49 nach den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters finanzielle Bedenken gegen die Anträge des Aus⸗ ſchuſſes vorlägen. Der Ausſchuß hatte, wie geſagt, einen Teil unſerer Anträge, namentlich den Antrag auf Einführung des neunſtündigen Arbeitstages, an⸗ genommen. Dieſe finanziellen Bedenken machte ſich nun die Mehrheit der Verſammlung zu eigen und überwies die Anträge dem Ausſchuß zurück. Der Herr Referent hat bereits angeführt, daß gerade die finanzielle Seite, auf die es ankam, in dem Ausſchuß nicht geklärt worden iſt, und ſie konnte auch gar keine Klärung erfahren, da eben überhaupt keine beſtimmten Grundlagen vorlagen. Der Ausſchuß hat ſich — wenigſtens haben ich und derjenige meiner Fraktionskollegen, der mit mir im Ausſchuß tätig war, den Eindruck gewonnen — einfach auf den Standpunkr geſtellt: wir wollen nichts für die Arbeiter tun; er fragte nicht mal: können wir die Forderungen, die in den Anträgen emhalten ſind, bewilligen —, ſondern er ſtimmte einfach die An⸗ träge, die von uns geſtellt waren, nieder. Meine Herren, noch etwas anderes iſt dabei zu bemerken. Man überwies die Anträge nicht etwa an denſelben Ausſchuß zurück; denn dieſer Ausſchuß hatte ja gezeigt, daß er etwas ſoziales Empfinden befitzt, und ſolche Ausſchüſſe kann man in der Stadt⸗ verordnetenverſammlung nicht gebrauchen. Man ver⸗ ſtärkte den Ausſchuß und wählte einige Herren hinein, von denen man ganz ſicher war, daß ſie für Anträge zugunſten der ſtädtiſchen Arbeiter nun und nimmer zu haben ſind. Der erſte Ausſchuß war ſo zuſammen⸗ geſetzt, daß die Herren von der liberalen Fraktion und die Herren von der ſozialdemokratiſchen Fraktion über die Mehrheit verfügten. Man ſorgte nun dafür, daß namentlich aus der liberalen Fraktion einige Herren hineinkamen, die ihrer ganzen Anſchauung nach naturgemäß gegen unſere Anträge ſein mußten. Und ſo wurde denn künſtlich eine Mehrheit gegen die Anträge geſchaffen. Auf die Anfichten, die in dem Ausſchuß geäußert wurden, möchte ich hier nicht allzu ſehr eingehen. Ich möchte nur betonen, daß man da Anſichten vernahm, die, wenn ich ſie nicht mit eigenen Ohren gehört hätte, ich niemals aus dem Munde eines Mitgliedes der Charlottenburger Stadtverordneten⸗ verſammlung für möglich gehalten hätle. Da wurde gegen unſeren Antrag auf Verkürzung der Arbeitszeit und Beſeitigung der luberſtunden der Grund geltend gemacht, daß die Arbeiter ſyſtematiſch darauf hin⸗ drängen, möglichſt wenig zu arbeiten. Ja, einer der Herren verſtieg ſich ſogar zu der ſehr geiſtreichen Be⸗ merkung, daß die Agitatoren die Arbeiter direkt auf⸗ forderten, möglichſt wenig zu arbeiten. Nun, meine Herren, ich hoffe, daß die Herren, die derartige Außerungen im Ausſchuß getan haben, auch den Mut finden werden, dieſe ihre Anſchauungen hier im Plenum zu vertreten. Wir weiden ja dann Ge⸗ legenheit haben, uns weiter mit den Herren aus⸗ einanderzuſetzen. Ich meine, wenn man eine ſo tiefe Weisheit an den Tag legt, dann ſoll man das nicht im ſtillen Kämmerlein tun, ſondern dann ſoll man auch in der Offentlichkeit auftreten und da feine Weisheit zum beſten geben. Ich hoffe, daß die Mehrheit der Verſammlung doch nicht ſo rückſtändig iſt wie die Herren, die derartige Außerungen gelan haben. Die Herren ſtützten ſich im Ausſchuß. in dem ja eine eigentliche Beratung über die Anträge gar nicht mehr ſtattfand ich gebe ohne weiteres zu, daß auch wir unſer Teil dazu beigetragen haben, wirnſeine Partei allerdings in