ſchleiß uſw. Ferner ſind ſchon die Kühe ſelbſt inbe⸗ zug auf die Qualität der Milch, welche ſie geben, ſehr verſchieden. Alſo es wird auch anzuſtreben ſein, daß wir eine Milch erreichen, welche einen beſtimmten Normalfettgehalt hat. Das ſind alles Fragen, die bei dieſer Sache zugleich behandelt werden müſſen und können, und deshalb wäre es einſeitig, wenn wir uns lediglich mit einer Steriliſationsanſtalt begnügen wollten. Kollege Spiegel ſtreifte die Frage, es wäre nicht durchführbar, wenn wir die in Charlottenburg bereits vorhandenen Kühe dazu benutzen wollten, um die Stadt durch die reinliche Gewinnung mit ſteriler Milch zu verſorgen. Das gebe ich zu. Es iſt aber nicht notwendig; wenn wir eigene Kühe uns halten wollen — das iſt eine Aufgabe der Stadt, die des Zieles ſehr wert wäre —, dann müßten wir ſelbſt⸗ verſtändlich nicht die Kühe, die in der Stadt bereits vorhanden ſind, ſondern wir müßten eine ganz be⸗ ſondere, vorzüglich gezüchtete Raſſe anſchaffen; und dieſe Kühe dürften nicht aus Charlottenburg ſelbſt ſein, ſie könnten meilenweit von hier ſein, ſie könnten auf einem der Stadt Charlottenburg gehörigen Ge⸗ biet gehalten werden. Und ſie dürften nicht im Stall bleiben; denn die Tuberkuloſe der Kühe iſt lediglich eine Stallkrankheit; nur Kühe im Stall, die nicht ins Freie kommen, leiden an Tuberkuloſe. Die Kühe müſſen im Freien ſein, und es iſt durchaus ein erreichbares Ziel, daß eine Stadt ſich im Um⸗ fauge von einigen Meilen, ſelbſt zehn, zwanzig Meilen, Kuhſtälle hält und die ſo gewonnene Mil täglich in die Stadt hineinbringt. Auch bei dieſem Transport wird die Milch nicht verdorben. Denn es ſind Syſteme erfunden — das Syſtem des In⸗ genieurs Helm beiſpielsweiſe —, wodurch die Milch auch auf weite Strecken bei niedriger Temperatur ſteril transportiert werden kann. Was den Vertrieb anbelangt, ſo kann ich mich vorläufig damit begnügen, was Herr Kollege Dr. Spiegel geſagt hat. Wir müſſen uns natürlich auch die Koſtenfrage vergegenwärtigen. Nach Anſicht mancher Forſcher würde es möglich ſein, die Milch zum Markt⸗ preiſe zu liefern, wie ich das bereits erwähnt habe. Andere ſind der Meinung, daß das Liter Milch bei einer derartigen Produktion mindeſtens 25 bis 30 Pf. koſten wird. Nun, das wäre nicht zu hoch; denn wenn die Stadt auch ſelbſt hier einen Zuſchuß zahlen ſollte, ich will mal ſagen, eine Summe von 50 bis 100 000 ℳ jährlich, ſo habe ich ja ſchon ausgeführt, wie ſich das auf andere Weiſe wirtſchaftlich wieder einbringen läßt. Ich vergaß, noch die andere Möglichkeit zu er⸗ wähnen, wodurch wir eine derartige reinliche Milch⸗ gewinnung vonſeiten der Stadt durchführen können. Es wäre nicht notwendig, eigene Kuhſtälle zu gründen, obwohl es möglich iſt; es würde auch genügen, mit großen Milchproduzenten abzuſchließen, welche ſich verpflichten, in dieſer peinlichen Weiſe die Milch zu beſorgen, und welche ſich einer ſtädtiſchen Aufſicht unterſtellen. Ich möchte dann nur noch auf eine Außerung hinweiſen, welche wert iſt, hier wiedergegeben zu werden. Gelegentlich der Ausſtellung in Hamburg fiel die Außerung, die Erzeugung tadelloſer Milch ſei Ehrenſache der deutſchen Landwirtſchaft. wurde zurückgewieſen von C. Müller in Darmſtadt, welcher ſagte: „Für den Landwirt müſſen die Koſten gedeckt werden. Ehrenſache kann es nur für den Städter ſein, dieſe Koſten zu decken; denn die Stadt⸗ bewohner haben den Vorteil aus einwandfreier Milch⸗ Das 175. —— gewinnung.