— 57 Santernam das, was ihm an meinem Freunde Baake ſo gut gefallen hat. Ich hoffe, daß er nun alles einſetzt, um die Mehrheit der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung zu bewegen, dem Antrage zuzuſtimmen. Wenn Herr Bürgermeiſter am Schluß noch darauf hingewieſen hat, daß der Magiſtrat Ausführungs⸗ beſtimmungen erlaſſen wird, ſo möchte ich die Bitte an ihn richten, daß dieſe Ausführungsbeſtimmungen zur Kenntnis der Stadtverordnetenverſammlung ge⸗ bracht werden. Es muß uns daran liegen, über die Verhältniſſe der ſtädtiſchen Arbeiter informiert zu ſein, und es wird ja dem Magiſtrat nicht allzu viel Mühe machen, da die Ausführungsbeſtimmungen ja doch gedruckt werden, ſie auch der Stadtverordneten⸗ verſammlung zugänglich zu machen. Im übrigen kann ich Sie nur bitten, meine Herren, daß Sie den von uns geſtellten Anträgen, vor allem aber dem Antrage auf Einführung des Neunſtundentages zuſtimmen. Wir werden, wenn Sie das tun, nicht, wie Herr Kollege Dr. Erüger meint, das Anſehen der Kommune Charlottenburg ſchädigen, ſondern wir werden dann dazu beitragen, daß Charlottenburg mit Recht den Ruf einer ſozial⸗ politiſch fortgeſchrittenen Gemeinde genießt. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Vorſteher Roſenberg: Herr Stadtv. Hirſch, ich habe Sie in Ihren Ausführungen nicht unterbrechen wollen. Sie haben ſich aber zwei Ungehörigkeiten zu Schulden kommen laſſen. Sie haben davon ge⸗ ſprochen, daß Mitglieder der Verſammlung nicht den Mut ihrer Überzeugung haben. Das iſt unzuläſſig. Sie haben dann davon geſprochen, daß eine Fraktion der Stadtverordnetenverſammlung plumpe Manöver ausgeführt habe. Auch das dürfen Sie nicht ſagen. Stadtv. Mittag: Meine Herren, ich bekenne mich als das Kommiſſionsmitglied, das die betreffende Außerung im Ausſchuß getan haben ſoll. Wir haben im Ausſchuß von dem Vertreter der Sozialdemokratie wieder die berühmte ſozialpolitiſche Rede gehört, die darin gipfelt, daß die Arbeiter in neun Stunden genau dieſelbe Arbeit leiſten wie in zehn Stunden, weil ſie in der zehnten Arbeitsſtunde ſchon abge⸗ arbeitet ſeien, ja daß ſie, wenn ſie nur acht Stunden arbeiten würden, auch in den acht Stunden dasſelbe leiſten würden, was ſie in zehn Stunden arbeiten, da auch in der vorhergehenden Stunde nicht mehr die phyſiſche Kraft den Arbeitern bliebe, um über⸗ haupt noch etwas leiſten zu können. Dem konnte ich mich nicht anſchließen. Und ich kann nur Beiſpiele aus dem Gebiete nehmen, wo ich zu Hauſe bin, und das Gebiet, das ich beherrſche, iſt das Baugewerbe und die dem Baugewerbe verwandten Betriebe. Im Baugewerbe iſt bekanntlich die Akkordarbeit verpönt. Es wird im allermindeſten Maße Akkordarbeit aus⸗ geführt. Das Baugewerbe iſt zum übergroßen Teil auf Tagelöhne angewieſen. Das Baugewerbe hat den neunſtündigen Arbeitstag ſchon ſeit langer Zeit bewilligt. Da kann ich Ihnen nun aber aus meiner Praris mitteilen, daß die Arbeitsleiſtung nicht nur prozentual der einen verlorenen Stunde zurückgegangen iſt, ſondern daß ſie um ein ganz Bedeutendes zu⸗ rückgegangen iſt. Das habe ich in der Kommiſſion ſchon ausgeführt, und, meine Herren, ich habe auch geſagt, daß die Arbeiter nicht mehr arbeiten wollen. Denn das iſt der Fall; ſonſt müßte doch die Arbeit geleiſtet werden. Wo iſt denn die Kraft geblieben? Sie iſt doch nicht verloren gegangen! Alſo wenn die Kraft da iſt, wenn