Vom Reichsverſicherungsamt wurde er abgewieſen, weil ſeine Sehkraft durch den Unfall nicht gelitten hätte. Der Dezernent und mit ihm wohl der Ma⸗ giſtrat will nun die Verantwortung nicht übernehmen, den p. Schulze im Straßendienſt zu beſchäftigen. Der Netitionsausſchuß hat dem in ſeiner Mehrheit zugeſtimmt und empfiehlt Ihnen, über die Petition betr. Einſtellung als Straßenarbeiter zur Tages⸗ ordnung überzugehen. Ich bitte Sie auch, dahin zu beſchließen, Der Ausſchuß hat aber doch nicht auf den Standpunkt ſich ſtellen können, daß der p. Schulze gänzlich abgewieſen werden ſoll, als Arbeiter bei der Stadt beſchäftigt zu werden, und empfiehlt Ihnen daher folgende Beſchlußfaſſung: die Verſammlung erſucht aber den Magiſtrat um Erwägung, ob Schulze in irgend einer anderen Stelle beſchäftigt werden kann. Meine Herren, es ſind ſoviel Leute hier bei der Stadt beſchäftigt, und Schulze hat, ohne einen Tadel erhalten zu haben, 2½ Jahre ungefähr hier ge⸗ arbeitet, und der Petitionsausſchuß iſt der Meinung, daß er beſchäftigt werden kann. Ich glaube, der Magiſtrat wird es nicht von der Hand weiſen, den Schulze weiter zu beſchäftigen. Villeicht wäre es angebracht, ihn in der Parkdeputation bei der Baum⸗ ſchule als Arbeiter unterzubringen. Ich bitte Sie, in dem Sinne zu beſchließen, wie der Petitionsausſchuß es Ihnen vorſchlägt: über die Petition wegen Einſtellung als Straßenarbeiter zur Tagesordnung überzugehen, aber den Magiſtrat zu erſuchen, den Schulze wo anders zu beſchäftigen. Oberbürgermeiſter Schuſtehrns: Ja, meine Herren, wir können kranke Arbeiter, die unfähig zur Arbeit ſind, in unſerer Verwaltung nicht gebrauchen. Wir haben ja gerade bei dieſem Fall gezeigt, welches große Wohlwollen wir haben walten laſſen. Ich habe mich ſelbſt für den Mann intereſſiert, weil ich anfangs glaubte, er hätte mit ſeiner Behauptung recht, daß er im Dienſt blind geworden ſei. Dieſe Behauptung iſt aber nicht richtig. Ich habe den Dezernenten Herrn Kollegen Meyer indeſſen gebeten, den Mann vorläufig nicht zu entlaſſen, ſondern ſo lange zu behalten, bis das richtige Sachverhältnis durch das Reichsverſicherungsamt feſtgeſtellt ſein würde. Das Reichsverſicherungsamt hat nun feſt⸗ geſtellt, daß der Mann an ſeinem Sehfehler ſchon gelitten hat vor dem Unfalle, bevor er bei der Vorführung von Pferden geſchlagen worden war, daß er alſo ſchon damals mit dem Fehler behaftet war, als er zu vorübergehender Beſchäfligung von der Straßenreinigung eingeſtellt wurde. Da hat ſich denn nun weiter herausgeſtellt, daß der Mann wegen ſeines ſtarken Sehfehlers auf der Straße gar nicht be⸗ ſchäftigt werden kann, weil er ſonſt in Gefahr gerät, überfahren zu werden; er iſt nicht gut imſtande zu ſehen, wenn ein Wagen ankommt. Trotzdem haben wir den Mann bis zur Klärung der Sache behalten, ſind alſo ihm mit Wohlwollen entgegengetreten. Da⸗ durch erklärt es ſich, daß der Mann nicht früher entlaſſen, ſondern ſo lange bei uns geblieben iſt. Nun ſagen Sie aus Mitleid für den Mann, der Magiſtrat möchte ihn doch in einer anderen Verwaltung beſchäftigen, und wir ſollen das in Er⸗ wägung ziehen. Ich will es gern noch mal in Er⸗ wägung ziehen, ob das möglich iſt, kann es Ihnen aber nicht verſprechen, daß die Sache einen poſitiven Erfolg haben wird. Meine Herren, wenn invalide Arbeier da ſind, dann können wir unſer Wohlwollen 231 doch nicht dadurch