Vorſteher Roſenberg: ordnung: Autrag des Stadtv. Dr. Borchardt und Gen. betr. Bereitſtellung von Mitteln zur Er⸗ Punkt 6 der Tages⸗ richtung einer Gemeindeſchule. — Druck⸗ ſache 483. Antragſteller Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, in der Sitzung vom 4. Mai wurde uns vom Magiſtrat die Mitteilung, daß der Magiſtrat dem Er⸗ ſuchen der Stadtverordnetenverſammlung, in gemiſch⸗ ter Deputation über zweckentſprechende Maßnahmen zur Hebung der Volksſchule zu beraten, beigetreten ſei, und daß der Magiſtrat darum erſucht, 10 Mitglieder der Stadtverordnetenverſammlung für dieſe Deputation zu wählen. Das iſt damals, am 4. Mai, geſchehen. Seitdem ſind nun beinahe dreiviertel Jahre wieder verfloſſen, ohne daß die Mitglieder dieſer Deputation in irgend einer Weiſe Gelegenheit hatten, über die⸗ jenigen Zwecke, zu denen ſie gewählt waren, fich auszuſprechen; wenigſtens iſt mir, der ich Mitglied dieſer Deputation bin, niemals etwas bekannt ge⸗ worden, daß dieſe Deputation einmal getagt hat. Wenn ſie getagt hätte, dann wäre vielleicht der heutige Antrag als Antrag einzelner Stadtverordneten überflüſſig geweſen; wir würden dann vielleicht ſchon eine Vorlage des Magiſtrats haben, die ſich nicht nur mit der Errichtung neuer Schulgebäude, ſondern auch mit ſonſtigen Maßnahmen zur Hebung der Volksſchule beſchäftigt. Als wir den Etat für das Jahr 1904 berieten, ſtellte ich ſchon damals den Antrag, auch in dieſem Etat die Mittel für Schulbauten reichlicher zu be⸗ meſſen. Es wurden damals Mittel eingeſtellt zur Errichtung einer neuen Gemeinde⸗Doppelſchule auf der ſogenannten Halbinſel in der Helmholtzſtraße, ein Schulgebäude, das ja auch jetzt in Angriff ge⸗ nommen iſt, und von dem Herr Stadtbaurat Bratring uns verſicherte, wenn nicht unvorhergeſehene Ereianiſſe eintreten, wenn nicht ein außerordentlich harter Winter einſallen würde, daß es zum Oktober 1905 beziehbar ſei. Bei der Begründung der Vorlage für dieſes Schulgebäude wurde vom Magiſtrat ſehr eindringlich und nachdrücklich hervorgehoben, das Schulgebäude ſolle in erſter Linie dazu beſtimmt ſein, die in Miets⸗ räumen untergebrachte Schule in der Wielandſtraße zu entlaſten; die Zuſtände in dieſer Mietsſchule wurden in der Vorlage des Magiſtrats in ziemlich düſtern Farben geſchildert, und es ging daraus her⸗ vor, daß es dringend wünſchenswert ſei, dieſe Schul⸗ räume endlich entbehren zu können, was eben durch die Schule auf der Halbinſel erreicht werden ſollte. Ich ſtellte damals den Antrag, gleichzeitig auch mit dem Bau einer Schule in der Nürnbergerſtraße zu beginnen. Das wurde damals zwar abgelehnt, aber wie ich glaube gehört zu haben, werden in dem diesjäyrigen Etat Mittel bereitgeſtellt ſein, um in dieſer Gegend, in der Nürnbergerſtraße, eine Schule zu bauen. Demgemäß könnte man nun meinen, es ſei eine weitere Inangriffnahme von Schulen vorläufig nicht notwendig, da mit dieſer Schule in der Helmholtz⸗ ſtraße dem Bedürfnis vorläufig Genüge geſchehen ſei. Ich erlaubte mir ſchon vor einem Jahre, zu be⸗ merken, daß ich nicht glaube, daß, wenn die Schule in der Helmholtzſtraße eröffnet werden wird, wir dadurch die Mietsräume in der Wielandſtraße werden loswerden, ſondern ich befürchtete — befürchten möchte ich eigentlich nicht ſagen, denn es iſt ein Zeichen ge⸗ 237 — ſunder Fortentwicklung der Stadt, wenn dieſer Zu⸗ ſtand eintritt — ich gab der Vermutung