ähnlich antworten, namentlich auf den Vorwurf, den er mir gemacht hat, daß ich hier eine etwas früh⸗ zeitige politiſche Wahlrede gehalten habe. Als ein Redner aus der Verſammlung mit anderen Worten daſſelbe ſagte wie der Herr Oberbürgermeiſter, als er mir vorwarf, daß ich eine Rede zum Fenſter hinaus halte, iſt der Herr Vorſteher eingeſchritten. Bei dem Herrn Oberbürgermeiſter hätte er, wenn dieſer zu⸗ fällig Mitglied der Verſammlung wäre, auch ein⸗ ſchreiten müſſen. Ich verzichte darauf, dem Herrn Oberbürgermeiſter auf dieſen Weg zu folgen. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagt, ich hätte nicht das Recht, über Rückſtändigkeit zu ſprechen und andere Wege vorzuſchlagen, die die Mehrheit und der Ma⸗ giſtrat wandeln ſoll. Meine Herren, welches Recht ich habe, darüber laſſe ich mir von niemandem eine Vorſchrift machen. Dazu hat auch der Herr Ob erbürgermeiſter lein Recht, mir irgend eine Vor⸗ ſchrift zu machen. Ich betrachte es nicht nur als mein Recht, ſondern als meine Pflicht, als Pflicht jedes Stadtwerordneten, Vorſchläge zu machen. Wir ſind nicht dazu da, immer nur Ja und Amen zu ſagen, ſondern wir ſind dazu da, unſere Meinung zu ſagen und zu kritiſieren, was wir für falſch halten. Und ich halte die meiſten Vorſchläge, die der Magiſtrat uns macht, für falſch. Wir ſind dazu da, zu kritiſieren und zu ſagen, was wir beſſer wünſchen. Unſere Wähler haben uns nicht hierher geſchickt, damit wir den Mund halten, ſondern damit wir das, was wir zu ſagen haben, auch offen ſagen. Das hindert uns natürlich nicht, an der Verwaltung mit zu arbeitlen. Und will der Herr Oberbürgermeiſter etwa behaupten, daß trotz dieſer Kritik, die wir an der Verwaltung üben, die Sozial⸗ demokratie in Charlottenburg nicht eifrig an den Ge⸗ ſchäften teilnimmt? Ich glaube nicht, daß der Herr Fenn m im ſtande iſt, das in Abrede zu ſtellen. Der Herr Oberbürgermeiſter ſchloß ſeine Rede mit den Worten: es iſt endlich einmal notwendig, daß auch hier im Saale das Wort erſchallt, daß die kleine Minorität uns nicht fortwährend drangſaliert. Meine Herren, dieſe kleine Minorität repräſen⸗ tierr die große Maſſe der Charlottenburger Ein wohnerſchaft, und dieſe kleine Minorität drang⸗ ſaliert niemanden. Wenn der Herr Oberbürgermeiſter drangſaliert iſt, ſo iſt das von anderer Seiten ge⸗ ſchehen, und er wird ja wohl wiſſen, welche Seite ich meine. Der Magiſtrat und die Stadtverordneten⸗ verſammlung haben auch andere Zeiten durchgemacht, als wir ſie jetzt haben. Durch ſoche Vorwürfe werden wir uns nicht hindern laſſen, zu tun, was wir für richtig halten. Ob der Herr Oberbürgermeiſter unſere Wege für richtig hält, kann uns ganz gleichgiltig ſein; wir ſind von der großen Maſſe der Sozial⸗ demokratie hierher geſchickt und werden dieſe Wege weiter gehen. Eine größere Schmeichelei, als daß wir den Magiſtrat drangſalleren wollen, hätte der Herr Oberbürgermeiſter uns garnicht ſagen können. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Ich betrachte es als mein Recht, meine Überzeugung offen und laut zur Kenntnis zu geben, und laſſe mir keine Vor⸗ ſchriften machen, auch nicht von den Führern der Sozialdemolratie, — welche Führer nicht identiſch ſind mit den Leuten, die einmal eine ſozialdemokra⸗ tiſche Stimme abgeben, und jedenfalls nicht identiſch ſind mit der Bürgerſchaft Charlottenburgs! (Lebhaftes Bravo.) 