— 77 ſchmackhaft gemacht werden ſoll gerade mit dem Hinweis darauf, daß die Regierung dieſe Dienſtan⸗ weiſung genehmigt, daß wir damit mit der Regierung zu einem erträglichen modus vivendi kommen, und deswegen, meine Herren, muß ich die Frage auf⸗ werfen: iſt es denn in irgend einer Weiſe notwendig, daß wir zu Beſchlüſſen über die Zuſammenſetzung der Schuldeputation einer Genehmigung durch die Regierung bedürfen? Und da muß ich geſtehen: meines Erachtens iſt das durchaus nicht notwendig; meines Erachtens hat die Regierung nicht das mindeſte Recht, einem Beſchluß über die Zuſammen⸗ ſetzung einer ſtädtiſchen Deputation, wie es die Schul⸗ deputation iſt, zuzuſtimmen oder nicht zuzuſtimmen. Wir können über die Zuſammenſetzung der Schul⸗ deputation in genau derſelben Weiſe beraten, wie wir etwa beraten über die Zuſammenſetzung der Deputation für das Elektrizitätswerk und über die Zuſammen⸗ ſetzung der Deputation für die Gasanſtalten. Um dieſen Standpunkt zu begründen, muß man allerdings auf die geſetzlichen Beſtimmungen etwas zurückgehen, und da werden ja mehrfach angeführt Beſtimmungen des allgemeinen Landrechts, die ſagen, daß die Schulen Veranſtaltungen des Staates ſind. § 1 Teil II Tit. 12 heißt: „Schulen und Univerſitäten ſind Veranſtaltungen des Staates, welche den Unter⸗ richt der Jugend in nützlichen Kenntniſſen und Wiſſenſchaften zur Abſicht haben“. Nun muß man allerdings ſchon zugeſtehen, ſelbſt wenn man dieſen Titel des allgemeinen Landrechts weiter lieſt, daß im allgemeinen Landrecht bereits von Schulen, von privaten Erziehungs⸗ und Unterrichtsanſtalten die Rede iſt, die nicht Veranſtaltungen des Staates ſind. Aber ganz abgeſehen davon: wie kommt man denn überhaupt dazu, ſich auf das allgemeine Land⸗ recht zu berufen? Gewiß iſt das allgemeine Land⸗ recht noch nicht ſo alt, wie die Konſiſtorialverordnung von 1573 — oder war es 1473, (Heiterkeit.) auf die man ſich berufen hat für gewiſſe Leiſtungen Berlins an kirchliche Gemeinden. Aber mit dem⸗ ſelben Recht könnte man ſich auch berufen auf ge⸗ ſetzliche Zuſtände, die zu den Zeiten herrſchten, als die Hohenzollern in die Mark kamen, oder gar noch früher. Das allgemeine Landrecht, meine Herren, iſt doch eben ein Geſetzbuch, in dem von einer Selbſt⸗ verwaltung überhaupt nicht die Rede ſein kann, (Stadtverordneter Dr. v. Liszt: Sehr richtig!) ein Geſetzbuch, das zu einer Zeit erlaſſen iſt, in welcher es keine Selbſtverwaltung gab. Wenn man alſo irgendwie Aufſchluß haben will über geſetzliche Beſtimmungen, über Beſtimmungen, wie weit das Recht der Städte an ihren Schulen reicht, dann kann man doch nicht auf ein Geſetzbuch zurückgreifen, in welchem von einer Selbſtverwaltung auch nicht der Schimmer zu finden iſt, ja, der Natur dieſes Ge⸗ ſetzbuches nach auch garnicht gefunden werden kann. Ich halte es überhaupt für einen falſchen Weg, auf möglichſt alte Geſetze zurückzugreifen und nun etwa zu ſehen, wie die Geſetze ſich dann entwickelt haben bis zu unſerer Zeit. Sondern wenn wir Aufſchluß haben wollen über unſere Rechtsverhältniſſe, dann müſſen wir doch die jetzt beſtehenden reſp. die zuletzt mchen. Geſetze nehmen und bei dieſen Aufſchluß uchen. Nun iſt es ja allerdings Tatſache, daß wir im Jahre 1905, wenn auch nicht bis aufs allgemeine Landrecht, ſo doch immerhin ſchon ziemlich weit zu⸗ rückgehen müſſen, wenn wir geſetzliche Beſtimmungen über die