—— 262 —— finden werden, der uns wirklich authentiſches Material liefern wird, und zweitens iſt es immer ſehr bedenklich, mit einer Anſtalt wie dem Reichspoſtamt in eine Erörterung derartiger techniſcher Details ſich einzu⸗ lafſen, ob eine halbe Stunde früher oder ſpäter die Beſtellung erfolgt, ob eine Poſt eingelegt wird oder nicht. Man gibt ſich da leicht Blößen, die dann einen neuen Vorwand der Ablehnung bilden. Der Herr Referent hat ſchon ausgeſprochen, daß es in letzter Linie nur eine Geldfrage ſein kann, daß es ſich nur darum handeln kann, in den Eiſenbahn⸗ zügen die Briefe für „Berlin“ und „Charlottenburg“ auszuſortieren. Wenn das für Berlin möglich iſt, dann ſehe ich nicht ein, warum nicht für Charlotten⸗ burg. Denken Sie, daß der Bezirk Berlin W. aus⸗ gedehnt würde bis zur Wilmersdorferſtraße, dann müßte es doch auch geſchehen! Es iſt alſo nur eine Geidfrage, und es iſt gar kein Zweifel, daß die Gegenſtrömungen, auf die in den Kundgebungen des Reichspoſtamts immer Bezug genommen wird, bisher nur ein willkommener Vorwand geweſen ſind. Wenn dieſer Rückhalt dem ablehnenden Verhalten des Reichs⸗ poſtamts genommen wird, ſo, bin ich vollſtändig überzeugt, müſſen unſere Beſtrebungen zum Ziele führen. (Bravo!) Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, dieſe Angelegenheit iſt für die Stadt Charlottenburg von ungeheurer Bedeutung und Wichtigkeit. Ich nehme deshalb Veranlaſſung, auch noch einmal, nach⸗ dem Herr Kollege Matting, der die Sache bearbeitet hat, dazu ſchon geſprochen hat, das Wort zu ergreifen. Ich möchte einen Punkt berühren, der heute weder von dem Herrn Referenten noch von Herrn Kollegen Matting berührt worden iſt, der aber meines Er⸗ achtens auch mit in den Vordergrund zu ſtellen iſt. Es handelt ſich, meine Herren, nicht nur um die ſchnelle poſtaliſche Abfertigung der Poſtſachen in dem Teile von Charlottenburg, der nicht zu Berlin W⸗ gehört, ſondern um die Grundlage für die Eriſtenz und geſunde Fortentwicklung unſerer Stadt, um den Umſtand, daß der Stadt nicht vorenthalten wird, daß ihr ganzes Stadtgebiet als ein einheitliches Ganzes zuſammengefaßt und zuſammengehalten wird. Meine Herren, die Aufgaben, die der Staat den ſtädtiſchen Gemeinden überwieſen hat, und die von Jahr zu Jahr größer werden, ſind nur durchzuführen dadurch, daß die Ehrenbeamten, die aus unſerer Bürgerſchaft an unſeren Arbeiten teilnehmen, mit Freude ſich an unſeren Arbeiten beteiligen. Dazu gehört aber vor allen Dingen, daß in jedem Manne und in jeder Frau, die in dem Stadtgebiet wohnen, auch das lebhafte Gefühl beſteht, das Bewußtſein wach iſt, daß ſie Bürger der Gemeinde Charlotten⸗ burg ſind. Durch die poſtaliſche Bezeichnung eines großen Teiles von Charlottenburg als „Berlin W.“ eht dieſes Bewußtſein den allermeiſten verloren. §s iſt in hohem Maße bedauerlich, daß eine Reichs⸗ behörde den Gedanken und Zwecken des preußiſchen Staates bei der Einrichtung der Verwaltung der Städte hier bei uns geradezu kontrekarriert durch eine fortgeſetzte Mißhandlung der Stadt Charlottenburg auf dieſem Gebiete. 