“ Ich möchte dem noch hinzufügen: Ehren⸗ ſache iſt es für die öffentlichen Organe, für den Staat oder, wenn dieſer verſagt — wie gewöhnlich —, für die Kommunen, eine Angelegenheit, die ſo ſehr wie kaum eine zweite die öffentliche Hygiene und das allgemeine Wohl, das Wachſen und Gedeihen der künftigen Generation angeht, zu fördern und durchzuführen. In dieſem Sinne ſchließen wir uns dem An⸗ trage auf Kommiſſionsberatung an. Wir ſind der Meinung, die Sache iſt noch lange nicht reif genug, daß wir heute ſchon einen Beſchluß faſſen können. Aber gemacht werden muß etwas, und deshalb ſind wir zunächſt auch für Kommiſſionsberatung. Vorſteher Roſenberg: Meine Herren, zur Ver⸗ meidung von Zweifeln weiſe ich darauf hin, daß die Herren Antragſteller zu dem Antrage, der dahin geht: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat um eine Vorlage betr. Errichtung einer nädtiſchen Milchſteriliſationsanſtalt, den Antrag geſtellt haben: Die Verſammlung erſucht den Magiſtrat, mit ihr in gemiſchter Deputation über den vor⸗ liegenden Antrag ſowie über weitere Maßregeln zur Bekämpfung der Sänglingsſterblichkeit zu beraten. Stadtv. Vogel: Meine Herren, es iſt ſehr ehren⸗ wert von dem Herrn Dr. Spiegel und ſeinen Frak⸗ ch tionsgenoſſen geweſen, daß ſie die wichtige Frage der Säuglingsſterblichkeit hier angeregt haben in ähnlicher Weiſe, wie ſie im Herrenhauſe von dem Grafen Oppersdorf und in der Berliner Stadtver⸗ ordnetenverſammlung, wie Sie ja ſchon gehört haben. angeregt worden iſt. Ich möchte kurz ſagen, daß ich dieſe Frage von einem weiteren Standpunkte aus betrachten muß. Der Hygieniker Oeſterlen ſagt in ſeinem Handbuch der mediziniſchen Statiſtik: „Die Sauglingsſterblichkeit iſt das empfindlichtte Thermo⸗ meter der öffentlichen Wohlfahrt.“ Meine Herren, legen wir dieſes Thermometer einmal dem deutſchen Volke und den andern Völkern an, ſo werden wir finden, daß das deutſche Volk ſich in dieſer Beziehung in einem ſehr ſchlechten Zuſtande befindet. Nur Oſterreich⸗Ungarn und Rußland ſind es, die nicht beſſer ſtehen als Deutſchland. Die ſkandinaviſchen Länder haben auf 100 lebende Kindern bis zu einem Jahr eine Sterblichkeit von noh nicht 10, zum Teil unter 9. Die Schweiz, Belgien, Holland, England und ſelbſt Italien ſtehen beſſer da wie Deutſchland; ſie haben nur eine Sterblichkeit von 15 bis 16% durchſchnittlich. Die füddeutſchen Staaten Bayern, Württemberg und auch Sa hſen ſtehen allerdings noch ſchlechter als Preußen und Oſterreich. Die Sterb⸗ lichkeit in Sachſen beträgt z. B. 26%, in Bayern 25%, früher war ſie ſogar 32,7%. Meine Herren, was hat denn das für einen Grund? Wir ſind im Süden und im Norden von Ländern umgeben, die eine geringere Sterblichkeit haben. Die klimatiſchen Verhältniſſe ſind doch eigent⸗ lich in Norwegen ungünſtiger als bei uns. Der Grund liegt, wie das ja auch öfter ſchon mitgeteilt worden iſt, in der Ernährung. In Skandinavien kennt man keine andere Säuglingsernährung als durch die Bruſt, bis in die höchſten Schichten der Geſellſchaft hinein. Die Königin von Dänemark hat alle ihre Kinder ſelbſt geſtillt, ebenſo die verſtorbene Königin von England, Victoria, und dieſem Beiſpiel find die meiſten andern Volksſchichten gefolgt, ſoweit