— 9 — — Nächſtliegende für jeden Menſchen, der gewohnt iſt, in einem Rechtsſtaate zu leben, würde natürlich ſein, zu ſagen: hier muß der Rechtsweg be⸗ ſchritten werden in irgend einer Form, der Zivil⸗ rechtsweg oder der Weg bei den Verwaltungsgerichten. es liegt aber die Vermutung ungemein nahe, daß der Miniſter bei jenem Erlaß vom November 1903 ſich nicht ganz ſicher gefühlt hat; denn er hat mit jenem Erlaß einen Weg beſchritten, von dem er ganz zweifellos wußte, daß nun die Kommunen auf Gnade und Ungnade in die Hände dieſes Erlaſſes gegeben ſind, daß auf dem Rechtswege gegen den Erlaß vorzugehen, den Kommunen be nommen iſt. Meine Herren, man ſpricht — und hier, glaube ich, könnte man ganz gewiß darauf hinweiſen — von der Unverletzlichkeit des Eigentums. Man verlangt von jedermann, daß das Privateigentum geſchützt und reſpektiert wird. Das öffentlich recht⸗ liche Eigentum, deſſen ſich die öffentlichen Korporationen zu erfreuen haben, nun das hat doch auch den privatrechtlichen Schutz im vollſten Umfange, und ich glaube, es wäre tatſächlich nicht zu viel verlangt geweſen, wenn der Miniſter, wollte er überhaupt in das Verwaltungsrecht der Kommunen gegenüber ihren Schulgebäuden eingreifen, dann einen Weg beſchritten hätte, auf dem den Kommunen die Möglichkeit blieb, zunächſt wenigſtens einmal die Verwaltungsgerichte anzurufen! Meine Herren, es iſt nicht gerade wunderbar, wenn der Umſtand, daß der Miniſter dieſen Weg nicht beſchritten hat, das Rechtsgefühl des Volkes aufs ſchwerſte verletzt hat. 5 (Sehr richtig!) Ich glaube, daß ſehr ſelten einem Miniſterium gegenüber ein ſchärferes Mißtrauensvotum zum Ausdruck gebracht iſt, wie es der Preu ßiſche Städtetag ausgeſprochen hat in dem letzten Satze der im Dezember gefaßten Reſolution: Es iſt darauf hinzuwirken, daß für die Entſcheidung der Schulaufſichtsbehörden eine Rechtskontrolle geſchaffen wird. Meine Herren, ich glaube, der Miniſter hätte im Intereſſe der Regierung beſſer gehandelt, wenn er es vermieden haben würde, den Städtetag heraus⸗ zufordern, eine ſolche Reſolution zu faſſen, durch die dem Miniſterium das allerſchärfſte zum Ausdruck gebracht wird. Meine Herren, ich, wie geſagt, bin der Meinung, daß ſich ſchwer ein Rechtsweg finden wird: uns bleibt alſo nur der Beſchwerdeweg. Ich hoffe, der Magiſtrat wird den Beſchwerdeweg beſchreiten. Aber bei wem führen wir Beſchwerde? Beim Miniſter! Über wen führen wir Beſchwerde? UÜber den Miniſter! (Stadtv. Dr. von Liszt: Sehr richtig!) Meine Herren, das war auch nicht ſchön von dem Herrn Miniſter, daß er einen Erlaß bekannt gab, bei dem er ohne weiteres wußte, daß er doch ſchließlich die Inſtanz war, die auf die Veſchwerde über die Berechtigung des Erlaſſes in letzter Stelle zu entſcheiden hat. Meine Herren, der Magiſtrat wird vielleicht in Erwägung ziehen, ob nicht doch noch irgend welche Hintertür vorhanden iſt, durch die man zu irgend einem Rechtsweg gelangt. In der Deutſchen Juriſtenzeitung hat Ja, meine Herren, ich will es nicht behaupten, H Juſtizrat von Gordon einen ſehr beachtenswerten Artikel darüber waceſen der Ihnen ja in der großen Mehrzahl wahrſcheinlich nicht entgangen ſein wird. Es iſt hingewieſen worden auf Hausfriedens⸗ bruch, auf Entſchädigungsanſprüche. Meine erren, ob man es verſuchen ſoll, dieſe Wege zu beſchreiten, — wir werden heute jedenfalls nicht gut in der Lage ſein, uns darüber ſchlüſſig zu machen. Wir werden wahrſcheinlich darüber dem Magiſtrat die Entſcheidung überlaſſen müſſen. Über einen Punkt wollen wir ja doch dabei ohne weiteres auch uns klar ſein: daß, wenn wirklich auf dieſem Um⸗ wege der Rechtsweg beſchritten wird, wir keinen Tenor eines Urteils bekommen, in dem klar zum Ausdruck gebracht wird, daß das und das die Rechte der Kommune gegenüber den Schulgebäuden ſind, ſondern wir können nur aus den Gründen heraus⸗ leſen, daß die Kommune die und die Befugniſſe hat. Wir leſen ſie heraus, und, meine Herren, nach den Erfahrungen, die wir mit der Regierung gemacht haben, müſſen wir annehmen, daß die Regierung aus dieſen Entſcheidungsgründen eben etwas anderes herausleſen wird. Meine Herren, Juſtizrat von Gordon macht einen Vorſchlag für die Zukunft. Er ſagt: die Kom⸗ munen ſollten wenigſtens für die Zukunft Sorge tragen, daß derartige Dinge ſich nicht wiederholen können, wie wir ſie im Novembererlaß von 1903 erlebt haben. Er ſchlägt vor, daß man die eigent⸗ liche Verwaltung vollſtändig trennen ſoll von der Schulverwaltung. Man kann ſo viel⸗ leicht einen Verſuch machen, dieſen Weg zu beſchrei⸗ ten, obgleich ich keinen Anſtand nehme, auf ein Bedenken ſofort hinzuweiſen. Ich fürchte nämlich, daß dann der Kultusminiſter ſeinen Kollegen vom Innern anrufen wird, und der Miniſter des Innern wird auf anderm Wege verſuchen, die Kommunen zu drangſalieren. Die beiden Miniſter werden dann wahrſcheinlich Hand in Hand arbeiten. Wir befinden uns ja leider in einer Zwangs⸗ und Notlage. Gleich⸗ wohl bin ich der Meinung, — und ich hoffe, daß der Magiſtrat in dieſer Beziehung vollſtändig befriedigende Erklärungen abgeben wird —, daß der Magiſtrat wenig⸗ ſtens die Wege verſuchen wird, die uns gegeben ſind. Wenn wir uns auch beim Miniſter über den Miniſter zu beſchweren uns gezwungen ſehen: wir wollen wenig⸗ ſtens dieſen Weg verſuchen. Ob er zum Erfolg führt, — nun, wir wollen uns über den Erfolg gar keine Illuſionen machen. Aber wenigſtens haben wir nach dieſer Richtung hin unſere Schuldigkeit getan: wir haben proteſtiert gegen die Rechts⸗ gültigkeit dieſes Erlaſſes, und, meine Herren, einen derartigen Proteſt zum Ausdruck zu bringen, iſt meines Erachtens die Pflicht jeder Kommune. Meine Herren, dieſer Fall zeigt wieder einmal ſo recht, wie leicht es für die Aufſichtsbehörde iſt, den Kommunen Schwierigkeiten auf Schritt und Tritt zu bereiten, wie leicht es für die Behörde iſt, die Kommunen — man muß tatſächlich hier bei dieſer Gelegenheit das Wort gebrauchen! — zu drangſalieren und beſonders dann, wenn die Behörden einen Weg beſchreiten, der den Kommunen die Möglichkeit nimmt, dagegen ihrerſeits den Rechtsweg einzuſchlagen. Ich glaube, daß dieſer Erlaß, wie ich es ein⸗ leitend bemerkte, nur als ein kleiner Teil des ganzen Syſtems zu betrachten iſt, das heute bei der Re⸗ gierung gilt, das maßgebend iſt für das Verhalten der Regierung gegenüber den Kommunen, und dieſes Syſtem kommt darauf hinaus, daß aus jenem Ge⸗ bäude, das aus der Zeit der Wiedergeburt