es ihnen möglich war. Bei uns iſt das etwas anders gehandhabt worden. Bisher iſt nur von der Kuhmilch, ſoweit ich bei den Verhandlungen zugegen war, geſprochen worden. Sehen wir uns doch nun einmal an, wie ſich die Frauenmilch der Kuhmilch gegenüber verhält. Das iſt ja ein ganz anderer Stoff. Die Frauenmilch hat einen Eiweißgehalt von 1,4 %, die Kuhmilch von 4 %. Auch iſt in der Frauenmilch ein ganz anderes Eiweiß enthalten. In der Kuhmilch ſind zum größten Teil, ¾, Kaſern. Der Aſchengehalt der Kuhmilch beträgt 0,8 %, der der Frauenmilch 0,22 %; dabei iſt der Eiſengehalt ein viel größerer. Ebenſo iſt der Zuckergehalt bei der Frauenmilch größer als bei der Kuhmilch: und auch was die anderen Beſtandteile betrifft, iſt das Verhältnis bei der Frauenmilch ein anderes. Daß die Frauenmilch und die Kuhmilch in der Ernährung ganz verſchieden wirlen müſſen, kann man ſchon daraus erſehen, daß ein Menſch ſein Ge⸗ wicht in 180 Tagen nach ſeiner Geburt verdoppelt, das Rind dagegen ſchon in 47 Tagen. Sie ſehen, die Milch der Kuh hat eigentlich einen ganz anderen Zweck als die Milch, die der Menſch gebraucht. Herr Kollege Dr. Zepler hat ſchon darauf hingewieſen, daß durch die Steriliſierung die Eiweißſtoffe und über⸗ haupt die Beſtandteile der Milch eine Zerſetzung er⸗ ſeiden. Dies iſt beſonders deshalb wichtig zu beachten, weil, was ſchon von Behring und Ehrlich in Frank⸗ furt a. M. hervorgehoben worden iſt, in der Milch Immunſtoffe, Schutzſtoffe enthalten ſind, die die Säuglinge vor Krankheiten und vor einer ganzen Anzahl von Schädlichkeiten ſchützen, die aber ſelbſt bei geringerer Erhitzung zerſtört werden. Man hat ja auch den Verſuch gemacht, neugeborenen Kälbern ſteriliſterte Milch zu geben. Sie ſind ausnahmslos an dem Genuſſe ſolcher Milch geſtorben, wenn ſie in in den erſten Tagen damit gefüttert wurden; ſo iſt es auch bei dem Menſchen. In den erſten Monaten kann der menſchliche Säugling nur das Albumin, das Eiweiß der Frauenmiich verdauen, ſich aſſimi⸗ lieren. Im ſpäteren Alter, nach einem halben Jahre, zum Teil ſchon einem Vierteljahr, kann der Säugling das Eiweiß der Kuhmilch auch vertragen. Es ſind aber nicht nur die Magen⸗ und Darmkrank⸗ heiten, an denen die Säuglinge ſterben, ſondern im erſten Monat, hauptſächlich in den erſten vierzehn Tagen, ſterben große Mengen im Deutſchen Reiche ſind es über 150 000 — an Atrophie, an allgemeiner Lebensſchwäche. Nun komme ich darauf, meine Herren, daß wir die Urſache der Säuglingsſterblich⸗ kett nicht erſt nach der Geturt, ſondern in vielen Fällen ſchon vor der Geburt zu ſuchen haben. Die Urſache, warum eine ſo große Anzahl Säuglinge an Lebensſchwäche ſtirbt, liegt tiefer. Sie wird ſchon gebildet, während das Kind noch im Mutterleibe iſt. Dieſer Anſicht wird auch von den urzten allgemein zugeſtimmt. Außer auf ärztliche Urteile verweiſe ich noch auf Mitteilungen einiger Beamten. Ich habe hier ein vom Reichsamt des Innern herausgegebenes Buch: „Die Beſchäftigung verheirateter Frauen in Fabriken.“ Da werden einige Urteile über die Ur⸗ ſache der Kränklichkeit der Kinder mitgeteilt. So wird von dem Aufſichtsbeamten im Bezirk Aachen „beſonders auf die ſchädliche Wirkung der Arbeiten am Webſtuhl für die ſchwangeren Frauen unter dem Bemerken hingewieſen, daß durch das bei dieſer Arbeit häufig erforderliche ſtarke Strecken des Körpers und zumal der Arme beim Fadenaufnehmen das 176 keimende Leben unbedingt leiden müſſe.