in Frage ſtehende Materie ſuchen. Das letzte Geſetz, das mir über dieſe Beſtimmungen bekannt iſt, und wo man Aufſchluß zu finden hoffen kann, wäre das Schulaufſichtsgeſetz vom Jahre 1872. Der § 1 dieſes Geſetzes lautet: Unter Aufhebung aller in einzelnen Lan⸗ desteilen entgegenſtehenden Beſtimmungen ſteht die Aufſicht über die öffentlichen und privaten Unterrichts⸗und Erziehungsanſtalten dem Staate zu. Demgemäß handeln alle mit dieſer Auf⸗ ſicht betrauten Behörden und Beamten im Auf⸗ trage des Staates. Und der § 2 dieſes Geſetzes fügt dann noch ein die Ernennung von Lokal⸗ und Kreisſchulinſpektoren. Dieſes Geſetz iſt auch bei den jüngſten Verhandlungen im Abgeordnetenhauſe von dem Herrn Miniſter an⸗ geführt worden dafür, daß die Aufſicht über alle Schulen, auch über alle ſtädtiſchen Schulen dem Staate gebühre, und daß es eine beſondere rein ſtädtiſche Schulaufſicht nicht gibt, nach unſeren geſetzlichen Be⸗ ſtimmungen nicht geben kann. Und, meine Herren, wenn man dieſe §§ 1 und 2 dieſes Geſetzes lieſt, dann klingt es allerdings ſo, daß hier eine ſtädtiſche Schulaufſicht, ſoweit ſie etwa früher beſtanden haben ſollte, im Jahre 1872 aufgehoben und beſeitigt wor⸗ den iſt; denn es heißt ja ausdrücklich: „unter Auf⸗ hebung aller in den einzelnen Landesteilen entgegen⸗ ſtehenden Beſtimmungen“. — Aber als der Herr Miniſter ſich auf dieſes Geſetz berief, hat er es durch⸗ aus verſäumt, den § 3 dieſes Geſetzes hinzuzufügen. Als ſeinerzeit dieſes Geſetz beraten wurde, war es von der Regierung eingebracht unter der ausdrück⸗ lichen Berufung darauf, daß die ſtaatliche Schulauf⸗ ſicht gegenüber der kirchlichen Schulaufſicht zur Gel⸗ tung gebracht werden ſolle. Trotzdem das die Mei⸗ nung der Geſetzgeber war, ſagte man ſich im Abge⸗ ordnetenhauſe: ja, aber das klingt ſo, als ob auch eine ſtädtiſche Schulaufſicht beſeitigt werden ſolle, das können wir nicht zugeben —, und infolgedeſſen wurde vom Abgeordnetenhaus unter Zubilligung der Regierung dieſem Geſetze ein weiterer Paragraph hinzugefügt, und dieſer beſagt ausdrücklich: Unberührt durch dieſes Geſetz bleibt die den Gemeinden und deren Organen zuſtehende Teilnahme an der Schulaufſicht, ſowie Art. 24 der Verfaſſungsurkunde — der ſich auf die Verhältniſſe des Religionsunter⸗ richts, ſeine Leitung durch die Knengeotee bezieht. Alſo das Geſetz ſagt ausdrücklich: die be⸗ ſtehende ſtädtiſche Schulaufſicht bleibt von dem Geſetz des Jahres 1872 unberührt. Daß der Miniſter dieſen § 3 nicht mit vorlas — nun, das etwa anders zu bezeichnen als wie durch ein Überſehen, ein Verſehen des Miniſters oder durch ein Vergeſſen der geſetz⸗ lichen Beſtimmungen, verbietet die Achtung, die man ſo hohen Beamten, wie Miniſtern, entgegenzubringen gewohnt iſt. (Heiterkeit.) Aber, meine Herren, ſehr erſtaunt war ich doch, als in den Verhandlungen des Ausſchuſſes auch ein Mit⸗ glied des Magiſtrats der Stadt Charlottenburg es unternahm, dieſen § 3 des Geſetzes einfach als nicht vorhanden durch Interpretation zu bezeichnen. (Stadtv. Dr. v. Liszt: Hört, Hört!) Ein Mitglied des Magiſtrats — ein außerordentlich geſchätztes Mitglied des Magiſtrats, möchte ich hin⸗ zufügen — ſagte: Wenn der § 3 auch heißt: „Un⸗ berührt durch dieſes Geſetz bleibt die den Gemeinden und deren Organen zuſtehende Teilnahme an der Schulaufficht“, ſo könne das doch nur den Sinn haben: ſo weit durch § 1 nicht etwas anderes be⸗