—— —— 232 Augenleiden er hat. Jedenfalls iſt er in ſeiner Seh⸗ fähigkeit ſehr bedeutend beeinträchtigt, derartig daß er in der Straßenreinigung nicht angeſtellt werden kann. Aber ich ſtelle feſt, meine Herrn, daß dieſe Schwäche ſeiner Sehkraft bereits vorhanden war, bevor er beim Magiſtrat in Arbeit war. Er wurde als Hilfs⸗ arbeiter beim Magiſtrat eingeſtellt. Als etwa ein Monat vergangen war, bekam er den Auftrag, Pferde vorzuführen, wurde von einem Pferde geſchlagen, und behauptet nun, infolge dieſes Schlages ſei er blind geworden. Dieſe Behauptung iſt falſch. Der Arzt hat feſtgeſtellt, daß er ſeinen Sehfehler ſchon vorher gehabt hat. Alſo die ſtädtiſche Verwaltung hat, wie feſtgeſtellt iſt, daran nicht etwa Schuld; ſie hat garnichts damit zu tun, daß er halb blind geworden iſt. Das bitte ich zunächſt feſtzuhalten. Daraus erklärt ſich auch, daß er keine Invaliden⸗ rente bekommt; denn durch den Schlag, den er vom Pferde erhalten hat, iſt er nicht in ſeiner Geſundheit beeinträchtigt worden. Nun, meine Herren, bitte ich Sie zu bedenken: In der Straßenreinigung iſt ſolch ein Mann nicht zu brauchen; wenn er überfahren wird, tragen wir erſt recht die Schuld daran, da wir einen Mann an einen Punkt geſtellt haben, wo er leicht Beſchädi⸗ gungen ausgeſetzt iſt. In der Parkverwaltung wird er auch nicht zu brauchen ſein. Wir haben jetzt die Arbeiter in der Parkverwaltung damit beſchäftigt, Bäume zu beſchneiden. Wir können doch nicht einen halb blinden Mann auf die Bänme ſchicken! Da fällt er herunter und zerbricht ſich ſeine Glieder, und dann können ſie mit Recht ſagen: wie kommt der Magiſtrat dazu, Leute, die derartige Fehler haben, in der Verwaltung mit Arbeiten zu beſchäftigen, bei denen ſie der Gefahr ausgeſetzt find, ihr Leben zu verlieren oder einen böſen Unfall zu erleiden? Das müſſen wir doch auch in Rückſicht ziehen. Der Mann iſt unglücklich daran. Aber es iſt unmöglich, daß wir alle Leute, die unglücklich daran ſind, in unſerer Verwaltung beſchäftigen. Wenn wir irgend eine Schuld an der Sache hätten, dann würde ich dem Herrn Dr. Zepler Recht geben, und da ich anfangs glaubte, wir hätten für eine Schuld einzuſtehen, ſo bin ich ja in dieſem Sinne auch vorgegangen. Es hat ſich aber eben herausgeſtellt, daß wir ganz ohne Schuld bei der Sache ſind. Es iſt ein Unglück, daß den Mann getroffen hat; aber wir können nicht alles Unglück in der Welt heilen, das iſt nicht möglich. Stadtv. Dr. Borchardt: Ja, meine Herren, ich komme über einen gewiſſen Widerſpruch doch nicht hinweg, der mir in den Ausführungen des Herrn Oberbürgermeiſters zu liegen ſcheint. Ausdrücklich iſt feſtgeſtellt, daß der Mann durch den erlittenen Unfall in ſeiner Sehkraft nicht geſchwächt worden iſt, und weiter ſteht feſt, daß der Mann 2½¼ Jahre lang 414 worden iſt, ohne daß ſeine geminderte Sehkraft, ſein Augenleiden, irgendwie zu Bedenken Veranlaſſung gab. Nun ſagt der Herr Ober⸗ bürgermeiſter, der Mann iſt halb blind. Da verſtehe ich bisher nicht, wie dieſe Sache zuſammenhängt. Iſt die Sehkraft in keiner Weiſe weiter geſchwächt worden, dann iſt der Mann doch nicht halb blind, ſondern dann iſt er eben überſichtig, dann kann man ihn nicht als halb blind bezeichnen, und dann iſt es ſehr wohl verſtändlich, daß der Mann 2½ Jahre lang ſeinen Dienſt zur Zufriedenheit getan hat, ohne daß dieſe uberſichtigkeit irgendwie dem Dienſte hinderlich war. Dann würde es aber doch auch in Zukunft ſicher ſich ſo