32 — daß er aus ſeiner Seele heraus anders entſchei⸗ den kann als ein wirklicher und wahrer Geiſtlicher, und daß er nicht immer durch die Brille des Geiſt⸗ lichen ſehen wird? Die Frage iſt nach meinem Da⸗ fürhalten ſo klar, daß ich aus prinzipiellen Gründen, und um die Schule von dem Einfluſſe der Kirche vollſtändig freizuhalten, die Erklärung abgeben muß: es darf weder ein evangeliſcher noch ein katholiſcher noch auch ein jüdiſcher Geiſtlicher in die Schuldepu⸗ tation aufgenommen werden; er gehört als ſolcher jedenfalls nicht dahin. Nun, meine Herren, wenn wir uns von dieſem Standpunkt aus an die Prüfung der Frage begeben, und wenn wir uns vergegenwärtigen, daß dasjenige, was uns hier geboten wird — ich will das nicht noch einmal wiederholen; ich will nur daran er⸗ innern, meine Herren, daß zweimal in dem Schrei⸗ ben des Regierungspräſidenten und auch in der Vorlage das gefährliche Wort „tunlichſt“ vorkommt — wenn uns alſo nichts Beſſeres geboten wird als dasjenige, was hier vorliegt, dann ſollten wir das feſthalten, was wir haben. Wir werden das umſomehr tun müſſen, meine Herren, wenn wir uns den Satz vergegenwärtigen: „Es lebt noch ein Gott, und die Vorſehung wacht“. Es kann doch einmal einen andern Kultusminiſter geben; vielleicht haben wir auch mal in 5 Jahren einen freiſinnigen Kultus⸗ miniſter. Vielleicht wird uns ein Unterrichtsgeſetz beſcheert, was wir ſeit Jahren erſtreben, eine Frei⸗ heit auf dieſem Gebiete gegeben, die uns von dem Druck der Kirche befreit, von dem der Herr Ober⸗ bürgermeiſter ſelbſt in der Verſammlung am 28. Ok⸗ tober 1903 mit großer Emphaſe geſprochen hat! Deshalb, meine Herren, glaube ich, ſollen wir uns enthalten, an die weitere Prüfung der Vorlage her⸗ anzugehen, ſchon deshalb, weil das bedauerlich wirken würde auf die Mitbürger, welche ſich an der Selbſt⸗ verwaltung beteiligen. Denn, meine Herren, dieſe Vorlage bedeutet für mich, ſie mag noch ſo ſchön verbrämt ſein und noch ſo ſchön ausſehen, nichts anderes als eine weitere Abbröckelung der Selbſt⸗ verwaltung, ich möchte faſt ſagen: als eine Entmün⸗ digung. Wir ſollen mit der Möglichkeit rechnen, daß wir vielleicht in wenigen Jahren ein Unterrichts⸗ geſetz bekommen, daß wir beſſere Zeiten bekommen können, und ſollen uns hier gleichwohl in dieſer Art und Weiſe auf Jahre hinaus die Hände binden? Ich glaube, meine Herren, Sie werden mir zugeben, daß bei einer Vergleichung des gegenwärtigen Zu⸗ ſtandes mit dem Zuſtande, wie ihn Herr Kollege Buka geſchildert hat, wie es kommen würde, wenn wir die Vorlage annehmen, zweifellos der gegenwärtige Zuſtand vorzuziehen iſt. Es wird uns geſagt: die Sache iſt gar nicht ſo gefährlich, wir wollen die Vorlage ja bloß einem Ausſchuß überweiſen, und in dem Ausſchuß können wir ſie prüfen. (Zuruf: Gewiß!) — Sie ſagen: „Gewiß!“ Was ſollen wir denn prüfen, wenn wir ein wohl verbrieftes Recht haben, wenn wir auf unſerem Rechtsboden ſtehen und uns an Stelle unſeres guten Rechts etwas anderes geboten wird, von dem ich annehme, daß es lange nicht ſo gut iſt als das, was wir bisher haben? Dann kann doch das Verhandeln in dem Ausſchuß nur den Zweck haben, daß wir uns, wenn es gelingen ſollte — es kann ja gelingen —, unſere guten Rechte, die wir haben, wegdisputieren laſſen. Das wollen wir unter keinen Umſtänden. Wir wollen keine Verhandlungen, wir wollen keinen faulen Frieden. Wir wollen, wenn uns das Beſſere