—— 205 — bahn, die Weſtliche Berliner Vorortbahn und die Südliche Berliner Vorortbahn am 1. Oktober die Preiſe ihrer Abonnements erhöht haben. Ferner iſt auch bekannt, daß hierüber in Berlin eine große Aufregung geherrſcht hat, daß eine Anzahl öffentlicher Verſammlungen ſtattgefunden haben und Reſolutionen gefaßt find, daß man alle möglichen Verſuche gemacht hat, die Rechtsgiltigkeit dieſer Erhöhungen zu be⸗ kämpfen, daß dieſe Mittel aber alle nichts genutzt haben. Bei uns in Charlottenburg hat man glück⸗ licherweiſe oder klugerweiſe derartige Maßnahmen unterlaſſen; denn es iſt Ihnen ja allen bekannt, meine Herren, daß wir leider nun einmal der Ver⸗ wallung der Charlottenburger Straßenbahn derart mit gebundenen Händen überliefert ſind, daß wir uns abſolut nicht darauf verlafſen können, daß ſie etwa beſondere Rückſichten auf unſere ſpeziellen Wünſche nimmt. Die Abonnementserhöhung erſcheint auf den erſten Blick nicht gerade bedeutend. Beiſpielsweiſe betragen die monatlichen Fahrpreiſe der allgemeinen Zeitkarten für eine fahrplanmäßige Linie 7,50 ℳ, disher 7 ℳ, das iſt alſo in der Tat keine bedeutende Erhöhung. Für zwei Linien, d. h. wenn man auf eine zweite Linie übergehen muß, haben ſie bisher 8 % und werden jetzt 10 ℳ pro Monat betragen; auch über dieſe 2 ℳ könnte man allenfalls noch fortkommen. Denn wir müſſen ja zugeben: die pekuniäre Situation der Charlottenburger Straßen⸗ bahn blüht nicht gerade außerordentlich, und zwar deshalb nicht, weil ſie entſprechend den Bedingungen, die wir ihr geſtellt hatten, zu billigem Satze fährt. Freilich iſt dieſer vereinbarte Fahrpreis von 10 an und für ſich nicht zu billig, denn die Berliner Straßenbahnen fahren wahrſcheinlich noch viel weitere Strecken für denſelben Preis. Indeſſen liegt der Unterſchied darin, daß, während ſonſt unſere Ein⸗ wohnerſchaft, wie wir ja aus einer hentigen ſpäteren Vorlage ſehen, leider außerordentlich fluktuierend iſt, gerade die Benutzer der Straßenbahn eine ganz be⸗ ſondere Seßhaftigkeit bezeigen, d. h. daß ſie meiſt vom Antritt bis zum Schluß der Fahrt dauernd drinnen ſitzen bleiben und dadurch den ſtarken Umſatz vermindern. Indeſſen, meine Herren, dieſe Erhöhung, die auf den erſten Blick ſo unbedeutend ſcheint, hat doch ganz bedeutende Konſequenzen. In den neuen Bedingungen für allgemeine Zeitkarten iſt nämlich ausdrücklich erwähnt: unter Aufhebung der bei den vorhandenen Bahnen bisher beſtandenen Einzelbeſtim⸗ mung wird folgendes eingefügt ꝛc. Dieſe Einzelbeſtimmung beſtand nun in erſter Reihe darin, daß ein Jahresabonnent, der allerdings ſeine Zeitkarten nicht ſofort auf ein volles Jahr bezahlen mußte, ſondern in vier Quartalsraten, ſeit einer langen Reihe von Jahren nur auf 10 Monate zu bezahlen brauchte, ſo daß alſo jemand, der bisher auf einer zweitourigen Linie fuhr, monatlich 8 ℳ, im ganzen 80 ℳ zu zahlen hatte. Dieſe Summe iſt nun auf 10 ℳ erhöht, und außerdem ſind die zwei Monate Vergütung fortgefallen, ſo daß aus dieſen 80 ℳ nunmehr 120 ℳ. Jahresabonnement geworden ſind, d. h. alſo 40 ℳ reſp. 50 % mehr Noch gewaltiger aber iſt die Veränderung bezüglich der Familienmitglieder eines Haushaltungsvorſtandes. Dieſe brauchten bisher nur die Hälfte der Fahrkarten zu bezahlen. Nehmen Sie an, daß ein Haushaltunge⸗ vorſtand Fran und zwei Kinder oder drei Kinder mit abonniert, ſo hatte er bisher für ſich 80 ℳ und für ſeine drei Familienmitglieder je 40 