Stadtu. Vogel: Herr Stadtv. Spiegel hat eine Erweiterung der Magiſtratsvorlage beantragt; ich möchte noch eine Erweiterung dieſer Erweiterung be⸗ antragen. In dieſes Schwangeren⸗ und Säuglings⸗ heim kann nur eine ſehr beſchränkte Zahl aufge⸗ nommen werden; die große Mehrzahl iſt doch wohl ausgeſchloſſen davon. Es gibt nun aber ſehr viele Mütter, die ihre Kinder gern ſelbſt ſtillen möchten, die auch eine Häuslichkeit haben, aber nicht dazu in der Lage ſind, weil ſie nicht den Verdienſt miſſen können. Sie dürfen ihre Fabrikarbeit nicht aufgeben und müſſen ſich das Selbſtſtillen abgewöhnen, und das iſt doch in den meiſten Fällen zum Schaden des Kindes und auch der Mutter. Deshalb, glaube ich, würde es eine ſehr wohltätige Ergänzung der ge⸗ planten Einrichtung ſein, wenn ſolchen Müttern, die nicht imſtande ſind, aus dem Verdienſt ihres Mannes eine genügende Ernährung ihrer ſelbſt und damit der Kinder zu ermöglichen, eine Unterſtützung, ſolange ſie die Kinder ſtillen, gewährt wird. Es iſt mit der Frauenmilch nicht anders als mit der Kuhmilch; wenn eine Kuh gute Kindermilch geben ſoll, muß ſie gutes Futter haben, und wenn eine Mutter ihr Kind gut ernähren ſoll, dann muß ſie auch eine gute Er⸗ nährung haben und nicht, wie es leider vielfach der Fall iſt, nur Kartoffeln und hin und wieder einen Hering. Deshalb halte ich gerade in ſolchen Fällen eine pekuniäre Unterſtützung unter der nötigen Auf⸗ ſicht und Kontrolle für notwendig, für angebracht und für ſegensreich und beantrage, daß auch dies mit berückſichtigt werden möge. Stadtrat Samter: Meine Herren, der Magiſtrat hat ſich ſeinerzeit mit der Frage, ob es zweckmäßig ſei, ein Säuglingsheim einzurichten, ſehr eingehend beſchäftigt und hat zu ſeinen Beratungen auch hervor⸗ ragende Charlottenburger und Berliner Kinderärzte, Dozenten der Kinderheilkunde, zugezogen. Das Er⸗ gebnis ſeiner Beratungen iſt, wie Ihnen bekannt ſein dürfte, das geweſen, daß es nach dem heutigen Stande der Kinderheilkunde nicht angezeigt iſt, ein Säuglingsheim zu errichten, das heißt ein Heim, in dem Säuglinge aufgenommen und ernährt werden, ohne daß gleichzeitig ſich die Mutter in dem Heim befindet. Die Gefahren der Anſteckung, der Über⸗ tragung von Krankheiten ſind ſo groß, daß man ein ſo ungeheuer großes Warteperſonal haben und ſo große Iſolierungen vornehmen müßte, daß die Koſten unerſchwinglich ſein würden. Dagegen haben die Herren ſich dahin ansgeſprochen, daß es dringend wünſchenswert iſt, daß die Wöchnerinnen mit den Säuglingen zuſammen ſolange in einem Heim bleiben, bis die Kinder unbedenklich in private Pflege, Familienpflege, die für geſunde Säuglinge nach Anficht der Arzte unter allen Umſtänden den Vorzug verdient, gegeben werden können. Der Magiſtrat iſt dieſem Rate gefolgt und hat in Ausſicht genommen, wie Herr Kollege Boll das bereits anseinandergeſetzt hat, in dem alten Krankenhauſe eine ſolche Wöchnerinnen⸗ ſtation, verbunden mit einer Säuglingsſtation, zu errichten. Wann die Säuglinge aus dieſem Heim entlaſſen werden können, wird nicht nur von dem Zuſtande der Mutter, ſondern auch von dem des Säuglings abhängen; ſie ſollen ſolange dort ver⸗ bleiben natürlich muß ſich das erſt im einzelnen entwickeln —, bis man unbedenklich ſagen kann: das Kind kann in Privatpflege gegeben werden. Ich glaube, daß alle Vorausſetzungen für ein gedeihliches 2. 