ich zahle, dann muß der Arbeiter auch ſoviel Ehrgefühl haben, daß er ſeine Arbeitsleiſtung, die er in ſich trägt, auch voll zur Geltung bringt; das iſt ſeine Pflicht. Dagegen habe ich mich gewendet. In meinen Ausführungen mag ich ja, Herr Kollege Hirſch, die Worte etwas anders geſagt haben; (Stadtv. Hirſch: Aber ſehr anders!) ich ſtehe Ihnen zur Verfügung; ich ſage: in dieſer Weiſe habe ich dies begründet, daß der neunſtündige Arbeitstag nicht das gibt, was die Herren uns hier ſchon zu wiederholten Malen vorgeführt haben. Ich bekomme hier ſoeben eine Notiz, daß in Bremen an der Gasanſtalt nach Einführung der achtſtündigen Arbeitszeit ſogar die Ausgaben ſich auf das Anderthalbfache geſtellt haben. Meine Herren, ich glaube, ſo wird ſich das auch in den anderen Betrieben ſtellen. Ich bin darauf übergegangen, daß ich geſagt habe, daß wir in Charlottenburg nun gar nicht nötig haben, die Arbeitszeit zu verkürzen. Die Arbeits⸗ zeit in den Außenbetrieben, gerade alſo auch im Bau⸗ gewerbe, gerade auch in Charlottenburg, wo es ſich zum großen Teil um Außenbetriebe handelt, iſt erſtens abhängig von der Witterung; ſetzt die Witterung mit ungünſtigen Verhältniſſen ein, ſo wird die Arbeit unterbrochen. Sie iſt abhängig von der Tageszeit; im Winter iſt die Arbeitszeit bedeutend kürzer als im Sommer. Sie iſt abhängig von der Jahreszeit, weil an den Froſttagen im Winter, wenn wir viele Froſttage haben, nicht ſoviel gearbeitet werden kann, als eigentlich geleiſtet werden muß. In dieſer Aus⸗ führung bin ich darauf zurückgekommen, daß die Leute in Charlottenburg ja im Durchſchnitt nicht neun Stunden arbeiten, und daß die Charlottenburger Arbeiter ſich auch ſehr wohl fühlen müſſen, da ſie tagaus tagein bei uns Beſchäftigung haben, die ſie draußen als Arbeiter im Außengewerbe niemals finden würden. In dieſen Worten gipfelte meine Behauptung, und ich ſtehe auch heute noch auf dem Standpunkt, daß die Einführung der Neunſtundenarbeitszeit für Charlottenburg meines Erachtens nicht empfehlens⸗ wert iſt. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, nur ein paar kurze Worte! Der Stadtv. Hirſch hat in ſeinen beiden Reden, in denen er den Magiſtrat angegriffen hat, weiter nichts vorgebracht, als wir längſt von ihm wiſſen; es ſind „olle Kamellen“, die wir von dieſer Seite ſchon ſeit Jahren gehört haben. Nie kommt ein neuer Gedanke hinein; es ſind die alten abgetanen Worte mit all den Schlagwörtern, die wir immer gehört haben, von der Rückſtändigkeit und vom kapitaliſtiſchen Geiſte uſw. Ich habe den Eindruck, meine Herren, als ob der Herr Stadtv. Hirſch die Notwendigkeit empfunden habe, eine etwas frühzeitige politiſche Wahlrede zu halten, als er ſeine Ausführungen machte. Er hat vor uns geſtanden als ein ſtrenger Zenſor, und er hat reife Männer, die ihr eigenes Urteil haben, die Mitglieder des Magiſtrats und der Stadt⸗ verordnetenverſammlung, gerade ſtehen laſſen und ſie abgekanzelt, als ob ſie nicht wüßten, was ſie täten. Nun, meine Herren, dieſes Recht hat der Herr Stadtv. Hirſch nicht. Er hat nicht das Recht, bei der be⸗ kannten Sachlage über Rückſtändigkeit 9 ſprechen; er hat nicht das Recht, uns andere Wege vorzu⸗ ſchreiben, die wir wandeln ſollten, als ob wir nicht wüßten, was wir wollen. Wir wiſſen ganz genau, was wir wollen, wir, die große Majorität in der Stadtverordnetenverſammlung und die Männer im