— 2351 Arbeit verlaſſen wird, um das Depot aufzuſuchen. Von dem halben Wege, der auf dieſe Weiſe bereits während der Arbeitszeit zurückgelegt iſt, darf natürlich nichts mehr in Anſatz gebracht werden, ſondern nur der Weg, der noch zurückzulegen iſt von dem Augen⸗ blick an, wo die Arbeit verlaſſen iſt, und das eben iſt nach dem Bericht der Verwaltung niemals die antſtraße oder der Savigny Platz, ſondern es iſt ſchon mindeſtens der halbe Weg nach dem Depot zurückgelegt, ſo daß auch nach dieſer Richtung hin die Beſchwerde unbegründet erſcheint. Ich will aber nicht in Abrede ſtellen, daß vielleicht in der einen oder anderen Hinſicht durch den Arbeiterausſchuß gerade die Möglichkeit geboten ſein wird, Wünſche und Beſchwerden der Arbeiter direkt der Verwaltung vorzutragen, und ich glaube, daß deshalb gerade dieſer Arbeiterausſchuß ſich durchaus vorteilhaft bewähren wird. Wir kämen dann noch zu dem Beſchluß des Ausſchuſſes, der Ihnen empfiehlt erſtens die grund⸗ ſätzliche Einführung des neunſtündigen Arbeitstages und zweitens die grundſätzliche Feſtlegung, daß jede Überſtunde, auch die erſte, mit einem 25 prozentigen Aufſchlag bezahlt werden muß. Meine Herren, was zunächſt die beiden Beſchlüſſe ſelbſt anlangt, ſo ſind ſie, wie Sie geleſen haben, mit einer Majorität von 4 gegenſ 3 Stimmen gefaßt worden, eine Majorität, die ich nicht anſtehe für eine Zufallsmajorität zu halten. Ich bin feſt davon überzeugt, daß bei einer ordnungsmäßigen Beſetzung des Ausſchuſſes dieſe Majorität in eine Minderheit ſich verwandelt hätte, und das gibt mir auch die Uberzeugung, daß im Plenum heute dies Verhältnis zum Ausdruck gebracht werden wird und Sie die Anträge des Ausſchuſſes ablehnen werden. Ich muß ſagen, daß die Annahme des erſten Antrages auf grundſätzliche Einführung einer neun⸗ ſtündigen Arbeitszeit ohne jede weitere Diskuſſion mich ungeheuer überraſcht hat, und ich glaube, auch den zweiten Vertreter des Magiſtrats. Die Frage iſt meiner Anſicht nach nicht nur ſozial, ſondern auch wirtſchaftlich und finanziell eine außerordentlich ſchwierige. Es iſt allerdings hier im Plenum, wenn ich nicht irre, von dem Herrn Stadtv. Hirſch be⸗ hauptet worden, daß in ökonomiſcher Beziehung für die Stadtgemeinde dieſer Beſchluß gar keine Bedeutung habe, denn in den 9 Stunden werde bei 9ſtündiger Arbeitszeit mindeſtens ebenſo viel, wenn nicht mehr geleiſtet werden wie in der bisherigen 10 ſtündigen Arbeitszeit. Ich glaube, der Herr Stadtverdnete Hirſch hat dabei auf die Zeißſche Fabrik in Jena hingewieſen. Jedenfalls wird in einem Buch, das ihm ja ſicher auch zur Verfügung ſteht, von Linde⸗ mann, dieſe Fabrik angeführt als Beweis dafür, daß dieſe Theſe richtig ſei. Meine Herren, das ma bei Zeiß in Jena richtig ſein, das beweiſt aber g0 lange nicht, daß die Ubertragung auf die ſtädtiſche Verwaltung und die Betriebe, die hier in Frage kommen, unbedingt zu demſelben Ergebnis führen müßte. Meiner Meinung nach wird bei Zeiß ſicher im Akkord gearbeitet, und daß die Akkordarbeit ganz anders fluſcht als Tagelohn⸗ und Stundenlohnarbeit, iſt wohl allgemein bekannt. Bei uns iſt die Stunden⸗ lohnarbeit die Regel, und es iſt kaum anzunehmen, daß die Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde, alſo von 10 auf 9 Stunden, oder um 0,, dann 27 in der Verwaltung ſich in weniger Arbeits⸗ leiſtung umſetzen ſollte. Es wird ſogar von ver⸗ ſchiedenen Seiten die Vermutun Aeroche, daß die Wirkung noch eine weitergehende ſei. Ich