geboten wird, das Beſfere gern nehmen, aber dasſenige behalten, was wir haben, ſolange uns nichts Beſſeres geboten wird. Deshalb bitte ich Sie, meine Herren, gegen eine Ausſchußberatung zu ſtimmen. (Zuruf des Stadtverordneten Kaufmann). — Mein Kollege Kaufmann ſagt zwar, ich habe keine Stimme gewonnen. Dies wäre Scherz, da ich das Gute gewollt habe. Die Kritik aus dem eignen Lager iſt bedauerlich und nur aus dem Feuereifer für eine gegenteilige Überzeugung zu erklären. Aber ich würde mich dennoch ungemein freuen, wenn es mir gelungen ſein ſollte, durch meine Ausführungen, die ich aus vollſtem Herzen gemacht habe, einen Teil der Herren gerade aus dem anderen Lager überzengt zu haben. Ich ſtehe auf dem Standpunkt, ohne den guten Willen des Magiſtrats zu verkennen, daß der Schritt, den wir tun, ungehener gefährlich iſt. Ich bitte Sie, die Vorlage ohne weiteres abzulehnen. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, mein Freund Hirſch hat unter anderm geſagt, der 28. Ok⸗ tober 1903 ſei ein Ruhmesblatt in der Geſchichte der Stadtverordnetenverſammlung Charlottenburgs geweſen, weil mit einer ſeltenen, mit einer eigentlich noch nie erreichten Einmütigkeit dort die Stadt⸗ verordneten und der Magiſtrat für Wahrung der Selbſtverwaltung eingetreten ſind. Ich kann dieſen Standpunkt nicht ganz teilen; denn, meine Herren, ein Ruhmesblatt in der Geſchichte Charlottenburgs könnte dieſer Tag doch nur ſein, wenn ihm gleiche Tage folgen. Schon damals, am 28. Oktober, haben meine Freunde den Standpunkt vertreten, daß eine Selbſtverwaltung überhaupt noch gar nicht exiſtiert, und, meine Herren, die Diskuſſion, die wir heute erleben, die Vorgänge, die wir ſeit dem 28. Oktober 1903 auf dem Gebiete der Schule erlebt haben, zeigen uns, daß die Meinung, der wir damals Ausdruck gegeben haben, eine durchaus berechtigte iſt: daß von einer Selbſtverwaltung in der Tat gar leine Rede ſein kann. Der Herr Oberbürgermeiſter hat ja darzulegen ſich bemüht — oder ich möchte beinahe ſagen: nicht einmal ſich bemüht darzulegen —, daß der Magiſtrat den Standpunkt, den er in jener ſogenannten denkwürdigen Sitzung vertreten hat, auch weiterhin gewahrt hat. Der Herr Ober⸗ bürgermeiſter führte ſeine eigenen Worte von damals an, die darauf hinausliefen, daß die Verfügung des Regierungspräfidenten ein Bruch ſei der beſtehenden Rechte, und daß der Magiſtrat dieſem Bruch der beſtehenden Rechte ſich widerſetzen werde bis aufs äußerſte, und zweitens, daß er dem Eindringen des Einfluſſes der Kirche in die Schule Widerſtand ent⸗ gegenſetzen wollel Nun, meine Herren, wenn der Magiſtrat auf dieſem Standpunkt ſtand daß die Verfügung des Regierungspräſidenten ein Rechtsbruch war, eine ungeſetzliche Verfügung, — ein Standpunkt, der in vollſter Schärfe von ſeiten des Magiſtrats nicht nur, ſondern auch in der Stadtverordneten⸗ verſammlung vertreten wurde, — wenn das der Standpunkt war und noch iſt, dann hat der Magiſtrat gar kein Recht, gar keinen Anlaß gehabt, mit dem Regierungspräſidenten darüber erneut in Verhandlung zu treten, ſondern dann war der einzig gebotene Weg der Weg, der damals einmütig von der Stadt⸗ verordnetenverſammlung beſchloſſen wurde, den Rechtsſtandpunkt der Kommune zu wahren gegenüber dieſer ungeſetzlichen, dieſer unrechtmäßigen Verfügung durch die Beſchwerde beim Miniſter. In demſelben Augenblick, in dem der Magiſtrat von dieſem klaren