59 Stadtv. Sellin: Dem Herrn Oberbürgermeiſter muß ich erklären: auch ich und meine Freunde werden ſich das Recht nicht nehmen laſſen, zu kritiſtieren und das Recht in Anſpruch zu nehmen, was der Herr Oberbürgermeiſter für ſich in Anſpruch nimmt. Ich wollte nur auf das antworten, was Herr Kollege Mittag anführte. Herr Kollege Mittag be⸗ liebt es nach meiner Meinung heute ſo hinzuſtellen, als ob er ſeine Ausführungen in der Kommiſſions⸗ ſitzung durchaus nicht ſo ſcharf gemeint hätte, daß die Agitatoren die Urheber geweſen wären, ſondern die geringere Arbeitsleiſtung erkläre ſich ſchon daraus, daß die Arbeiter durchaus weniger arbeiten wollten. Die Debatte, die ſich darum drehte, ob in 9 Stunden oder in 10 Stunden mehr oder weniger gearbeitet wird, verſuchte Herr Kollege Mittag dadurch abzu⸗ leiten, daß er erklärte, er habe die Erfahrung im Baugewerbe, diß früher in 10 Stunden 1000 Steine vermauert würden und bei 9 Stunden kaum 400. Ich erwiderte: das ſcheint ſehr übertrieben zu ſein. Ich meine, es iſt unbedingt übertrieben. Wenn um eine Stunde die Arbeitszeit verkürzt wird, iſt es nicht möglich, daß der Maurer ca. 500 bis 600 Steine weniger vermauert. (Zuruf: Doch!) Meine Herren, Sie ſagen: doch. Es iſt eigentlich zu bewundern, daß die Herren Arbeitgeber im Bau⸗ gewerbe, die doch eine ganz gute Kontrolle auf ihren Bauten haben, die den Arbeiter antreiben, zu arbeiten, ohnmächtig ſein ſollten, das nicht durchzuführen, und es iſt zu bewundern, meine Herren, daß, da der Vertrag ſchon ſo lange eriſtiert, Sie bis jetzt noch nicht bankrott geworden ſind. (Lachen.) . Meine Herren, die Erfahrungen, die ich jetzt bei den Maurern geſammelt habe, haben das Reſultat ergeben, daß auch jetzt auf den gewöhnlichen Miets⸗ kaſernenbauten ca. 700 Steine vermauert werden. Herr Kollege Mittag beliebte es aber ſo hinzuſtellen, als wenn auf den gewöhnlichen Bauten kaum 400 Steine vermauert würden. (Zurufe.) — Was, Herr Kollege Döbler? (Stadtv. Döbler: Ganz richtig! — Glocke des Vor⸗ ſitzenden.) Vorſteher Roſenberg: Ich bitte, die Zurufe zu unterlaſſen. Stadtv. Sellin: Der Herr Kollege Döbler be⸗ liebte es zu beſtätigen. Meine Herren, die Maurer werden Ihnen darauf antworten, was Sie aus⸗ geſprochen haben. (Lebhafte Rufe: Ahal) Sie ſagen: aha! Jawohl, meine Herren, der Arbeiter hat die Pflicht, darauf zu antworten, wenn etwas behauptet wird, was nach ſeiner Meinung und was nach unſerer Meinung nicht wahr iſt. Es iſt über⸗ trieben geweſen. Herr Kollege Mittag hat es heute auch nicht ſo kraß hingeſtellt, wie es in der Ausſchuß⸗ ſitzung hingeſtelli iſt. Aljo die Arbeiter werden darauf antworten. Und wenn Sie damit bezweckt haben, daß die Anträge abgelehnt werden, — gewiß, das war uns vielleicht allen vorher klar, daß Sie die Anträge ablehnen würden; aber ich meine, die ſtädtiſchen Arbeiter werden deſſen eingedenk ſein und werden darauf antworten. Ich gebe gern zu, was Herr Kollege Mittag ſagt, daß es mehr konet wie in Bremen. Es hätte auch bei uns mehr gekoſtet, gewiß. Aber warum