ℳ, alſo zuſammen 120 ℳ, total 200 ℳ zu zahlen. Dieſe 200 ℳ verwandeln ſich jetzt in 480 ℳ, d. h. alſo 280 ℳ. mehr als bisher. Sie werden mir zugeben, daß das ſchon eine ganz beträchtliche Summe iſt. Hier wohnen eine große Anzahl Beamte von mittlerem Einkommen:; ſie fir den für 1000 ℳ wenn es nicht gerade in einer der Hauptſtraßen iſt, ſchon eine ganz reſpektable und gute Wohnung. Wenn nun mehrere ihrer Familienmitglieder ihre Beſchäftigung ebenfalls in Berlin oder entfernten Orten haben, ſo macht das bei vier Perſonen 480 ℳ, d. h. ſchon 50 % ihrer geſamten Miete. Wenn jemand ſich eine Wohnung ausſucht, ſo hat er ſelbſtverſtändlich die Koſten, die er im Jahre für die Fahrten zu verwenden hat, mit in Anſchlag zu bringen, und da iſt es denn doch ein ganz gewaltiger Unterſchied, ob einer im Jahre beinahe 300 ℳ mehr für ſeine Wohnung zu zahlen hat als früher. Nun bin ich der Meinung, meine Herren, daß dies einen ganz gewaltigen Emfluß in der Richtung ausüben muß, daß nicht allein Leute, die bisher in Charlottenburg gewohnt haben, möglicherweiſe ver⸗ anlaßt werden, fortzuziehen, wenn ſie nicht gerade das Glück haben, dicht an der Stadtbahn eine Wohnung zu finden, ſondern daß andererſeits eine ganze Anzahl anderer Leute verhindert werden, ihren Wohn⸗ ſitz nach Charlottenburg zu verlegen. Und das iſt doch offenbar ein ganz bedeutender Schaden. Denn wenn ich annehme, daß jemand, wie ich vorhin ſagte, 1000 ℳ Miete und 480 ℳ Fuhrkoſten zahlt, ſo darf ich ſchätzen, daß er ein Einkommen von 6000, 7000, 8000 ℳ hat. Wenn er nicht hierherzieht, ſo entgeht erſtens mal der Kommune die Steuer für dieſe 7000 bis 8000 ℳ., und fürs zweite entgeht unſeren Gewerbetreibenden ſelbſtverſtändlich der Ver⸗ brauch ſolcher Stenerzahler im übrigen Hausbedarf. Ich meine alſo, daß dieſe ſo bedeutende Erhöhung — ich bleibe bei dieſem Beiſpiel für vier Perſonen — von 200 auf 480 ℳ immerhin geeignet iſt, Be⸗ denken zu erregen bezüglich unſerer ſteuerpflichtigen Einwohner. Ich will auf die übrigen Mängel der Straßen⸗ bahn, die ja in der Preſſe und auch in dieſem Saale ſchon 15 oft beklagt worden ſind, heute gar nicht erſt zurückkommen; das ſind olle Kamellen, die ich nicht wieder erwähnen will. Aber wir erleben es tag⸗ täglich, und namentlich zu gewiſſen Stunden, daß an gewiſſen Halteplätzen 6, § und mehr Leute lange warten müſſen, da ſie mit der elektriſchen Straßen⸗ bahn nicht fortkommen können, weil ſie beſetzt iſt und weil nicht die nötige Vorſorge getroffen wird, daß da und dort ein zweiter Anhänger vorhanden iſt. Mit einem Wort, es ſtellt ſich heraus, daß die Verkehrsmittel, die wir in unſerer Stadt bislang haben, angeſichts des ſonſtigen Wachstums nicht mehr ausreichen, daß ſie unbedingt zu gering ſind, nämlich beſonders die billigen Verkehrsmittel. Da wir nun durch die der Straßenbahn erteilte Konzeſſion nicht in der Lage ſind, irgend welche anderen Einrichtungen zu treffen, nachdem die elektriſchen Straßenbahnen nun einmal Konzeſſionen von uns haben, die uns die Hände binden, ſo bin ich auf den Gedanken ge⸗ kommen, daß ſich eine Vermehrung und Verbeſſerung der Verkehrsmittel vielleicht durch Omnibuslinien ereichen läßt. Es mag vielleicht Herren geben, die ſagen: ach, Omnibuslinien ſind eine veraltete Sache! Indeſſen will ich nicht bloß darauf hinweiſen, daß ſelbſt in London der Omnibusverkehr ganz enorm iſt, ſondern ich kann Ihnen auch Daten anführen, die