“ — Ein Arzt Dr. P. in Magdeburg ſagt: 2 198 Ein Zuſammenhang zwiſchen den bei Ta⸗ baksarbeiterinnen häufig vorkommenden ſchweren Entbindungen, nicht normal verlaufenden Wochen⸗ betten und vorzeitigen Geburten, ſowie der Skro⸗ fuloſe der Kinder mit dem Beruf der Frauen iſt außer Zweifel. Das ſind hauptſächlich Zigarren⸗ und Zigaretten⸗ macherinnen, auf die ſich dieſe Bemerkung bezieht. — In Berlin ſagt ein Frauenarzt Dr. C., der bei der Ortskrankenkaſſe der Schneider und Wäſchearbeiter angeſtellt iſt: „daß durch die Verhältniſſe der arbei⸗ tenden Klaſſen die Gefahren der Schwangerſchaft und des Wochenbettes nicht genügend abgewehrt werden können; dieſe Gefahren liegen in erſter Linie in der ungenügenden Abwartung des Wochenbettes, in der mangelnden Schonung der Frauen in der Schwanger⸗ ſchaft, wo ſie oft bis zum Endtermin arbeiten, und in der zu frühen Wiederaufnahme der häuslichen Berufsarbeit nach der Entbindung.“ Ich könnte Ihnen noch eine ganze Reihe gleicher Urteile vor⸗ leſen. Wir haben ja in der Arbeiterſchutzgeſetzzebung Beſtimmungen für die Wöchnerinnen nach ihrer Ent⸗ bindung, daß ſie eine gewiſſe Schonzeit durchmachen müſſen. Keine Beſtimmungen aber haben wir in Deutſchland, die ſich auf die Zeit vor der Entbindung beziehen, trotzdem es hier ausdrücklich ausgeſprochen wird, daß eine ſolche Schonzeit auch für die Arbei⸗ terinnen vor der Entbindung notwendig iſt. Soweit es alſo in unſeren Kräften ſteht, haben wir auch darauf hinzuwirken, daß dieſe Lücke der Geſetzgebung ausgefüllt wird. An weiteren ſchädlichen Urſachen könnte ich Ihnen z. B. noch die Metallvergiftung der Frauen anführen, und nicht allein der Frauen. ſoudern der Säuglinge durch ihre Väter. Dieſe IIbelſtände werden allgemein von den Aufſichtsbeamten anerkannt, aber ein geſetzlicher Schutz iſt nicht vor⸗ handen — für Bleivergiftungen in einigen Betrieben wohl, aber lange nicht in der Mehrzahl. 1 Dieſe gewerblichen Mißſtände haben natürlich vielfach auch zur Folge, daß die Frauen bei ihrer Entbindung keine Bruſinahrnng für das Kind haben. Deshalb iſt es eine Notwendigkeit, daß dahin geſtrebt wird, daß die Frauen, wo ſich das Bedürfnis her⸗ ausſtellt, auch vor ihrer Entbindung ſchon in einem Schwangerenheim, im Krankenhauſe in einer Ab⸗ teilung für Schwangere die entſprechende Verpflegung erhalten. Es wird Aufgabe der gemiſchten Deputation ſein, auch dieſe Wünſche zu berückſichtigen. — Außer dieſer Unfähigkeit zum Stillen als Folge der gewerb⸗ lichen Mißſtände hat ſich noch eine weitere Unfähig⸗ leit herausgeſtellt, und es iſt beſonders der Baſeler Profeſſor von Bunge geweſen, der auf die Unfähig⸗ keit der Töchter von Trinkern hingewieſen hat, ihre Kinder zu ſtillen. Es iſt dann auch immer ſo, daß, wenn eine Frau unfähig hierzu geweſen iſt, es ihre Kinder gewöhnlich auch wieder ſind, und es iſt auch ſehr ſchwer, dann dieſe Fähigkeit wiederzuer⸗ langen. Daß infolgedeſſen die Fähigkeit, die Kinder felbſt zu ſtillen, außerordentlich abnimmt, das hat Richard Boeckh in Berlin bei Gelegenheit der Volks⸗ zählung außer Zweifel geſtellt. Bei der Volkszählung von 1885 hat ſich herausgeſtellt, daß 55,2 % der Entbundenen ihre Kinder ſelbſt ſtillen konnten; 5 Jahre ſpäter, alſo 1890, waren es noch 52 %, 1895 noch 54,6 %, dagegen 1900 nur 31,4 0%. Sie ſehen, die Fähigkeit, die Kinder ſelbſt zu ſtillen, was doch das Naturgemäße iſt, iſt immer mehr zu⸗ rückgegangen. Dabei iſt der Unterſchied zwiſchen der