verhalten, es müßte denn gerade ſein, daß die Sehkraft des Mannes ſich unabhängig von dem Unfall mit der Zeit ſo außerordentlich ver⸗ ſchlechtert hat, daß er jetzt als halbblind zu bezeichnen iſt. Nach dem, was ich aber aus den Verhand⸗ lungen des Ausſchuſſes gehört habe, was der Herr Referent hier vorgetragen hat, iſt doch das bisher nicht feſtgeſtellt und nicht der Fall. Demnach kann ich Sie auch nur bitten, ſich der Beſchlußfaſſung des Ausſchuſſes anzuſchließen, den Magiſtrat zu erſuchen, noch einmal in eine Erwägung darüber einzutreten, ob dieſer Mann doch nicht weiter be⸗ ſchäftigt werden kann. Stadtrat Meyer: Meine Herren, ich habe bereits im Petitionsausſchuß erklärt, welche koloſſale Geduld, welch koloſſales Mitleid und Mitgefühl der Magiſtrat mit dem betreffenden Arbeiter gehabt hat. Derſelbe iſt zu uns gekommen Anfang April, wo wir einige Hilfsarbeiter gebrauchten, und hat gebeten, als Hilfs⸗ arbeiter beſchäftigt zu werden. Er hat dann, nach⸗ dem er einige Zeit beſchäftigt war, das Unglück ge⸗ habt, am Auge verletzt zu werden. Nach drei⸗ wöchentlicher Behandlung ſeitens des Arztes wurde er als geſund entlaſſen. Nach ſeiner ganzen Per⸗ ſönlichkeit, ſeinem Alter uſw., wäre er nicht geeignet geweſen, bei uns einmal als ſtändiger Arbeiter ein⸗ geſtellt zu werden. Mit Rückſicht aber darauf, daß ihn das Unglück betroffen hatte, hatte ich verfügt, wenn irgendmöglich dem Schulze bei demnächſt frei⸗ werdender Stelle als ſtändigen Arbeiter einzuſtellen. Als im Auguſt eine ſolche Stelle frei wurde, wurde er wie üblich, da wir nur geſunde Arbeiter gebrauchen können, zum Vertrauensarzt zur Unterſuchung ſeines körperlichen Zuſtandes geſchickt. Dieſer Vertrauens⸗ arzt gab folgendes Gutachten ab, nachdem Schulze erklärt hatte, daß er ſchlechter ſehe als vor dem Un⸗ fall. Von dem Vertrauensarzt wurde feſtgeſtellt, daß das rechte Auge ſehr ſchwachſichtig ſei und das linke Auge einen mittleren Grad von Kurzſichtigkeit zeige. Außerdem ſchiele Schulze mit beiden Angen, beſonders mit dem rechten. „Wegen der beim Schulze beſtehenden hochgradigen Störung der Seh⸗ fähigkeit iſt von einer Einſtellung als ſtändiger Ar⸗ beiter Abſtand zu nehmen.“ Darauf habe ich dem p. Schulze mit vierwöchiger Friſt geſagt, er ſolle ſich doch nach einer anderen Stelle umſehen; das, was ich wollte, könnte ich nicht weiter tun, hätte auch nicht das Recht, ihn als Hilfs⸗ arbeiter länger zu beſchäftigen als 4, 5 oder 6 Mo⸗ nate; er ſolle ſehen, eine andere Stelle zu bekommen. Nach vier Wochen habe ich ihm gekündigt. Acht oder vierzehn Tage, nachdem er entlaſſen war, haben ſich zwei Mitglieder der Deputation — wie ich höre, auf Anregung Ihres Kollegen, des Stadtv. Scharn⸗ berg — für den Mann verwandt, und Herr Stadtv. Gredy hat mir einen Brief geſchrieben und mich ge⸗ beten, doch bloß den armen Kerl, um ihn vor dem Winter zu ſchützen, weiter zu beſchäftigen. Das iſt dann abermals geſchehen, trotzdem ich mir der großen Verantwortung bewußt war. Ich habe verfügt, beim Aufſeher wie beim Straßeninſpektor, daß Schulze möglichſt da beſchäftigt werden ſollte, wo der geringſte Wagenverkehr ſtattfindet. Dann war die Friſt ab⸗ gelaufen, und er ſollte nun endgiltig entlaſſen werden und iſt auch entlaſſen worden. Da kommt der Herr Oberbürgermeiſter, nimmt ſich der Sache an und ſagt: hier muß alles . geſchehen, der Mann hat bei uns einen Unfall erlitten, wir müſſen ihm weiterhelfen; außerdem ſoll verſucht werden, daß er