Ausdruck, daß die Bevölkerungszunahme ſo ſtark geworden ſein würde, das dann doch wieder ein Notſtand vor⸗ handen wäre, und wir die Schulräume in der Wielandſtraße doch nicht würden entbehren können oder, wenn wir die Schulräume in der Wielandſtraße aufgeben würden, wir dann gezwungen ſein würden, andere hinzu zu mieten. Dieſe Ver⸗ mutung der ſtärkeren Bevölkerunaszunahme hat ſich als richtig erwieſen. Nach den Nachrichten, die durch die Blätter gegangen ſind und von unſerm Statiſtiſchen Amte herrühren, iſt der Zuzug nach Charlottenburg in dem letzten Jahre gerade doppelt ſo ſtark geweſen als im vorhergehenden Jahre, und daraus iſt es zu verſtehen, daß das Bedürfnis nach ſchnellerer Errichtung von Schulbauten ſtärker hervor⸗ tritt. Ganz beſonders iſt in letzter Zeit die Gegend nördlich von der Halbinſel, jenſeits der Spree ge⸗ wachſen, die Gegend alſo, für die die Schule in der Helmholtzſtraße eigentlich nicht beſtimmt iſt; denn die Schule in der Helmholtzſtraße ſoll ja die Schule in der Wielandſtraße entlaſten. Nördlich davon iſt eine Gegend herangewachſen: die Reuchlinſtraße, die Erasmusſtraße, die Beuſſelſtraße, ſoweit ſie auf Charlottenburger Gebiet liegt, iſt bebaut, in der Huttenſtraße ſind eine Anzahl Häuſer gebaut, und die ſämtlichen Charlotteuburger, die dort wohnen, müſſen ihre Kinder ſeyr weit in die Schule ſchicken. Gewiß ſind dieſe Schulwege nicht ſehr weit, wenn wir ſie mit dem Maßfſabe meſſen, der etwa in den zurückgebliebenen oſtpreußiſchen Landaegenden an⸗ gelegt wird; dort haben die Kinder allerdings ſehr viel weitere Wege zur Schule zurückzulegen. Aber für großſtädtiſche Verhältniſſe ſind dieſe Wege denn doch außerordentlich weit, und es iſt zurzeit der ſchlechten Witterung vorgekommen — wir hatten ja im Auguſt und September, wenn ich nicht irre, außerordentlich naſſe und ſchlechte Witterung —, daß in einer einzigen Klaſſe 10 bis 12 Kinder fehlten, doch offenbar, weil der weite Schulweg die Er⸗ kältungsgefahr außerordentlich vermehrte, und weil dann Erkältungen vorkamen. Jedenfalls iſt es nicht normal, daß bei ſchlechter Witterung in einer Klaſſe 10 bis 12 Kinder fehlen. Die Bürger jener Gegend wünſchen denn auch ſehr lebhaft, daß für ſie näher erreichbar eine Schule gebaut wird. Jetzt werden die Kinder zu der Schule in der Kaiſerin Auguſta⸗ allee geſchickt, und wenn die Schule in der Helmholtz⸗ ſtraße fertig ſein wird, ſo iſt der Weg zwar etwas näher, den ſie dann zurückzulegen haben, aber es iſt immer noch ein ziemlich weiter Weg, und die Schule wird ja durch die Kinder, die heute nach der Wielandſtraße gehen, zum großen Teil bereits be⸗ ſetzt ſein. Nun haben dieſe Leute mit der letzten Arbeits⸗ loſenzählung, die ja doch auch nur durchgeführt werden konnte mit Hilfe derjenigen Bürger, die ſich in den Dienſt der Sache ſtellten, eine Zählung der ſchulpflichtigen Kinder jener Gegend verbunden. Dieſe private Aufnahme erſtreckte ſich über die Kaiſerin Auguſtaallee, die Reuchlinſtraße, Erasmusſtraße, Beuſſelſtraße, Huttenſtraße, den Spandauer Schiff⸗ fahrtskanal, Thaters und Riedemanns Privatweg. Die Nummern der Häuſer führe ich nicht an; es ſind eben die Häuſer, die in jenen Straßen gebaut ſind, ſoweit ſie auf Charlottenburger Geviet liegen. Dieſe Zählung iſt ſelbſtverſtändlich außerordentlich mangelhaft, muß es ſein, da ja keineswegs da⸗ ran zu denken iſt, daß ſämtliche Familien mit