190 —— gegeben ſind, ſo daß wir die Entwicklung ruhig ab⸗ warten können. Stadtv. Dr. Schmidt: Meine Herren, als Mit⸗ glied der Krankenhausdeputation kann ich mich mit den Ausführungen des Herrn Stadtrat Boll nur einverſtanden erklären. Herr Kollege Dr. Spiegel hat an den Magiſtrat eine Anfrage geſtellt, ohne ſich vorher, wie ich vermute, das alte Krankenhaus an⸗ geſehen zu haben. Das alte Krunkenhans hat 2 Pavillons zu je 24 Betten, die ausſchließlich zu geburtshilflichen Zwecken beſtimmt ſind. — Der eine Pavillon iſt vollſtändig fertiggeſtellt, während in dem andern Pavillon ſich noch überall die Handwerker Wirken dieſes Wöchnerinneuheims im Krankenhaus befinden, ſo daß der Betrieb erſt in den nächſten Wochen erfolgen kann. Was den erſten Teil der Anfrage betrifft, Wöchnerinnen vor der Entbindung aufzunehmen — gewöhnlich bezeichnet man dieſe als Schwangere —, ſo geſchieht das ſchon, ſeitdem die geburtshilfliche Anſtalt in Betrieb geſetzt worden iſt. Ich habe mich ſelber davon überzeugt. Es ſind ungefähr 19 Frauen dort, unter dieſen waren 16 Schwangere. Nach der Entbindung bleiben die Wöchnerinnen gewöhnlich 10 Tage in der Anſtalt, vorausgeſetzt, daß ſie bis dahin geſund geworden ſind. Iſt das nicht der Fall, dann bleiben ſie ſolange im Krankenhauſe, bis ſie unbeſchadet ihrer Geſundheit entlaſſen werden können. Jetzt haben wir eben von Herrn Stadtrat Samter gehört, daß eine beſondere Abteilung in der geburtshilflichen Anſtalt zur Aufnahme und Pflege der Säuglinge dienen ſoll. Ich glaube, wir können hiermit zufrieden ſein, zumal wo jetzt noch das Krankenhaus ſehr wenig in Anſpruch genommen wird und die Räume im Erdgeſchoß zur Unter⸗ bringung der Säuglinge ausreichen. Steigert ſich aber die Nachfrage nach den Betten, dann iſt es nicht mehr möglich, das Säuglingsheim in der geburts⸗ hilflichen Anſtalt zu belaſſen, denn wir haben durch Gemeindebeſchluß feſtgeſetzt, daß die beiden Pavillons im alten Krankenhauſe ausſchließlich zur Aufnahme von Schwangeren, für Entbindungszwecke und für die Wöchnerinnen dienen ſollen. Stellt ſich ſpäterhin die Notwendigkeit heraus, ein Säuglingsheim zu er⸗ richten, ſo möchte ich den Magiſtrat bitten, uns dann einen Vorſchlag zu machen, wo das Säuglingsheim dauernd untergebracht werden kann. Stadtv. Dr. Mommſen: Meine Herren, die letzten Ausführungen haben mir eigentlich ſchon das, was ich ſagen wollte, im weſentlichen vorweggenommen. Aber ich muß doch auch meinerſeits ausſprechen, daß ich die Anfrage mit unterzeichnet habe, weil ich es für außerordentlich notwendig halte, daß wir auf dieſem Gebiete, im weiteſten Sinne Wöchnerinnen und Säuglinge betreffend, wirklich etwas vorwärts kommen und für die Frauen der Stadt beſſere geſundheitliche Fürſorge ſchaffen. Ich möchte hervor⸗ heben, daß das alte Krankenhaus in der heutigen Einrichtung und Verwertung doch immerhin nur ein Proviſorium ſein ſollte, ein Proviſorium, das ſo ſchnell als möglich jedenfalls beſeitigt werden müßte. Ich kann es nicht verſchweigen, daß ſpeziell in Arzte⸗ kreiſen nur eine Stimme des Staunens darüber be⸗ ſteht, daß es möglich war, unter einem Dach, vor allem unter einer ärztlichen Leitung die Abteilung für die Hautkrankheiten und Syyphilitiſchen und zu⸗ gleich eine ſolche für die Geburtshilfe zu vereinen. (Sehr richtig!) Als ich am Anfang des Jahres in die Verſammlung