—— 143 — — Mann hat es nicht nötig, und aus Intereſſe an der Sache hat er dieſe Produktion vorgenommen. Alſo 30 Pf. das Liter mit allen Kautelen einer einwands⸗ freien ſterilen Milch! Bei einer noch größeren Pro⸗ duktion würde es ſich vielleicht noch billiger machen laſſen. Aber wenn auch nicht, ſo iſt das immer noch ein Preie, der annehmbar iſt. Wenn die Stadt 5 bis 10 Pf. zuſetzt, ſo iſt das durchaus eine Sache, die diskutabel iſt. (Die Beſprechung wird geſchloſſen.) Stadtv. Dr. Spiegel (Schlußwort): Meine Herren, es liegt mir fern, auf all die Einzelheiten, die von den Vorrednern hier vorgebracht ſind, einzu⸗ 0 Ich bin der Anſicht, daß ſo viel ſchätzbare Inregungen vorliegen, daß die Debatte darüber nur in einem Ansſchuß mit ergiebigem Reſultate ſtatt⸗ finden kann. Nur auf eins möchte ich eingehen, weil ich hierin eine gewiſſe Übertreibung ſehe; das iſt der von Herrn Kollegen Dr. Zepler angeführte ſchädliche Einfluß der Milchſteriliſation Daß die Steriliſation gewiſſe Nach⸗ teile im Gefolge hat, habe ich auch bereits in meiner Befürwortung unſeres Antrages geſagt. Dieſe Nach⸗ teile ſind um ſo größer, je höhere Temperatur und je längere Zeit verwendet wird. Deshalb iſt von großer Bedeutung, daß die Erhitzung, wenn eine ſolche beliebt wird, unter ſachverſtändiger Leitung und unter eigener Verantwortung geſchieht. Wenn mit einer ſolchen Milch gearbeitet wird, dann ſind die Gefahren, die daraus reſultieren, nicht bedeutend, insbeſondere dann nicht, wenn wir nicht etwa das ganze Jahr über die Säuglinge mit ſteriliſierter bezw. paſteuriſierter Milch ernähren wollen, und daran habe ich auch nicht im entfernteſten gedacht. Die Not⸗ wendigkeit, den Säualingen paſteuriſierte Milch zu eben, liegt nur in der heißen Jahreszeit vor; im inter iſt im Gegenteil, wie ich zahlenmäßig gezeigt habe, die rohe Marktmilch günſtiger als paſteurifierte Milch, während andererſeits die Beobachtung der Sterblichkeit durch Arzte in der warmen Jahreszeit den ſchädlichen Einfluß der rohen Milch ergeben hat. Meine Herren, die beiden beſchäftigtſten Kinderärzte Berlins bekommen jährlich etwa 100 Fälle der Bar⸗ lowſchen Krankheit zur Beobachtung; die kommen gegen die gewaltige Zahl der Brechdurchfälle kaum in betracht, und vor allen Dingen ſind dieſe Fälle faſt alle leicht und ſicher zu heilen, wenn man von der ſterilen oder paſteurifierten Milch für kranke Kinder wieder zur Rohmilch übergeht. Ich kann alſo darin einen ſtichhaltigen Einwand gegenüber den großen Vorzügen der paſteuriſierten Milch nicht erkennen. Was nun die reingewonnene Milch anbetrifft, ſo irrt ſich Herr Kollege Zepler doch ein klein wenig, wenn er meint, es wäre gelungen, Milch ſteril zu gewinnen. Nein, meine Herren, das iſt nicht der Fall; ſelbſt mit den wiſſenſchaftlichſten Apparaten iſt es noch keinem Menſchen gelungen, ſterile Milch von der Kuh zu gewinnen. Und er kann es auch nicht; denn ſchon die Milchgänge der Kuh enthalten eine ganze Reihe Bakterien. Es kann ſich nur darum handeln, die Milch frei von ſchädlichen Bakterien zu gewinnnn, und da wird allerdings teilweiſe be⸗ hauptet, daß unter gewiſſen Vorſichtsmaßregeln