— 10 — Preußens ſtammt, Steinchen für Steinchen heraus⸗ geſchlagen wird! Mögen die Regierungen, mögen vor allen Dingen die höchſten Inſtanzen ſich bewußt ſein der gewaltigen Verantwortung, die ſie damit übernehmen! Wir haben es hier nicht bloß mit dem Gebiete der theoretiſchen Selbſtverwaltung zu tun jener Selbſtverwaltung, die vielfach angeſehen wird als ein zwar hoch bedeutſames, aber doch nur ideales Moment. Hier hat die Selbſtverwaltung aber doch noch einen ganz andern Charakter: hier betätigt ſich die Selbſtverwaltung außer⸗ ordentlich praktiſch: es handelt ſich hier um die Verwaltung ganz gewaltiger Vermögen, um Ver⸗ waltung der Vermögen, die die Kommunen in die Schulen hineingeſteckt haben. Und die Frage iſt wohl berechtigt, meine Herren: was würde eigentlich aus Preußen geworden ſein, wenn die Kommunen nicht in voller Erkennt⸗ nis und Wür digung der großen Aufgaben, die ſie zu verfolgen hatten, in ſo opferwilliger Weiſe Arbeit und gewaltige finanzielle Leiſtungen hineingeſteckt hätten in die Schulen?! (Sehr gut!) Meine Herren, was die Schulen und insbeſon⸗ dere gerade die Schulen der Kommunen und die Schulen der großen Kommunen für Preußen ge⸗ worden ſind, welche Bedeutung ſie erlangt haben auf wirtſchaftlichem, auf politiſchem, auf ethiſchem Ge⸗ biete, — nun, meine Herren, ich glaube, daß in dieſem Kreiſe darüber kein Wort weiter zu verlieren iſt. Werden aber die Kommunen, wenn die Selbſtverwaltung ihnen hier endgültig ge⸗ nommen wird, dann auch nach wie vor bereit ſein, in der gleichen opferwilligen Weiſe Ar⸗ beit und Geld hineinzuſtecken in das preu⸗ ßiſche Schulweſen? Meine Herren, man mag ſich in den Miniſterien darüber klar ſein, daß die Maß⸗ nahmen, die man nun ſeit Jahr und Tag gegenüber der Schulverwaltung der Kommunen ergreift, nicht geeignet ſind, das Schulweſen zu fördern, ſondern daß ſie viel eher geeignet ſind, die Tatkraft der Kommunen auf dieſem Gebiete zu lähmen und zu ſchwächen. Und, meine Herren, den Schaden davon werden ganz gewiß nicht allein die Kommunen haben, ſondern den Schaden wird das Allge⸗ meinwohl, wird das Staatswohl tragen. Des⸗ halb glaube ich mich berechtigt, zu behaupten, daß der Erlaß vom November 1903 unvereinbar iſt mit dem Staatswohl. (Bravo!) Frageſteller Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, da ich wohl annehmen kann, daß nach der Beant⸗ wortung dieſer beiden Anfragen durch den Magi⸗ ſtrat ſich eine eingehende Beſprechung an dieſelbe knüpfen wird, (Vorſteher Roſenberg: Iſt ſchon beantragt!) ſo kann ich bei der Begründung unſerer Anfrage mich verhältnismäßig kurz faſſen. Daß auch wir der Meinung ſind, daß jener Erlaß ieder geſetzlichen Grundlage entbehrt, geht ſchon aus dem Wortlant unſerer Anfrage hervor, worin wir den Magiſtrat fragen, welche Antwort er auf dieſes jeder geſetz⸗ lichen und rechtlichen Grundlage entbehrende An⸗ ſinnen erteilt hat. Der Herr Vorredner hat von gewiſſen Impon⸗ derabilien geſprochen, die die Antwort des Magi⸗ ſtrats wahrſcheinlich ſo lange herausgezögert haben, und es kann dadurch der Verdacht erweckt werdeu, daß dieſe Imponderabilien vielleicht auch mitgewirkt