4 (Sehr richtig!) Sie wiſſen alle, meine Herren, wie ſehr ſchwer es dem Wahlausſchuß wird, wenn er Ehrenbeamte zu finden ſucht für unſere weit verzweigten Ehren⸗ beamtenſtellen, ſei es in der Steuerverwaltung, ſei es in der Armenverwaltung, und Sie wiſſen, in wie zahlreichen Fällen ihm Ablehnungen zu teil werden. Das liegt daran, meine Herren, daß ein großer Teil derjenigen Bewohner Charlottenburgs, die in Berlin W. leben, ſich nicht bewußt ſind, daß ſie Charlotten⸗ burger ſind. (Sehr richtig!) Nebenbei will ich bemerken, daß es auch den Wohltätigkeitsbeſtrebungen unſerer Stadt ſehr ſchwer wird, ihre Pflichten zu erfüllen, die heutzutage von der freiwilligen Armenpflege verlangt werden, und die in neuerer Zeit mit Recht, namentlich nach dem Muſter von England, bei uns mehr und mehr ſich ausbreiten. Die Bewohner von Charlottenburg, die in Berlin W. wohnen, werden geradezu in ſyſtema⸗ tiſcher Weiſe überſchwemmt mit Aufforderungen zum Beitritt und mit Erhebung von Beiträgen ſeitens Berliner Vereine, die nur für Berliner Zwecke arbeiten, und die dadurch denjenigen Zwecken ge⸗ radezu entgegenarbeiten, die wir als Charlotten⸗ burger zu erfüllen haben. Ich habe mir eine reiche Sammlung von ſolchen Aufforderungen zum Beitritt und zu Beitragszahlungen an Berliner Vereine an⸗ gelegt, die an mich gekommen ſind, der ich auch in „Berlin W.“ wohne. Ich will Ihnen als Beiſpiel nur mitteilen, daß der Verein der Berliner Ferien⸗ kolonien ganz ſyſtematiſch von Haus zu Haus Auf⸗ forderungen zum Beitritt zu dem Verein für die Berliner Ferienkolonien geſandt hat. Nun haben wir aber einen eigenen Verein, meine Herren, der die Charlottenburger Ferienkolonien unterſtützt; ein großer Teil der Charlottenburger, die in „Berlin W.“ wohnen, zahlen an den Berliner Ferienkolonienverein, und kommt nun der Bote unſeres Vereins, dann werden die Taſchen zuge⸗ halten, weil ſchon einmal für Ferienkolonien gezahlt ſei. Das iſt erklärlich, aber es iſt bedauerlich, und es widerſpricht direkt jenen Zwecken, die die Stadt Charlottenburg zu erfüllen hat. Wir müſſen mit aller Energie darauf dringen, daß der Grundſatz, der bei jedem kleinen Dorfe von den Staatsbehörden innegehalten wird, daß nämlich die Grenzen des kommunalen Bezirkes reſpektiert werden von allen Staatsbehörden, Anwendung findet auch auf die Stadt Charlottenburg. Ahnliches, wie bei uns, geſchieht in keiner Landgemeinde. Es wäre unerhört, jeder Landrat würde ſich aufs äußerſte da⸗ gegen wenden, wenn ein Zipfelchen einer Dorflage poſtaliſch zu irgend einem anderen Gemeindegebiet oder einem anderen Landratsamt geſchlagen würde, und hier in Charlottenburg tut man es ohne weiteres! Daß man es überhaupt getan hat, iſt ja hiſtoriſch zu erklären. Damals, als Berlin ſich ausdehnte und uüber die Grenzen auf Charlottenburger Gebiet hin⸗ übertrat, war zwiſchen dem neuen Charlottenburg und dem alten Charlottenburg ein breiter Gürtel, der in Sandfeldern beſtand; da war es natürlich und zweckmäßig, daß die Poſtbehörde dieſen neu erſtandenen Teil Charlottenburgs, der ſich direkt an Berlin anſchloß, auch zu Berlin hinübernahm. Das hat ſich doch aber im Laufe von 30 Jahren ge⸗ ändert. Nun ſind die beiden Städte zuſammen⸗ gewachſen, nun liegt der Anlaß zu dieſer Einrichtung nicht mehr vor. Und ſollte wirklich die berühmte Findigkeit der Poſt daran ſcheitern, daß ſie dieſen Verhältniſſen nun nicht Rechnung zu tragen vermag? Sollte ſie ſo bureautratiſch geſtaltet ſein, daß ſie nicht imſtande wäre, ſolche Schwierigkeiten zu überwinden? Meine Herren, wenn ein rechter Wille da wäre, würde dieſe lediglich bureaukratiſche Einteilung vom Reichspoſtamt