſehr bewandert; aber gerade bei den Verhandlungen der betreffenden Frage, auf die ich vorhin ſchon anſpielte, war ja auch ein Aus⸗ ſchuß eingeſetzt, in welchem die Frage der Zuſtändig⸗ keit beſonders geprüft wurde, und in dieſem Aus⸗ ſchuß bin ich durch die Ausführungen des Herrn Stadtverordneten Gleim davon unterrichtet worden, daß vor Erlaß einer Ortspolizeiverordnung der Ge⸗ meindevorſtand zu hören ſei. Wenn es fich alſo hier wirklich um ein Vorgehen auf Grund einer allge⸗ meinen Polizeiverordnung handelt, dann würde über⸗ haupt der Magiſtrat vor Erlaß dieſer Verordnung zu hören geweſen ſein, und daraus ergibt ſich von ſelbſt, daß auch wir — wenn die Vermutung einer ſolchen Polizeiverordnung vorliegt — durchaus be⸗ rechtigt ſind, darüber zu diskutieren und ev. auf Grund der ſtattgehabten Diskuſſion bei dem Magiſtrat vorſtellig zu werden, oder den Magiſtrat zu erſuchen, bei der Polizeibehörde vorſtellig zu werden. Etwas anderes verlangt der Antrag in der eingebrachten Form nicht, infolgedeſſen ſcheint er mir in jeder Beziehung ſich innerhalb der Grenzen der Zuſtändinkeit der Stadtverordnetenverſammlung zu bewegen. Ich bitte Sie daher, zu beſchließen, daß der Antrag als innerhalb des Rahmens unſerer Be⸗ fugniſſe liegend auf die Tagesordnung geſetzt wird. Vorſteher Roſenberg: Meine Herren, es iſt