kann — — das allerdings nur als mir von anderer Seite — aber durchaus ſachverſtändiger — mitgeteilt anführen. Danach iſt es auf Erfahrung begründet, daß bei einer 9ſtündigen Arbeitszeit nicht nur etwa %3 weniger als bei einer 10 ſtündigen geleiſtet werde, ſondern daß noch weniger als o der 10 ſtündigen Arbeitszeit geleiſtet wird. Deshalb ſcheuen ſich be⸗ ſonders die Unternehmer, für den Winter Arbeiten zu übernehmen, weil da ja die 10 ſtündige Arbeitszeit aus Gründen, die in der kürzeren Tagesdauer liegen, nicht durchgeführt werden kann. Meine Herren, auch bei uns iſt ſelbſtverſtändlich die 10ſtündige Arbeitszeit nur für diejenigen Jahreszeiten vorge⸗ ſchrieben und üblich, in denen ſie mit Rückſicht auf das Tageslicht wirklich geleiſtet werden kann. Ich habe mir eine Zuſammenſtellung geben laſſen, wie die Arbeitszeiten in unſerer Verwaltung verteilt ſind. Daraus erſehe ich, daß bei der Tiefbauverwaltung von den 12 Monaten des Jahres in 8 Monaten eine 10ſtündige Arbeitszeit beſteht; das ſind natürlich die Sommermonate und die Monate März und Oktober. Dann verkürzt ſich die Arbeitszeit, und zwar vom 1. November bis 14. November auf 9 Stunden, vom 15. bis 30. November auf § Stunden, vom 1. bis 14. Dezember auf 7¼ Stunden, vom 15. Dezember bis 14. Januar auf 7 Stunden. Dann ſteigt ſie allmählich wieder auf 8 Stunden, 8½ Stunden, 9½ Stunden, bis am 1. März ſie wieder ſich auf 10 Stunden befindet. Genau ſo, nur etwas anders gruppiert, arbeitet in 7⅝ Monaten im Jahre die Hochbauverwaltung 10 Stunden täglich, in den übrigen 4½. Monaten eine kürzere Zeit. Bei der Straßenreinigungsverwaltung iſt allerdings Sommer und Winter eine 10ſtündige Arbeitszeit eingeführt, weil ſchließlich das gleiche Arbeitspenſum täglich geleiſtet werden muß und weil die Arbeit auch nicht ſo von dem Tageslicht abhängig iſt; die Straßen werden ja bei Dunkelheit erleuchtet, und es kann eventuell auch bei künſtlicher Beleuchtung die Arbeit verrichtet werden. Ich glaube, meine Herren, man kann ſich wenn man an die Sache herantreten will, nicht ganz von der Frage loslöſen; was koſtet das? Heute kann ich Ihnen natürlich nicht auf Heller und Pfennig das vor⸗ rechnen; aber immerhin glaube ich doch andeutungs⸗ weiſe Ihnen Zahlen geben zu können. Wir haben ein ſtändiges Arbeiterperſonal von wenigſtens 1000 Köpfen; in der Zwiſchenzeit, in den letzten zwei Jahren, wird es ſogar noch gewachſen ſein. Der durchſchnittliche Arbeitslohn iſt 12 bis 1300 ℳ, ſo daß alſo die Jahresleiſtung der Stadt an Arbeits⸗ löhnen für ſtändige Arbeiter ungefähr 1 200 000 bis 1300000 ℳ betragen wird. Wenn nun in Zukunft ½ weniger an Arbeit für dieſen Betrag geleiſtet werden würde, ſo würde das bedeuten, daß 120 bis 130000 ℳ jährlich mehr aufgewendet werden müßten, um das ausfallende Zehntel an Arbeitsleiſtung zu erſetzen. Nun will ich nicht behaupten, daß das un⸗ bedingt richtig iſt. Aber das ein nicht unbeträcht⸗ licher Prozentſatz dieſer Summe durch andere Ar⸗ beiter wird geleiſtet werden müſſen, das iſt ja ganz ſelbſtverſtändlich, und das iſt auch im Kern das 10 der Herren Antragſteller. Die wollen ja, und agen es ausdrücklich, den 9ſtündigen Arbeitstag, um die Arbeitsloſigkeit zu bekämpfen; d. h. mit andern Worten, um andere Arbeiter an die Stelle derjenigen zu ſetzen, die bei oſtündigem Arbeitstag nicht das volle Arbeitsquantum und Arbeitspenſum leiſten. Meine Herren, ich glaube, auf dieſen Weg können wir uns um ſo weniger begeben, als wir