Es ſind in der Hauptſache Unfall⸗ und Invaliditäts⸗ ſachen, Krankenverſicherungsſachen, Gewerbegerichts⸗ ſachen, Gewerbeordnungsſachen, Lehrverträge, kurz und gut: faſt ausſchließlich ſolche Streitigkeiten, die ſich aus unſerer ſozialen Geſetzgebung ergeben. Ich glaube, meine Herren, daß gerade hier der Hebel anzuſetzen iſt. Diejenigen Perſonen, die unter die ſozialpolitiſche Geſetzgebung fallen, ſind über dieſe Geſetze noch ſo wenig aufgeklärt, daß ſie dringend einer Rechtsberatungsſtelle bedürfen. Da nun einmal bereits die Anfänge für eine derartige Rechtsberatungsſtelle vorhanden ſind, ſo, glaube ich, tun wir, wenn wir überhaupt etwas tun wollen, am beſten, wenn wir zum Ausbau dieſer Rechtsberatungsſtelle eine beſtimmte Summe in den Etat einſtellen. Selbſtverſtändlich würde der Magiſtrat das nicht ohne Gegenleiſtung tun — das kann man ja auch nicht verlangen —; er würde dann auch auf die Perſon des Anzuſtellenden einen gewiſſen Einfluß ausüben, er würde gewiſſe andere Bedingungen ſtellen. Darüber könnte man ja reden, wenn der Magiſtrat erſt einmal gmundſutziich ſein Einverſtändnis mit unſerem Antrag erklärt hat. Meine Herren, gerade für Charlottenburg iſt die Unterſtützung der Auskunftsſtelle der Gewerkſchafts⸗ kommiſſion um ſo unbedenklicher, als bereits in einem andern Falle die Charlottenburger Arbeiter ihren Gemeinſinn betätigt haben. Ich erinnere daran, daß bei der Arbeitsloſenzählung der größte Teil der Arbeit, die eigentlich dem Magiſtrat zufällt, die gewerlſchaftlich organiſierten Arbeiter leiſten. Wenn in dieſem Falle der Magiſtrat mit den Arbeitern Hand in Hand geht, dann, meine ich, brauchen wir kein Bedenken zu tragen, das von den Arbeitern errichtete Arbeiterſekretariat beziehungs⸗ weiſe die Auskunftsſtelle zu unterſtützen. Selbſtver⸗ ſtändlich handelt es ſich hier nicht etwa um eine Gegen⸗ leiſtung; ich will damit nicht ſagen, daß die gewerk⸗ ſchaftlich organiſterten Arbeiter nun dafür, daß ſie den Magiſtrat bei der Arbeitsloſenzählung unterſtützen, etwa verlangen, daß der Magiſtrat ſeinerſeits ihre Auskunftsſtelle unterſtützt. Geht der Magiſtrat auf unſern Antrag nicht ein, nun, dann wird ſelbſt⸗ verſtändlich die Arbeiterſchaft nach wie vor aus eigener Kraft auf den weiteren Ausbau ihrer Aus⸗ kunftsſtelle bedacht ſein. Aber ich hoffe, daß der Magiſtrat und die Mehrheit der Stadtverordneten⸗ verſammlung unſerem Antrage zuſtimmt und dadurch den Beweis erbringt, daß ſie ſich über kleinliche Be⸗ denken, die vielleicht in manchen andern Gemeinden ausſchlaggebend ſind, hinwegzuſetzen verſteht. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Riel: Meine Herren, ich bin der Anſicht, daß in dieſen Antrag, wie er geſtellt worden iſt, und ebenſo in den Abänderungsantrag vor allen Dingen ein Wort aufgenommen werden muß, damit Klarheit geſchafft wird über die Zuſtändigkeit dieſer zu ſchaffenden Stelle, nämlich daß wir einfügen: „für öffentlich⸗rechtliche Angelegenheiten“. Was bis jetzt vorgetragen worden iſt, ſind nur Angelegenheiten öffentlichen Rechtes geweſen. Der Herr Oberbürger⸗ meiſter hat Beiſpiele gegeben, Herr Kollege Stein, Herr Kollege Hirſch haben Beiſpiele gegeben, was Herr Kollege Hirſch aus ſeiner Ueberſicht vorgeleſen hat, — alles ſind lediglich Dinge, die dem öffent⸗ lichen und ſozialen Recht angehören. Ich würde wünſchen, daß gerade auf dieſes Gebiet die Aus⸗ kunftsſtelle beſchränkt werde, wenn überhaupt eine ſolche einzurichten iſt. Ich habe das Grauen