— 172 tiſch ſchwer anzuwenden ſind, ſondern die vor allen Dingen auch die gute Eigenſchaft der Milch beein⸗ trüchtigen. Durch dieſes lange und hohe Erhitzen werden ebenfalls wieder Veränderungen in den Milch⸗ beſtandteilen herbeigeführt, die der Verdaulichkeit und Nahrhaftigkeit der Milch Eintrag tun. Man be⸗ gnügt ſich deshalb in den meiſten derartigen An⸗ ſtalten, die ſogenannten vegetativen Formen der Bakterien abzutöten, das heißt, die Formen, die direkt vermehrungsfähig ſind und direkt die Milch zerſetzen, während die ſogenannten Sporen, die Bak⸗ terienformen, die erſt unter günſtigen Bedingungen auskeimen müſſen, in der Milch erhalten bleiben. Eine ſo behandelte Milch iſt, wenn die weitere Be⸗ dingung des Kühlhaltens erfüllt wird, vollſtändig haltbar und für den menſchlichen Genuß, auch für den Genuß der Säuglinge, geeignet. Derartige Einrichtungen ſind nun vielfach von Privaten, vielfach aber auch von Städten in Angriff ge⸗ nommen worden. Die ſogenannten gonttes de lait in Frankreich ſind meiſtens in Privathänden, während die entſprechenden Milchdepots in England meiſt unter der Verwaltung der ſtädtiſchen Behörden ſtehen. Es ſind ferner verſchiedene Wege beſchritten worden für die Verteilung der Milch. In den meiſten derartigen Anſtalten iſt das Publikum genötigt, die Milch aus der Anſtalt ſelbſt abzuholen, und zwar gibt man ihm entweder den Geſamtvorrat für einen Tag in einer Flaſche, oder in den ſorgfältiger geleiteten Anſtalten teilt man von vornherein die Milch in die einzelnen Tagesportionen ein und ſteriliſtert ſie in den dazu beſtimmten Flaſchen, ſodaß der Verbraucher nur noch den Saughut aufzuſetzen hat, um die Milch verwenden zu können. Vielfach iſt man dazu übergegangen, die Milch auch ſo, wie es für die verſchiedenen Altersſtufen der Säuglinge zweckmäßig iſt, zu verdünnen und mit Milchzucker und mit Fett zu verſetzen, um die Gebrauchsfähigkeit zu erhöhen. Alle dieſe Einzelheiten werden natürlich Gegen⸗ ſtand ſehr eingehender Beratung ſein müſſen. Es läßt ſich ſehr ſchwer ganz allgemein ſagen, was für die einzelnen Verhältniſſe das Zweckmäßigſte iſt. uberall aber, wo man derartige Einrichtungen ge⸗ ſchaffen hat, iſt das allgemeine Urteil dahin gegangen, daß ſie befriedigende Reſultate aufzuweiſen haben, immer unter der Vorausſetzung, daß die Milch nach der Behandlung nicht in unzweckmäßiger Weiſe von dem Konſumenten weiter behandelt wird. Es iſt deshalb — und das möchte ich zur Vermeidung von Mißverſtändniſſen betonen — ſelbſtverſtändlich mit der Einrichtung der Steriliſationsanſtalt allein den großen Übelſtänden nicht abgeholfen, ſondern dazu iſt auch eine ſtändige Kontrolle der Aufbe⸗ wahrung der Milch bis zu dem Augenblick, wo ſie in die Hände des Konſumenten gelangt, und eine geeignete Belehrung des Konſumenten für die weitere Behandlung erforderlich. Nun, meine Herren, könnte die Frage aufge⸗ worfen werden, ob es eine Angelegenheit der Stadt iſt, in ein ſolches Unternehmen einzutreten. Nach meiner Anſicht gehören zu den Aufgaben der Stadt alle vorbeugenden Maßregeln, welche geeignet ſind, die Volksgeſundheit zu fördern, fo gut wie die Kanaliſation und die zentrale Waſſerverſorgung auch die zentrale Milchverſorgung wenigſtens für die Säuglinge, welche unter einer ungeeigneten Milch, wie ich Ihnen dargelegt zu haben glaube, erheblich u leiden haben. Unſer Antrag geht deshalb