Anſpruch nimmt. hatten keine Luſt, weiter noch über Anträge zu be⸗ raten, von denen wir von vornherein wußten, daß ſie doch abgelehnt würden — die Herren ſtützten ſich im Ausſchuß einfach auf ihre Macht, die ihnen durch das Dreiklaſſenwahlſyſtem gegeben iſt; ſie führten keine Gründe gegen unſere Anträge an, ſondern ſtimmten unſere Anträge einfach nieder. Das iſt die Arl und Weiſe, wie man jetzt in Charlottenburg ſozialpolitiſche Anträge behandelt! Früher war es anders. Meine Herren, gerade die Herren, die im Ausſchuß dafür geſorgt haben, daß unſere Anträge keine Mehrheit fanden, ſind Schuld daran, wenn es mit dem Ruf, den die Stadt Charlottenburg als einer ſozialpolitiſch vorgeſchrittenen Stadt genießt, allmählich zu Ende geht. Die Behandlung unſerer Anträge ſowohl früher hier im Plenum, als auch jetzt im Ausſchuß hat den Beweis dafür geliefert, daß die Stadt Charlottenburg genau ſo wenig vor⸗ geſchritten in ſozialpolitiſchen Fragen iſt wie alle übrigen Gemeinden, bei denen lediglich das Intereſſe des Kapitalismus ausſchlaggebend iſt. (Rufe: Oho! — Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, wir geben uns nicht der Hoffnung hin, daß unſere Auträge, über die ich im übrigen namentlich abzuſtimmen bitte, heute hier eine Mehrheit finden werden. Aber verlaſſen Sie ſich darauf: wir werden ſie bei gelegener Zeit wieder von neuem einbringen. Wir hoffen, daß doch noch einmal die Zeit kommen wird, wo ſich hier in der Verſammlung und auch im Magiſtrat eine Mehrheit für ſozialpolitiſch verſtändige Anträge finden wird. Wir hoffen, daß einmal die Zeit kommen wird, wo Charlottenburg ſeinen Ruhm darin ſucht, anderen, weniger leiſtungsfähigen Gemeinden und Privat⸗ unternehmern mit gutem Beiſpiel voranzugehen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, die Kritik, die der Herr Stadtv. Hirſch an der Art der Behandlung geübt hat, die die Angelegenheit hier ge⸗ funden hat, hat ſich ja, wenigſtens dem Wortlaut ſeiner Erklärung nack, gegen die Stadtverordneten⸗ verſammlung und an deren Adreſſe gerichtet; aber es iſt auch vielfach der Magiſtrat und ſeine Stellung⸗ nahme zu der Angelegenheit erörtert worden, und das zwingt mich doch zu der Gegenerklärung, daß ich für den Magiſtrat jedenfalls das Wort „rückſtändig auf ſozialem Gebiete“ in keiner Weiſe anerkennen kann. Daß der Magiſtrat in jeder Beziehung alle ſozialen Fragen mit Wohlwollen verfolgt, hat er meiner Anſicht nach wieder⸗ holt bewieſen. Er hat es in hervorragendem Maße gerade in der Formulierung ſeiner Lohn⸗ und ſonſtigen Be⸗ ſtimmungen für die ſtädtiſchen Arbeiter bewieſen, und auch in der Behandlung und gründlichen Prüfung, die er den Anträgen des Herrn Stadtv. Hirſch hat zuteil werden laſſen. Daß aber eine ſolche Frage, wie die des neunſtündigen Arbeitstages, nicht von heute auf morgen gelöſt werden kann, daß man dazu ſehr gründliches Material und ſehr reifliche Prüfung nötig hat, das haben die Arbeiten auch jetzt im Aus⸗ ſchuß wieder erwieſen. Die Herren haben ſich davon überzeugen müſſen, daß trotz der mehrfachen Aus⸗ ſchußberatungen, trotz gründlicher Behandlung von verſchiedenen Seiten dieſe Frage auch jetzt noch nicht zur Klärung gebracht iſt, und Herr Stadtv. Hirſch hat ganz recht: wenn wir nach Jahresfriſt das Ma⸗ terial, das der Zuſatzantrag des Herrn Stadtv. Spie⸗ gel verlangt, Ihnen vorlegen werden, wird die Frage auch noch nicht ſo ohne weiteres ſpruchreif ſein, wie der Herr Stadtv. Hirſch es für ſeine Perſon und 50