haben, den Magiſtrat zu veranlaſſen, auf jenen Er⸗ laß, der doch, wie man annehmen muß, durch den Regierungspräſidenten ihm zur Kenntnis gebracht worden iſt, überhaupt keine Antwort zu erteilen. Der Kultusminiſter wenigſtens hat in einer Sitzung des Abgeordnetenhauſes ausdrücklich erklärt: Ich habe übrigens in neuerer Zeit die Regie⸗ rungen nochmals über meine Abſicht verſtändigt und zu einem Berichte darüber veranlaßt, in welcher Weiſe ſie dieſen Erlaß zur Ausführung gebracht haben. Aus den bisher eingegange⸗ nen Berichten kann ich zu meiner Genugtuung konſtatieren, daß die Regierungen im großen und ganzen meinen Intentionen gerecht ge⸗ worden ſind. Eine Beſchwerde über den Er⸗ laß iſt übrigens von den vielen tauſenden von Kommunal⸗ und Schulverwaltungen, die davon betroffen ſind, abgeſehen von der Stadt Berlin, bei mir nicht eingegangen. Dieſe Darlegung des Herrn Miniſters rechtfertigt die Vermutung, daß auch der Magiſtrat von Char⸗ lottenburg den Erlaß einfach zur Kenntnis genommen und weiterhin nichts darauf verfügt hat, Unſeres Erachtens wäre es notwendig geweſen, daß der Magiſtrat, nachdem der Erlaß ihm zur Kenntnis gebracht war, an diejenige Stelle, die ihm den Erlaß mitteilte, die Antwort richtete, daß er ſich, da der Erlaß der geſetzlichen Grundlage ent⸗ behrt, auch in Zukunft nach dieſem Erlaß nicht richten werde. Nun habe ich eine leiſe Vermutung, daß dieſe einzig notwendige Antwort ſeitens des Magiſtrats an den Regierungspräſidenten erteilt worden iſt. Wäre das nicht der Fall, dann würde allerdings der Magiſtrat dadurch, daß er zu der Sache geſchwiegen hat, die Vermutung erweckt haben: qui tacet consentire videtur, er würde dadurch die Vermutung erweckt haben, daß er dem Erlaß zu⸗ ſtimmt, daß er ſeine rechtliche Grundlage anerkennt, ihn als rechtlich beſtehend anerkennt und ſich in Zu⸗ kunft danach richten würde. Da die Bürgerſchaft ein ſehr weſentliches In⸗ tereſſe daran hat, zu erfahren, wie der Magiſtrat über dieſe Dinge denkt, und wie der Magiſtrat dem Erlaß gegenüber ſich zu verhalten gedenkt, haben wir dieſe Form der Anfrage gewählt und hoffen, vom Magiſtrat eine einigermaßen zufriedenſtellende Antwort zu erhalten. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, ich werde mich in meiner Erwiderung auf den Erlaß beſchränken, den der Herr Kultusminiſter im Novem⸗ ber 1903 hat ergehen laſſen, und auf die Verfügung, welche auf Grund dieſes Erlaſſes ſeitens der Kal. Regierung in Potsdam ergangen iſt, d. h. alſo auf diejenigen Dinge, die die Stadt Charlottenburg allein angehen. Der Erlaß des Herrn Miniſters iſt heute nicht ſeinem Wortlaute nach von den Herren Interpellanten verleſen worden. Ich möchte mir deshalb erlauben, Ihnen den Wortlaut noch einmal ins Gedächtnis zurückzurufen. Der Erlaß des Herrn Miniſters vom November 1903 lautet, wie folgt: Zur Herbeiführung eines gleichmäßigen Ver⸗ fahrens weiſe ich die Kgl. Regierungen an, — alſo ein Erlaß an ſämtliche Regierungen des preußiſchen Staates — ſofern es noch nicht geſchehen ſein ſollte, unter Be⸗ zugnahme auf § 18 der Regierungsinſtruktion vom 18. Oktober 1817 eine ausdrückliche all⸗