des Herrn Kollegen Holz auch empfunden, als ich mir klar zu machen ſuchte, welche immenſen Kenntniſſe der unglückliche Menſch haben müßte, der in dieſer Auskunftsſtelle ſitzen ſoll, um über alle nur denkbaren Verhältniſſe Auskunft zu erteilen. Meine Herren, ich habe vor unſeren Herren Aſſeſſoren alle Hochachtung; ich glaube aber, in dieſen ſo ſehr praktiſchen Dingen wird ein alter ergrauter Sekretär doch wohl noch eine beſſere, zu⸗ treffendere Auskunft geben können — nehmen Sie mir es nicht übel, meine Herren — als der junge Herr. der eben erſt eingetreten iſt. Alſo einen jungen Magiſtratsaſſeſſor in dieſe Stelle hineinzuſetzen, ſcheint mir von vornherein etwas bedenklich. Wenn gar dieſer Herr, deſſen Sinnen und Trachten auf ſtädtiſche öffentlich⸗rechtliche Angelegenheiten gerichtet ſein ſoll und gerichtet iſt, auch noch in privatrechtlichen Dingen Auskunft erteilen ſoll, ſo kann ich ihn eben wegen ſeines Mißgeſchicks nur bedauern. Ich teile aber vor allen Dingen das Bedenken des Herrn Kollegen Holz, das er ſo ſehr treffend hervorgehoben hat: wo, meine Herren, bleibt der Regreß? Wir Anwälte müſſen für alles das, was wir Ihnen an Auskunft erteilen, gerade ſtehen, uns können Sie in Anſpruch nehmen; wie wollen Sie aber den Regreßprozeß gegen die Stadtgemeinde führen für einen Rat, der gratissime erteilt worden iſt? Ich habe ſchon aus dieſem Grunde die größten Bedenken gehabt. Glauben Sie nicht, daß irgend welche Konkurrenz⸗ furcht vielleicht aus mir als Charlottenburger Anwalt ſpricht. Wie wenig das der Fall iſt, möchte ich Iynen ganz kurz beweiſen. Vor etwa fünf Jahren — ich glaube, die Sache wird nicht ganz unintereſſant ſein — traten wir — einige Kollegen hier — zu⸗ ſammen und einigten uns dahin, daß wir für un⸗ bemittelte Bürger Charlottenburgs eine Sprechſtunde einrichten wollten, in der wir unentgeltlich arbeiteten; wir hatten uns bereits ſo verteilt, daß mindeſtens ein Kollege, meiſtens zwei, an einem Nachmittage Rat erteilen ſollten, ſodaß an ſämtlichen Wochentagen den unbemittelten Mitbürgern die Möglichkeit gegeben war, unentgeltlichen Rat ſich zu holen. Natürlich ſollte das in der Zeitung bekannt gemacht werden, und da wurde uns in ſehr freundlicher Weiſe ein Wink gegeben, daß man unter Umſtänden in einem ſolchen Vorgehen eine unlautere Konkurrenz erblicken könnte. Wir haben die Sache daraufhin unterlaſſen, hatten uns allerdings nicht denken können, daß man einen ſolchen Argwohn hegen würde, da wir ja gerade unter uns im engen Kreiſe — wir wollten das nicht öffentlich ſagen — dieſe Sprechſtunden „Armenſprechſtunden“ nannten, und weil wir gerade unbemittelten Mitbürgern, alſo ſolchen, die nichts bezahlen können, unentgeltlich den Rat erteilen wollten. Meine Herren, ich habe auf grund dieſes An⸗ trages mich mit der überwiegenden Mehrzahl der Charlottenburger Anwälte in Verbindung geſetzt und habe dabei erfahren, was ich gleichfalls hier ausſprechen möchte, daß nicht ein einziger für eine Konſultation von unbemittelten Bürgern Gebühren erhebt. Wir haben das als ein nobile ofücium angeſehen, daß wir in ſolchen Fällen eine Konferenzgebühr nicht liquidieren. Wenn alſo eine ſolche Stelle eingerichtet würde, ſo werden wir darin keine Beeinträchtigung erblicken, ſondern es iſt vielleicht für uns eine Er⸗ leichterung. Ich halte es für meine Pflicht, doch hierauf hinzuweiſen, weil dieſer Punkt in die Debatte geworfen worden iſt. Ich meine, der Antrag iſt ſo, wie er geſtellt iſt,