—— 207 —— Vorſteher Roſenberg: Es iſt folgender Antrag eingegangen: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat, in den Etat für 1905 Mittel zur Errichtung einer Gemeindeſchule im nörd⸗ lichen Gebiet der Stadt (jenſeits der Spree) einzuſtellen. Charlottenburg, den 23. November 1904. Dr. Borchardt und eine größere Zahl von Unterſchriften. — Auch dieſer Antrag wird auf die Tagesordnung der nächſten Sitzung geſetzt werden. Punkt 3 der Tagesordnung: Antrag des Stadtv. Stein und Gen. betr. Bereitſtellung von Mitteln für eine Rechts⸗ beratungsſtelle. — Druckſache 454. Der Antrag lautet: Vor 2 Monaten (am 7./.) haben die Unterzeichneten den Magiſtrat gefragt, wie er über eine Rechtsberatungsſtelle denkt. Eine Antwort haben wir noch nicht erhalten. Wir beantragen jetzt, die Stadtverordneten⸗ verſammlung wolle beſchließen, den Magiſtrat zu erſuchen, in den nächſten Etat eine Summe von 500 ℳ einzuſtellen für die probeweiſe Einrichtung einer Rechts beratungsſtelle für die Bürger von Charlottenburg. Zu dieſem Antrage liegt noch folgender Antrag vor: Die Stadtverordnetenverſammlung wolle beſchließen, unter Ablehnung des Antrages Stein und Gen., Druckſache 454, den Magiſtrat zu erſuchen, im nächſten Etat eine Summe von 3000 Mk. zur Unterſtützung der von der Char⸗ lottenburger Gewerkſchaftskommiſſion errichteten Auskunftsſtelle für Arbeiter und Arbeiterinnen einzuſtellen. Charlottenburg, den 23. November 1904. Hirſch und eine größere Anzahl von Unterſchriften. Ich darf dieſen Antrag als Abänderungsantrag auffaſſen und ihn heute gleich zur Beratung ſtellen. Antragſteller Stadtv. Stein: Meine Herren, ans dem Wortlaut meines Antrages erſehen Sie, wie ich dazu gekommen bin. Der preußiſche Staat hat 30 000 ℳ eingeſtellt zur Errichtung reſp. Unter⸗ ſtützung ſolcher Rechtsberatungsſtellen, wie ich eine für Charlottenburg wünſche. Der preußiſche Staat hat auf dieſe Weiſe anerkannt, daß die Notwendigkeit einer Anskunftei gewiſſermaßen doch vorhanden iſt. In der erſten Sitzung nach den Ferien reichte ich deshalb eine Anfrage ein an den Magiſtrat und dachte: das iſt ja ſo früh, da kann eventuell noch vor den erſten Arbeiten zur Fertigſtellung des Etats die Sache beſprochen werden, entweder ablehnend oder annehmend, wie ſich das gerade machen würde. Da zwei Monate verfloſſen waren, ſo ſtellte ich nun den Antrag, eine Summe in den Etat einzuſtellen. Ich habe geſagt 500 ℳ, weil ich überhaupt einen beſtimmten Anrag ſtellen wollte. Ob 500 ℳ für dieſen Zweck genügen, das kommt ganz daraaf an, wie die Herren Kollegen ſich zu der Sach: ſtellen, reſp. wie der Magiſtrat die Sache aufnimmt. Ich hielt es zunächſt nicht und halte dies auch noch hente nicht für die Aufgabe der Stadtverordneten⸗ verſammlung, genau präziſierte Dinge für die Stadt vorzuſchlagen; das iſt eigentlich immer Sache des ſammlung werden Anregungen Stadtverordnetenver⸗ gegeben, und der Magiſtrat nimmt dann dazu Stellung, indem er damit einverſtanden iſt, oder ſie abändert, oder etwas Neues vorſchlägt, wie Sie das ja aus den vielen Verhandlungen im Laufe der Jahre gemerkt haben. Ich habe mir aber ſelbſtverſtändlich doch ein Bild gemacht, wie ich glaubte, daß ſich