dahin, aß die Stadt Charlottenburg ſich dieſer Aufgabe bewußt ſein und die entſprechenden Vorkehrungen treffen ſoll. Aus dem, was ich ausgeführt habe, werden Sie ſchon erſehen haben, daß es nicht unſere Meinung iſt, die Stadt ſolle ſich bei der Errichtung einer Steriliſierungsanſtalt genügen laſſen, ſondern daß unſere Meinung dahin geht, die Stadt ſolle die geeigneten Vorkehrungen treffen, um ihren Säug⸗ lingen eine geſunde gute Milch in geeigneter Menge zuzuführen. Es werden ſich ferner im Anſchluß an dieſen Antrag ſicher noch mancherlei Anregungen er⸗ geben, die ebenfalls dasſelbe Ziel verfolgen, die große Säuglingsſterblichkeit zu vermindern Ich glaube daher, im Sinne dieſer Ausführungen wird es liegen, wenn wir unſeren Antrag ſo ergänzen, wie ich es Ihnen jetzt vorſchlage: Die Verſammlung erſucht den Magiſtrat, mit ihr in gemiſchter Deputation über den vor⸗ liegenden Antrag ſowie über weitere Maßregeln zur Bekämpfung der Säuglingsſterblichkeit zu beraten. Stadtv. Dr. Zepler: Meine Herren, es war ja vorauszuſehen, daß der Herr Referent, weil er doch der Antragſteller geweſen iſt, ſich mit einem reich⸗ lichen Material verſehen wird, das er Ihnen hier vortrug, und es könnte überflüſſig ſcheinen, wenn ich noch einmal über dieſelben Punkte auch von meinem Standpunkt aus hier ſprechen würde. Indeſſen doppelt hält beſſer, und es läßt ſich vielleicht noch manches hinzufügen, um Sie zu überzengen, daß die hier vorgeſchlagene Maßnahme durchaus not⸗ wendig iſt. Der Antrag iſt unſerer Fraktion a priori ſelbſt⸗ verſtändlich ſympathiſch, da wir der Meinung ſind, daß jede Maßnahme, welche hygieniſche und andere Kulturintereſſen fördert, Aufgabe der Allgemeinheit ſpeziell der Kommune iſt. Dieſe Frage iſt ſogar ſpeziell eine alte Fürſorge unſerer Partei gawehn Schon im Jahre 1901 hat der ſozialdemokratiſche Stadtverordnete Freudenberg in Berlin die Frage angeſchnitten und eine gemiſchte Deputation beantragt, die allerdings erſt in dieſem Jahre tagte. Im Mai dieſes Jahres hat in München der ſozialdemokratiſche Magiſtratsrat Schmidt ebenfalls dieſe Frage aufs Tapet gebracht und in weitgehender Weiſe ſeine An⸗ träge geſtellt. Den Antragſtellern ſchwebte auch ſpeziell der Fall in Halle vor; auch dort ſind — der Herr Referent hat darüber nicht ſpeziell ge⸗ ſprochen — mit dieſer von der Stadt unternommenen Maßnahme ganz befriedigende Reſultate erzielt worden, die allerdings zum Teil daran ſcheiterten, daß die Maßregeln nicht vollkommen genug waren, und daß ganz beſonders das Publikum fürchtete, es könnte durch die Inanſpruchnahme billiger hygieniſcher Milch von der Stadt das Wahlrecht ihm eingeſchränkt werden. Das ſoll uns ein Fingerzeig ſein, daß wir bei allen derartigen Maßnahmen, die von der Stadt ins Leben gerufen werden, von vornherein das Prinzip wahren, daß die Sache nicht als Armen⸗ unterſtützung zu betrachten iſt, ſelbſt wenn die Stadt aus Geſundheitsrückſichten für das allgemeine Wohl ſich die Sache etwas koſten läßt. Um nun zu der Sache ſelbſt zu kommen, ſo ſteht für mich und für alle, die ſich mit der Frage einigermaßen beſchäftigt haben, außer Zweifel, daß gerade von Stadt wegen etwas Wirkliches geſchehen muß, und ich möchte Ihnen die Anſichten einiger Autoritäten auf dem Gebiete der Hygiene vortragen. Der Profeſſor Dunbar in Hamburg ſpricht in einem Referat gelegentlich der Milchausſtellung im