beſtehende Deputation zu ermächtigen, ihrerſeits dieſe Bürgerdeputierten zu wählen. Ich bitte Sie alſo, meine Herren, bringen Sie dieſer Anregung Ihre wohlwollende Erwägung ent⸗ gegen und ſtimmen Sie meinem Vorſchlage bei. Stadtv. Baake: Meine Herren, es fällt meinen Freunden und mir nicht leicht, dem Antrag des Kollegen Holz zuzuſtimmen. Wenn wir einen B.ick auf die außerordentlich große Zahl ſozialer Aufgaben werfen, die die Stadt noch zu erfüllen hat, ſo wird man fragen können: gibt es für Charlottenburg nicht wichtigere Dinge zunächſt zu tun als die Bereit⸗ ſtellung von 20 000 ℳ für Kunſtzwecke? Wie haben in dieſen Tagen eine Statiſtik erhalten über die Arbeitsloſigkeit, wie ſie in Charlottenburg augenblicklich herrſcht; ſie ergiebt, daß etwa 500 Arbeitsloſe vor⸗ handen ſind, und wenn ich davon die Saiſonarbeiter abziehe und diejenigen, die im Streik ſind, werden doch immerhin 250 bis 300 Arbeitsloſe zu zählen ſein. All dieſe Leute, die zeitweiſe wenigſtens mit äußerſter Bedürftigkeit zu kämpfen haben, haben nach unſerer Anffaſſung auch ein Anrecht auf Hilfe ſeitens der Stadt. Sehen wir dann weiter den Kreis der Aufgaben, der in zahlloſen Anträgen bereits in dieſem Jahr die Stadtverordnetenverſammlung be⸗ ſchäftigt hat; denken wir an die Fürſorge für die Säuglinge, wie ſie jüngſt angeregt worden iſt, an das Wöchnerinnenheim und Waiſenhaus; denken wir daran, daß auch die ſtädtiſchen Arbeiter eine Beſſer⸗ ſtellung verdienen; erinnern wir uns daran, was für Aufgaben auf dem Gebiet des Gemeindeſchulbaues uns bevorſtehen, (ſehr richtig!) und denken wir dann ſchließlich daran, wie außer⸗ ordeutlich unſere ſtädtiſche Wohnungspolitik verſumpft iſt, ſo muß man ſagen: ja, kann denn die Stadt⸗ verordnetenverfſammlung wirklich eine Summe aus dem Stadtſäckel bewilligen? Wir haben nach längeren Erwägungen aber doch dieſe Frage mit ja beantwortet, und zwar geſtützt auf den Spruch der Gräfin Orſina, daß man das Eine tun und das Andere nicht laſſen ſoll. Zudem gebe ich mich der Hoffnung hin, daß, wenn die Mehrheit der Stadtverordnetenverſammlung und der Magiſtrat die Finanzlage ſo günſtig be⸗ urteilen, daß ſie 20 000 ℳ zur Erwerbung von Kunſtwerken in den Etat einſtellen, ſie damit auch die Verpflichtung überneymen, in allen ſozialen Dingen das Tempo zu beſchleunigen. Hierzu kommen aber noch beſondere Gründe. die es angebracht erſcheinen laſſen, daß von einer ſtolzen und großen Stadt für die Kunſt etwas getan wird. Ich will mich nicht mit Herrn Kollegen Holz in eine äſthetiſche Debatte über die Kunſt einlaſſen. Er hat die Schillerſche Aſthetik zitiert; gut, mögen wir das hingehen laſſen, jedenfalls betrachte auch ich die Kunſt als eine ſolche Angelegenheit. Und es iſt vor allen Dingen auch die Rückſicht auf die Künſtler, die eine Stadt wie Charlottenburg veranlaſſen ſoll, öffentliche Mittel für Kunſtzwecke bereit zu ſtellen. Der Künſtler iſt gegenwärtig abhängig von dem Geſchmack des kaufkräftigen Publikums, von dem Geſchmack der Reichen und von dem Geſchmack des Hofes; er ſeufzt unter dieſen beiden Laſten, und ich glauber daß der Künſtler es dankbar begrüßen würde, wenn ihm von einer reichen Stadt Gelegenheit geboten würde, ohne Rückſicht auf beſtimmte Intereſſen der Kunſt ſelber zu dienen. Herr Kollege Holz hat in ſeiner Rede von den