mit geringen Mittein eine ſolche Rechtsberatungsſtelle ſchaffen laſſe. Ich habe mir zunächſt gedacht, daß ein Magiſtrats⸗ aſſeſſor oder ein juriſtiſch gebildeter Stadtrat im Nebenamt an gewiſſen Tagen ſolche Auskünfte dem Publikum an beſtimmter Stelle erteilt. Ich habe nicht daran gedacht, daß dort nun ein juriſtiſcher Rat erteilt werden ſollte für Privatſachen, die irgend⸗ wie Bürger unter einander auszufechten haben. Davon kann keine Rede ſein, daß man auf dieſe Weiſe vielleicht den Herren Rechtsanwälten das Brot wegnehmen wollte; ſondern es handelt ſich in meinen Augen um Auskünfte, wie wir ſie im Briefkaſten ſämtlicher Zeitungen vielfach finden. Wenn Sie ſich einmal an einem beliebigen Tage ſämtliche Berliner Zeitungen durchſehen, dann werden Sie verwundert ſein, was die Leute alles fragen — vieles natürlich, worauf keine Antwort zu geben iſt, aber auch eine ganze Menge, worauf ſehr notwendig Antwort erteilt werden muß. Meine Herren, es gibt bei uns ſo viele Geſetze und geſetzliche Beſtimmungen, daß es dem gewöhnlichen Bürger unmöglich iſt, alles genau darüber zu wiſſen, damit er nicht Anſtoß erregt, damit er ſich nicht ſtraffällig macht oder damit er nicht Wohltaten aufgibt, die ihm geſetzlich zukommen. Der gewöhnliche Bürger lann ja überall hingehen und Fragen bei den Beamten ſtellen, gewiß — das iſt wenigſtens mir geſagt worden. Die nächſte Stelle, an die man geht, iſt bekanntlich meiſtens das Polizei⸗ bureau. Ja, der Polizeileutnant reſp. ⸗Wachtmeiſter, der da den Dienſt hat, iſt aber meiſt nicht in der Lage, auf alle dieſe Sachen Auskunft zu erteilen; das wird auch bei der Magiſtratsſtelle einer eventuell nicht unter allen Umſtänden können. Ich verlange aber, daß dieſe Auskunftſtelle ausgeſtattet wird — und dazu habe ich zunächſt die 500 ℳ. verlangt — mit Geſetzesvorſchriften, mit Büchern, aus denen der Beamte ſchneller ſich Beſcheid zu holen weiß und dem Anfragenden dann ſagen kann: hier findeſt du dics, dort jenes, orientiere du dich ſelbſt darüber — ſoweit er nicht in der Lage iſt, ſogleich beſtimmten Beſcheid geben zu können. Alſo für dieſen Zweck habe ich die 500 ℳ in meinem Antrage aufgeführt. Außer den Zeitungsauskunfteien, die ich ſchon erwähnte, gibt es ja auch eine Menge anderer Aus⸗ kunfteien. Jeder, der Mitglied eines Vereins iſt, wird meiſtens dort eine Stelle finden, wo iym eine ſolche Auskunft erteilt wird. Ich bin ſelber Mit⸗ glied von zwei, drei Vereinen, wo ich ohne Koſten Auskunft erhalten kann. Es ſind doch aber wunder⸗ barerweiſe auch noch Leute in Charlottenburg, die keinem Verein angehören — es ſoll wenigſtens ſo ſein —, es hat nicht jeder das Geld, um Vereins⸗ beiträge zu bezahlen. Auf der Polizei — das habe ich ja ſchon geſagt —, wird er niht alles richtig erfahren; es iſt auch manchen vielleicht unbequem, auf die Polizei zu gehen. Es wird zwar von unſeren Polizeiorganen behauptet, daß ſie höchſt liebenswürdig und entgegenkommend auf ſolche An⸗ fragen antworten, ich habe wenigſtens dieſe Erfahrung perſönlich ſtets gemacht; aber der gewöhnliche Mann hat eine Scheu vor der Polizei, er denkt: da bringſt du am Ende etwas vor, was ſtraffallig iſt, du mußt Magiſtrats. Vonſeiten der