betätigen, daß wir ſie dort als Arbeiter anſtellen, wo ſie nichts leiſten, ſondern es muß eventuell die Armenpflege für ſie eintreten, wenn ſie nicht mehr fähig ſind, etwas für ſich zu verdienen. In unſerer Verwaltung können wir nur Leute gebrauchen, die etwas leiſten. Wir können nicht Krüppel einſtellen, die nicht volle Arbeit leiſten können. Darunter würde die Verwaltung leiden. Ich will gern, da im Ausſchuß der Wunſch ausgeſprochen iſt, die Sache nochmals prüfen und mit Herrn Kollegen Töbelmann erwägen, ob er den Mann in der Baumſchule gebrauchen kann. Aber viel Erfolg verſpreche ich mir davon, wie geſagt, nicht, und weil ich mir nicht viel Erfolg verſpreche, habe ich das Wort genommen, um Ihnen zu ſagen, wie die Dinge liegen, um Sie nicht in den Glauben zu verſetzen, daß wir den Mann nun wirklich ein⸗ ſtellen werden. Stadtv. Dr. Zepler: Ich ſtehe da doch auf einem etwas anderen Standpunkie, als der Petitions⸗ ausſchuß und der Herr Oberbürgermeiſter eben aus⸗ geführt hat. Ich bin nicht der Meinung, daß wir nur aus Wohlwollen dem Arbeiter wieder Beſchäfti⸗ gung geben ſollen, ſondern ich glaube, daß wir eine gewiſſe Verpflichtung der Loyalität dazu beſitzen. Ueberlegen wir uns doch mal, wie der Fall liegt! Das Atteſt beſagt, daß der betreffende Arbeiter nicht erwerbeunfähig geworden iſt. Der Herr Oberbürgermeiſter aber behauptet, wir könnten den Mann, weil er doch eigentlich inwalide iſt, nicht anſtellen. Das iſt doch ein Widerſpruch. Wenn er invalide iſt, dann hätte er eben auch ſeine Unfallrente beziehen müſſen. Nun heißt es aber: er kann keine Unfallrente beziehen, er iſt nicht invalide. Ja, dann iſt kein Grund vor⸗ handen, ihn auf einmal nicht mehr anſtellen zu wollen. Freilich, das Augenleiden iſt, ſo weit ich gehört habe und aus dem Gutachten hervorgeht, nicht auf den Unfall zurückzuführen. — Übrigens iſt das Augenleiden kein ſo wichtiger Grund, den Arbeiter nicht anzuſtellen. Es handelt ſich um Hypermetropie, um Weitſichtigkeit, verbunden noch mit anderen Sehanomalien, was durch eine Brille korrigiert werden kann. Das iſt alſo kein Grund, ihn nicht anzuſtellen. Wenn er auch nicht im Straßendienſt beſchäftigt werden kann, ſo wäre das doch vielleicht an anderer Stelle möglich. Immerhin iſt der Mann ſolange beſchäftigt worden, bis er den Unfall erlitten hat, und da muß es doch verbittern, wenn ſolch ein Mann ſich ſagt: ich habe den Unfall erlitten und jetzt werde ich ausgeſchaltet; jetzt heißt es: ich bin zwar nicht invalide, bekomme keine Rente, werde aber doch als involide betrachtet und ſoll womöglich der Armenpflege anheimfallen. So dürfen wir nicht die Verſicherungsgeſetze handhaben, das würde ſogar gegen den Geiſt derſelben ſprechen, und gerade wir als Behörde müſſen doch erſt recht, wenn auch nicht gerade dem Wortlaut, aber dem Geiſte der Geſetze möglichſt gerecht zu werden ſuchen. Deshalb meine ich, wir haben mehr als ein bloßes Wohlwollen hier zu zeigen, wir haben eine gewiſſe Verpflichtung, den Mann zu beſchäftigen. Ich möchte den Magiſtrat erſuchen, wenn irgend möglich, eine Beſchäftigung für den Petenten ausfindig zu machen. Oberbürgermeiſter Schuſtehrns. Meine Herren, ich lege Gewicht darauf, Ihnen das Tatſächliche noch einmal vor Augen zu führen. Der Mann iſt in der Straßenreinigung nicht brauchbar, weil er nicht ſehen kann. Ich weiß nicht ſpeziell, was für ein