Aufgaben der Kunſtdeputation geſprochen und dabei 218 —— einige merkwürdige Aufgaben genannt, z. B. die, daß die vorhandenen Kunſtwerke Charlottenburgs regiſtriert werden ſollen. Nun muß ich ſagen: wenn ich das Blatt ausfüllen ſollte, dann würde es weiß bleiben. Ich ſehe noch nichts von den vorhandenen Kunſtwerken Charlottenburgs. Ich beſinne mich ja, daß wir irgend eine bang träumende Leonore da irgendwo zu ſtehen haben, die das Werk eines Künſtlers iſt, der ſich mit Marmor beſchäftigt. (Heiterkei.) Ich entſinne mich, daß wir das Reiterſtandbild irgend eines Hohenzollernfürſten aufgeſtellt, wenigſtens den Grund und Boden dazu hergegeben haben. Und dann könnte man unſer Rathaus nehmen, das ich aber nicht mitzählen würde. Ich fürchte, über unſerm Rathaus ſchwebt ein böſer Stern. Wenn ich mir den hohen Turm anſehe, der über dem Giebel unſeres Rathauſes ſich erhebt, dann weiß ich nicht, ob nicht die Stadt die 20 000 ℳ in den Etat ein⸗ ſtellen ſollte, um dieſen Turm wieder abzutragen. (Widerſpruch und Heiterkeit.) Nun weiß ich aber nicht, ob nicht gerade Charlottenburg berufen iſt, in dieſer Beziehung etwas zu tun. Charlottenburg kann ſich darauf berufen, daß es diejenige Sladt Preußens iſt, die der Rinn⸗ ſteinkunſt der Sezeſſion ein Aſyl gewährt hat, und wenn wir ſehen, wie der Strich der Kunſtbegaſine fich bis an die Grenzen unſerer Stadt ausdehnt, wenn wir daran denken, was für eine wunderbare Marmorkonfektion wir in der Siegesallee beſitzen, (Heiterkeit) oder wenn wir an die gelben Kuchenbäckereien des großen Sterns denken, der nun bald Geibſtern genannt werden kann, (große Heiterkeit) dann muß man ſagen: die Stadt Charlottenburg hat auch aus dieſen Gründen ein gewiſſes Anrecht darauf, Künſtler zu berückſichtigen, die nach dem Urteil Europas wahrhafte Künſtler ſind, Männer wie Klinger, Graul — Maler will ich nicht nennen; denn hier iſt die Zahl ſehr groß, die wir berück⸗ ſichtigen können. Freilich, es wird immerhin in der Geſchichte der Zeit bemerkenswert ſein — und ich wundere mich nicht darüber wie Herr Kollege Holz —, daß Charlottenburg ſo wenig öffentliche Kunſtwerke beſttzt. Es iſt nicht zu leugnen, daß wir mit unſeren Hunderten von Millionären doch über die mangel⸗ hafte Bürgertugend der Reichen zu klagen allen Grund haben. Wir hören zwar davon, daß ein Jubiläumsbrunnen aufgeſtellt werden ſoll, und Herr Kollege Holz meint und hofft, es würde dazu kommen; ich habe aber ſo läuten hören, als wenn die Sammlun⸗ gen für dieſen Kunſtzweck recht dürftig ausgefallen ſind. Charloltenburg hat eben keine Hiſtorie; Char⸗ lottenburg iſt unter den Städten, wenn ich ſo ſagen darf, ein Parvenue, der ſehr aroß geworden, ſehr ſtark geworden iſt; aber die Leute fühlen ſich eigent⸗ lich gar nicht als Charlottenburger, und zudem ſchließt unſere moderne Zeit jenen tiefen Bürgerſinn, jenes Gefühl für die Größe und Vornehmheil der eigenen Stadt aus, der das Mittelalter ausgezeichnet hat. So ſehen wir denn, daß unſere Mäzenaten verſagen. Auch das iſt ein Grund, daß die Stadt hier eintreten ſoll. Für mich iſt die Kunſt kein Luxus, ſondern ein außerordentlich wichtiges Kultur⸗ element, und deswegen hat auch eine große Kommune die Pflicht, dieſes Kulturelement zu fördern. Sorgen wir dafür, daß die Kunſt Schmuck und Zierde des öffentlichen Lebens werde!