die bedenklichen zerſetzenden Bakterien der Milch fernge⸗ halten werden. Ob das im Großbetrieb müglich iſt, namentlich wenn man auf Stallungen angewieſen iſt, das iſt ſehr zweifelhaft. Bisher iſt im großen das nur von der Stadt Rocheſter in Amerika bewirkt worden, und da liegen außerordentlich günſtige Ver⸗ hältniſſe vor: die Stadt beſitzt eine große Farm in ihrer Nähe, wo die Kühe während des ganzen Som⸗ mers im Freien ſind. Die Stallluft enthält ihrer Natur nach viele Bakterien, ſodaß ſelbſt bei der größten Sauberkeit eine wirklich zuverläſſige Milch kaum gewonnen werden kann. 2 Herr Kollege Vogel hat dann die ſoziale Frage berührt und ſehr viele Wünſche ausgeſprochen; zu den Maßregeln die er dem Ausſchuß anempfehlen möchte, gehört auch eine Propaganda für die natürliche Er⸗ nährungsweiſe. Das iſt in den gouttes de lait in Frankreich auch geſchehen; man ſetzt ſogar Prämien aus für jede ſelbſtnährende Mutter; aber allzu große Erfolge ſind noch nicht geweſen. Immerhin bin ich auch durchaus dafür, das Publikum immer wieder darauf hinzuweiſen, daß die beſte und zuverläſſigſte Nahrung die Mutterbruſt dem Säugling gewährt. Das haben allerdings alle Redner anerkannt: es liegt eine große Anzahl von Fragen vor, die der Beſprechung bedürfen, und die Herren haben ſich ja auch alle mit dem Weg einverſtanden erkärt, den ich Ihnen nochmals empfehlen möchte: mit der Einſetzung einer gemiſchten Deputation. (Die Verſammlung beſchließt einſtimmig nach dem Antrage des Stadtv. Dr. Spiegel, wie folgt: Die Verſammlung erſucht den Magiſtrat, mit ihr in gemiſchter Deputation über den vor⸗ liegenden Antrag ſowie über weitere Maßregeln zur Bekämpfung der Säuglingsſterblichkeit zu beraten.) Vorſteher Roſenberg: Es iſt eine Anfrage einge⸗ gangen von dem Stadtv. Herrn Braune und einer großen Zahl anderer Herren Stadtverordneten: Anfrage an den hieſigen Magiſtrat. In Veranlaſſung der ſeit Jahren geäußerten drin⸗ genden Wünſche aus den Kreiſen unſerer Bürger⸗ ſchaft, beſonders der Gewerbetreibenden, für die baldmögliche Errichtung einer ſtädtiſchen Markt⸗ halle, geſtatten ſich die Unterzeichneten die An⸗ frage an den Magiſtrat: wie weit ſind die vorbereitenden Schritte zur Errichtung der geplanten ſtädtiſchen Markthalle gediehen? Ich erlaube mir, die Anfrage an den Magiſtrat zu richten, ob und wann er die Anfrage zu beant⸗ worten gedenkt. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Ich bitte, die An⸗ gelegenheit wie gewöhnlich zu behandeln. Vorſteher Roſenberg: Das wird geſchehen. Punkt 3 der Tagesordnung: Vorlage betr. das Ortsſtatut für das zu er⸗ richtende Kaufmannsgericht und dadurch er⸗ forderlich werdende Neunſchaffung zweier Be⸗ amtenſtellen. Druckache 426. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, wir haben es mit einer Ausführung des Geſetzes üter die Kaufmannsgerichte zu lun, und es könnte ſcheinen, als wenn bei der Durchführung keiner⸗ lei Schwierigkeiten zu überwinden ſein würden, da wir in dem Gewerbegerichtsgeſetz bezw. in dem Orts⸗ ſtatut für die Gewerbegerichte ja eine vollſtändige Vorlage haben. Der Magiſtrat bemerkt auch in der Begründung: 4